Der Fundamentalist, der keiner sein wollte
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MOHSIN HAMID, geboren in Lahore, Pakistan, studierte Jura in Harvard und Literatur in Princeton. Heute lebt er mit seiner Familie in Lahore und London. Seine Romane wurden in über 30 Sprachen übersetzt. ›Der Fundamentalist, der keiner sein wollte‹ wurde von Mira Nair verfilmt. Bei DuMont erschienen zuletzt die Romane ›Exit West‹ (2017) und ›So wirst du stinkreich im boomenden Asien‹ (2013) sowie der Essayband ›Es war einmal in einem anderen Leben‹ (2016). Mit ›Der Fundamentalist, der keiner sein
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Deutsche Buchtitel, die als Relativsätze formuliert sind, lassen mich das dazugehörige Buch meist gleich in die leichte Unterhaltungsschublade stecken. Aber hier steigen keine schwedische Senioren durch geöffnete Fenster, hier hadert ein junger Pakistani, der als Stipendiat an einer Elite-Universität in den USA die kulturellen Unterschiede zwischen den beiden Ländern kennen lernt. Er tut dies in einem Monolog über 190 Seiten, wobei er interessanterweise nicht die Leserschaft anspricht, sondern die ganze Zeit mit einem US-Amerikaner in Lahore in einem Teehaus sitzt und dem stummen Gast seine Lebensgeschichte erzählt. Dabei ist er sehr eloquent und wortgewandt in der deutschen Übersetzung, überaus höflich und verständnisvoll. Preist die Vorzüge, die er in den USA genießen durfte, schildert seinen Aufstieg als Alumni der Universität und dann als junger Unternehmensbewerter in New York. Er hat es quasi geschafft, den amerikanischen Traum zu verwirklichen, doch dann kommt der 11. September und plötzlich schlagen ihm Feindseligkeiten entgegen. Bis ihn plötzlich klar wird, dass er seine eigenen Werte verkauft hat und ein Umdenkungsprozess bei ihm einsetzt. Zu Beginn wirkte dieser Monolog auf mich etwas albern und gestellt, die Hauptfigur zu überzeichnet zuvorkommend. Doch mit zunehmender Dauer schleicht sich ein ungutes Gefühl beim Lesen ein. Seine Schilderungen entwickelten sogar eine gewisse Sogwirkung bei mir. Auf was sollte das hinauslaufen? Wie der Titel einem ja schon verdeutlicht, setzte wohl eine Radikalisierung beim Fundamentalisten ein. Wie passt das zusammen, dass er im Teehaus Gewand- und Bartträger ist und Monate zuvor gescheitelt und gestylt durch die westliche Finanzwelt marschierte? Kann ich ihm als Leser trauen, obwohl er mir ja absolut sympathisch ist? Und ist die US-Amerikaner wirklich nur zufällig dort in Lahore bei ihm aufgetaucht? Die Bedenken sind berechtigt, im letzten Kapitel spitzen sich die Ereignisse zu bis zum völlig unbefriedigenden, da offenen Ende. Ich musste erst eine Nacht über das Buch schlafen, bis ich mir eingestand, dass das Ende schon genauso richtig war, wie der Autor es geschrieben hatte. Es geht er nicht darum, am Ende klare Verhältnisse zu schaffen. Das Buch will meiner Ansicht nach eher verdeutlichen, wie schwer es fällt, von seinen eigenen Rollenbildern sich zu lösen. So wie Changez eigentlich die USA liebt, sie nur zurecht kritisiert, dafür aber gleich als Systemkritiker in die Fundamentalistenschublade gesteckt wird. Ebenso genial, wie Changez Freundin in America, die zaunpfahlwinkend auch noch Erica heißt, nicht nur die Liebe zu einer Frau, sondern vielmehr die Liebe zu dem Land symbolisiert. Wie er um diese Liebe kämpft, aber (Am)Erica nie richtig nah kommt und sie letztlich verschwindet. Das ist sehr raffiniert geschrieben. Und so revidiere ich meine erste Enttäuschung über das Ende und gestehe ein, dass es ein lesenswertes Buch ist. Es gewährt einem einen ganz anderen Blickwinkel auf die weltpolitische Lage. Grüße vom Buchdisser, der keiner sein wollte.
Deutsche Buchtitel, die als Relativsätze formuliert sind, lassen mich das dazugehörige Buch meist gleich in die leichte Unterhaltungsschublade stecken. Aber hier steigen keine schwedische Senioren durch geöffnete Fenster, hier hadert ein junger Pakistani, der als Stipendiat an einer Elite-Universität in den USA die kulturellen Unterschiede zwischen den beiden Ländern kennen lernt. Er tut dies in einem Monolog über 190 Seiten, wobei er interessanterweise nicht die Leserschaft anspricht, sondern die ganze Zeit mit einem US-Amerikaner in Lahore in einem Teehaus sitzt und dem stummen Gast seine Lebensgeschichte erzählt. Dabei ist er sehr eloquent und wortgewandt in der deutschen Übersetzung, überaus höflich und verständnisvoll. Preist die Vorzüge, die er in den USA genießen durfte, schildert seinen Aufstieg als Alumni der Universität und dann als junger Unternehmensbewerter in New York. Er hat es quasi geschafft, den amerikanischen Traum zu verwirklichen, doch dann kommt der 11. September und plötzlich schlagen ihm Feindseligkeiten entgegen. Bis ihn plötzlich klar wird, dass er seine eigenen Werte verkauft hat und ein Umdenkungsprozess bei ihm einsetzt. Zu Beginn wirkte dieser Monolog auf mich etwas albern und gestellt, die Hauptfigur zu überzeichnet zuvorkommend. Doch mit zunehmender Dauer schleicht sich ein ungutes Gefühl beim Lesen ein. Seine Schilderungen entwickelten sogar eine gewisse Sogwirkung bei mir. Auf was sollte das hinauslaufen? Wie der Titel einem ja schon verdeutlicht, setzte wohl eine Radikalisierung beim Fundamentalisten ein. Wie passt das zusammen, dass er im Teehaus Gewand- und Bartträger ist und Monate zuvor gescheitelt und gestylt durch die westliche Finanzwelt marschierte? Kann ich ihm als Leser trauen, obwohl er mir ja absolut sympathisch ist? Und ist die US-Amerikaner wirklich nur zufällig dort in Lahore bei ihm aufgetaucht? Die Bedenken sind berechtigt, im letzten Kapitel spitzen sich die Ereignisse zu bis zum völlig unbefriedigenden, da offenen Ende. Ich musste erst eine Nacht über das Buch schlafen, bis ich mir eingestand, dass das Ende schon genauso richtig war, wie der Autor es geschrieben hatte. Es geht er nicht darum, am Ende klare Verhältnisse zu schaffen. Das Buch will meiner Ansicht nach eher verdeutlichen, wie schwer es fällt, von seinen eigenen Rollenbildern sich zu lösen. So wie Changez eigentlich die USA liebt, sie nur zurecht kritisiert, dafür aber gleich als Systemkritiker in die Fundamentalistenschublade gesteckt wird. Ebenso genial, wie Changez Freundin in America, die zaunpfahlwinkend auch noch Erica heißt, nicht nur die Liebe zu einer Frau, sondern vielmehr die Liebe zu dem Land symbolisiert. Wie er um diese Liebe kämpft, aber (Am)Erica nie richtig nah kommt und sie letztlich verschwindet. Das ist sehr raffiniert geschrieben. Und so revidiere ich meine erste Enttäuschung über das Ende und gestehe ein, dass es ein lesenswertes Buch ist. Es gewährt einem einen ganz anderen Blickwinkel auf die weltpolitische Lage. Grüße vom Buchdisser, der keiner sein wollte.
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MOHSIN HAMID, geboren in Lahore, Pakistan, studierte Jura in Harvard und Literatur in Princeton. Heute lebt er mit seiner Familie in Lahore und London. Seine Romane wurden in über 30 Sprachen übersetzt. ›Der Fundamentalist, der keiner sein wollte‹ wurde von Mira Nair verfilmt. Bei DuMont erschienen zuletzt die Romane ›Exit West‹ (2017) und ›So wirst du stinkreich im boomenden Asien‹ (2013) sowie der Essayband ›Es war einmal in einem anderen Leben‹ (2016). Mit ›Der Fundamentalist, der keiner sein
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Deutsche Buchtitel, die als Relativsätze formuliert sind, lassen mich das dazugehörige Buch meist gleich in die leichte Unterhaltungsschublade stecken. Aber hier steigen keine schwedische Senioren durch geöffnete Fenster, hier hadert ein junger Pakistani, der als Stipendiat an einer Elite-Universität in den USA die kulturellen Unterschiede zwischen den beiden Ländern kennen lernt. Er tut dies in einem Monolog über 190 Seiten, wobei er interessanterweise nicht die Leserschaft anspricht, sondern die ganze Zeit mit einem US-Amerikaner in Lahore in einem Teehaus sitzt und dem stummen Gast seine Lebensgeschichte erzählt. Dabei ist er sehr eloquent und wortgewandt in der deutschen Übersetzung, überaus höflich und verständnisvoll. Preist die Vorzüge, die er in den USA genießen durfte, schildert seinen Aufstieg als Alumni der Universität und dann als junger Unternehmensbewerter in New York. Er hat es quasi geschafft, den amerikanischen Traum zu verwirklichen, doch dann kommt der 11. September und plötzlich schlagen ihm Feindseligkeiten entgegen. Bis ihn plötzlich klar wird, dass er seine eigenen Werte verkauft hat und ein Umdenkungsprozess bei ihm einsetzt. Zu Beginn wirkte dieser Monolog auf mich etwas albern und gestellt, die Hauptfigur zu überzeichnet zuvorkommend. Doch mit zunehmender Dauer schleicht sich ein ungutes Gefühl beim Lesen ein. Seine Schilderungen entwickelten sogar eine gewisse Sogwirkung bei mir. Auf was sollte das hinauslaufen? Wie der Titel einem ja schon verdeutlicht, setzte wohl eine Radikalisierung beim Fundamentalisten ein. Wie passt das zusammen, dass er im Teehaus Gewand- und Bartträger ist und Monate zuvor gescheitelt und gestylt durch die westliche Finanzwelt marschierte? Kann ich ihm als Leser trauen, obwohl er mir ja absolut sympathisch ist? Und ist die US-Amerikaner wirklich nur zufällig dort in Lahore bei ihm aufgetaucht? Die Bedenken sind berechtigt, im letzten Kapitel spitzen sich die Ereignisse zu bis zum völlig unbefriedigenden, da offenen Ende. Ich musste erst eine Nacht über das Buch schlafen, bis ich mir eingestand, dass das Ende schon genauso richtig war, wie der Autor es geschrieben hatte. Es geht er nicht darum, am Ende klare Verhältnisse zu schaffen. Das Buch will meiner Ansicht nach eher verdeutlichen, wie schwer es fällt, von seinen eigenen Rollenbildern sich zu lösen. So wie Changez eigentlich die USA liebt, sie nur zurecht kritisiert, dafür aber gleich als Systemkritiker in die Fundamentalistenschublade gesteckt wird. Ebenso genial, wie Changez Freundin in America, die zaunpfahlwinkend auch noch Erica heißt, nicht nur die Liebe zu einer Frau, sondern vielmehr die Liebe zu dem Land symbolisiert. Wie er um diese Liebe kämpft, aber (Am)Erica nie richtig nah kommt und sie letztlich verschwindet. Das ist sehr raffiniert geschrieben. Und so revidiere ich meine erste Enttäuschung über das Ende und gestehe ein, dass es ein lesenswertes Buch ist. Es gewährt einem einen ganz anderen Blickwinkel auf die weltpolitische Lage. Grüße vom Buchdisser, der keiner sein wollte.
Deutsche Buchtitel, die als Relativsätze formuliert sind, lassen mich das dazugehörige Buch meist gleich in die leichte Unterhaltungsschublade stecken. Aber hier steigen keine schwedische Senioren durch geöffnete Fenster, hier hadert ein junger Pakistani, der als Stipendiat an einer Elite-Universität in den USA die kulturellen Unterschiede zwischen den beiden Ländern kennen lernt. Er tut dies in einem Monolog über 190 Seiten, wobei er interessanterweise nicht die Leserschaft anspricht, sondern die ganze Zeit mit einem US-Amerikaner in Lahore in einem Teehaus sitzt und dem stummen Gast seine Lebensgeschichte erzählt. Dabei ist er sehr eloquent und wortgewandt in der deutschen Übersetzung, überaus höflich und verständnisvoll. Preist die Vorzüge, die er in den USA genießen durfte, schildert seinen Aufstieg als Alumni der Universität und dann als junger Unternehmensbewerter in New York. Er hat es quasi geschafft, den amerikanischen Traum zu verwirklichen, doch dann kommt der 11. September und plötzlich schlagen ihm Feindseligkeiten entgegen. Bis ihn plötzlich klar wird, dass er seine eigenen Werte verkauft hat und ein Umdenkungsprozess bei ihm einsetzt. Zu Beginn wirkte dieser Monolog auf mich etwas albern und gestellt, die Hauptfigur zu überzeichnet zuvorkommend. Doch mit zunehmender Dauer schleicht sich ein ungutes Gefühl beim Lesen ein. Seine Schilderungen entwickelten sogar eine gewisse Sogwirkung bei mir. Auf was sollte das hinauslaufen? Wie der Titel einem ja schon verdeutlicht, setzte wohl eine Radikalisierung beim Fundamentalisten ein. Wie passt das zusammen, dass er im Teehaus Gewand- und Bartträger ist und Monate zuvor gescheitelt und gestylt durch die westliche Finanzwelt marschierte? Kann ich ihm als Leser trauen, obwohl er mir ja absolut sympathisch ist? Und ist die US-Amerikaner wirklich nur zufällig dort in Lahore bei ihm aufgetaucht? Die Bedenken sind berechtigt, im letzten Kapitel spitzen sich die Ereignisse zu bis zum völlig unbefriedigenden, da offenen Ende. Ich musste erst eine Nacht über das Buch schlafen, bis ich mir eingestand, dass das Ende schon genauso richtig war, wie der Autor es geschrieben hatte. Es geht er nicht darum, am Ende klare Verhältnisse zu schaffen. Das Buch will meiner Ansicht nach eher verdeutlichen, wie schwer es fällt, von seinen eigenen Rollenbildern sich zu lösen. So wie Changez eigentlich die USA liebt, sie nur zurecht kritisiert, dafür aber gleich als Systemkritiker in die Fundamentalistenschublade gesteckt wird. Ebenso genial, wie Changez Freundin in America, die zaunpfahlwinkend auch noch Erica heißt, nicht nur die Liebe zu einer Frau, sondern vielmehr die Liebe zu dem Land symbolisiert. Wie er um diese Liebe kämpft, aber (Am)Erica nie richtig nah kommt und sie letztlich verschwindet. Das ist sehr raffiniert geschrieben. Und so revidiere ich meine erste Enttäuschung über das Ende und gestehe ein, dass es ein lesenswertes Buch ist. Es gewährt einem einen ganz anderen Blickwinkel auf die weltpolitische Lage. Grüße vom Buchdisser, der keiner sein wollte.