Kangal

Kangal

Hardcover
4.124
FrankfurtHerkunftGenerationenporträtAnspruchsvolle Literatur

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Beschreibung

Dilek und Tekin sind ein junges Paar in Istanbul. Nicht erst seit dem Juli 2016 hat sich auch für sie die Stadt verändert. Als Dilek Jahre später in ein Flugzeug steigt, weiß ihr Freund nichts davon, niemand soll wissen, dass sie, die online »Kangal« heißt, bald in Frankfurt landet. Ayla ist überrascht, als ihre Cousine Dilek sich bei ihr meldet, die gemeinsamen Sommer sind lange her. Und während sich Tekin in Istanbul auf die Suche macht, fragt sich Ayla: Wer ist Dilek heute? Sie will ihr glauben, aber ist das, was Dilek fürchtet, auch wahr? 

Anna Yeliz Schentke erzählt furchtlos und aufrichtig von der Freundschaft in instabilen Zeiten. »Kangal« ist ein atemloser Roman über aktuelle Unterdrückung und über eine Generation, die auf der Suche ist: nach einer gemeinsamen Sprache, nach Sicherheit und Zugehörigkeit.

Longlist des Deutschen Buchpreises 2022

Haupt-Genre
Romane
Sub-Genre
Zeitgenössische Romane
Format
Hardcover
Seitenzahl
208
Preis
21.60 €

Autorenbeschreibung

Anna Yeliz Schentke ist 1990 in Frankfurt geboren, aufgewachsen und lebt auch heute dort. Das letzte Mal in Istanbul war sie Ende 2015. Im Frühjahr 2020 nahm sie an der Schreibwerkstatt der Jürgen Ponto-Stiftung teil und stand im Herbst 2020 auf der Shortlist des Wortmeldungen-Förderpreises. Ihr Debütroman »Kangal« (2022) stand auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2022 und wurde mit dem Förderpreis des Friedrich-Hölderlin-Preises der Stadt Bad Homburg 2023 ausgezeichnet.

Beiträge

11
Alle
5

Ein Buch, das einen noch lange nachdenklich zurück lässt - absolute Leseempfehlung

Das Buch handelt in sehr kurzen eindrücklichen Kapiteln von den aktuellen politischen Verhältnissen in der Türkei. Es handelt von Identität, Heimat, Freiheit aus der Sicht mehrerer junger Menschen in Istanbul und Frankfurt. Es handelt von einer Denunziations-App und von einer Situation, in der man seinen Verwandten und Nachbarn nicht mehr trauen kann. Jeder, der überlegt als Tourist in die Türkei zu reisen, sollte das Buch vorher gelesen haben.

5

Anna Yeliz Schentke erzählt in ungemein eindringlichen Worten und mit messerscharfer Präzision davon, wie Menschen durch ihre Angst kontrolliert bzw. instrumentalisiert werden.

Der Putschversuch des türkischen Militärs gegen die Regierung Erdoğan ist noch nicht lange her. Der verhängte Ausnahmezustand erlaubt es dem türkischen Präsidenten, per Dekret zu regieren; die Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit wird immer weiter eingeschränkt. Es kommt zu Massenverhaftungen, Bildungseinrichtungen werden geschlossen, der Putsch dient als Rechtfertigung für eine zunehmende Beschneidung der Grundrechte und für eine erbarmungslose Kontrolle der Opposition. Dies ist die Situation, in deren Kontext »Kangal« angesiedelt ist. Im Zentrum der Geschichte stehen zwei junge Frauen – Kusinen und als Kinder engste Freundinnen –, die einen sehr unterschiedlichen Blick auf die Geschehnisse in der Türkei haben. Beide sind in der Türkei geboren worden, aber während Dilek ihr ganzes bisheriges Leben dort verbracht hat, ist Aylas Familie schon vor einigen Jahren nach Deutschland ausgewandert. Ihre Mütter zerstritten sich damals bis aufs Blut, so dass die beiden Mädchen sich aus den Augen verloren. Dilek ist im Geheimen regierungskritisch, führt einen entsprechenden Blog unter dem Namen Kangal1210 und muss nun fürchten, dass jemand ihr Alibi verraten hat. Gibt es schon eine Akte über sie? Ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie verhaftet wird? Eingesperrt, gefoltert? Sie flieht nach Deutschland, in der Hoffnung, bei Ayla Unterstützung zu finden – und doch mit der Angst, sogar Ayla könnte sie verraten. “Mit den Türken musst du vorsichtig sein, weil wenn die rausfinden, dass du Oppositionelle bist, dann bist du in Gefahr. Die haben ihre Kontakte, das heißt, du kannst nie wieder zurück. Und mit den Deutschen ist es auch schwierig, die denken immer erst mal, dass man den gut findet, dass man religiös ist oder nationalistisch. Den einen darfst du nicht sagen, dass du dagegen bist, den anderen musst du es sagen. Und du musst direkt erkennen, wer wer ist.” (ZITAT) Ayla hingegen weiß nicht so recht, was sie glauben soll. Kann es in der Türkei denn wirklich so schlimm sein? Ist das nicht übertrieben, paranoid? Gegenüber Dilek traut sie sich nicht, ihre Zweifel auszusprechen, doch eine Freundin von ihr hat da keine Skrupel. Es würden doch so viele jedes Jahr in die Türkei fahren, und niemandem wäre etwas passiert! Da tut sich eine Kluft auf, nicht mal aus böser Absicht. So wie der Unglaube Ayla sprachlos macht, steht Dilek deren Zweifeln in ohnmächtiger Erstarrung gegenüber. Wie soll sie etwas erklären, das für sie so allgegenwärtig ist, dass es keiner Erklärung bedarf? Ayla hat auch so genug eigene Probleme. Vor kurzem hat sie ihren Verlobten verlassen, weil der sie schlug, und fühlt sich jetzt in das Klischee der armen unterdrückten Türkin gedrängt. Außerdem geht sie heimlich zur Uni, denn ihre Eltern beharren da tatsächlich noch auf veraltete Ansichten. Tradition und Moderne – gerade in Deutschland lebende Türk:innen können sich oft nicht aus den alten Strukturen lösen. Und sie sind es dann auch, die aus der Ferne Erdoğan wählen. Obwohl Dilek und Ayla im Mittelpunkt stehen, kommen auch andere Menschen zu Wort, wie Dileks Freund Tekin, der Angst hat, sie niemals wiederzusehen und daher versucht, herauszufinden, ob es denn überhaupt wirklich eine Akte über sie gibt. Ein wenig blauäugig ist er ja schon – oder hat er Recht und Dileks Flucht war übereilt? Leser:innen können sich da nie sicher sein, denn auch die Charaktere selber leben in diffuser Unsicherheit und gerade darum oft in bleierner Angst. Dann gibt es da noch Soraya und Hilal, ein lesbisches Pärchen, das zu Dileks und Tekins Freundeskreis in Istanbuld gehört. Zweimal küssen sie sich im Club, auf dem Heimweg wird Hilal verprügelt und verliert ein Auge. Die Bedrohung als kritischer Mensch, die Bedrohung als Frau, die Bedrohung als lesbische Frau… Die Bedrohung hat viele Gesichter und sucht sich ihre Rechtfertigung ganz von allein. Und die Angst, die würzt das Ganze noch mit fehlgeleiteter Schuldzuweisung und Denunziation. Wie praktisch, dass es dafür sogar eine App gibt – ein paar Zeilen, ein paar Klicks, mehr braucht es nicht, um ein Leben zu ruinieren. Die Freiheit wird quasi im Keim erstickt. “Die Angst ist nachhaltig und wendig. Sie erwischt dich im Alltag, bei der Familie, auf der Arbeit, in der Liebe. Aber wir sind, daran denken ich jeden Tag, und ich muss glauben, dass es so ist, nur im Hinterraum. Wir sind nicht auf dem Müll gelandet. Wir sind nur im Hinterraum.” (ZITAT) Auch in Deutschland können Türk:innen sich nicht unbedingt gegenseitig trauen – diese Erosion der Gemeinschaft, des Zusammenhalts, spielt den Machthabern in die Hände. Regierungskritischen Personen wird so der sichere Hafen genommen, an den sie sich sonst flüchten könnten: Die Familie, die Freunde in Deutschland sind kein verlässlicher Schutz mehr. Wer hat die App, wer ist bereit, sie zu benutzen? Das ist das Gift der Diktatur, das durch die kleinste Ritze in den privaten Raum sickert. Fazit Die Charaktere in »Kangal« blicken aus sehr unterschiedlichen Perspektiven auf das, was nach dem Putschversuch des Militärs im Jahr 2016 in der Türkei passiert. Anna Yeliz Schentke erzählt in ungemein eindringlichen Worten und mit messerscharfer Präzision davon, wie Menschen durch ihre Angst kontrolliert bzw. instrumentalisiert werden; die geschickt konstruierte Geschichte rast durch die kurzen Kapitel, in fieberhafter Intensität, und verliert dennoch nicht den Blick für die Graustufen. Auf kleinstem Raum gibt sie allen Charakteren eine Stimme für ihre Ängste, ihre Hoffnungen, ihre Bedenken, ihre Wünsche – ihre ganz reale Bedrohung. Wer hat Recht, wer hat Unrecht, so einfach macht es die Autorin ihren Leser:innen nicht. Aber dieses beeindruckende Debüt bietet auf jeden Fall einen differenzierten Einblick in die Lebenswirklichkeit der Menschen, deren Existenz von diesem Putschversuch auf die eine oder die andere Art verändert wurden. Hier wird niemand klein geredet oder lächerlich gemacht, denn auch Unverständnis oder Unwissen haben ihre Wurzeln in einem System, das Wissen und Selbstbestimmung auf perfide Art und Weise beschneidet.

2

2,5* Irgendwie... war das nicht meins. Ich finde das Thema super wichtig und interessant, aber diese Geschichte war einfach wirr und distanziert. Die Figuren sind blass geblieben und größtenteils hat es mich gelangweilt. Meh. CW: häusliche Gewalt, Rassismus

5

Von einem Tag auf den anderen flüchtet Dilek. Von der Türkei nach Deutschland. Niemand weiß davon. Selbst ihr Freund Tekin nicht. Doch der Grund ist ihm klar. Denn schließlich ist Dilek Aktivistin. Unter dem Nickname Kangal 1210 sorgt sie für mächtig Unruhe. Als eine Freundin von ihr wegen “terroristischer Aktivitäten” verhaftet wird, gerät Dilek eben in Panik und türmt. Nach Frankfurt. Denn dort hat sie noch eine Cousine. Ayla. Ayla ist in Deutschland aufgewachsen, hat seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zu Dilek. Bis sich Dilek eben bei ihr meldet… In “Kangal” treffen Regime-Kritik und Familienabgründe aufeinander. Mit ruhigen Worten und puristischen Sätzen reißt Anna Yeliz Schentke hier Seelenhorizonte auf. Mal aus der Sicht von Tekin, mal Ayla und natürlich immer wieder Dilek. Was unterscheidet eine Türkin, die ihr Leben in der Türkei verbrachte von einer, für die Deutschland die Heimat ist? Wie bricht man Rollenbilder auf? Oder wie kann man dem Patriarchat entkommen? Es sind die ganz großen Gesellschaftsthemen, denen sich Anna Yeliz Schentke hier widmet - und zwar konsequent aus der Sichtweise des Privaten heraus. Das hat eine ungeheure Strahlkraft, macht das Buch nicht nur gesellschaftlich, sondern sogar politisch relevant. Dabei prangert Anna Yeliz Schentke aber nicht an und erhebt auch nicht den mahnenden Zeigefinger, sondern erzählt einfach. Genau dadurch verstärkt sich die Wirkung, die Anklage. Wobei Anna Yeliz Schentke kein Drama daraus macht. Im Gegenteil! Ihre Figuren vergehen sich nicht in explodieren Emotionen und großen Worten, sondern sprechen leise. Dafür eindringlich. So lernt man Dilek erst nach und nach kennen. Und verstehen. Sie kommt immer näher an einen heran. Bis sie so nahbar ist, dass man sie gar nicht wieder gehen lassen möchte. Genau dieser Umstand macht das Ende umso heftiger. Mich persönlich hat es arg im Magen getroffen, atemlos zurückgelassen. Das ist ganz, ganz fantastische Erzählkunst. Ein beeindruckendes Debüt! * #Kangal wurde mir als Rezensionsexemplar von #NetGalleyDE zur Verfügung gestellt.

5

“Von Deutschland aus wählen sie die Parteien, die mein Land zu einem gemacht haben, in dem man nicht mehr bleiben kann.” Die offensichtlichen und doch unvorhersehbaren Unruhen in der Türkei, machen sich schleichend auch im Leben von Tekin und Dilek breit. Dilek operiert online als Kangal1210. Der Umgang mit den Menschen - nach dem gescheiterten Putschversuch im Jahr 2016 – ist für Dilek nicht in Ordnung. Personen, die sich gegen das Regime äußern verschwinden. Ein falsches Wort, ein unbedachter Satz, ein demonstratives Gespräch, das die falschen Personen hören; und man findet sich im Gefängnis wieder. Eines Tages ist Dilek fort, ohne ein Wort, in Deutschland untergetaucht. Ein Teil ihrer Familie lebt dort. Der Teil, mit dem sie früher Sommerurlaube in der Türkei verbrachte, bevor die Mütter sich zerstritten hatte. Ihre Cousine Ayla, mit der sie sehr eng verbunden war. Doch ist diese Verbundenheit nach all den Jahren und der Absenz noch immer da? Kann man sich, in Zeiten wie diesen, vertrauen? In Zeiten, wo in der Türkei Menschen ohne Vorwarnung verhaftet werden, währen die Türken in Deutschland dies abtun, als ob es nicht passiert? Kann sie je wieder zurück in ihre Heimat? Wird sie Tekin und die anderen je wiedersehen? . „Ich weiß, Dilek wird nie still sein, egal wo sie ist. Selbst wenn Baran Kangals Namen nennen würde. Dilekt ist nicht Kangal und Kangal ist nicht Dilek. Wir sind Kangal und auf Dauer sind wir mehr.“ . Als ich zu Beginn in die Geschichte eintauchte, hat sie mich so gar nicht abgeholt, bin ich doch thematisch in der politischen Lage in der Türkei nur am Rande drin. Es kam mir langweilig vor, dachte mir, was soll da Großartiges kommen. Doch der Irrtum offenbarte sich recht flott, denn auch wenn die einzelnen Protagonist*innen sprachlich immer nur in kurzen Episoden auftauchen, so sagen sie dennoch genug, um herauszufinden, dass ZU VIEL GESPRÄCH einen das Leben kosten kann. Das permanente Gefühl „einen Verfolger“ zu haben, ist für mich unvorstellbar. Der psychische Druck. Die tägliche Angst verraten zu werden. In Verbindung gebracht zu werden, mit möglichen feindlichen Personen des Regimes. Mit bester Phantasie kann ich mich nicht hineindenken. Nur fürchten, Kopfschütteln und Gänsehaut bekommen – das kann ich. . Auf den ersten Blick wäre meine Kritik, dass das Buch nicht sehr in die Tiefe geht. Nach etwas Nachdenken braucht es das hier aber nicht, finde ich. Das was wir hier lesen (und auch nicht lesen) ist völlig ausreichend, um zu erahnen, dass es einfach falsch läuft, dass es prekär werden kann, dass MANN mit Ängsten und Macht spielt. Und eines wird klar, die Türkei ist nicht nur bekannt für Urlaubs-Halligalli und einen schönen Markt, wo man einkaufen kann. Nein, sie steht auch für eine Politik, die keinen Widerstand duldet, egal welcher Art. Ich freue mich auf weiteres von der Autorin und hoffe, dass sie thematisch anknüpft – ich bin sehr interessiert. . Ein tolles Buch, dass mich nach wenigen Seiten total eingesogen hatte, sodass ich es bis 3 Uhr morgens weginhalierte. . LESEEMPFEHLUNG!

3

Eine nüchterne Erzählung über eine Geflohene des türkischen Regimes. Sachlich, unaufregend, trotzdem interessant. Mir aber hat etwas gefehlt, und das war das Innere der Figuren

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(Review to follow in March -> arc)

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2,5* Irgendwie... war das nicht meins. Ich finde das Thema super wichtig und interessant, aber diese Geschichte war einfach wirr und distanziert. Die Figuren sind blass geblieben und größtenteils hat es mich gelangweilt. Meh. CW: häusliche Gewalt, Rassismus

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Schon lange nicht mehr gelesen, was mich so viel (vermeintliche?) Paranoia und Dringlichkeit hat spüren lassen.

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