Was bleibt

Was bleibt

Taschenbuch
4.34
Ministerium Für StaatssicherheitZeugnisDdrLiteraturstreit

Durch das Verwenden dieser Links unterstützt du READO. Wir erhalten eine Vermittlungsprovision, ohne dass dir zusätzliche Kosten entstehen.

Beschreibung

Der morgendliche Blick durch die Vorhänge zeigt es: Wieder steht das Auto mit den unauffälligen Männern von der Stasi vor der Tür. Die Ich-Erzählerin, eine Schriftstellerin aus Ostberlin, weiß sich unter ständiger Beobachtung, in ihrer Wohnung, beim Telefonieren, auf dem Weg zu einer Lesung. Doch am Ende dieses Tages werden sich auch Lücken im System gezeigt haben, die Anlaß zu Hoffnung geben.
Haupt-Genre
Romane
Sub-Genre
Zeitgenössische Romane
Format
Taschenbuch
Seitenzahl
92
Preis
8.30 €

Autorenbeschreibung

Christa Wolf, geboren 1929 in Landsberg/Warthe (Gorzów Wielkopolski), lebte in Berlin und Woserin, Mecklenburg-Vorpommern. Ihr Werk wurde mit zahlreichen Preisen, darunter dem Georg-Büchner-Preis, dem Thomas-Mann-Preis und dem Uwe-Johnson-Preis, ausgezeichnet. Sie verstarb am 1. Dezember 2011 in Berlin.

Beiträge

2
Alle
4

Welche Rolle würde ich in einem totalitären Überwachungsstaat einnehmen? Wäre ich Angepasster, Mitläufer, treuer Ergebener oder Revolutionär? Wäre ich Opfer, Täter oder Zuschauer? Ich habe mir diese Fragen oft gestellt, wenn ich die Verwandtschaft in der DDR besuchte, die ganz sicher nicht zu den Opfern zählte. Wie hätte ich reagiert, wenn ich auf ein Spitzeltätigkeit angesprochen wäre, mit einem eventuellen Versprechen auf den erhofften Studienplatz? Zu sagen, ich hätte die Rolle des Widerständler eingenommen, wäre einfach und schön. Ich würde es mal hoffen, dass ich den Mut gehabt hätte. Christa Wolf hatte den Mut offensichtlich nicht. In den Nachrufen nach ihrem Tod 2011 gab es immer wieder Hinweise auf die Ambivalenzen in ihrem Lebenslauf. Von kraftvoller Autorin bis" DDR-Staatsschreiberin" (MRR) war die ganze Bandbreite dabei. Ich kann mich erinnern, wie sie kurz nach der Wende vor Tausenden auf dem Alex stand und für einen erneuerten Sozialstaat warb. Sie wurde nicht gehört. 1990 veröffentlichte sie dann die Erzählung WAS BLEIBT, die sie größtenteils bereits 1979 geschrieben hatte. Darin geht es um den Tag einer Schriftstellerin in Ost-Berlin, die unter ständiger offener Überwachung durch das MfS zu leiden hat. Während sie in ihrer Wohnung sich auf eine Lesung am Abend im Kulturzentrum vorbereitet, stehen die jungen Herren im Wartburg vor ihrer Wohnung und beobachten sie. Die Stasi-Leute wissen, dass die Autorin von der Bespitzelung weiß und auch die Autorin winkt ihren Beobachtern scherzhaft zu. Ihre Wohnung wurde durchwühlt, Spiegel zerbrochen, sie kann nur noch in Codes mit Freunden reden. Alles wirkt wahnsinnig bedrückend. Am Abend bei der Lesung setzten sich die Spitzel ganz offen ins Publikum und ihre eigentlichen Fans werden draußen vor der Tür von der Polizei verjagt. Die Erzählung als solches fand ich hervorragend. Das Gefühl der Überwachung und der Einengung wurde wunderbar in Worte gefasst. Unter diesen Gesichtspunkten ist es sogar fünf Sterne wert. Im Gegensatz zu dem von mir wenig geschätzten KINDHEITSMUSTER, wo Wolf sich ausschließlich in Erinnerungen, also in der Vergangenheit bewegt, spielt die vorliegende Erzählung im Hier und Jetzt. Das kann sie besser. Nach der Veröffentlichung entstand ein deutsch-deutscher Literaturstreit um die Verantwortung der Intellektuellen in der DDR. Warum hat Christa Wolf nicht den Mut aufgebracht, diese Erzählung schon früher zu publizieren? Der Text wäre 1979 wichtiger gewesen als 11 Jahre später. Stellt sie sich zurecht als Opfer dar, wo sie doch ein Jahr später ihre IM-Tätigkeit auf Druck der Gauck-Behörde veröffentlichte. "In jener anderen Sprache, die ich im Ohr, noch nicht auf der Zunge habe, werde ich eines Tages auch darüber reden. Heute, das wußte ich, wäre es noch zu früh. Aber würde ich spüren, wenn es an der Zeit ist?" , schreibt sie in der Erzählung. Sie will irgendwann mutiger sein, doch 1990 war wohl nicht mehr der richtige Zeitpunkt dafür. Da wirkte es nachtragend und feige für viele Kritiker. Ich habe meine 4-Sterne-Bewertung ganz alleine auf den Text bezogen, ohne die Hintergrundgeschichte zu bewerten. Denn wie schon am Anfang gesagt: Wer bin ich, dass ich Frau Wolf für ihr Verhalten kritisieren kann? Ich wüsste ja selbst nicht, ob ich mutig gewesen wäre.

4

Welche Rolle würde ich in einem totalitären Überwachungsstaat einnehmen? Wäre ich Angepasster, Mitläufer, treuer Ergebener oder Revolutionär? Wäre ich Opfer, Täter oder Zuschauer? Ich habe mir diese Fragen oft gestellt, wenn ich die Verwandtschaft in der DDR besuchte, die ganz sicher nicht zu den Opfern zählte. Wie hätte ich reagiert, wenn ich auf ein Spitzeltätigkeit angesprochen wäre, mit einem eventuellen Versprechen auf den erhofften Studienplatz? Zu sagen, ich hätte die Rolle des Widerständler eingenommen, wäre einfach und schön. Ich würde es mal hoffen, dass ich den Mut gehabt hätte. Christa Wolf hatte den Mut offensichtlich nicht. In den Nachrufen nach ihrem Tod 2011 gab es immer wieder Hinweise auf die Ambivalenzen in ihrem Lebenslauf. Von kraftvoller Autorin bis" DDR-Staatsschreiberin" (MRR) war die ganze Bandbreite dabei. Ich kann mich erinnern, wie sie kurz nach der Wende vor Tausenden auf dem Alex stand und für einen erneuerten Sozialstaat warb. Sie wurde nicht gehört. 1990 veröffentlichte sie dann die Erzählung WAS BLEIBT, die sie größtenteils bereits 1979 geschrieben hatte. Darin geht es um den Tag einer Schriftstellerin in Ost-Berlin, die unter ständiger offener Überwachung durch das MfS zu leiden hat. Während sie in ihrer Wohnung sich auf eine Lesung am Abend im Kulturzentrum vorbereitet, stehen die jungen Herren im Wartburg vor ihrer Wohnung und beobachten sie. Die Stasi-Leute wissen, dass die Autorin von der Bespitzelung weiß und auch die Autorin winkt ihren Beobachtern scherzhaft zu. Ihre Wohnung wurde durchwühlt, Spiegel zerbrochen, sie kann nur noch in Codes mit Freunden reden. Alles wirkt wahnsinnig bedrückend. Am Abend bei der Lesung setzten sich die Spitzel ganz offen ins Publikum und ihre eigentlichen Fans werden draußen vor der Tür von der Polizei verjagt. Die Erzählung als solches fand ich hervorragend. Das Gefühl der Überwachung und der Einengung wurde wunderbar in Worte gefasst. Unter diesen Gesichtspunkten ist es sogar fünf Sterne wert. Im Gegensatz zu dem von mir wenig geschätzten KINDHEITSMUSTER, wo Wolf sich ausschließlich in Erinnerungen, also in der Vergangenheit bewegt, spielt die vorliegende Erzählung im Hier und Jetzt. Das kann sie besser. Nach der Veröffentlichung entstand ein deutsch-deutscher Literaturstreit um die Verantwortung der Intellektuellen in der DDR. Warum hat Christa Wolf nicht den Mut aufgebracht, diese Erzählung schon früher zu publizieren? Der Text wäre 1979 wichtiger gewesen als 11 Jahre später. Stellt sie sich zurecht als Opfer dar, wo sie doch ein Jahr später ihre IM-Tätigkeit auf Druck der Gauck-Behörde veröffentlichte. "In jener anderen Sprache, die ich im Ohr, noch nicht auf der Zunge habe, werde ich eines Tages auch darüber reden. Heute, das wußte ich, wäre es noch zu früh. Aber würde ich spüren, wenn es an der Zeit ist?" , schreibt sie in der Erzählung. Sie will irgendwann mutiger sein, doch 1990 war wohl nicht mehr der richtige Zeitpunkt dafür. Da wirkte es nachtragend und feige für viele Kritiker. Ich habe meine 4-Sterne-Bewertung ganz alleine auf den Text bezogen, ohne die Hintergrundgeschichte zu bewerten. Denn wie schon am Anfang gesagt: Wer bin ich, dass ich Frau Wolf für ihr Verhalten kritisieren kann? Ich wüsste ja selbst nicht, ob ich mutig gewesen wäre.

Beitrag erstellen

Mehr von Christa Wolf

Alle
Monsieur – wir finden uns wieder
Sämtliche Essays und Reden Band 1
Wir haben uns wirklich an allerhand gewöhnt
August (German List)
Umbrüche und Wendezeiten
Eulogy for the Living: Taking Flight (German List)
Sehnsucht nach Menschlichkeit
Was nicht in den Tagebüchern steht
Man steht sehr bequem zwischen allen Fronten
Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud
Kein Ort. Nirgends
Moskauer Tagebücher
Herr Wolf erwartet Gäste und bereitet für sie ein Essen vor
Nachruf auf Lebende. Die Flucht
Kein Ort. Nirgends
Nachruf auf Lebende. Die Flucht (suhrkamp taschenbuch)
Nachruf auf Lebende. Die Flucht
City of Angels: Or, the Overcoat of Dr. Freud
August
August und andere Erzählungen
Literamedia
Medea von Christa Wolf. Textanalyse und Interpretation mit ausführlicher Inhaltsangabe und Abituraufgaben mit Lösungen.
Ein Tag im Jahr im neuen Jahrhundert
August
Sommerstück
Störfall
Leibhaftig - Radierungen
Rede, daß ich dich sehe
Unter den Linden
Medea von Christa Wolf.
Verändert euch!
Sommerstück / Landschaften
Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud
Malerfreunde
Stadt der Engel
Störfall Aschebilder
Der geteilte Himmel von Christa Wolf. Textanalyse und Interpretation.
Sich aussetzen. Das Wort ergreifen
Ja, unsere Kreise berühren sich
Leibhaftig
Kassandra von Christa Wolf. Textanalyse und Interpretation.
Ins Ungebundene gehet eine Sehnsucht
Ein Tag im Jahr
Voraussetzungen einer Erzählung: Kassandra
Die Lust, gekannt zu sein
Leidenschaften
Was bleibt
Kassandra
Der Worte Adernetz
Brigitte Edition / Kein Ort. Nirgends