Haarmann
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Beschreibung
Autorenbeschreibung
Dirk Kurbjuweit, geboren 1962 in Wiesbaden, zählt zu den vielseitigsten und renommiertesten Autoren unserer Gegenwart. Als Zeit- und Spiegel-Reporter einer breiten Leserschaft bekannt, überzeugte er schon früh als Erzähler. Nach dem Debüt »Die Einsamkeit der Krokodile« (1995) wurden besonders die Novelle »Zweier ohne« (2001) und der Roman »Angst« (2013) von der Kritik gefeiert. Zuletzt sorgten der Roman »Haarmann« (2020) und die Erzählung »Der Ausflug« (2022) für breites Presse-Echo. Etliche seiner literarischen Erfolge dienten als Vorlage für Verfilmungen, Theaterstücke und Hörspiele.
Beiträge
In den 1920ern erschütterte eine Mordserie Hannover, die nie ganz aufgeklärt werden konnte. Bis heute sind die genaue Anzahl der Opfer sowie die Rolle zweier Mitangeklagter nicht erwiesen. Mindestens 24 Jungen und junge Männer wurden von Fritz Haarmann in seine Wohnung gelockt und ermordet, ihre Kleider verkauft und ihr Fleisch – vermutlich – verarbeitet und ebenfalls verkauft. In seinem Roman „Haarmann“ lässt Dirk Kurbjuweit den fiktiven Kriminalisten Lahnstein, erst vor kurzem aus der französischen Kriegsgefangenschaft entlassen und noch unter dem Verlust von Frau und Kind leidend, aus Bochum nach Hannover kommen, um dort das reihenweise Verschwinden der jungen Männer aufzuklären. Dabei stößt Lahnstein auf eine Mauer des Schweigens und Ablehnung von seinen Polizeikollegen; der Verdacht, der Polizei-Informant Haarmann wird geschützt, drängt sich auf. Erst durch einen Zufall gelingt es, den Serienmörder zu fassen. Haarmannn ist nicht nur ein spannender Kriminalroman, er zeigt vor allem das Leben vor 100 Jahren. Der schreckliche erste Weltkrieg ist erst kurz vorbei, viele ehemalige Soldaten sind immer noch traumatisiert, Gewalt ist an der Tagesordnung. Die spanische Grippe hat bereits gewütet, die Wirtschaft liegt am Boden, die Menschen sind arm, verzweifelt, Homosexualität ist ein Verbrechen. Zudem herrscht in der Weimarer Republik politische Unsicherheit, die Nazis stehen kurz vor ihrem Durchbruch. Vor diesem Hintergrund konnte ein Serienkiller wie Haarmann leicht an seine Opfer kommen und die Polizei lange an der Nase herumführen. Abgerundet wird der Roman durch eingestreute Passagen, Erzählungen aus Opfersicht, das Originalgeständnis von Haarmann. Mein Fazit: Kurbjuweit ist ein spannender Roman und gleichzeitig ein beeindruckendes Zeitzeugnis gelungen. Absolut lesenswert.
Großartig recherchiert & erschreckend dargestellt aber ich hätte mir mehr vom realen Haarmann und weniger vom fiktiven Lahnstein gewünscht!
Der fiktive Kommissar Lahnstein fahndet im Hannover der 1920er nach dem -realen- Serienmörder Fritz Haarmann. Dieser ermordete mindestens 24 Jungen/junge Männer, zerstückelte und entsorgte ihre Leichen und verkaufte ihre Kleidung. Dass das so lange unentdeckt bleiben konnte, hat auch mit den Lebensumständen dieser Zeit zu tun. Ein verlorener Krieg, unsichere politische Verhältnisse, die Spanische Grippe und Weltwirtschaftskrise. Da reichte es manchmal nicht einmal, das eigene Leben zu meistern, da schaute man wenig nach rechts und links oder eben bewusst weg. Lahnstein selbst ist psychisch schwer angeschlagen, dazu kommen noch Intrigen der Kollegen. Erzählt wird nüchtern, ohne wörtliche Rede, Dialoge sind vielmehr recht kurze Aussagesätze, dadurch wird das Ganze besonders erschreckend.
True-Crime ist wirklich total mein Ding! Ich höre liebenswerte Podcast aus diesem Gerne, wie Mordlust oder Zeit Verbrechen. Aus diesem Grund fand ich die Idee super spannend, den schlimmsten Serienmörder Deutschlands in einem Kriminalroman verpackt, zu lesen. Leider war der Kriminalroman nicht so wie erwartet. Das lag vor allem an dem Schreibstil. es gab bei Dialogen keine wörtliche Rede im Sinne von Anführungszeichen. Erschwerend war zudem, dass der Krimi in nur wenige Kapitel unterteilt wurde. Innerhalb der Kapitel wurde oft zwischen verschiedenen Personen hin und her gesprungen und zudem gab es eine Vermischung zwischen Gegenwart und Zukunft, welches das lesen eher erschwerte. Der Ermittler Lahnstein ist ein gebeutelter Mann, der wie viele Kommissare ein Päckchen zu tragen hat: Selbstzweifel, Kriegstrauma, Ermittlungsdruck. Die Vermischung von Ermittlungen und die Vermittlung des Lebens und der politischen Situation der Weimarer Republik ist nicht gelungen. Es wirkt im Buch sehr gewollt und ist irgendwie nicht fließend eingearbeitet. Gut hat mir gefallen, dass der Autor sich an Fakten und wahren Begebenheiten zu dem Fall Haarmann entlang gehangelt hat. Richtig Spannung kam bei mir trotz der Ernsthaftigkeit und Grausamkeit der Taten nicht auf. Mir fehlte ein stärkerer Blick hinter die Maske von Haarmann. Zweifellos muss ich auch sagen, dass der Schreibstil nicht meinen Vorstellungen entsprach, sodass Ich nicht gut ins Buch hinein finden konnte.
Dirk Kurbjuweit hat sich eindeutig zu viel vorgenommen und davon zu wenig umgesetzt. Wer sich für den Fall „Haarmann“ interessiert, sollte zu einem Sachbuch greifen oder eine Dokumentation schauen. Wer sich für die Zeit zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg interessiert, sollte besser zu den Krimis von Volker Kutscher greifen. Dieser Kriminalroman ist ziemlich misslungen!
“Warte, warte nur ein Weilchen, bald kommt Haarmann auch zu dir, mit dem kleinen Hackebeilchen, macht er Schabefleisch aus dir. Aus den Augen macht er Sülze, aus dem Hintern macht er Speck, aus den Därmen macht er Würste und den Rest, den schmeißt er weg.” (“Haarmann-Lied”) Ich kann mich gut daran erinnern, dass meine Mutter manchmal dieses Lied sang, als ich noch klein war. Das machte mir keine Angst, denn für mich war Haarmann eine ähnliche Gestalt wie der böse Wolf – nur ein Märchen, kein Teil meiner Wirklichkeit. Erst Jahre später begriff ich, dass es diesen Mann tatsächlich gegeben hatte, und dass auch die grausigen Details nicht rein der Fantasie eines Liedermachers entsprungen waren. Als ich in der Verlagsvorschau diesen Roman entdeckte, klang die Melodie des Liedes wieder in meinen Ohren und ich wollte das Buch lesen – nicht unbedingt als Krimi, sondern eher als Tatsachenroman, als Bild der Zeit. Als reiner Krimi gesehen, ist das Buch tatsächlich eher schwach. Man weiß ja von Anfang an, wer der Mörder war – und den, der das ganze Haarmann-Lied kennt (ich habe hier absichtlich nur die erste Strophe abgedruckt), kann auch eine unerwartete Wendung im Fall nicht mehr überraschen. Damit fällt ein Großteil dessen weg, was einen Krimi normalerweise antreibt: 1) die Suche nach der Identität des Täters, 2) eine oft darauf folgende Jagd und 3) für manchen Hardcore-Leser vielleicht auch die schockierend beschriebenen, bluttriefenden Details der Morde, auf die Dirk Kurbjuweit (dankenswerter Weise) verzichtet. Aber der Autor webt ein atmosphärisch dichtes, vielschichtiges Bild der Zwischenkriegszeit. Und darin liegt die große Stärke des Romans. Er beschreibt in bestechender Klarheit das alltägliche Leben der ‘kleinen’ Menschen, insbesondere der Unterschicht: Ihre Armut im geschichtlichen Wandel, am Rande der Goldenen Zwanziger. Ihr Misstrauen gegenüber der ersten deutschen Demokratie. Das nachhallende Trauma des Ersten Weltkriegs. Die Korruption in den Reihen der Polizei. Und die Schattenexistenz der “Puppenjungs” – blutjunge Stricher in einer Zeit, in der “beischlafähnliche Handlungen” unter Männern nach Paragraph 175 immer noch strikt verboten sind und mit Gefängnis geahndet werden können. Auch jenseits der Prostitution entwickelt sich erstmals eine Art Schwulenszene, doch Homosexuelle werden verächtlich “175er” genannt –von Akzeptanz ist das noch weit entfernt. Dass die Opfer Haarmanns vor allem in dieser Szene vermutet werden (zumindest in diesem Roman), empört die Eltern, die eine möglicher Homosexualität des eigenen Kindes weit von sich weisen. Aus all dem ergibt sich eine ganz andere Art von beklemmender Spannung: Fritz Haarmann ist trotz der im Verlaufe der Handlung rasant steigenden Anzahl von Opfern eher Symbolfigur all dessen, was in dieser Zeit im Argen lag, als “nur” Täter und Bösewicht eines Krimis. Mal wirkt Haarmann einfältig oder gar massiv intellektuell beeinträchtigt, dann fragt man sich als Leser wiederum beklommen, ob er das nicht einfach nur geschickt vortäuscht: der (Wer)wolf im Schafspelz. Und die Menschen rund um Haarmann – warum haben die nichts bemerkt, als er die Opfer in seiner schäbigen und sicher dünnwandigen Wohnung totbiss, sie zerlegte und ihre Schädel zertrümmerte? Hier wurde das Wegschauen und Weghören offensichtlich perfektioniert. Man erahnt darin schon die fatalsten Jahre der deutschen Geschichte… Auch den anderen Charakteren kommt bei aller Realitätstreue Symbolcharakter zu. Die meisten gab es wirklich – der Protagonist Robert Lahnstein ist jedoch halb Erfindung, halb Konglomerat der Kriminalbeamten Hermann Lange und Heinrich Rätz. Er wird in seiner Ermittlung behindert und verspottet von Kollegen mit zwielichtigen Eigeninteressen, geschmäht von Presse und Öffentlichkeit, inbrünstig beschworen von teils weinenden, teils zornigen Eltern, während er noch mit seinem eigenen Kriegstrauma kämpft…. Und er hinterfragt im Stillen seine eigene Sexualität, während er gleichzeitig um Frau und Sohn trauert. Für viele wird er zum Inbegriff der Unfähigkeit der Weimarer Republik, ihre Bürger zu schützen. Als er Fleischwaren darauf untersuchen lässt, ob sie Menschenfleisch enthalten, wird er als “Kommissar Wurst” abfällig verlacht. Als Charakter ist Lahnstein manchmal zu gut für diese Welt. Er glaubt an die Grundwerte der Demokratie und daran, dass auch die Polizei gewisse Grenzen nicht überschreiten darf – zum Beispiel durch die Folterung Verdächtiger. Im Laufe des Buches wird er mehr und mehr an die Limits dieser Überzeugung gebracht, denn jeder Tag, der verstreicht, kann das nächste Opfer bringen. Seine Menschlichkeit und seine ehrliche Toleranz machen ihn zum Sympathieträger, aber ich fragte mich beim Lesen dennoch, wie wahrscheinlich und glaubhaft eine Einstellung wie seine vor dem Hintergrund dieser Zeit ist. Ein geschickter Schachzug: Dirk Kurbjuweit lässt seinen Helden auf den Philosophen Theodor Lessing treffen. Der beschwört Lahnstein eindringlich, die Grenzen der Demokratie nicht aus Verzweiflung zu überschreiten, weil Haarmann einfach kein Geständnis ablegen will. Im echten Leben veröffentlichte Lessing 1925 das Buch “Haarmann. Die Geschichte eines Werwolfs”, in dem er auch die dubiosen Machenschaften der hannoverschen Polizei anprangerte. Im Großen und Ganzen verwebt der Autor Realität und Fiktionales gekonnt. Nur manchmal überstrapaziert das Buch den Zufall etwas – inwiefern, das kann ich hier nicht schreiben, ohne zu viel zu verraten – oder spricht mehr sozialphilosophische und gesellschaftskritische Themen an, als der Fall Haarmann als Gerüst gut tragen kann. Dennoch, es liest sich flüssig und… Was? Ich scheue davor zurück, einen Tatsachenroman, in dem es um Serienmord geht, ‘unterhaltsam’ zu nennen, aber er wird nie langweilig und vermittelt ein rundes Bild der Zeit. Der Stil ist meist auf den Punkt gebracht und prägnant formuliert. Interessant ist auch, wie Tätersicht, Opfersicht und Ermittlersicht aufeinander zulaufen, um ein Gesamtbild zu vermitteln. Fazit Verkehrte Welt: hier steht ein wahrer Kriminalfall im Mittelpunkt, das eigentlich Interessante ist meines Erachtens jedoch der Kontext, in dem er geschehen konnte. In den Zwanzigerjahren tötete der Serienmörder Fritz Haarmann 24 Jungen und junge Männer. Er handelte zu der Zeit mit Kleidung und Fleischkonserven – ein Teil der Kleidung ließ sich später zu seinen Opfern zurückverfolgen, während der Verdacht, auch bei den verkauften Konserven habe es sich mitunter um deren Fleisch gehandelt, nicht bewiesen werden konnte. Der Autor zeichnet ein sehr lebendiges Bild der Zwischenkriegszeit in Hannover und nimmt den Fall zum Anlass, die ein oder andere gesellschaftliche Entwicklung zu beschreiben und kritisch zu durchleuchten – “Haarmann” ist in meinen Augen eher der Aufhänger als das eigentliche Sujet. Diese Rezension erschien zunächst auf meinem Blog: https://wordpress.mikkaliest.de/rezension-dirk-kurbjuweit-haarmann/
Inhalt Im Hannover der 1920er Jahre verschwinden Jungs spurlos. Niemand weiß wohin und wieso, doch einer nach dem anderen wird vermisst gemeldet. Für Robert Lahnstein, Ermittler in diesem Fall, wird aus schrecklichen Gerüchten bald Gewissheit: das Deutschland der Zwischenkriegszeit hat es mit einem psychopathischen Serienmörder zu tun. Doch Lahnstein weiß bald nicht mehr, womit er mehr zu kämpfen hat: mit dem Schicksal der Vermissten, dem Verwirrspiel mit dem mutmaßlichen Täter, den Machenschaften innerhalb der eigenen Polizeireihen oder der wachsenden Unruhen der Gesellschaft, die bald glaubt, dass die Polizei sie nicht mehr vor den schrecklichen Verbrechen schützen kann. Dirk Kurbjuweit ist für mich kein unbekannter Autor. Ich habe bereits „Zweier Ohne“ von ihm gelesen und kannte daher seine Art zu erzählen bereits. Fritz Haarmann, der Serienmörder, ist für mich ebenfalls nicht unbekannt. Durch etliche True Crime Podcasts und Berichte war ich mit dem Fall des „Werwolfs“ von Hannover bereits vertraut. Als ich gesehen habe, dass ein Kriminalroman zu diesem schrecklichen Fall erscheinen wird, wollte ich das Buch unbedingt lesen. Herzlichen Dank an das Bloggerportal und den Penguin Verlag für das Rezensionsexemplar! Ich bin großer True Crime Fan. Einen genauen Zeitpunkt, wann dieses Interesse losgegangen ist, kann ich euch gar nicht sagen. Schon als jüngeres Mädchen habe ich gerne Krimi-Serien geschaut, mich haben True Crime Dokumentationen interessiert und Serien wie „Criminal Minds“ oder „Navy CIS“ habe ich rauf und runter geschaut. Ermittlungsarbeit fand ich spannend und, wie ihr sicher wisst, lese ich für mein Leben gerne Thriller. Seit Ende 2019 habe ich auch True Crime Podcasts für mich entdeckt und bin begeisterte Hörerin von „Mordlust“ und „Zeit Verbrechen“. Ich kann nicht mehr genau benennen wann ich das erste Mal von Fritz Haarmann gehört habe, doch ich weiß, dass ich Ende des letzten Jahres einen Podcast, der sich allein mit diesem Fall beschäftigt, gehört habe. Es war ein wirklich toll aufgenommener Podcast, der sich wie ein Hörspiel hört und toll recherchiert ist. So wurde mein Interesse an diesem Fall wieder geweckt und als ich von dem Buch „Haarmann“ gehört habe, wollte ich es unbedingt lesen. Der Einstieg in die Geschichte war eigentlich recht leicht, die Welt, in der man sich in diesem Buch bewegt ist geprägt von Krieg, Armut und politischen Unsicherheiten. Der erste Weltkrieg ist zu Ende und Deutschland hat die Kriegsschuldlast alleine zu tragen. Die Niederlage wiegt für die meisten Deutschen schwer und die politische Lage leidet sehr darunter. Keiner weiß so recht wohin er sich wenden soll, wer die richtigen Werte vertritt und was als nächstes geschehen wird. Und dann verschwinden in Hannover immer wieder Jungs zwischen 15 und 19 Jahren spurlos. Die verängstigten Eltern wenden sich an die Polizei, wissen nicht, was mit ihren Jungen geschehen ist. Robert Lahnstein ist neu im Präsidium in Hannover und wurde für den Fall der vermissten Jungen eingesetzt. Es belastet ihn stark, dass sie keinerlei Hinweise haben, niemand hat irgendetwas gesehen oder bemerkt. Doch nicht alle Jungen können so plötzlich und ohne ein Wort zur Fremdenlegion gehen, oder nach Amerika oder sonst irgendwie ausgerissen sein. Es ist unwahrscheinlich, dass mittlerweile 16 junge Männer in ähnlichem Alter einfach aus der Welt fallen. Lahnstein versucht in alle Richtungen zu ermitteln, doch nicht nur die fehlenden Hinweise stellen ihm ein Bein, auch seine Kollegen scheinen nicht unbedingt großes Interesse daran zu haben, dass die Fälle aufgeklärt werden. Sie behindern immer wieder Lahnsteins Arbeit, ignorieren seine Vorschläge und scheinen seine Arbeit eher zu behindern als ihm helfen zu wollen. Lahnstein steht schnell vor der Frage: wird jemand gedeckt? Gibt es vielleicht einen Täter, der bewusst übersehen wird? Als er einen wichtigen Hinweis bekommt, die nötige Akte aber nicht aufzufinden ist, setzt er sich mit Drohungen gegen seine Kollegen durch und bekommt endlich das, was er so lange verzweifelt gesucht hat: einen mutmaßlichen Täter. Fritz Haarmann. Lahnstein ist für mich nur schwer greifbar gewesen. Er wirkt traumatisiert durch den Krieg, auch wenn er diese Tatsache zu verbergen versucht. Den Verlust seiner Frau und des gemeinsamen Kindes hat er nicht überwunden und die Gefangenschaft in England plagt ihn zusätzlich mit Erinnerungen. Teilweise hatte ich beim Lesen das Gefühl, dass er überhaupt nicht bei der Sache ist und sich leicht von äußeren Umständen ablenken ließ. Auch die politisch schwierige Lage kommt immer wieder in den Vordergrund. Natürlich spielt diese eine Rolle, vor allem wenn man an die Ermittlungsarbeit und den wachsenden Druck der Gesellschaft denkt. Doch letztlich sollte es nicht hauptsächlich darum gehen, dass erst kürzlich ein Putschversuch in München misslang, bei dem Hitler ins Gefängnis ging oder wie die unterschiedlichen Wahlergebnisse zu dieser Zeit aussahen. Bis zu einem gewissen Punkt konnte ich verstehen, wieso der Autor diese Tatsachen mit eingeflochten hat, doch etwas weniger hätte mir mehr gefallen. Mir hat der Fokus auf den Kriminalfall gefehlt. Auch die immer wiederkehrenden Erinnerungsfetzen von Lahnstein fand ich teilweise ermüdend und habe sie gegen Ende nur noch als Lückenfüller betrachtet. Als hätte man überlegt, wie man das Buch länger machen kann und deshalb die Familientragödie noch mit eingebaut. Und trotz all dem, bleibt Lahnstein für mich blass und unnahbar. Ich habe kein bisschen mit ihm gefühlt, konnte ihn nicht greifen und letztlich eigentlich auch gar nicht leiden. Teilweise hat er sich regelrecht in seinem Selbstmitleid gesuhlt und immer wieder die Chance verpasst sich gegen seine Kollegen durchzusetzen. Lahnstein weiß genau, dass sie viel zu wenig Polizeikräfte sind und er weiß, dass die Polizisten darauf angewiesen sind von Spitzeln Hinweise zu bekommen, um Verbrecher festzunehmen. Was er nicht sieht ist, dass Haarmann genau das ist: ein Spitzel der Polizei. Er ist blind, was seine eigenen Kollegen angeht und lässt alles durchgehen, egal, was sie machen. Ich fand es schade, dass er sich nicht durchzusetzen wusste. Die eigentliche Hauptperson in diesem Buch hätte in meinen Augen Fritz Haarmann sein sollen. Es hätte mich brennend interessiert wie sich Kurbjuweit ihn vorgestellt hat. Sein Innenleben, das, was ihn mutmaßlich dazu antrieb, all diese schrecklichen Taten zu begehen. Ich hätte gerne mehr über seine Kindheit und Jugend erfahren. Wie wurde er zu dem Mann, der er war, als man ihn hinrichtete? Wie konnte es so weit kommen? Das alles hat er nicht mit einbezogen. Haarmann bleibt an sich genauso blass wie Lahnstein. Er ist zwar der Täter, kommt aber erst ganz zum Schluss richtig im Buch vor. Über ihn wird aber kaum etwas im Buch geschrieben. Nichts, das wirklich Einblick in sein Leben gegeben hätte. Es gibt einige wenige Passagen in denen seine Gedanken geteilt werden, doch das war mir eindeutig zu wenig. Diese Stellen hätte der Autor meiner Meinung nach ausweiten und vertiefen sollen. Ich wollte etwas über Haarmann erfahren und nicht über die Polizeiarbeit von Lahnstein oder sein Familienunglück. Es ist schade, dass der Fall in diesem Buch dann doch irgendwie in den Hintergrund gedrängt wird. Die Taten an sich müssen ja nicht detailliert beschrieben werden, doch ich hätte mir auch mehr Spannung erwartet. Es war grausam was zu dieser Zeit in Hannover geschah und letztlich wird diese Tatsache fast schon unter den Tisch gekehrt. Erst in den letzten beiden Kapiteln wird ein Teil des Ausmaßes klar, das Haarmann angerichtet hat und dennoch nicht nachdrücklich genug. Es fehlten mir Informationen, Vermutungen und die Spannung. Vor allem hat Kurbjuweit als wichtige Quellen für sein Buch die Aufzeichnungen von Theodor Lessing genannt, welcher damals im Gericht saß und sehr detailliert darüber berichtete, wie Haarmann sich gab. Vereinzelt übernahm Kurbjuweit das Verhalten von Haarmann, doch nicht mit Nachdruck genug. Nur mit Hintergrundwissen kann man diese Hinweise wirklich verstehen und deuten, was ich sehr schade fand. Nicht jeder, der dieses Buch liest, kennt sich gut mit dem Fall Haarmann aus und kann die Verhaltensweisen richtig deuten. Im Fokus war, in meinen Augen, nicht Fritz Haarmann, sondern der Polizist Lahnstein. Fazit Das Buch hätte sehr viel spannender und unterhaltsamer sein können, wäre der Protagonist nicht ein Polizist der mit größeren privaten Problemen zu kämpfen hat, sondern der Täter an sich. Ich hätte sehr viel lieber gelesen, was in Haarmanns Umfeld los war, wie er sein Leben fristete und letztlich zu dem wurde, der er war. Es hat mich nicht sonderlich interessiert, was Lahnstein privat durchleben musste, weil ich wegen Fritz Haarmann dieses Buch lesen wollte und nicht wegen einem Polizisten. Die Taten an sich blieben genauso blass wie sämtliche handelnde Personen. Die politische Lage wird dafür umso genauer dargestellt, was ich aber nicht immer notwendig fand. Ja, ein gewisser Rahmen, in dem man sich orientieren kann ist durchaus wichtig, aber mehr auch nicht. Leider konnte mir dieses Buch nicht das geben, was ich mir gewünscht habe.
Das Buch hat mich gereizt, weil es auf einer wahren Begebenheit basiert und ich mich im Vorfeld schon einmal mit dem Fall vertraut gemacht habe. Leider hat mich das Buch sehr enttäuscht. Nicht nur, dass es 3 Sichtweisen gibt, bei denen man anfangs nicht einmal weiß, um wen es sich handelt, auch der Schreibstil ist sehr merkwürdig. Es gibt keine richtigen Gespräche, eigentlich wird alles in der „Erzählperspektive“ geschrieben, ohne Gänsefüsschen. Dazu kamen die völlig aus dem Nichts auftauchenden Rückblicke von Lahnsteins Leben. Bei seiner Vorgeschichte mag das alles sinnvoll sein, aber die Momente, in denen sie auftauchen, sind völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Man verliert den Anschluss an den Fall und muss sich im nächsten Teil erst wieder hineinfinden. Gut finde ich allerdings, dass hier die Korruption, Prostitution und die Verrohung der damaligen Gesellschaft aufgegriffen wird. Auch die politischen Bezüge, die der Autor hier anspricht, sind sehr interessant, da sie auch auf unsere heutige Situation bezogen werden können. In einem Interview des Autors sagt er folgendes dazu: “Wir müssen unsere Demokratie mit legalen, zivilen Mitteln gegen ihre Feinde verteidige, und unser Rechtsstaat muss für die Menschen unter allen Umständen Sicherheit gewährleisten.“ (Presseinformation des Penguin Verlag) An sich ist die Geschichte wirklich fesselnd. Die häufigen Rückblicke stören allerdings den Lesefluss und die fehlenden Gespräche bzw. Anführungszeichen verwirren ungemein. Lahnsteins Leben ist dramatisch, Haarmann ein Psychopath, der sich gut zu verkaufen weiß. Alles in allem ein guter Kriminalroman, wenn auch mit einigen großen Hindernissen.
Eher 3,5 (meine Erläuterung wie ich bewerte findet ihr in meinem Profil^^) Ganz schön gezogen hat sich der Roman und das bei knapp über 300 Seiten... Ich denke ich kam einfach nicht so mit dem Schreibstil von Kurbjuweit zurecht. Vor allem die fehlenden Satzzeichen für die wörtliche Rede fand ich auf dauer anstrengend. Trotzdem würde ich nicht sagen, das der Roman per se schlecht war. Gelungen fand ich vor allem den Bezug zu den politischen Gegebenheiten, während der Ermittlungen. Gerade auch der spezielle Druck, der auf den Ermittlungen und damit auch auf der Polizei selbst lag, wurde gut herausgearbeitet. Außerdem fand ich den persönlichen Hintergrund der Hauptfigur Lahnstein sinnvoll in die Handlung eingebunden. Manchmal stört es mich, wenn das Privatleben zu sehr in den Fokus gerät, aber hier passte es in die Art und Weise, wie der Roman aufgebaut war. Hi und da fand ich den Roman allerdings etwas reißerisch, weil man sich durchaus fragen kann, in wie weit es notwendig ist, das Zerrlegen einer Jungenleiche bis ins kleinste Detail zu schildern. In unregelmäßigen Abständen hat man zwar Haarmanns eigenen Blickwinkel als Zwischenkapitel, aber im Grunde steht eigentlich nicht er, sondern die Suche nach ihm und die Ermittlungsarbeit im Mittelpunkt. An einigen Stellen merkt man das Kurbjuweit insgesamt gut recherchiert hat. Er nutzt dabei zum Teil auch Originaldokumente und zitiert aus ihnen z.B. aus einem Geständnis Haarmanns. Außerdem fand ich, das man durchaus ein Gefühl für die Zeit der Weimarer Republik bekommt. Und es ist für mich persönlich auch spannend, die Morde und derren Hintergründe in diesem Kontext zu beleuchten. Die Eltern einzelner Opfer kommen dabei auch zu Wort und man erhält einen kleinen Einblick in ihr Leben und das ihrer Söhne. Ansonsten finde ich, das man vorher schon mal grob bescheid wissen sollte, wer Haarmann eigentlich war. Irgendwie eignet sich der Roman meiner Meinung nach nicht so richtig, um ganz ohne Vorwissen einzutauchen. Das Ganze ist eher eine Milieustudie, ein historischer Roman mit einem True Crime Thema. Wer so etwas mag und sich für die Weimarer Republik und ihre dunklen Seiten interessiert, sollte ruhig einen Blick riskieren.
Mehr Abbild der 1920er Jahre als Krimi Friedrich „Fritz“ Haarmann – die meisten von uns werden schon einmal etwas von diesem Serienmörder gehört haben. Ich bringe damit oft den von mir geliebten Film „Der Totmacher“ mit dem großartigen Götz George in Zusammenhang. Nun zählt der Kriminalroman „Haarmann“ von Dirk Kurbjuweit zu meinen zukünftigen (guten) Erinnerungen dazu. Der Autor hat dabei jedoch alles andere als ein literarisches Denkmal für Fritz Haarmann geschaffen; wer mit diesen Erwartungen an das Buch herangeht, wird vermutlich enttäuscht werden. Es gibt (wenn überhaupt) nur rudimentär neue Erkenntnisse für die Leserinnen und Leser. Allerdings bin ich der Meinung, dass man mehr über Haarmann gar nicht wissen muss. Vielmehr geht es Kurbjuweit in seinem Buch darum, die Stimmung in der jungen Weimarer Republik wiederzugeben. Das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der Politik (egal ob demokratisch oder links, (leider) weniger von rechts) und - speziell im Raum Hannover, wo Haarmann sein Unwesen trieb - gegenüber der Polizeiarbeit wächst. Und hier kommt der fiktive Kommissar Robert Lahnstein ins Spiel, der die Misserfolge der Hannoveraner Polizei bei der Suche nach verschwundenen Jungen in einen Erfolg „umwandeln“ soll. Lahnstein ist ein in sich gekehrter und an sich selbst zweifelnder Charakter, dem das Leben schwer zugesetzt hat. Er wacht immer wieder aus Alb- oder Tagträumen auf, in denen seine Frau Lissy und sein Sohn August eine Rolle spielen. Was mit Frau und Sohn passiert ist, wird allerdings erst sehr spät deutlich. Zunächst ist auch Lahnstein´s Arbeit nicht von Erfolg gekrönt, da immer mehr Jungen verschwinden, seine Kollegen intrigieren und er in Folge dessen immer mehr Druck von außen und von innen ertragen muss. Ein Flug mit einer Albatros-Maschine bringt schließlich die entscheidende Wende… Mehr sei an dieser Stelle gar nicht verraten, zumal das Ende (Haarmann wird gefasst, verurteilt und hingerichtet) bekannt ist. Der etwas ungewöhnliche, eher nüchtern-trockene Schreibstil sowie keinerlei „wörtliche Rede“ ist zunächst ungewohnt, sollte jedoch kein Grund sein, diesem Roman keine Chance zu geben. Auch die am Ende eines jeden Kapitels kursiv dargestellte Sichtweise von Haarmann sowie die ebenfalls kursiv dargestellten Texte aus der Sicht der Opfer werden sachlich und ohne jedwede „Wertung“ von Kurbjuweit wiedergegeben. Alles in Allem liegt mit „Haarmann“ ein großartiger Kriminalroman vor, der von mir die verdienten 5* sowie eine Leseempfehlung bekommt! ©kingofmusic
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Autorenbeschreibung
Dirk Kurbjuweit, geboren 1962 in Wiesbaden, zählt zu den vielseitigsten und renommiertesten Autoren unserer Gegenwart. Als Zeit- und Spiegel-Reporter einer breiten Leserschaft bekannt, überzeugte er schon früh als Erzähler. Nach dem Debüt »Die Einsamkeit der Krokodile« (1995) wurden besonders die Novelle »Zweier ohne« (2001) und der Roman »Angst« (2013) von der Kritik gefeiert. Zuletzt sorgten der Roman »Haarmann« (2020) und die Erzählung »Der Ausflug« (2022) für breites Presse-Echo. Etliche seiner literarischen Erfolge dienten als Vorlage für Verfilmungen, Theaterstücke und Hörspiele.
Beiträge
In den 1920ern erschütterte eine Mordserie Hannover, die nie ganz aufgeklärt werden konnte. Bis heute sind die genaue Anzahl der Opfer sowie die Rolle zweier Mitangeklagter nicht erwiesen. Mindestens 24 Jungen und junge Männer wurden von Fritz Haarmann in seine Wohnung gelockt und ermordet, ihre Kleider verkauft und ihr Fleisch – vermutlich – verarbeitet und ebenfalls verkauft. In seinem Roman „Haarmann“ lässt Dirk Kurbjuweit den fiktiven Kriminalisten Lahnstein, erst vor kurzem aus der französischen Kriegsgefangenschaft entlassen und noch unter dem Verlust von Frau und Kind leidend, aus Bochum nach Hannover kommen, um dort das reihenweise Verschwinden der jungen Männer aufzuklären. Dabei stößt Lahnstein auf eine Mauer des Schweigens und Ablehnung von seinen Polizeikollegen; der Verdacht, der Polizei-Informant Haarmann wird geschützt, drängt sich auf. Erst durch einen Zufall gelingt es, den Serienmörder zu fassen. Haarmannn ist nicht nur ein spannender Kriminalroman, er zeigt vor allem das Leben vor 100 Jahren. Der schreckliche erste Weltkrieg ist erst kurz vorbei, viele ehemalige Soldaten sind immer noch traumatisiert, Gewalt ist an der Tagesordnung. Die spanische Grippe hat bereits gewütet, die Wirtschaft liegt am Boden, die Menschen sind arm, verzweifelt, Homosexualität ist ein Verbrechen. Zudem herrscht in der Weimarer Republik politische Unsicherheit, die Nazis stehen kurz vor ihrem Durchbruch. Vor diesem Hintergrund konnte ein Serienkiller wie Haarmann leicht an seine Opfer kommen und die Polizei lange an der Nase herumführen. Abgerundet wird der Roman durch eingestreute Passagen, Erzählungen aus Opfersicht, das Originalgeständnis von Haarmann. Mein Fazit: Kurbjuweit ist ein spannender Roman und gleichzeitig ein beeindruckendes Zeitzeugnis gelungen. Absolut lesenswert.
Großartig recherchiert & erschreckend dargestellt aber ich hätte mir mehr vom realen Haarmann und weniger vom fiktiven Lahnstein gewünscht!
Der fiktive Kommissar Lahnstein fahndet im Hannover der 1920er nach dem -realen- Serienmörder Fritz Haarmann. Dieser ermordete mindestens 24 Jungen/junge Männer, zerstückelte und entsorgte ihre Leichen und verkaufte ihre Kleidung. Dass das so lange unentdeckt bleiben konnte, hat auch mit den Lebensumständen dieser Zeit zu tun. Ein verlorener Krieg, unsichere politische Verhältnisse, die Spanische Grippe und Weltwirtschaftskrise. Da reichte es manchmal nicht einmal, das eigene Leben zu meistern, da schaute man wenig nach rechts und links oder eben bewusst weg. Lahnstein selbst ist psychisch schwer angeschlagen, dazu kommen noch Intrigen der Kollegen. Erzählt wird nüchtern, ohne wörtliche Rede, Dialoge sind vielmehr recht kurze Aussagesätze, dadurch wird das Ganze besonders erschreckend.
True-Crime ist wirklich total mein Ding! Ich höre liebenswerte Podcast aus diesem Gerne, wie Mordlust oder Zeit Verbrechen. Aus diesem Grund fand ich die Idee super spannend, den schlimmsten Serienmörder Deutschlands in einem Kriminalroman verpackt, zu lesen. Leider war der Kriminalroman nicht so wie erwartet. Das lag vor allem an dem Schreibstil. es gab bei Dialogen keine wörtliche Rede im Sinne von Anführungszeichen. Erschwerend war zudem, dass der Krimi in nur wenige Kapitel unterteilt wurde. Innerhalb der Kapitel wurde oft zwischen verschiedenen Personen hin und her gesprungen und zudem gab es eine Vermischung zwischen Gegenwart und Zukunft, welches das lesen eher erschwerte. Der Ermittler Lahnstein ist ein gebeutelter Mann, der wie viele Kommissare ein Päckchen zu tragen hat: Selbstzweifel, Kriegstrauma, Ermittlungsdruck. Die Vermischung von Ermittlungen und die Vermittlung des Lebens und der politischen Situation der Weimarer Republik ist nicht gelungen. Es wirkt im Buch sehr gewollt und ist irgendwie nicht fließend eingearbeitet. Gut hat mir gefallen, dass der Autor sich an Fakten und wahren Begebenheiten zu dem Fall Haarmann entlang gehangelt hat. Richtig Spannung kam bei mir trotz der Ernsthaftigkeit und Grausamkeit der Taten nicht auf. Mir fehlte ein stärkerer Blick hinter die Maske von Haarmann. Zweifellos muss ich auch sagen, dass der Schreibstil nicht meinen Vorstellungen entsprach, sodass Ich nicht gut ins Buch hinein finden konnte.
Dirk Kurbjuweit hat sich eindeutig zu viel vorgenommen und davon zu wenig umgesetzt. Wer sich für den Fall „Haarmann“ interessiert, sollte zu einem Sachbuch greifen oder eine Dokumentation schauen. Wer sich für die Zeit zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg interessiert, sollte besser zu den Krimis von Volker Kutscher greifen. Dieser Kriminalroman ist ziemlich misslungen!
“Warte, warte nur ein Weilchen, bald kommt Haarmann auch zu dir, mit dem kleinen Hackebeilchen, macht er Schabefleisch aus dir. Aus den Augen macht er Sülze, aus dem Hintern macht er Speck, aus den Därmen macht er Würste und den Rest, den schmeißt er weg.” (“Haarmann-Lied”) Ich kann mich gut daran erinnern, dass meine Mutter manchmal dieses Lied sang, als ich noch klein war. Das machte mir keine Angst, denn für mich war Haarmann eine ähnliche Gestalt wie der böse Wolf – nur ein Märchen, kein Teil meiner Wirklichkeit. Erst Jahre später begriff ich, dass es diesen Mann tatsächlich gegeben hatte, und dass auch die grausigen Details nicht rein der Fantasie eines Liedermachers entsprungen waren. Als ich in der Verlagsvorschau diesen Roman entdeckte, klang die Melodie des Liedes wieder in meinen Ohren und ich wollte das Buch lesen – nicht unbedingt als Krimi, sondern eher als Tatsachenroman, als Bild der Zeit. Als reiner Krimi gesehen, ist das Buch tatsächlich eher schwach. Man weiß ja von Anfang an, wer der Mörder war – und den, der das ganze Haarmann-Lied kennt (ich habe hier absichtlich nur die erste Strophe abgedruckt), kann auch eine unerwartete Wendung im Fall nicht mehr überraschen. Damit fällt ein Großteil dessen weg, was einen Krimi normalerweise antreibt: 1) die Suche nach der Identität des Täters, 2) eine oft darauf folgende Jagd und 3) für manchen Hardcore-Leser vielleicht auch die schockierend beschriebenen, bluttriefenden Details der Morde, auf die Dirk Kurbjuweit (dankenswerter Weise) verzichtet. Aber der Autor webt ein atmosphärisch dichtes, vielschichtiges Bild der Zwischenkriegszeit. Und darin liegt die große Stärke des Romans. Er beschreibt in bestechender Klarheit das alltägliche Leben der ‘kleinen’ Menschen, insbesondere der Unterschicht: Ihre Armut im geschichtlichen Wandel, am Rande der Goldenen Zwanziger. Ihr Misstrauen gegenüber der ersten deutschen Demokratie. Das nachhallende Trauma des Ersten Weltkriegs. Die Korruption in den Reihen der Polizei. Und die Schattenexistenz der “Puppenjungs” – blutjunge Stricher in einer Zeit, in der “beischlafähnliche Handlungen” unter Männern nach Paragraph 175 immer noch strikt verboten sind und mit Gefängnis geahndet werden können. Auch jenseits der Prostitution entwickelt sich erstmals eine Art Schwulenszene, doch Homosexuelle werden verächtlich “175er” genannt –von Akzeptanz ist das noch weit entfernt. Dass die Opfer Haarmanns vor allem in dieser Szene vermutet werden (zumindest in diesem Roman), empört die Eltern, die eine möglicher Homosexualität des eigenen Kindes weit von sich weisen. Aus all dem ergibt sich eine ganz andere Art von beklemmender Spannung: Fritz Haarmann ist trotz der im Verlaufe der Handlung rasant steigenden Anzahl von Opfern eher Symbolfigur all dessen, was in dieser Zeit im Argen lag, als “nur” Täter und Bösewicht eines Krimis. Mal wirkt Haarmann einfältig oder gar massiv intellektuell beeinträchtigt, dann fragt man sich als Leser wiederum beklommen, ob er das nicht einfach nur geschickt vortäuscht: der (Wer)wolf im Schafspelz. Und die Menschen rund um Haarmann – warum haben die nichts bemerkt, als er die Opfer in seiner schäbigen und sicher dünnwandigen Wohnung totbiss, sie zerlegte und ihre Schädel zertrümmerte? Hier wurde das Wegschauen und Weghören offensichtlich perfektioniert. Man erahnt darin schon die fatalsten Jahre der deutschen Geschichte… Auch den anderen Charakteren kommt bei aller Realitätstreue Symbolcharakter zu. Die meisten gab es wirklich – der Protagonist Robert Lahnstein ist jedoch halb Erfindung, halb Konglomerat der Kriminalbeamten Hermann Lange und Heinrich Rätz. Er wird in seiner Ermittlung behindert und verspottet von Kollegen mit zwielichtigen Eigeninteressen, geschmäht von Presse und Öffentlichkeit, inbrünstig beschworen von teils weinenden, teils zornigen Eltern, während er noch mit seinem eigenen Kriegstrauma kämpft…. Und er hinterfragt im Stillen seine eigene Sexualität, während er gleichzeitig um Frau und Sohn trauert. Für viele wird er zum Inbegriff der Unfähigkeit der Weimarer Republik, ihre Bürger zu schützen. Als er Fleischwaren darauf untersuchen lässt, ob sie Menschenfleisch enthalten, wird er als “Kommissar Wurst” abfällig verlacht. Als Charakter ist Lahnstein manchmal zu gut für diese Welt. Er glaubt an die Grundwerte der Demokratie und daran, dass auch die Polizei gewisse Grenzen nicht überschreiten darf – zum Beispiel durch die Folterung Verdächtiger. Im Laufe des Buches wird er mehr und mehr an die Limits dieser Überzeugung gebracht, denn jeder Tag, der verstreicht, kann das nächste Opfer bringen. Seine Menschlichkeit und seine ehrliche Toleranz machen ihn zum Sympathieträger, aber ich fragte mich beim Lesen dennoch, wie wahrscheinlich und glaubhaft eine Einstellung wie seine vor dem Hintergrund dieser Zeit ist. Ein geschickter Schachzug: Dirk Kurbjuweit lässt seinen Helden auf den Philosophen Theodor Lessing treffen. Der beschwört Lahnstein eindringlich, die Grenzen der Demokratie nicht aus Verzweiflung zu überschreiten, weil Haarmann einfach kein Geständnis ablegen will. Im echten Leben veröffentlichte Lessing 1925 das Buch “Haarmann. Die Geschichte eines Werwolfs”, in dem er auch die dubiosen Machenschaften der hannoverschen Polizei anprangerte. Im Großen und Ganzen verwebt der Autor Realität und Fiktionales gekonnt. Nur manchmal überstrapaziert das Buch den Zufall etwas – inwiefern, das kann ich hier nicht schreiben, ohne zu viel zu verraten – oder spricht mehr sozialphilosophische und gesellschaftskritische Themen an, als der Fall Haarmann als Gerüst gut tragen kann. Dennoch, es liest sich flüssig und… Was? Ich scheue davor zurück, einen Tatsachenroman, in dem es um Serienmord geht, ‘unterhaltsam’ zu nennen, aber er wird nie langweilig und vermittelt ein rundes Bild der Zeit. Der Stil ist meist auf den Punkt gebracht und prägnant formuliert. Interessant ist auch, wie Tätersicht, Opfersicht und Ermittlersicht aufeinander zulaufen, um ein Gesamtbild zu vermitteln. Fazit Verkehrte Welt: hier steht ein wahrer Kriminalfall im Mittelpunkt, das eigentlich Interessante ist meines Erachtens jedoch der Kontext, in dem er geschehen konnte. In den Zwanzigerjahren tötete der Serienmörder Fritz Haarmann 24 Jungen und junge Männer. Er handelte zu der Zeit mit Kleidung und Fleischkonserven – ein Teil der Kleidung ließ sich später zu seinen Opfern zurückverfolgen, während der Verdacht, auch bei den verkauften Konserven habe es sich mitunter um deren Fleisch gehandelt, nicht bewiesen werden konnte. Der Autor zeichnet ein sehr lebendiges Bild der Zwischenkriegszeit in Hannover und nimmt den Fall zum Anlass, die ein oder andere gesellschaftliche Entwicklung zu beschreiben und kritisch zu durchleuchten – “Haarmann” ist in meinen Augen eher der Aufhänger als das eigentliche Sujet. Diese Rezension erschien zunächst auf meinem Blog: https://wordpress.mikkaliest.de/rezension-dirk-kurbjuweit-haarmann/
Inhalt Im Hannover der 1920er Jahre verschwinden Jungs spurlos. Niemand weiß wohin und wieso, doch einer nach dem anderen wird vermisst gemeldet. Für Robert Lahnstein, Ermittler in diesem Fall, wird aus schrecklichen Gerüchten bald Gewissheit: das Deutschland der Zwischenkriegszeit hat es mit einem psychopathischen Serienmörder zu tun. Doch Lahnstein weiß bald nicht mehr, womit er mehr zu kämpfen hat: mit dem Schicksal der Vermissten, dem Verwirrspiel mit dem mutmaßlichen Täter, den Machenschaften innerhalb der eigenen Polizeireihen oder der wachsenden Unruhen der Gesellschaft, die bald glaubt, dass die Polizei sie nicht mehr vor den schrecklichen Verbrechen schützen kann. Dirk Kurbjuweit ist für mich kein unbekannter Autor. Ich habe bereits „Zweier Ohne“ von ihm gelesen und kannte daher seine Art zu erzählen bereits. Fritz Haarmann, der Serienmörder, ist für mich ebenfalls nicht unbekannt. Durch etliche True Crime Podcasts und Berichte war ich mit dem Fall des „Werwolfs“ von Hannover bereits vertraut. Als ich gesehen habe, dass ein Kriminalroman zu diesem schrecklichen Fall erscheinen wird, wollte ich das Buch unbedingt lesen. Herzlichen Dank an das Bloggerportal und den Penguin Verlag für das Rezensionsexemplar! Ich bin großer True Crime Fan. Einen genauen Zeitpunkt, wann dieses Interesse losgegangen ist, kann ich euch gar nicht sagen. Schon als jüngeres Mädchen habe ich gerne Krimi-Serien geschaut, mich haben True Crime Dokumentationen interessiert und Serien wie „Criminal Minds“ oder „Navy CIS“ habe ich rauf und runter geschaut. Ermittlungsarbeit fand ich spannend und, wie ihr sicher wisst, lese ich für mein Leben gerne Thriller. Seit Ende 2019 habe ich auch True Crime Podcasts für mich entdeckt und bin begeisterte Hörerin von „Mordlust“ und „Zeit Verbrechen“. Ich kann nicht mehr genau benennen wann ich das erste Mal von Fritz Haarmann gehört habe, doch ich weiß, dass ich Ende des letzten Jahres einen Podcast, der sich allein mit diesem Fall beschäftigt, gehört habe. Es war ein wirklich toll aufgenommener Podcast, der sich wie ein Hörspiel hört und toll recherchiert ist. So wurde mein Interesse an diesem Fall wieder geweckt und als ich von dem Buch „Haarmann“ gehört habe, wollte ich es unbedingt lesen. Der Einstieg in die Geschichte war eigentlich recht leicht, die Welt, in der man sich in diesem Buch bewegt ist geprägt von Krieg, Armut und politischen Unsicherheiten. Der erste Weltkrieg ist zu Ende und Deutschland hat die Kriegsschuldlast alleine zu tragen. Die Niederlage wiegt für die meisten Deutschen schwer und die politische Lage leidet sehr darunter. Keiner weiß so recht wohin er sich wenden soll, wer die richtigen Werte vertritt und was als nächstes geschehen wird. Und dann verschwinden in Hannover immer wieder Jungs zwischen 15 und 19 Jahren spurlos. Die verängstigten Eltern wenden sich an die Polizei, wissen nicht, was mit ihren Jungen geschehen ist. Robert Lahnstein ist neu im Präsidium in Hannover und wurde für den Fall der vermissten Jungen eingesetzt. Es belastet ihn stark, dass sie keinerlei Hinweise haben, niemand hat irgendetwas gesehen oder bemerkt. Doch nicht alle Jungen können so plötzlich und ohne ein Wort zur Fremdenlegion gehen, oder nach Amerika oder sonst irgendwie ausgerissen sein. Es ist unwahrscheinlich, dass mittlerweile 16 junge Männer in ähnlichem Alter einfach aus der Welt fallen. Lahnstein versucht in alle Richtungen zu ermitteln, doch nicht nur die fehlenden Hinweise stellen ihm ein Bein, auch seine Kollegen scheinen nicht unbedingt großes Interesse daran zu haben, dass die Fälle aufgeklärt werden. Sie behindern immer wieder Lahnsteins Arbeit, ignorieren seine Vorschläge und scheinen seine Arbeit eher zu behindern als ihm helfen zu wollen. Lahnstein steht schnell vor der Frage: wird jemand gedeckt? Gibt es vielleicht einen Täter, der bewusst übersehen wird? Als er einen wichtigen Hinweis bekommt, die nötige Akte aber nicht aufzufinden ist, setzt er sich mit Drohungen gegen seine Kollegen durch und bekommt endlich das, was er so lange verzweifelt gesucht hat: einen mutmaßlichen Täter. Fritz Haarmann. Lahnstein ist für mich nur schwer greifbar gewesen. Er wirkt traumatisiert durch den Krieg, auch wenn er diese Tatsache zu verbergen versucht. Den Verlust seiner Frau und des gemeinsamen Kindes hat er nicht überwunden und die Gefangenschaft in England plagt ihn zusätzlich mit Erinnerungen. Teilweise hatte ich beim Lesen das Gefühl, dass er überhaupt nicht bei der Sache ist und sich leicht von äußeren Umständen ablenken ließ. Auch die politisch schwierige Lage kommt immer wieder in den Vordergrund. Natürlich spielt diese eine Rolle, vor allem wenn man an die Ermittlungsarbeit und den wachsenden Druck der Gesellschaft denkt. Doch letztlich sollte es nicht hauptsächlich darum gehen, dass erst kürzlich ein Putschversuch in München misslang, bei dem Hitler ins Gefängnis ging oder wie die unterschiedlichen Wahlergebnisse zu dieser Zeit aussahen. Bis zu einem gewissen Punkt konnte ich verstehen, wieso der Autor diese Tatsachen mit eingeflochten hat, doch etwas weniger hätte mir mehr gefallen. Mir hat der Fokus auf den Kriminalfall gefehlt. Auch die immer wiederkehrenden Erinnerungsfetzen von Lahnstein fand ich teilweise ermüdend und habe sie gegen Ende nur noch als Lückenfüller betrachtet. Als hätte man überlegt, wie man das Buch länger machen kann und deshalb die Familientragödie noch mit eingebaut. Und trotz all dem, bleibt Lahnstein für mich blass und unnahbar. Ich habe kein bisschen mit ihm gefühlt, konnte ihn nicht greifen und letztlich eigentlich auch gar nicht leiden. Teilweise hat er sich regelrecht in seinem Selbstmitleid gesuhlt und immer wieder die Chance verpasst sich gegen seine Kollegen durchzusetzen. Lahnstein weiß genau, dass sie viel zu wenig Polizeikräfte sind und er weiß, dass die Polizisten darauf angewiesen sind von Spitzeln Hinweise zu bekommen, um Verbrecher festzunehmen. Was er nicht sieht ist, dass Haarmann genau das ist: ein Spitzel der Polizei. Er ist blind, was seine eigenen Kollegen angeht und lässt alles durchgehen, egal, was sie machen. Ich fand es schade, dass er sich nicht durchzusetzen wusste. Die eigentliche Hauptperson in diesem Buch hätte in meinen Augen Fritz Haarmann sein sollen. Es hätte mich brennend interessiert wie sich Kurbjuweit ihn vorgestellt hat. Sein Innenleben, das, was ihn mutmaßlich dazu antrieb, all diese schrecklichen Taten zu begehen. Ich hätte gerne mehr über seine Kindheit und Jugend erfahren. Wie wurde er zu dem Mann, der er war, als man ihn hinrichtete? Wie konnte es so weit kommen? Das alles hat er nicht mit einbezogen. Haarmann bleibt an sich genauso blass wie Lahnstein. Er ist zwar der Täter, kommt aber erst ganz zum Schluss richtig im Buch vor. Über ihn wird aber kaum etwas im Buch geschrieben. Nichts, das wirklich Einblick in sein Leben gegeben hätte. Es gibt einige wenige Passagen in denen seine Gedanken geteilt werden, doch das war mir eindeutig zu wenig. Diese Stellen hätte der Autor meiner Meinung nach ausweiten und vertiefen sollen. Ich wollte etwas über Haarmann erfahren und nicht über die Polizeiarbeit von Lahnstein oder sein Familienunglück. Es ist schade, dass der Fall in diesem Buch dann doch irgendwie in den Hintergrund gedrängt wird. Die Taten an sich müssen ja nicht detailliert beschrieben werden, doch ich hätte mir auch mehr Spannung erwartet. Es war grausam was zu dieser Zeit in Hannover geschah und letztlich wird diese Tatsache fast schon unter den Tisch gekehrt. Erst in den letzten beiden Kapiteln wird ein Teil des Ausmaßes klar, das Haarmann angerichtet hat und dennoch nicht nachdrücklich genug. Es fehlten mir Informationen, Vermutungen und die Spannung. Vor allem hat Kurbjuweit als wichtige Quellen für sein Buch die Aufzeichnungen von Theodor Lessing genannt, welcher damals im Gericht saß und sehr detailliert darüber berichtete, wie Haarmann sich gab. Vereinzelt übernahm Kurbjuweit das Verhalten von Haarmann, doch nicht mit Nachdruck genug. Nur mit Hintergrundwissen kann man diese Hinweise wirklich verstehen und deuten, was ich sehr schade fand. Nicht jeder, der dieses Buch liest, kennt sich gut mit dem Fall Haarmann aus und kann die Verhaltensweisen richtig deuten. Im Fokus war, in meinen Augen, nicht Fritz Haarmann, sondern der Polizist Lahnstein. Fazit Das Buch hätte sehr viel spannender und unterhaltsamer sein können, wäre der Protagonist nicht ein Polizist der mit größeren privaten Problemen zu kämpfen hat, sondern der Täter an sich. Ich hätte sehr viel lieber gelesen, was in Haarmanns Umfeld los war, wie er sein Leben fristete und letztlich zu dem wurde, der er war. Es hat mich nicht sonderlich interessiert, was Lahnstein privat durchleben musste, weil ich wegen Fritz Haarmann dieses Buch lesen wollte und nicht wegen einem Polizisten. Die Taten an sich blieben genauso blass wie sämtliche handelnde Personen. Die politische Lage wird dafür umso genauer dargestellt, was ich aber nicht immer notwendig fand. Ja, ein gewisser Rahmen, in dem man sich orientieren kann ist durchaus wichtig, aber mehr auch nicht. Leider konnte mir dieses Buch nicht das geben, was ich mir gewünscht habe.
Das Buch hat mich gereizt, weil es auf einer wahren Begebenheit basiert und ich mich im Vorfeld schon einmal mit dem Fall vertraut gemacht habe. Leider hat mich das Buch sehr enttäuscht. Nicht nur, dass es 3 Sichtweisen gibt, bei denen man anfangs nicht einmal weiß, um wen es sich handelt, auch der Schreibstil ist sehr merkwürdig. Es gibt keine richtigen Gespräche, eigentlich wird alles in der „Erzählperspektive“ geschrieben, ohne Gänsefüsschen. Dazu kamen die völlig aus dem Nichts auftauchenden Rückblicke von Lahnsteins Leben. Bei seiner Vorgeschichte mag das alles sinnvoll sein, aber die Momente, in denen sie auftauchen, sind völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Man verliert den Anschluss an den Fall und muss sich im nächsten Teil erst wieder hineinfinden. Gut finde ich allerdings, dass hier die Korruption, Prostitution und die Verrohung der damaligen Gesellschaft aufgegriffen wird. Auch die politischen Bezüge, die der Autor hier anspricht, sind sehr interessant, da sie auch auf unsere heutige Situation bezogen werden können. In einem Interview des Autors sagt er folgendes dazu: “Wir müssen unsere Demokratie mit legalen, zivilen Mitteln gegen ihre Feinde verteidige, und unser Rechtsstaat muss für die Menschen unter allen Umständen Sicherheit gewährleisten.“ (Presseinformation des Penguin Verlag) An sich ist die Geschichte wirklich fesselnd. Die häufigen Rückblicke stören allerdings den Lesefluss und die fehlenden Gespräche bzw. Anführungszeichen verwirren ungemein. Lahnsteins Leben ist dramatisch, Haarmann ein Psychopath, der sich gut zu verkaufen weiß. Alles in allem ein guter Kriminalroman, wenn auch mit einigen großen Hindernissen.
Eher 3,5 (meine Erläuterung wie ich bewerte findet ihr in meinem Profil^^) Ganz schön gezogen hat sich der Roman und das bei knapp über 300 Seiten... Ich denke ich kam einfach nicht so mit dem Schreibstil von Kurbjuweit zurecht. Vor allem die fehlenden Satzzeichen für die wörtliche Rede fand ich auf dauer anstrengend. Trotzdem würde ich nicht sagen, das der Roman per se schlecht war. Gelungen fand ich vor allem den Bezug zu den politischen Gegebenheiten, während der Ermittlungen. Gerade auch der spezielle Druck, der auf den Ermittlungen und damit auch auf der Polizei selbst lag, wurde gut herausgearbeitet. Außerdem fand ich den persönlichen Hintergrund der Hauptfigur Lahnstein sinnvoll in die Handlung eingebunden. Manchmal stört es mich, wenn das Privatleben zu sehr in den Fokus gerät, aber hier passte es in die Art und Weise, wie der Roman aufgebaut war. Hi und da fand ich den Roman allerdings etwas reißerisch, weil man sich durchaus fragen kann, in wie weit es notwendig ist, das Zerrlegen einer Jungenleiche bis ins kleinste Detail zu schildern. In unregelmäßigen Abständen hat man zwar Haarmanns eigenen Blickwinkel als Zwischenkapitel, aber im Grunde steht eigentlich nicht er, sondern die Suche nach ihm und die Ermittlungsarbeit im Mittelpunkt. An einigen Stellen merkt man das Kurbjuweit insgesamt gut recherchiert hat. Er nutzt dabei zum Teil auch Originaldokumente und zitiert aus ihnen z.B. aus einem Geständnis Haarmanns. Außerdem fand ich, das man durchaus ein Gefühl für die Zeit der Weimarer Republik bekommt. Und es ist für mich persönlich auch spannend, die Morde und derren Hintergründe in diesem Kontext zu beleuchten. Die Eltern einzelner Opfer kommen dabei auch zu Wort und man erhält einen kleinen Einblick in ihr Leben und das ihrer Söhne. Ansonsten finde ich, das man vorher schon mal grob bescheid wissen sollte, wer Haarmann eigentlich war. Irgendwie eignet sich der Roman meiner Meinung nach nicht so richtig, um ganz ohne Vorwissen einzutauchen. Das Ganze ist eher eine Milieustudie, ein historischer Roman mit einem True Crime Thema. Wer so etwas mag und sich für die Weimarer Republik und ihre dunklen Seiten interessiert, sollte ruhig einen Blick riskieren.
Mehr Abbild der 1920er Jahre als Krimi Friedrich „Fritz“ Haarmann – die meisten von uns werden schon einmal etwas von diesem Serienmörder gehört haben. Ich bringe damit oft den von mir geliebten Film „Der Totmacher“ mit dem großartigen Götz George in Zusammenhang. Nun zählt der Kriminalroman „Haarmann“ von Dirk Kurbjuweit zu meinen zukünftigen (guten) Erinnerungen dazu. Der Autor hat dabei jedoch alles andere als ein literarisches Denkmal für Fritz Haarmann geschaffen; wer mit diesen Erwartungen an das Buch herangeht, wird vermutlich enttäuscht werden. Es gibt (wenn überhaupt) nur rudimentär neue Erkenntnisse für die Leserinnen und Leser. Allerdings bin ich der Meinung, dass man mehr über Haarmann gar nicht wissen muss. Vielmehr geht es Kurbjuweit in seinem Buch darum, die Stimmung in der jungen Weimarer Republik wiederzugeben. Das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der Politik (egal ob demokratisch oder links, (leider) weniger von rechts) und - speziell im Raum Hannover, wo Haarmann sein Unwesen trieb - gegenüber der Polizeiarbeit wächst. Und hier kommt der fiktive Kommissar Robert Lahnstein ins Spiel, der die Misserfolge der Hannoveraner Polizei bei der Suche nach verschwundenen Jungen in einen Erfolg „umwandeln“ soll. Lahnstein ist ein in sich gekehrter und an sich selbst zweifelnder Charakter, dem das Leben schwer zugesetzt hat. Er wacht immer wieder aus Alb- oder Tagträumen auf, in denen seine Frau Lissy und sein Sohn August eine Rolle spielen. Was mit Frau und Sohn passiert ist, wird allerdings erst sehr spät deutlich. Zunächst ist auch Lahnstein´s Arbeit nicht von Erfolg gekrönt, da immer mehr Jungen verschwinden, seine Kollegen intrigieren und er in Folge dessen immer mehr Druck von außen und von innen ertragen muss. Ein Flug mit einer Albatros-Maschine bringt schließlich die entscheidende Wende… Mehr sei an dieser Stelle gar nicht verraten, zumal das Ende (Haarmann wird gefasst, verurteilt und hingerichtet) bekannt ist. Der etwas ungewöhnliche, eher nüchtern-trockene Schreibstil sowie keinerlei „wörtliche Rede“ ist zunächst ungewohnt, sollte jedoch kein Grund sein, diesem Roman keine Chance zu geben. Auch die am Ende eines jeden Kapitels kursiv dargestellte Sichtweise von Haarmann sowie die ebenfalls kursiv dargestellten Texte aus der Sicht der Opfer werden sachlich und ohne jedwede „Wertung“ von Kurbjuweit wiedergegeben. Alles in Allem liegt mit „Haarmann“ ein großartiger Kriminalroman vor, der von mir die verdienten 5* sowie eine Leseempfehlung bekommt! ©kingofmusic