Der Krieg hat kein weibliches Gesicht
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Beschreibung
Autorenbeschreibung
Swetlana Alexijewitsch, 1948 in der Ukraine geboren und in Weißrussland aufgewachsen, arbeitete als Reporterin. Über die Interviews, die sie dabei führte, fand sie zu einer eigenen literarischen Gattung, dem dokumentarischen "Roman in Stimmen". Alexijewitschs Werke wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt, und sie wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. 1998 mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung, dem Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück (2001), dem National Book Critics Circle Award (2006), dem polnischen Ryszard-Kapuscinski-Preis (2011), dem mitteleuropäischen Literaturpreis Angelus (2011) und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (2013). 2015 erhielt sie den Nobelpreis für Literatur.
Beiträge
Ein sehr wichtiges Buch!
In einer Bibliothek, in einem Lesesessel zu Hause oder an einem stillen Platz in der Natur. "Der Krieg hat kein weibliches Gesicht" von Swetlana Alexijewitsch verlangt Konzentration und emotionale Offenheit, daher eignet sich ein Ort ohne Ablenkung. Ein geschichtsträchtiger Ort könnte die Wirkung noch verstärken, weil es das Bewusstsein für die historischen Dimensionen des Erzählten schärft. Gleichzeitig könnte es aber auch bedrückend sein – daher wäre ein geschützter, persönlicher Raum vermutlich am besten. Swetlana Alexijewitschs Der Krieg hat kein weibliches Gesicht ist ein einzigartiges Werk der dokumentarischen Literatur, das die Erlebnisse sowjetischer Frauen im Zweiten Weltkrieg thematisiert. Basierend auf hunderten Interviews mit ehemaligen Soldatinnen, Sanitäterinnen, Partisaninnen und anderen Beteiligten gibt das Buch eine Perspektive wieder, die in der offiziellen Geschichtsschreibung lange übersehen wurde. Durch ihre literarische Technik der Polyphonie schafft Alexijewitsch ein fragmentiertes, aber eindringliches Bild des Krieges aus weiblicher Sicht. Das Buch besteht aus einer Vielzahl individueller Berichte, die thematisch gegliedert sind. Die Frauen erzählen von ihrer Entscheidung, in den Krieg zu ziehen, von der harten Ausbildung, den Erlebnissen an der Front und von traumatischen Erfahrungen wie Verwundungen, Hunger, Angst und Tod. Gleichzeitig schildern sie Kameradschaft, Durchhaltewillen und Momente der Menschlichkeit im Grauen des Krieges. Ein zentrales Motiv ist die Rückkehr nach Hause: Viele Frauen wurden nicht als Heldinnen gefeiert, sondern als „unweiblich“ abgestempelt und stießen auf Ablehnung. Krieg wird in der Historiografie meist männlich gedacht wurde, obwohl Frauen nicht nur daran teilgenommen, sondern auch besonders darunter gelitten haben. Der Krieg hat kein weibliches Gesicht gehört zur dokumentarischen Literatur, bewegt sich jedoch an der Grenze zwischen Geschichtsschreibung und literarischer Erzählkunst. Alexijewitsch selbst nennt ihr Werk einen Roman der Stimmen, was auf den russischen Literaturtheoretiker Michail Bachtin und sein Konzept der Polyphonie verweist. Es gibt keinen dominanten Erzähler – stattdessen entsteht ein vielstimmiges, mosaikartiges Bild der weiblichen Kriegserfahrung. Statt einer chronologischen oder analytischen Erzählweise nutzt Alexijewitsch eine fragmentierte Struktur. Der Krieg erscheint nicht als eine große, zusammenhängende Geschichte von Siegen, sondern als unzählige Einzelschicksale voller Leiden und Widersprüche. Durch die direkte Sprache und die ungeschönten Erinnerungen entsteht Authentizität. Die Sprunghaftigkeit und Lückenhaftigkeit der Berichte spiegelt wider, wie Kriegserinnerungen verarbeitet werden – oft bruchstückhaft und schwer in Worte zu fassen. Alexijewitsch arbeitet mit einer bewusst mündlichen Sprache. Ihre Protagonistinnen sprechen in einfachen, oft unvollständigen Sätzen, voller Pausen, Wiederholungen und Metaphern. Diese Rohheit verleiht den Berichten eine emotionale Wucht und steht im Kontrast zur pathetischen, propagandistischen Sprache der sowjetischen Kriegsliteratur. Alexijewitsch hinterfragt nicht nur das vorherrschende Kriegsbild, sondern auch die Art und Weise, wie Erinnerung funktioniert. Ihr Werk wurde lange zensiert, weil es sich gegen die offizielle sowjetische Geschichtsschreibung stellte. Es zeigt den Krieg nicht als heroischen Kampf, sondern als grausame, oft sinnlose Erfahrung, die besonders für Frauen mit tiefgreifenden Veränderungen in ihrer Identität verbunden war. 2015 wurde Swetlana Alexijewitsch mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet, und Der Krieg hat kein weibliches Gesicht zählt zu ihren zentralen Werken. Es ist keine einfache Lektüre, aber eine, die lange nachhallt. Der Krieg hat kein weibliches Gesicht ist ein beeindruckendes Werk, das sich zwischen Literatur, Journalismus und Geschichtsschreibung bewegt. Alexijewitsch gelingt es, eine weibliche Perspektive auf den Krieg sichtbar zu machen, die lange verdrängt wurde. Durch ihre dokumentarische Methode, ihre fragmentierte Erzählstruktur und ihren bewussten Umgang mit Sprache schafft sie eine Erzählform, die sich nicht nur mit Geschichte, sondern auch mit Erinnerungskultur auseinandersetzt. Ein unverzichtbares Buch für alle, die sich mit Krieg, Erinnerung und der Rolle von Frauen in der Geschichte beschäftigen.

Trotz der unzähligen Werke der Weltkriegsliteratur gibt es eine Perspektive, die in Büchern über den 2. Weltkrieg relativ selten geschildert wird: die russische – und konkret – die russischer Soldatinnen. Denn davon gab es in der Sowjetunion sehr viele, die Frauen, die meistens noch Mädchen waren, wurden so erzogen, dass sie alles für das Heimatland geben wollten, und manchmal griffen sie zu extremen Maßnahmen, um nur an die Front beordert zu werden. So logen viele über ihr Alter. Ihre Perspektive eröffnet uns die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch in ihrem Buch „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“. Wie in allen ihren Büchern lässt sie auch hier Zeitzeugen zu Wort kommen und verfeinert deren Aussagen mit ihrer wunderbaren Sprache. Ich habe selten in einem Buch so viele ergreifende Stellen angestrichen. Nur ein Beispiel: „Ich hatte keinen Zweifel, dass ich dazu verurteilt bin, meine Bücher fortzuschreiben. Nicht umzuschreiben, sondern fortzuschreiben. Kaum habe ich einen Punkt gesetzt, wird er sofort zu drei Punkten…“ (Seite 29) Nicht mit allen Aussagen Alexijewitsch im Buch bin ich hundertprozentig einverstanden. So verweist sie in ihrer Einleitung darauf, dass Frauen anders als Männer von Gefühlen beherrscht seien, und kommt zu dem Schluss: „Aber das Wesentliche ist: Wie unerträglich es ist, zu töten, denn eine Frau gibt Leben. Trägt es lange in sich, zieht es groß. Ich begriff, dass es Frauen schwerer fällt zu töten.“ (Seite 23) Das mag in unserer immer noch patriarchalisch geprägten Gesellschaft zu großen Teilen stimmen. Es klingt aber auch ein bisschen so, als seien Frauen grundsätzlich die besseren Menschen. Wer Remarque gelesen hat oder Bilder von den sogenannten „Kriegszitterern“ aus dem 1. Weltkrieg gesehen hat, kann aber nicht bezweifeln, dass das Töten und der Krieg für viele Männer ebenso traumatisch sind. Und sollten sich die Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern ändern, wie es etwa in Naomi Aldermans Roman „The Power“ geschieht, würde dies mit dem Weltfrieden einhergehen? Gilt nicht vielleicht eher: Es ist die Macht die korrumpiert, nicht das Geschlecht? Man sollte vorsichtig mit Aussagen wie der im Zitat genannten umgehen und sie nicht pauschal auf das männliche Geschlecht übertragen. Nichtsdestotrotz ist es unbestreitbar, dass das Bild des Krieges von der männlichen Perspektive geprägt ist, und das macht Swetlana Alexijewitschs Werk so wertvoll. Interessanterweise hat Alexijewitsch die neueren Ausgaben des noch zur Sowjetzeit erschienenen Buches um besonders krasse Beispiele ergänzt, die sie zur damaligen Zeit nicht verwenden konnte. Die Schilderungen sind kaum zu fassen und zu ertragen, da werden Pferdeäpfel verschlungen, weil es nichts anderes gab, Sehnen von Verwundeten werden mit den Zähnen durchtrennt, damit die Wunde verbunden werden kann. Für Zartbesaitete ist das Buch sehr hart und ich nenne hier nicht die schlimmsten Beispiele. Kaum zu fassen auch, wie Soldatinnen nach Kriegsende manchmal vom Rest der Bevölkerung behandelt wurden. Ihnen wurde nicht selten unterstellt, an der Front die Männer verführt zu haben, als „Frontschlampen“ und „Soldatenflittchen“ wurden sie beschimpft. Dabei hatten sie unglaublich tapfere Leistungen vollbracht und waren dafür vielfach ausgezeichnet wurden. Manche Soldatinnen fanden nicht den Tod, sondern die große Liebe. Deshalb gibt es auch ein Kapitel über Paare an der Front. Was Frauen in der Roten Armee alles leisteten, ist ungeheuer beeindruckend. „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“ ist sowohl aus diesem Grund als auch in literarischer Hinsicht unbedingt zu empfehlen.
Ich habe das Buch auf S.112 abgebrochen, weil ich die Inhalte nicht ertrage. Es ist ein wichtiges Buch, doch schaffe ich die Ereignisse einen Krieges an der Front nur sachlich verpackt, neutral und kalt niedergeschrieben zu lesen, um sie dann auf rein rationaler Ebene sauber im Gehirn abzupacken. Oder der Krieg ist nur fiktiv oder unnahbar, abstrakt irgendwo weit weg beschrieben. So sehr das auch zu unserer Welt gehört, emotional verdränge ich es. Wer das emotional verarbeiten oder den nötigen Abstand halten kann, sollte das Buch lesen. Nichts wird beschönigt, es ist gnadenlos ehrlich und auf erschreckende Weise menschlich. Ich möchte es gerade doch weiterlesen.
Beschreibung
Autorenbeschreibung
Swetlana Alexijewitsch, 1948 in der Ukraine geboren und in Weißrussland aufgewachsen, arbeitete als Reporterin. Über die Interviews, die sie dabei führte, fand sie zu einer eigenen literarischen Gattung, dem dokumentarischen "Roman in Stimmen". Alexijewitschs Werke wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt, und sie wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. 1998 mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung, dem Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück (2001), dem National Book Critics Circle Award (2006), dem polnischen Ryszard-Kapuscinski-Preis (2011), dem mitteleuropäischen Literaturpreis Angelus (2011) und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (2013). 2015 erhielt sie den Nobelpreis für Literatur.
Beiträge
Ein sehr wichtiges Buch!
In einer Bibliothek, in einem Lesesessel zu Hause oder an einem stillen Platz in der Natur. "Der Krieg hat kein weibliches Gesicht" von Swetlana Alexijewitsch verlangt Konzentration und emotionale Offenheit, daher eignet sich ein Ort ohne Ablenkung. Ein geschichtsträchtiger Ort könnte die Wirkung noch verstärken, weil es das Bewusstsein für die historischen Dimensionen des Erzählten schärft. Gleichzeitig könnte es aber auch bedrückend sein – daher wäre ein geschützter, persönlicher Raum vermutlich am besten. Swetlana Alexijewitschs Der Krieg hat kein weibliches Gesicht ist ein einzigartiges Werk der dokumentarischen Literatur, das die Erlebnisse sowjetischer Frauen im Zweiten Weltkrieg thematisiert. Basierend auf hunderten Interviews mit ehemaligen Soldatinnen, Sanitäterinnen, Partisaninnen und anderen Beteiligten gibt das Buch eine Perspektive wieder, die in der offiziellen Geschichtsschreibung lange übersehen wurde. Durch ihre literarische Technik der Polyphonie schafft Alexijewitsch ein fragmentiertes, aber eindringliches Bild des Krieges aus weiblicher Sicht. Das Buch besteht aus einer Vielzahl individueller Berichte, die thematisch gegliedert sind. Die Frauen erzählen von ihrer Entscheidung, in den Krieg zu ziehen, von der harten Ausbildung, den Erlebnissen an der Front und von traumatischen Erfahrungen wie Verwundungen, Hunger, Angst und Tod. Gleichzeitig schildern sie Kameradschaft, Durchhaltewillen und Momente der Menschlichkeit im Grauen des Krieges. Ein zentrales Motiv ist die Rückkehr nach Hause: Viele Frauen wurden nicht als Heldinnen gefeiert, sondern als „unweiblich“ abgestempelt und stießen auf Ablehnung. Krieg wird in der Historiografie meist männlich gedacht wurde, obwohl Frauen nicht nur daran teilgenommen, sondern auch besonders darunter gelitten haben. Der Krieg hat kein weibliches Gesicht gehört zur dokumentarischen Literatur, bewegt sich jedoch an der Grenze zwischen Geschichtsschreibung und literarischer Erzählkunst. Alexijewitsch selbst nennt ihr Werk einen Roman der Stimmen, was auf den russischen Literaturtheoretiker Michail Bachtin und sein Konzept der Polyphonie verweist. Es gibt keinen dominanten Erzähler – stattdessen entsteht ein vielstimmiges, mosaikartiges Bild der weiblichen Kriegserfahrung. Statt einer chronologischen oder analytischen Erzählweise nutzt Alexijewitsch eine fragmentierte Struktur. Der Krieg erscheint nicht als eine große, zusammenhängende Geschichte von Siegen, sondern als unzählige Einzelschicksale voller Leiden und Widersprüche. Durch die direkte Sprache und die ungeschönten Erinnerungen entsteht Authentizität. Die Sprunghaftigkeit und Lückenhaftigkeit der Berichte spiegelt wider, wie Kriegserinnerungen verarbeitet werden – oft bruchstückhaft und schwer in Worte zu fassen. Alexijewitsch arbeitet mit einer bewusst mündlichen Sprache. Ihre Protagonistinnen sprechen in einfachen, oft unvollständigen Sätzen, voller Pausen, Wiederholungen und Metaphern. Diese Rohheit verleiht den Berichten eine emotionale Wucht und steht im Kontrast zur pathetischen, propagandistischen Sprache der sowjetischen Kriegsliteratur. Alexijewitsch hinterfragt nicht nur das vorherrschende Kriegsbild, sondern auch die Art und Weise, wie Erinnerung funktioniert. Ihr Werk wurde lange zensiert, weil es sich gegen die offizielle sowjetische Geschichtsschreibung stellte. Es zeigt den Krieg nicht als heroischen Kampf, sondern als grausame, oft sinnlose Erfahrung, die besonders für Frauen mit tiefgreifenden Veränderungen in ihrer Identität verbunden war. 2015 wurde Swetlana Alexijewitsch mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet, und Der Krieg hat kein weibliches Gesicht zählt zu ihren zentralen Werken. Es ist keine einfache Lektüre, aber eine, die lange nachhallt. Der Krieg hat kein weibliches Gesicht ist ein beeindruckendes Werk, das sich zwischen Literatur, Journalismus und Geschichtsschreibung bewegt. Alexijewitsch gelingt es, eine weibliche Perspektive auf den Krieg sichtbar zu machen, die lange verdrängt wurde. Durch ihre dokumentarische Methode, ihre fragmentierte Erzählstruktur und ihren bewussten Umgang mit Sprache schafft sie eine Erzählform, die sich nicht nur mit Geschichte, sondern auch mit Erinnerungskultur auseinandersetzt. Ein unverzichtbares Buch für alle, die sich mit Krieg, Erinnerung und der Rolle von Frauen in der Geschichte beschäftigen.

Trotz der unzähligen Werke der Weltkriegsliteratur gibt es eine Perspektive, die in Büchern über den 2. Weltkrieg relativ selten geschildert wird: die russische – und konkret – die russischer Soldatinnen. Denn davon gab es in der Sowjetunion sehr viele, die Frauen, die meistens noch Mädchen waren, wurden so erzogen, dass sie alles für das Heimatland geben wollten, und manchmal griffen sie zu extremen Maßnahmen, um nur an die Front beordert zu werden. So logen viele über ihr Alter. Ihre Perspektive eröffnet uns die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch in ihrem Buch „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“. Wie in allen ihren Büchern lässt sie auch hier Zeitzeugen zu Wort kommen und verfeinert deren Aussagen mit ihrer wunderbaren Sprache. Ich habe selten in einem Buch so viele ergreifende Stellen angestrichen. Nur ein Beispiel: „Ich hatte keinen Zweifel, dass ich dazu verurteilt bin, meine Bücher fortzuschreiben. Nicht umzuschreiben, sondern fortzuschreiben. Kaum habe ich einen Punkt gesetzt, wird er sofort zu drei Punkten…“ (Seite 29) Nicht mit allen Aussagen Alexijewitsch im Buch bin ich hundertprozentig einverstanden. So verweist sie in ihrer Einleitung darauf, dass Frauen anders als Männer von Gefühlen beherrscht seien, und kommt zu dem Schluss: „Aber das Wesentliche ist: Wie unerträglich es ist, zu töten, denn eine Frau gibt Leben. Trägt es lange in sich, zieht es groß. Ich begriff, dass es Frauen schwerer fällt zu töten.“ (Seite 23) Das mag in unserer immer noch patriarchalisch geprägten Gesellschaft zu großen Teilen stimmen. Es klingt aber auch ein bisschen so, als seien Frauen grundsätzlich die besseren Menschen. Wer Remarque gelesen hat oder Bilder von den sogenannten „Kriegszitterern“ aus dem 1. Weltkrieg gesehen hat, kann aber nicht bezweifeln, dass das Töten und der Krieg für viele Männer ebenso traumatisch sind. Und sollten sich die Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern ändern, wie es etwa in Naomi Aldermans Roman „The Power“ geschieht, würde dies mit dem Weltfrieden einhergehen? Gilt nicht vielleicht eher: Es ist die Macht die korrumpiert, nicht das Geschlecht? Man sollte vorsichtig mit Aussagen wie der im Zitat genannten umgehen und sie nicht pauschal auf das männliche Geschlecht übertragen. Nichtsdestotrotz ist es unbestreitbar, dass das Bild des Krieges von der männlichen Perspektive geprägt ist, und das macht Swetlana Alexijewitschs Werk so wertvoll. Interessanterweise hat Alexijewitsch die neueren Ausgaben des noch zur Sowjetzeit erschienenen Buches um besonders krasse Beispiele ergänzt, die sie zur damaligen Zeit nicht verwenden konnte. Die Schilderungen sind kaum zu fassen und zu ertragen, da werden Pferdeäpfel verschlungen, weil es nichts anderes gab, Sehnen von Verwundeten werden mit den Zähnen durchtrennt, damit die Wunde verbunden werden kann. Für Zartbesaitete ist das Buch sehr hart und ich nenne hier nicht die schlimmsten Beispiele. Kaum zu fassen auch, wie Soldatinnen nach Kriegsende manchmal vom Rest der Bevölkerung behandelt wurden. Ihnen wurde nicht selten unterstellt, an der Front die Männer verführt zu haben, als „Frontschlampen“ und „Soldatenflittchen“ wurden sie beschimpft. Dabei hatten sie unglaublich tapfere Leistungen vollbracht und waren dafür vielfach ausgezeichnet wurden. Manche Soldatinnen fanden nicht den Tod, sondern die große Liebe. Deshalb gibt es auch ein Kapitel über Paare an der Front. Was Frauen in der Roten Armee alles leisteten, ist ungeheuer beeindruckend. „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“ ist sowohl aus diesem Grund als auch in literarischer Hinsicht unbedingt zu empfehlen.
Ich habe das Buch auf S.112 abgebrochen, weil ich die Inhalte nicht ertrage. Es ist ein wichtiges Buch, doch schaffe ich die Ereignisse einen Krieges an der Front nur sachlich verpackt, neutral und kalt niedergeschrieben zu lesen, um sie dann auf rein rationaler Ebene sauber im Gehirn abzupacken. Oder der Krieg ist nur fiktiv oder unnahbar, abstrakt irgendwo weit weg beschrieben. So sehr das auch zu unserer Welt gehört, emotional verdränge ich es. Wer das emotional verarbeiten oder den nötigen Abstand halten kann, sollte das Buch lesen. Nichts wird beschönigt, es ist gnadenlos ehrlich und auf erschreckende Weise menschlich. Ich möchte es gerade doch weiterlesen.