Blaue Frau
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Beschreibung
Autorenbeschreibung
Antje Rávik Strubel veröffentlichte u.a. die Romane »Unter Schnee« (2001), »Fremd Gehen. Ein Nachtstück« (2002), »Tupolew 134« (2004) sowie den Episodenroman »In den Wäldern des menschlichen Herzens« (2016). Ihr Werk wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, ihr Roman »Kältere Schichten der Luft« (2007) war für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert und wurde mit dem Rheingau Literatur Preis sowie dem Hermann-Hesse-Preis ausgezeichnet, der Roman »Sturz der Tage in die Nacht« (2011) stand auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. 2019 erhielt sie den Preis der Literaturhäuser. Ihr Roman »Blaue Frau« wurde mit dem Deutschen Buchpreis 2021 ausgezeichnet. Im Juli 2022 erschien der Essayband »Es hört nie auf, dass man etwas sagen muss«. Sie übersetzt aus dem Englischen und Schwedischen u.a. Joan Didion, Monika Fagerholm, Lucia Berlin und Virginia Woolf. Antje Rávik Strubel lebt in Potsdam (www.antjestrubel.de)
Beiträge
Gerade noch rechtzeitig vor Verleihung des Deutschen Buchpreises 2024 das Buch von 2021 fertig gehört. Ich habe es eine ganze Weile vor mir her geschoben aufgrund des schweren Themas, bin aber froh, es jetzt dann doch gehört zu haben. Die Hörbuchversion war auch die richtige Wahl für mich. Das Buch ist schwer zu begreifen, unbequem, poetisch, sperrig, komplex, zäh, vielschichtig, brisant, sprunghaft, schwer. Man muss sich darauf einlassen, dann entfaltet es seine Wirkung.
Kennt Ihr das auch? Du hättest Zeit zum Lesen, aber das Buch will dich einfach nicht einfangen, du liest Seite um Seite, aber eigentlich hast du gar nicht verstanden was da steht, weil deine Gedanken bei was anderem waren, bei der Bügelwäsche vielleicht.... Du blätterst zurück. Du willst ja nichts auslassen! 2.Versuch... aber nach ein paar Seiten stellst du fest, dass die Gedanken bereits wieder woanders sind. OK, also keine Lesezeit, dann ist es vielleicht doch Bügelzeit. Ein paar Stunden später, sitze ich wieder hier. Worte und Sätze sind aneinandergereiht. Ich schweife schon wieder ab und sehe das Unkraut im Garten, ich stehe auf und ziehe mir Gartenhandschuhe an. Das gibt es doch nicht! Ich habe in 8 Tagen nur 153 Seiten gelesen? Das lese ich doch sonst an einem Tag! Ich werde einfach nicht warm mit Adina, Sala, Nina, der letzte Mohikaner, der Protagonistin, mit den vielen unterschiedlichen Namen, sie hat kein Gesicht, ich weiß nicht mal ihre Haarfarbe. Oder habe ich den Teil überlesen? Aufgewachsen ist sie in Tschechien, nach ihrem Abitur ist sie nach Deutschland gezogen. Irgendwann war sie in Rio, ach nein, auf Seite 150 erfahre ich, dass sie nur mit Rio gechattet hat. Dann gibt es noch eine andere Zeitebene: Adina befindet sich in Helsinki. Dorthin scheint sie geflüchtet zu sein. Warum, habe ich noch nicht herausgefunden, denn die Autorin lässt mich im Nebel, sie weicht aus und umschreibt einfach alles. Und um es noch komplizierter zu machen gibt es eine weitere Geschichte - Die blaue Frau: Diese taucht immer im Hafen von Helsinki auf. ABBRUCH auf Seite 153. Ich hasse es Bücher abzubrechen, es lässt mich unzufrieden zurück. Aber mein Haushalt ist aufgeräumt, die Bügelwäsche ist weg und im Garten wächst auch kein Unkraut mehr. Ich möchte jetzt endlich wieder lesen.
Eine etwas zähe Geschichte einer Vergewaltigung. Eine etwas mühselig dahin fliessende Geschichte, die immer wieder durch das Auftauchen einer geheimnisvollen blauen Frau unterbrochen wird.
Das große Unbehagen - das hat die Autorin bei mir ausgelöst. Von der ersten bis zur letzten Seite war es unbequem und sicher braucht es mehr davon, um strukturelle Probleme sichtbar zu machen.
Ein Roman, der beim Lesen Wunden aufkratzt, Dunkelstellen bloßlegt, den Leser:innen nicht erlaubt, die Augen zu verschließen – weder vor Ausbeutung, Sexismus und sexueller Gewalt, noch vor den Machtstrukturen, die diese ermöglichen oder zumindest nicht verhindern. Die Protagonistin muss erkennen, dass ihr erlebtes Unrecht und erlebter Schmerz aberkannt werden, und das nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen, die gelernt haben, in einem von Männern geprägtem System erfolgreich zu sein. Die Autorin lässt all das in einer Sprache voller Symbolik anklingen – mal leise und unterschwellig, mal atemberaubend ausdrucksstark.
Schwer verdaulich
Wer in Not ist, kennt keine Organisation, an die man sich wenden kann, keine Notrufnummern, keine Beratungshotlines oder E-Mail-Adressen. In Not hat man keine Zeit, sich im Internet zu informieren. Dieses Zitat von Seite 31 beschreibt gut, die Hilflosigkeit, der die Protagonistin Adina / Sala / Nina ausgesetzt ist. Eine Hilflosigkeit oder Unsicherheit, die der für mich einzige rote Faden des ganzen Romans ist. Leider bin ich mit der nicht-chronologischen Erzählweise überhaupt nicht warm geworden. Die Struktur der Erzählungen ist so aufgebaut, dass viele zentrale Momente nur umschrieben statt beschrieben werden, was aus einer offenkundigen Angststörung der Protagonistin herrührt. Das alles führt zu einem eher anstrengenden Leseerlebnis, aber auch zu einem starken Aufschluss, den ich als Mann gewinnen durfte. Es zeigt auf eine brutale Art und Weise, wie sich eine Frau verhält oder verhalten kann, nachdem sie sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch erfahren hat. Es werden viele gesellschaftlich wichtige Themen im Bezug auf sexualisierte Gewalt angesprochen, auch wenn das Format dieses Romans sicherlich nicht massenkompatibel ist. Eine einfachere Erzählweise könnte dazu beitragen, dass mehr Menschen für diese Themen sensibilisiert werden.
ich liebe formell gut durchdachte, fast schon überdachte literatur sehr gerne und "blaue frau" passt da definitiv dazu. durch den sehr starken charakterlichen fokus auf adina hatte ich als leserin das gefühl, sie schon sehr lange und ausführlich zu kennen. die szenerie, die klar formulierten sätze, alles scheint zu adina zu passen. die vielen kurzen einschübe der blauen frau geben immer nochmal einen kleinen impuls in die erzählung mit, und die identität der frau bleibt ein kleines mysterium. die vielen themen, mit denen sich adina auseinandersetzt (sexismus, europäische ost-west-politik, antislawischer rassismus, sexualität...) geben fast einen kleinen coming of age touch, da adina mit alledem konfrontiert wird, nachdem sie ihr heimatdorf im riesengebirge verlässt. vieles der kritik aus dem feuilleton kann ich nachvollziehen (insbesondere inwieweit es überhaupt okay ist, wenn eine deutsche autorin eine tschechin als opfer darstellt (siehe taz), aber da bin ich nicht qualifiziert genug um ein urteil zu fällen), mir hat die "unorganische verkopfung" und "gezwungene kunstschaffung" jedoch nichts ausgemacht. für mich persönlich mein zweitliebstes buch des jahres bisher. heftige gefühle sind manchmal wie ein spiegel, der alles doppelt so groß aussehen lässt, als es in wirklichkeit ist. (s 265) tw: sexueller und körperlicher missbrauch, antislawischer rassismus
Im Grunde mag ich Romane wie diesen. Nicht chronologische Erzählweise, sukzessive Bereitstellung von Puzzlestücken, phantasieanregende Lücken in der Geschichte, verschiedene Metaebenen, poetische Sprache, gute Beschreibungen. All dies hat der Roman, so dass ich ihn auch mit Interesse und Gefallen an der Erzählweise gelesen habe. Und trotzdem hat es nicht so richtig gefunkt zwischen uns. Ich habe lange überlegt, was mich störte und bin mir nicht ganz sicher, aber am meisten nervten mich die Ambitionen der Autorin, möglichst viele gesellschaftliche Probleme im Buch unterzubringen. Ich kam mir vor wie beim Themen-Bingo. Dabei ist das eigentliche Thema des Buchs, eine Vergewaltigung und die anschließenden Torturen des Opfers vor der Gesellschaft und der Justiz wichtig und ausreichend, um einen Roman zu füllen. Dies wurde im Roman auch gut umgesetzt. Die Autorin hat jahrelang an ihrem Roman gearbeitet, was man ihm auch anmerkt. Da war keine stringente Idee, die niedergeschrieben werden musste. Mir kam es so vor, als ob immer mehr neue Ideen ins Spiel gebracht wurden, und plötzlich wird es ein Roman über das europäische Ost/West-Problem, eine EU-Kritik, eine Kritik am konservativen Festhalten der Sprache, die Probleme bei der Identitätssuche, die Deutschen als solche und die Ostdeutschen im Speziellen, der Machtmissbrauch nicht nur im sexuellen Bereich, das Versagen der Justiz, die durch das Patriarchat bestimmte Gesetze und Männer generell und überhaupt. Statt immer neue Themen einzuführen und die Geschichte noch komplexer zu machen, hätte die Autorin für meinen Geschmack mehr Engagement in die Ausgestaltung ihrer Figuren legen können und den Fokus auf das Innenleben ihrer Protagonistin legen sollen. Da war viel Schwarz und Weiß und wenig Grautöne bei den Figurenzeichnungen, wenn man mal von der Protagonistin absieht. Muss die tschechische Protagonistin wirklich von einem deutschen Bengel (er heißt wirklich so) missbraucht werden, der wiederum als Kulturbeauftragter auch Kontakt mit einem estnischen EU-Politiker hat, der in einer finnischen Universität arbeitet und der wiederum die Tschechin zufälligerweise in Helsinki aufgabelt und ihr Unterschlupf bietet, wodurch sie auch noch die Möglichkeit einer Selbstjustiz… Ach was soll‘s, so ist das Leben, voller Zufälle. Ich kann verstehen, dass das Buch den Buchpreis gewann. Es ist halt absolut gesellschaftsrelevant, da hatte die Jury beim Themen-Bingo bestimmt Freude. Ich halte es trotz meiner ausführlichen Kritik aber für ein lesenswertes Buch und, da mir Vati, Eurotrash und Identitti noch weniger gefielen, zumindest aus diesem Quartett für die richtige Wahl.
Zuviel politische Vergangenheitsbewältigung. Zu viel springen durch die Zeiten. Letztendlich ein Me too Roman.
Folgt
Rätselhafte Blaue Frau
Das Buch habe ich im vorigen Jahr abgebrochen, warum soll ich das weiterlesen? Nun wollte ich es doch wissen, was es mit der blauen Frau auf sich hat. Da gibt es nur Spekulationen. Teilweise ist das Buch doch gut geschrieben. Schwer zugänglich für mich. Das Me Too Thema. Mit Tiefgang. Leider sind auch alle Ungerechtigkeiten der DDR Abwicklung und und und erwähnt also Vergangenheitsbewältigung hier ohne Tiefgang.
Beschreibung
Autorenbeschreibung
Antje Rávik Strubel veröffentlichte u.a. die Romane »Unter Schnee« (2001), »Fremd Gehen. Ein Nachtstück« (2002), »Tupolew 134« (2004) sowie den Episodenroman »In den Wäldern des menschlichen Herzens« (2016). Ihr Werk wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, ihr Roman »Kältere Schichten der Luft« (2007) war für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert und wurde mit dem Rheingau Literatur Preis sowie dem Hermann-Hesse-Preis ausgezeichnet, der Roman »Sturz der Tage in die Nacht« (2011) stand auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. 2019 erhielt sie den Preis der Literaturhäuser. Ihr Roman »Blaue Frau« wurde mit dem Deutschen Buchpreis 2021 ausgezeichnet. Im Juli 2022 erschien der Essayband »Es hört nie auf, dass man etwas sagen muss«. Sie übersetzt aus dem Englischen und Schwedischen u.a. Joan Didion, Monika Fagerholm, Lucia Berlin und Virginia Woolf. Antje Rávik Strubel lebt in Potsdam (www.antjestrubel.de)
Beiträge
Gerade noch rechtzeitig vor Verleihung des Deutschen Buchpreises 2024 das Buch von 2021 fertig gehört. Ich habe es eine ganze Weile vor mir her geschoben aufgrund des schweren Themas, bin aber froh, es jetzt dann doch gehört zu haben. Die Hörbuchversion war auch die richtige Wahl für mich. Das Buch ist schwer zu begreifen, unbequem, poetisch, sperrig, komplex, zäh, vielschichtig, brisant, sprunghaft, schwer. Man muss sich darauf einlassen, dann entfaltet es seine Wirkung.
Kennt Ihr das auch? Du hättest Zeit zum Lesen, aber das Buch will dich einfach nicht einfangen, du liest Seite um Seite, aber eigentlich hast du gar nicht verstanden was da steht, weil deine Gedanken bei was anderem waren, bei der Bügelwäsche vielleicht.... Du blätterst zurück. Du willst ja nichts auslassen! 2.Versuch... aber nach ein paar Seiten stellst du fest, dass die Gedanken bereits wieder woanders sind. OK, also keine Lesezeit, dann ist es vielleicht doch Bügelzeit. Ein paar Stunden später, sitze ich wieder hier. Worte und Sätze sind aneinandergereiht. Ich schweife schon wieder ab und sehe das Unkraut im Garten, ich stehe auf und ziehe mir Gartenhandschuhe an. Das gibt es doch nicht! Ich habe in 8 Tagen nur 153 Seiten gelesen? Das lese ich doch sonst an einem Tag! Ich werde einfach nicht warm mit Adina, Sala, Nina, der letzte Mohikaner, der Protagonistin, mit den vielen unterschiedlichen Namen, sie hat kein Gesicht, ich weiß nicht mal ihre Haarfarbe. Oder habe ich den Teil überlesen? Aufgewachsen ist sie in Tschechien, nach ihrem Abitur ist sie nach Deutschland gezogen. Irgendwann war sie in Rio, ach nein, auf Seite 150 erfahre ich, dass sie nur mit Rio gechattet hat. Dann gibt es noch eine andere Zeitebene: Adina befindet sich in Helsinki. Dorthin scheint sie geflüchtet zu sein. Warum, habe ich noch nicht herausgefunden, denn die Autorin lässt mich im Nebel, sie weicht aus und umschreibt einfach alles. Und um es noch komplizierter zu machen gibt es eine weitere Geschichte - Die blaue Frau: Diese taucht immer im Hafen von Helsinki auf. ABBRUCH auf Seite 153. Ich hasse es Bücher abzubrechen, es lässt mich unzufrieden zurück. Aber mein Haushalt ist aufgeräumt, die Bügelwäsche ist weg und im Garten wächst auch kein Unkraut mehr. Ich möchte jetzt endlich wieder lesen.
Eine etwas zähe Geschichte einer Vergewaltigung. Eine etwas mühselig dahin fliessende Geschichte, die immer wieder durch das Auftauchen einer geheimnisvollen blauen Frau unterbrochen wird.
Das große Unbehagen - das hat die Autorin bei mir ausgelöst. Von der ersten bis zur letzten Seite war es unbequem und sicher braucht es mehr davon, um strukturelle Probleme sichtbar zu machen.
Ein Roman, der beim Lesen Wunden aufkratzt, Dunkelstellen bloßlegt, den Leser:innen nicht erlaubt, die Augen zu verschließen – weder vor Ausbeutung, Sexismus und sexueller Gewalt, noch vor den Machtstrukturen, die diese ermöglichen oder zumindest nicht verhindern. Die Protagonistin muss erkennen, dass ihr erlebtes Unrecht und erlebter Schmerz aberkannt werden, und das nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen, die gelernt haben, in einem von Männern geprägtem System erfolgreich zu sein. Die Autorin lässt all das in einer Sprache voller Symbolik anklingen – mal leise und unterschwellig, mal atemberaubend ausdrucksstark.
Schwer verdaulich
Wer in Not ist, kennt keine Organisation, an die man sich wenden kann, keine Notrufnummern, keine Beratungshotlines oder E-Mail-Adressen. In Not hat man keine Zeit, sich im Internet zu informieren. Dieses Zitat von Seite 31 beschreibt gut, die Hilflosigkeit, der die Protagonistin Adina / Sala / Nina ausgesetzt ist. Eine Hilflosigkeit oder Unsicherheit, die der für mich einzige rote Faden des ganzen Romans ist. Leider bin ich mit der nicht-chronologischen Erzählweise überhaupt nicht warm geworden. Die Struktur der Erzählungen ist so aufgebaut, dass viele zentrale Momente nur umschrieben statt beschrieben werden, was aus einer offenkundigen Angststörung der Protagonistin herrührt. Das alles führt zu einem eher anstrengenden Leseerlebnis, aber auch zu einem starken Aufschluss, den ich als Mann gewinnen durfte. Es zeigt auf eine brutale Art und Weise, wie sich eine Frau verhält oder verhalten kann, nachdem sie sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch erfahren hat. Es werden viele gesellschaftlich wichtige Themen im Bezug auf sexualisierte Gewalt angesprochen, auch wenn das Format dieses Romans sicherlich nicht massenkompatibel ist. Eine einfachere Erzählweise könnte dazu beitragen, dass mehr Menschen für diese Themen sensibilisiert werden.
ich liebe formell gut durchdachte, fast schon überdachte literatur sehr gerne und "blaue frau" passt da definitiv dazu. durch den sehr starken charakterlichen fokus auf adina hatte ich als leserin das gefühl, sie schon sehr lange und ausführlich zu kennen. die szenerie, die klar formulierten sätze, alles scheint zu adina zu passen. die vielen kurzen einschübe der blauen frau geben immer nochmal einen kleinen impuls in die erzählung mit, und die identität der frau bleibt ein kleines mysterium. die vielen themen, mit denen sich adina auseinandersetzt (sexismus, europäische ost-west-politik, antislawischer rassismus, sexualität...) geben fast einen kleinen coming of age touch, da adina mit alledem konfrontiert wird, nachdem sie ihr heimatdorf im riesengebirge verlässt. vieles der kritik aus dem feuilleton kann ich nachvollziehen (insbesondere inwieweit es überhaupt okay ist, wenn eine deutsche autorin eine tschechin als opfer darstellt (siehe taz), aber da bin ich nicht qualifiziert genug um ein urteil zu fällen), mir hat die "unorganische verkopfung" und "gezwungene kunstschaffung" jedoch nichts ausgemacht. für mich persönlich mein zweitliebstes buch des jahres bisher. heftige gefühle sind manchmal wie ein spiegel, der alles doppelt so groß aussehen lässt, als es in wirklichkeit ist. (s 265) tw: sexueller und körperlicher missbrauch, antislawischer rassismus
Im Grunde mag ich Romane wie diesen. Nicht chronologische Erzählweise, sukzessive Bereitstellung von Puzzlestücken, phantasieanregende Lücken in der Geschichte, verschiedene Metaebenen, poetische Sprache, gute Beschreibungen. All dies hat der Roman, so dass ich ihn auch mit Interesse und Gefallen an der Erzählweise gelesen habe. Und trotzdem hat es nicht so richtig gefunkt zwischen uns. Ich habe lange überlegt, was mich störte und bin mir nicht ganz sicher, aber am meisten nervten mich die Ambitionen der Autorin, möglichst viele gesellschaftliche Probleme im Buch unterzubringen. Ich kam mir vor wie beim Themen-Bingo. Dabei ist das eigentliche Thema des Buchs, eine Vergewaltigung und die anschließenden Torturen des Opfers vor der Gesellschaft und der Justiz wichtig und ausreichend, um einen Roman zu füllen. Dies wurde im Roman auch gut umgesetzt. Die Autorin hat jahrelang an ihrem Roman gearbeitet, was man ihm auch anmerkt. Da war keine stringente Idee, die niedergeschrieben werden musste. Mir kam es so vor, als ob immer mehr neue Ideen ins Spiel gebracht wurden, und plötzlich wird es ein Roman über das europäische Ost/West-Problem, eine EU-Kritik, eine Kritik am konservativen Festhalten der Sprache, die Probleme bei der Identitätssuche, die Deutschen als solche und die Ostdeutschen im Speziellen, der Machtmissbrauch nicht nur im sexuellen Bereich, das Versagen der Justiz, die durch das Patriarchat bestimmte Gesetze und Männer generell und überhaupt. Statt immer neue Themen einzuführen und die Geschichte noch komplexer zu machen, hätte die Autorin für meinen Geschmack mehr Engagement in die Ausgestaltung ihrer Figuren legen können und den Fokus auf das Innenleben ihrer Protagonistin legen sollen. Da war viel Schwarz und Weiß und wenig Grautöne bei den Figurenzeichnungen, wenn man mal von der Protagonistin absieht. Muss die tschechische Protagonistin wirklich von einem deutschen Bengel (er heißt wirklich so) missbraucht werden, der wiederum als Kulturbeauftragter auch Kontakt mit einem estnischen EU-Politiker hat, der in einer finnischen Universität arbeitet und der wiederum die Tschechin zufälligerweise in Helsinki aufgabelt und ihr Unterschlupf bietet, wodurch sie auch noch die Möglichkeit einer Selbstjustiz… Ach was soll‘s, so ist das Leben, voller Zufälle. Ich kann verstehen, dass das Buch den Buchpreis gewann. Es ist halt absolut gesellschaftsrelevant, da hatte die Jury beim Themen-Bingo bestimmt Freude. Ich halte es trotz meiner ausführlichen Kritik aber für ein lesenswertes Buch und, da mir Vati, Eurotrash und Identitti noch weniger gefielen, zumindest aus diesem Quartett für die richtige Wahl.
Zuviel politische Vergangenheitsbewältigung. Zu viel springen durch die Zeiten. Letztendlich ein Me too Roman.
Folgt
Rätselhafte Blaue Frau
Das Buch habe ich im vorigen Jahr abgebrochen, warum soll ich das weiterlesen? Nun wollte ich es doch wissen, was es mit der blauen Frau auf sich hat. Da gibt es nur Spekulationen. Teilweise ist das Buch doch gut geschrieben. Schwer zugänglich für mich. Das Me Too Thema. Mit Tiefgang. Leider sind auch alle Ungerechtigkeiten der DDR Abwicklung und und und erwähnt also Vergangenheitsbewältigung hier ohne Tiefgang.