Wir sehen uns am Meer: Roman
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Beiträge
In Israel löste das Buch einen kleinen Skandal aus: landete es im Jahr 2015 noch auf einer Vorschlagsliste für den Lehrplan in Gymnasien, wurde es 2016 vom israelischen Bildungsministerium als Schullektüre verboten – mit der Begründung, die Liebesgeschichte ermutige zu Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden. Das wiederum sei ein Problem, da es Assimilation fördere und die separate israelische Identität beschädige. Paradoxerweise führte gerade das Verbot dazu, dass sich das Buch umso besser verkaufte. Das zentrale Thema des Buches, die Frage nach persönlicher Identität im Konflikt mit kultureller, politischer und gesellschaftlicher Identität, traf offensichtlich den Zeitgeist und füllte eine Lücke in der israelischen Gegenwartsliteratur. Autoren wie Amos Oz stellten sich solidarisch hinter die Autorin und ihr Werk. Dabei könnte es eine Liebesgeschichte wie jede andere sein: die Studentin Liat trifft in New York, wo sie ein Auslandssemester verbringt, den jungen Maler Chilmi und die beiden verlieben sich Hals über Kopf. Eine stürmische, glühende Liebe, neben der alles andere verblasst – oder? Liat ist jüdische Israelin, Chilmi muslimischer Palästinenser, daher dürfen ihre Familien und Freunde in der Heimat nichts von dieser Liebe erfahren. Es ist eine Liebe mit Verfallsdatum – Liat hat ihr Rückflugticket nach Israel schon gebucht und hat nicht vor, daran etwas zu ändern. Sie ist nicht bereit, sich zu Chilmi zu bekennen, was einen Bruch mit ihrer bisherigen Identität bedeuten würde. Die Protagonisten haben einen autobiografischen Hintergrund: Dorit Rabinyan hatte vor vielen Jahren eine Beziehung mit dem Künstler Hasan Hourani, lebte als israelische Jüdin die Liebe zu einem Palästinenser. Auch das Ende des Romans spiegelt wieder, was in Wirklichkeit geschah, dennoch betont sie, dass Liat nicht Dorit ist und Chilmi nicht Hasan. Auf jeden Fall sind beide Charaktere wunderbar geschrieben – komplex, glaubhaft und authentisch. Dabei wagt es die Autorin, ihrer Heldin eine große charakterliche Schwäche zu geben: Liat ist feige. Beim leisesten Anflug der Gefahr, ihre Familie könne von Chilmi erfahren, verleugnet sie ihn. Wenn sie beim gemeinsamen Spaziergang einen Bekannten erspäht, lässt sie Chilmis Hand fallen, dreht sich von ihm weg, geht auf Abstand, vermummt ihr Gesicht. Sogar, wenn sie mit der Heimat bloß telefoniert, bittet sie Chilmi, für zehn Minuten aus ihrem Leben zu verschwinden. Wenn Chilmi und Liat über den israelisch-palästinensichen Konflikt streiten, stellt sie erschrocken fest, dass sie in patriotische Phrasen verfällt, die sie selber nicht glaubt. Liat macht es dem Leser oft nicht leicht, dennoch lädt sie ihn ein, mit ihr mitzufühlen und sie zu verstehen. Denn trotz allem liebt sie Chimli ehrlich, und letztendlich schmerzt ihr Verhalten sie selbst am meisten. An einer Stelle sinniert sie wehmütig, dass Chilmi und sie niemals alleine sind mit sich und ihren Gefühlen. Auch in New York, fernab des Konfliktes, steht dessen Geschichte zwischen ihnen wie eine lebende Mauer. Die Autorin erzählt die Geschichte dieser Liebe in eindrucksvollen Worten. Der Schreibstil ist ungemein lebendig und farbenfroh, spricht in Bildern voller Atmosphäre alle Sinne an. In ruhigen, nachdenklichen Passagen entwickeln ihre Worte hingegen eine zarte Poesie, die lange nachhallt. Ein Gedicht, das die Realität nie verschleiert, sondern die Konflikte umso deutlicher hervortreten lässt. Ich fand die Geschichte unwiderstehlich, am liebsten hätte ich das Buch in einem Rutsch durchgelesen. Nicht nur die Liebesgeschichte fesselte mich an die Seiten – auch die Einblicke in diesen langjährigen Konflikt, gesehen durch die Augen zweier Menschen, die auf unterschiedlichen Seiten stehen, sind unglaublich spannend. FAZIT Liat und Chilmi lernen sich in New York kennen und lieben – aber diese Liebe darf nicht sein. Liats Eltern sind jüdische Flüchlinge aus dem Iran, ihre Familie lebt inzwischen in Tel-Aviv. Chilmis Familie dagegen lebt im palästinensichen Autonomiegebiet Ramallah. Beide Familien wären ohne Zweifel entsetzt über eine Beziehung ihrer Kinder mit ‘dem Feind’. Doch Liat hat ohnehin vor, in wenigen Monaten nach Israel zurückzukehren und Chilmi zurückzulassen… Dorit Rabinyan erzählt diese zutiefst romantische Geschichte fernab vom Kitsch und beleuchtet den israelisch-palästinensichen Konflikt mal aus einer anderen Sichtweise. Das Buch ist in großen Teilen autobiografisch und löste einen kleinen Skandal in Israel aus, obwohl dies nicht die Absicht der Autorin war. Diese Rezension erschien zunächst auf meinem Buchblog: https://wordpress.mikkaliest.de/2018/06/28/rezension-dorit-rabinyan-wir-sehen-uns-am-meer/
„Wir sehen uns am Meer“ ist ein sehr schönes Buch über eine Liebe die nicht sein soll, und gerade deswegen möglich ist. Liat, eine Israelin und Chilmi, ein Pakistani treffen sich in New York und verlieben sich sofort in einander. Doch ihre Beziehung ist nur auf Zeit, denn nach ein paar Monaten soll Liat wieder zurück nach Israel. Gerade wegen dieser Ablaufzeit kann sie sich auf die Beziehung einlassen. Doch es ist nicht einfach, die beiden lieben sich, doch die Konflikte ihrer Herkunft verfolgen sie auch in New York. Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen, die Liebe der beiden ist schön, aber auch so zerbrechlich, die Charaktere wirken so real, genauso ihre Probleme. Wirken tut das ganze vor allem wegen der wunderschönen und poetischen Sprache. Die Autorin malt förmlich mit ihren Worten ein Bild und der Leser verliert sich mit den Charakteren darin. Die Geschichte wird aus der Perspektive von Liat erzählt, später, als es viel um Chilmi geht, erzählt sie so als würde sie mit ihm sprechen, das macht es sehr persönlich und emotional. Der Leser kann wie Liat nur vermuten, was in Chilmi vorgeht, was er erlebt, wenn sie nicht da ist, trotzdem ergibt sich ein Bild. Die ganze Zeit habe ich mit Chilmi und Liat gehofft und gezweifelt. Habe vor allem mit Chilmi gefühlt, der so still vor sich hin leidet. Liat hingegen ist manchmal sehr egoistisch, was real ist, es ist eben keine Liebesgeschichte wie im Märchen. Wer sowas sucht, der ist hier falsch. Mir hat gerade das gefallen. Die Geschichte ist wirklich von Anfang bis Ende traurig schön.
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In Israel löste das Buch einen kleinen Skandal aus: landete es im Jahr 2015 noch auf einer Vorschlagsliste für den Lehrplan in Gymnasien, wurde es 2016 vom israelischen Bildungsministerium als Schullektüre verboten – mit der Begründung, die Liebesgeschichte ermutige zu Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden. Das wiederum sei ein Problem, da es Assimilation fördere und die separate israelische Identität beschädige. Paradoxerweise führte gerade das Verbot dazu, dass sich das Buch umso besser verkaufte. Das zentrale Thema des Buches, die Frage nach persönlicher Identität im Konflikt mit kultureller, politischer und gesellschaftlicher Identität, traf offensichtlich den Zeitgeist und füllte eine Lücke in der israelischen Gegenwartsliteratur. Autoren wie Amos Oz stellten sich solidarisch hinter die Autorin und ihr Werk. Dabei könnte es eine Liebesgeschichte wie jede andere sein: die Studentin Liat trifft in New York, wo sie ein Auslandssemester verbringt, den jungen Maler Chilmi und die beiden verlieben sich Hals über Kopf. Eine stürmische, glühende Liebe, neben der alles andere verblasst – oder? Liat ist jüdische Israelin, Chilmi muslimischer Palästinenser, daher dürfen ihre Familien und Freunde in der Heimat nichts von dieser Liebe erfahren. Es ist eine Liebe mit Verfallsdatum – Liat hat ihr Rückflugticket nach Israel schon gebucht und hat nicht vor, daran etwas zu ändern. Sie ist nicht bereit, sich zu Chilmi zu bekennen, was einen Bruch mit ihrer bisherigen Identität bedeuten würde. Die Protagonisten haben einen autobiografischen Hintergrund: Dorit Rabinyan hatte vor vielen Jahren eine Beziehung mit dem Künstler Hasan Hourani, lebte als israelische Jüdin die Liebe zu einem Palästinenser. Auch das Ende des Romans spiegelt wieder, was in Wirklichkeit geschah, dennoch betont sie, dass Liat nicht Dorit ist und Chilmi nicht Hasan. Auf jeden Fall sind beide Charaktere wunderbar geschrieben – komplex, glaubhaft und authentisch. Dabei wagt es die Autorin, ihrer Heldin eine große charakterliche Schwäche zu geben: Liat ist feige. Beim leisesten Anflug der Gefahr, ihre Familie könne von Chilmi erfahren, verleugnet sie ihn. Wenn sie beim gemeinsamen Spaziergang einen Bekannten erspäht, lässt sie Chilmis Hand fallen, dreht sich von ihm weg, geht auf Abstand, vermummt ihr Gesicht. Sogar, wenn sie mit der Heimat bloß telefoniert, bittet sie Chilmi, für zehn Minuten aus ihrem Leben zu verschwinden. Wenn Chilmi und Liat über den israelisch-palästinensichen Konflikt streiten, stellt sie erschrocken fest, dass sie in patriotische Phrasen verfällt, die sie selber nicht glaubt. Liat macht es dem Leser oft nicht leicht, dennoch lädt sie ihn ein, mit ihr mitzufühlen und sie zu verstehen. Denn trotz allem liebt sie Chimli ehrlich, und letztendlich schmerzt ihr Verhalten sie selbst am meisten. An einer Stelle sinniert sie wehmütig, dass Chilmi und sie niemals alleine sind mit sich und ihren Gefühlen. Auch in New York, fernab des Konfliktes, steht dessen Geschichte zwischen ihnen wie eine lebende Mauer. Die Autorin erzählt die Geschichte dieser Liebe in eindrucksvollen Worten. Der Schreibstil ist ungemein lebendig und farbenfroh, spricht in Bildern voller Atmosphäre alle Sinne an. In ruhigen, nachdenklichen Passagen entwickeln ihre Worte hingegen eine zarte Poesie, die lange nachhallt. Ein Gedicht, das die Realität nie verschleiert, sondern die Konflikte umso deutlicher hervortreten lässt. Ich fand die Geschichte unwiderstehlich, am liebsten hätte ich das Buch in einem Rutsch durchgelesen. Nicht nur die Liebesgeschichte fesselte mich an die Seiten – auch die Einblicke in diesen langjährigen Konflikt, gesehen durch die Augen zweier Menschen, die auf unterschiedlichen Seiten stehen, sind unglaublich spannend. FAZIT Liat und Chilmi lernen sich in New York kennen und lieben – aber diese Liebe darf nicht sein. Liats Eltern sind jüdische Flüchlinge aus dem Iran, ihre Familie lebt inzwischen in Tel-Aviv. Chilmis Familie dagegen lebt im palästinensichen Autonomiegebiet Ramallah. Beide Familien wären ohne Zweifel entsetzt über eine Beziehung ihrer Kinder mit ‘dem Feind’. Doch Liat hat ohnehin vor, in wenigen Monaten nach Israel zurückzukehren und Chilmi zurückzulassen… Dorit Rabinyan erzählt diese zutiefst romantische Geschichte fernab vom Kitsch und beleuchtet den israelisch-palästinensichen Konflikt mal aus einer anderen Sichtweise. Das Buch ist in großen Teilen autobiografisch und löste einen kleinen Skandal in Israel aus, obwohl dies nicht die Absicht der Autorin war. Diese Rezension erschien zunächst auf meinem Buchblog: https://wordpress.mikkaliest.de/2018/06/28/rezension-dorit-rabinyan-wir-sehen-uns-am-meer/
„Wir sehen uns am Meer“ ist ein sehr schönes Buch über eine Liebe die nicht sein soll, und gerade deswegen möglich ist. Liat, eine Israelin und Chilmi, ein Pakistani treffen sich in New York und verlieben sich sofort in einander. Doch ihre Beziehung ist nur auf Zeit, denn nach ein paar Monaten soll Liat wieder zurück nach Israel. Gerade wegen dieser Ablaufzeit kann sie sich auf die Beziehung einlassen. Doch es ist nicht einfach, die beiden lieben sich, doch die Konflikte ihrer Herkunft verfolgen sie auch in New York. Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen, die Liebe der beiden ist schön, aber auch so zerbrechlich, die Charaktere wirken so real, genauso ihre Probleme. Wirken tut das ganze vor allem wegen der wunderschönen und poetischen Sprache. Die Autorin malt förmlich mit ihren Worten ein Bild und der Leser verliert sich mit den Charakteren darin. Die Geschichte wird aus der Perspektive von Liat erzählt, später, als es viel um Chilmi geht, erzählt sie so als würde sie mit ihm sprechen, das macht es sehr persönlich und emotional. Der Leser kann wie Liat nur vermuten, was in Chilmi vorgeht, was er erlebt, wenn sie nicht da ist, trotzdem ergibt sich ein Bild. Die ganze Zeit habe ich mit Chilmi und Liat gehofft und gezweifelt. Habe vor allem mit Chilmi gefühlt, der so still vor sich hin leidet. Liat hingegen ist manchmal sehr egoistisch, was real ist, es ist eben keine Liebesgeschichte wie im Märchen. Wer sowas sucht, der ist hier falsch. Mir hat gerade das gefallen. Die Geschichte ist wirklich von Anfang bis Ende traurig schön.