Gehe hin, stelle einen Wächter

Gehe hin, stelle einen Wächter

Hardcover
3.321
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Beschreibung

Der sensationelle Manuskriptfund - das literarische Großereignis!

Harper Lee hat bisher nur einen Roman veröffentlicht, doch dieser hat der US-amerikanischen Schriftstellerin Weltruhm eingebracht: „Wer die Nachtigall stört“, erschienen 1960 und ein Jahr später mit dem renommierten Pulitzer-Preis ausgezeichnet, ist mit 40 Millionen verkauften Exemplaren und Übersetzungen in mehr als 40 Sprachen eines der meistgelesenen Bücher weltweit. Mit „Gehe hin, stelle einen Wächter“ – zeitlich vor „Wer die Nachtigall stört“ entstanden – erscheint nun das Erstlingswerk. Das Manuskript wurde nie veröffentlicht und galt als verschollen – bis es eine Freundin der inzwischen 89-jährigen Autorin im September 2014 fand.

In „Gehe hin, stelle einen Wächter“ treffen wir die geliebten Charaktere aus „Wer die Nachtigall stört“ wieder, 20 Jahre später: Eine inzwischen erwachsene Jean Louise Finch, „Scout“, kehrt zurück nach Maycomb und sieht sich in der kleinen Stadt in Alabama, die sie so geprägt hat, mit gesellschaftspolitischen Problemen konfrontiert, die nicht zuletzt auch ihr Verhältnis zu ihrem Vater Atticus infrage stellen.

Ein Roman über die turbulenten Ereignisse im Amerika der 1950er-Jahre, der zugleich ein faszinierend neues Licht auf den Klassiker wirft. Bewegend, humorvoll und überwältigend – ein Roman, der seinem Vorgänger in nichts nachsteht.

Haupt-Genre
Romane
Sub-Genre
Zeitgenössische Romane
Format
Hardcover
Seitenzahl
320
Preis
20.60 €

Autorenbeschreibung

Harper Lee wurde 1926 in Monroeville/Alabama geboren. Sie studierte ab 1945 Jura an der Universität von Alabama, ging aber vor dem Abschluss nach New York und arbeitete bei einer internationalen Luftverkehrsgesellschaft. Für das 1960 veröffentlichte Debüt und ihr bis 2015 einziges Buch »Wer die Nachtigall stört« erhielt sie mehrere Preise, u.a. den Pulitzer-Preis. Der Roman zählt zu den bedeutendsten US-amerikanischen Werken des 20. Jahrhunderts, wurde in 40 Sprachen übersetzt und hat sich international rund 40 Millionen Mal verkauft. »Gehe hin, stelle einen Wächter« wurde von Harper Lee vor ihrem Weltbestseller »Wer die Nachtigall stört« geschrieben und galt als verschollen. 2015, fast sechzig Jahre später, erschien er unter großer weltweiter Aufmerksamkeit und führte in Deutschland und der englischsprachigen Welt die Bestsellerlisten an. Harper Lee, 2007 mit der amerikanischen Freiheitsmedaille des Präsidenten ausgezeichnet, lebte zurückgezogen in ihrem Heimatort Monroeville/Alabama, wo sie im Februar 2016 verstarb.

Beiträge

11
Alle
2.5

Erwartungen nicht erfüllt

Dieses Buch hat mich sehr enttäuscht. Erwartet habe ich starke Charaktere und ein bisschen Spannung umrahmt von Ausschnitten aus der damaligen Zeit. Bekommen habe ich viel Geschwätz, ein bisschen Geschichte, viel Unsicherheit und schwammige Botschaften. Es war anstrengend und bis auf die Grundaussage der letzten Kapitel konnte ich nichts mitnehmen.

4

Zweigeteilt

Zur Fortsetzung von „Wer die Nachtigall stört“ bin ich zweigeteilter Meinung. Das Buch ist literarisch sehr gut geschrieben, leider plätschert die Geschichte teils vor sich hin. Der Tod eines der Protagonisten aus Teil1, wird nur am Rande erwähnt, während man plötzlich mit der Figur von Hank/Henry so verfährt, als wäre sie schon immer dabei gewesen. Wie schon Teil1 hat auch Teil2 „Gehe hin und stelle einen Wächter“ wieder den alltagsrassismus der Südstaaten als Hauptthema. Teilweise findet man es erschreckend wie leicht den Protagonisten das N-Wort über die Lippen kommt, nur um zu erkennen, welcher Zeit Kinder die Protagonisten waren. Der Wächter einer jeden Person ist sein Gewissen. Kein Mensch wird als Opfer geboren, kein Mensch als Rassist. Wir sind die Summe unserer Entscheidungen und jeder kann jeden Tag aufs Neue Entscheiden, was für eine Art Mensch er sein will. Jean Louise „Scout“ Finch ist Mensch, mitfühlend, mit einem Gewissen. Eine Person welcher es mehrere auf dieser Welt bedürfte.

3.5

Eine grundsätzliche Frage der Menschlichkeit

Ich kam sehr schwer in dieses Buch rein, es gab oft langatmige Rückblicke. Am Ende jedoch gab es eine ganz entscheidende Erkenntnis: die grundsätzliche Frage der Menschlichkeit. Die Handlung ist noch tief im Rassenkonflikt und aller einhergehenden Fragen. Wer ist mehr wert? Ein Buch zum Nachdenken und um die Ecke denken

4

"Blind, genau das bin ich. Ich habe nie die Augen aufgemacht. Ich habe nie daran gedacht, Menschen ins Herz zu schauen, ich habe ihnen nur ins Gesicht gesehen. Blind wie ein Stein ... Mr Stone. Mr Stone hat gestern in der Kirche einen Wächter erwähnt. Er hätte mir einen zur Seite stellen sollen. Ich brauche einen Wächter, der mich begleitet, auf dass er mir zur vollen Stunde Ansage, was er da schaue. Ich brauche einen Wächter, der mir erklärt, was ein Mann wirklich meint, wenn er etwas sagt, das ist Gerechtigkeit, und das ist die andere Gerechtigkeit, und mir dann den Unterschied verständlich macht. Ich brauche einen Wächter, der vortritt und allen verkündet, dass sechsundzwanzig Jahre zu lang sind, um jemanden einen Streich zu spielen, ganz gleich wie lustig er ist." (Gehe hin, stelle einen Wächter, Seite 206) Was sich für den heutigen Leser wie eine Fortsetzung des berühmten Romans "Wer die Nachtigall stört" anfühlt, ist in Wirklichkeit die Veröffentlichung eines Manuskript, welches im Nachlass von Harper Lee wieder entdeckt wurde. Von einer Wiederentdeckung kann man sprechen, da die Autorin selbst dieses Werk 1957 an ein Verlagshaus verkauft hatte. Die damalige Lektorin befand, dass die dort geschilderten Kindheitserinnerungen das stärkste Potential habe und so arbeitete Lee die Geschichte um, die mit einem neuen Titel veröffentlicht wurde und als "Mocking Bird" Roman weltweit bekannt ist. Vermutlich war es nicht unbedingt im Sinne der Autorin, dass nun auch die ursprüngliche Version ihres Romans publiziert wurde, aber für die Leserwelt ist dieses Werk durchaus von Bedeutung. Durch die Ambivalenz der einzelnen Figuren hat dieser Roman eine moderne Note und setzt zudem als Coming-of-Age Geschichte zeitlose Akzente. Und natürlich ist es auch ein Werk seiner Zeit, denn auch wenn die sympathische Erzählerin sich selbst als "farbenblind" bezeichnet, stellt man bei der Lektüre doch fest, inwieweit sie vom Alltagsrassismus geprägt ist. Zum Inhalt Jean Louise "Scout" Finch reist mit dem Zug von New York in ihre Heimat nach Alabama. Hier ist unbedingt die Szene zu erwähnen, in der sie im Bett liegend eingeklappt wird und aus ihrer misslichen Lage befreit werden muss- zu köstlich! Abgeholt wird sie schließlich von ihrem Jugendfreund Hank und spätestens hier wird dem Leser klar, dass dies kein gewöhnlicher Heimaturlaub für Scout ist. Die Mittzwanzigerin treibt sich mit Gedanken um ihre weitere Zukunft herum. Inwieweit spielen geliebte Kindheitserinnerungen bei künftigen Entscheidungen eine Rolle und sind diese überhaupt eine zuverlässige Quelle bei de Beurteilung ihres Umfeldes? Bisher war der feste Fixstern und moralische Kompass ihres Lebens ganz klar Atticus Finch, der philantropische und unbestechliche Rechtsanwalt und Held ihrer Kindheit. Aber nun muss sich Scout der Erkenntnis stellen, dass ihr Vater nicht wirklich ihre humanistischen Werte und Vorstellungen teilt und der daraus entstehende Konflikt, zieht möglicherweise folgenschwere Konsequenzen mit sich... Fazit Gerade weil auch viele Leser nach der Lektüre von Mockingbird ein gewisses Bild von Atticus Finch haben (oder durch den Film den ehrenwerten Gregory Peck vor Augen sehen), fühlt man beim Watchman so intensiv mit. Und damit ist dieser Roman so unglaublich packend und stimmt nachdenklich, auch wenn die Geschichte sich nicht ganz vom damaligen Zeitgeist frei sprechen lässt. Eine empfehlenswerte Lektüre!

4

Ich war zunächst sehr skeptisch, als diese Buch veröffentlicht wurde. Posthum herausgebrauchte Bücher finde ich oft nur mittelmäßig. Die Autorin Harper Lee wird schon einen Grund gehabt haben, warum sie ihr Manuskript rund 60 Jahr unter Verschluss hielt. Es ist ja auch nicht so, dass sie eine permanent abliefernde Bestseller-Autorin war, sondern eher ein One-Hit-Wonder. Aber meine Skepsis war völlig unbegründet. Dieses Buch ist ein Schlag in die Magengrube, voller Energie und spannender Konfrontation. Während die Nachtigall eher ein Wohlfühlbuch über eine glückliche Kindheit mit einem zum Heiligen erhobenen Vater ist, ist der Wächter das genaue Gegenteil. Beide Bücher werden aus der Sicht von Jean Louise Finch, genannt Scout, erzählt, wobei Harper Lee für beide Bücher genau den altersgerechten Erzählton trifft. Scout kehrt in diesem Buch als junge Frau zu einem Heimaturlaub aus New York nach Maycomb/Alabama zurück. Es passiert eigentlich nicht viel in der Geschichte, denn zumeist unterhält sie sich mit den bereits aus der Nachtigall bekannten Personen (ihre Verwandten, die Haushälterin, ihr Jugendfreund) oder schwelgt in Erinnerungen. Nachdem sie erkennt, dass ihr Vater und ihr Freund Hank an einer Bürgerversammlung teilnehmen, auf der rassistische Thesen der übelsten Art verbreitet werden, stürzt ihr Weltbild zusammen und sie beginnt sich von ihrer Vergangenheit abzunabeln. Sie tut dies weniger still und in Tränen, sondern lautstark, schimpfend und anklagend. Im Grunde ein Entwicklungsroman, wie man ihn sich wünscht. Die Tatsache, dass ihrem Vater Atticus der Heiligenschein durch dieses Werk heruntergerissen wird, finde ich nicht tragisch. Im Gegenteil, es ist eher spannend und erhöht die Qualität des Buchs. Erstaunlich ist, dass auch immer wieder Verbindung zu dem bekannten Strafverfahren aus der Nachtigall gesponnen werden, in dem der Anwalt Atticus den Schwarzen vor der Verurteilung als Vergewaltiger bewahrte. Für heutige Leser/innen mag es ein Schock sein, wie oft das N-Wort hier fällt und mit welcher Selbstverständlichkeit die Südstaatler über die Rassenunterschiede sprechen. Ja, das Buch beinhaltet viel Rassismus. Aber ich bin mir sicher, dass es als zeitgenössisches Werk ein gutes Gesellschaftsbild des mittelständigen, ländlichen Alabamas der 50er Jahre darstellt. Scout wird im Verlauf des Buchs klar, dass ihrem Vater die Gerechtigkeit an sich wichtiger war als der Mensch, der unter der Ungerechtigkeit zu leiden hatte. Als alter Mann gesteht er den Schwarzen gewisse (wenige) Freiheit zu, aber nur bis zu einer bestimmt Grenze, an der sein persönlicher Wächter des Gewissens steht. Dies bedeutet, dass eine sexuelle Partnerschaft oder das Drücken einer gemeinsamen Schulbank von Schwarzen und Weißen von ihm abgelehnt werden. Es hört sich an wie eine Art "pragmatischer Rassismus", denn die Zeit ist noch nicht reif für mehr Gleichberechtigung. Das Buch tut schon teilweise weh beim Lesen. Aber das schätze ich auch an dem Werk. Ambivalente Persönlichkeit sind doch viel interessanter als stromlinienförmige Langweiler. Einziger Kritikpunkt an diesem Buch: die Befreiung aus dem eigenen Kokon ist letztlich nicht konsequent durchgezogen und so knickt Scout am Ende doch ein (nachdem ihr ihr Onkel ins Gesicht geschlagen hatte und ihr die Leviten liest). Sie kehrt in den Schoß der Familie zurück. Ein Tritt in des Onkels Eier und eine finale Fahrt in die untergehende Sonne Richtung New York wäre für mich ein besserer Schluss gewesen.

4

Gestern bzw. heute hat unser Lesetrio (@fabulabooks & @lesefragmente ) dieses Buch beendet! Wir alle hatten bereits „Wer die Nachtigall stört“ von der Autorin gelesen, was uns einerseits mit dem tollen Schreibstil und der eindrücklichen Atmosphäre begeistert, gleichzeitig jedoch leider auch etwas unbefriedigt zurückgelassen hatte. Mit diesem hier verhält es sich mehr oder weniger genauso: Es war schön, wieder dorthin zurückkehren zu dürfen und man wusste den Humor, die Charaktere sowie die Sprache schnell wieder zu schätzen. Allerdings bleibt auch diese Fortsetzung, die einige Jahre später in den 1960ern (?) spielt, sehr offen. Auch sind leider nicht mehr alle der früheren und liebgewonnenen Charaktere dabei, andere lernt man dafür besser kennen. Leider auch ihre Schattenseiten. Insgesamt finde ich beide Bücher jedoch sehr lesenswert, weil man wirklich in den Zeitgeist (der eben nicht mehr den heutigen Ansichten entspricht) hineingesogen wird und mehr versteht, wie tief der Rassismus ging/geht - selbst bei vermeintlich gebildeten Menschen. Sehr nachvollziehbar schafft Harper Lee es, dem/der Leser*in deutlich zu machen, wie schwierig es ist, aus diesen fest verankerten Strukturen der damaligen Gesellschaft- insbesondere in den Südstaaten - auszubrechen, wenn man diesen entsprechend aufgewachsen ist und erzogen wurde. Über manches wird man sich vielleicht klar, aber längst nicht immer über alles. Und auch nicht jeder. Abschließend kamen wir übrigens zu dem Schluss, dass die Autorin der umstrittenen Veröffentlichung dieses eigentlich ersten Manuskripts eher nicht zugestimmt hat. Dies ist jedoch nur unser persönlicher Eindruck. Falls ihr die Bücher schon gelesen habt, würde mich eure Meinung natürlich sehr interessieren!

4

Anfang des Jahres wurde “Go Set a Watchman”, so der Originaltitel, als literarische Sensation gefeiert. Ein verschollenes Manuskript, das Jahrzehnte in einer Schublade lag. Das Manuskript, aus dem nach einer sehr starken Überarbeitung und Veränderung der amerikanische Klassiker “Wer die Nachtigall stört” (Rezension) entstanden ist. Alle Welt wartete auf die Veröffentlichung des Buches, dem bereits vor Veröffentlichung kritische Stimmen entgegen schlugen. Ich war sehr gespannt auf dieses Buch, nachdem mir “Wer die Nachtigall stört” so sehr gut gefallen hat, dass ich es anschließend in sämtliche Bücherrunden mitnahm und weiterempfahl. Beim Lesen der “Fortsetzung” muss dem Leser immer bewusst sein, dass es sich eigentlich um den Vorgänger und um das ursprüngliche Manuskript des bekannten Klassikers handelt. Jedoch ist das ursprüngliche Werk durch die Verlegung in eine frühere Zeit und einem anderen Fokus so stark verändert worden, dass sich erstaunlich wenig Gemeinsamkeiten wiederfinden. Nicht nur ist der “Wächter” in der distanzierteren dritten Person geschrieben, auch sind es nur wenige Personen, die den beiden Büchern gemeinsam sind. Kinderfreund Dill, der eine wichtige Rolle spielt, wird im “Wächter” kaum erwähnt. Die merkwürdigen Nachbarn, die bei der Nachtigall eine große Rolle spielen und letztendlich zur Titelgebung “Wer die Nachtigall stört” beitragen, gibt es nicht. So bekommt man einen Eindruck, wie die “Nachtigall” vielleicht entstanden ist. Was schon vorher da war und was ergänzt und ausgebaut wurde. Die Gerichtsverhandlung, die den Kern von “Wer die Nachtigall stört” ausmacht, wird nur beiläufig erwähnt. Auch wenn der Ton in der Erzählung unverwechselbar der Harper Lees ist, hat für mich “Wer die Nachtigall stört” eindeutig die Nase vorn und vor allem atmosphärisch viel voraus. Bei der “Nachtigall” spürt man förmlich die Luft flimmern, während der “Wächter” doch eher mit der Diskussion über moralische Werte punktet. Was das erzählerische Können und das schriftstellerische Handwerk betrifft, ist “Gehe hin, stelle einen Wächter” das Gesellenstück während “Wer die Nachtigall stört” eindeutig das Meisterstück ist. Es ist jedoch interessant zu sehen, was aus dem Wildfang Scout geworden ist. Die Rückblenden in die Kindheit machen einen Großteil des Charmes des “Wächters” aus, so dass durchaus verständlich ist, warum Lees Lektorin damals vorschlug, diesen Teil zum Inhalt der “Nachtigall” zu machen. Scout wirkt als Erwachsene wenig gereift. Man spürt noch immer die kindliche Naivität, der Abschied von der Kindheit ist noch nicht vollzogen. Bei der Rückkehr nach Maycomb wirkt sie erstaunt, dass das Leben ohne sie weiter ging. Für ihren Kinderfreund Henry kann sie sich nicht richtig entscheiden. Sie will bewahren und sieht nicht den Fortgang der Zeit. Der Schock, ihren Vater zusammen in einer Versammlung mit Mitgliedern des Ku-Klux-Clanes zu sehen, erweckt ihre alte Starrköpfigkeit. Es braucht eine Weile und viel Überzeugungsarbeit des Onkels bis sie sich dem stellen kann, dass es nicht nur schwarz und weiß, gut und böse, gibt. “Gehe hin, stelle einen Wächter” wirkt meiner Meinung nach nur in Zusammenhang mit der besseren Version “Wer die Nachtigall stört”. Auch wenn der “Wächter” unterhaltsam und nicht schlecht geschrieben ist, so kann er allein nicht komplett überzeugen. In Bezug auf die berühmte, zeitlose vollständige Überarbeitung aber interessant, weil das Buch manches klarer sehen lässt. So wird zum Beispiel deutlich, dass die den Vater vergötternde kleine Scout letztendlich nur ihre eigene, kindliche Sichtweise auf Atticus beschrieben hat, und Atticus nie der über allem stehende Vater war, von dem auch die Leserschaft so begeistert war. Auch erscheinen die in meiner Rezension beschriebenen Brüche in der Erzählweise von Scout in der “Nachtigall” begründet in der Nachbearbeitung. “Gehe hin, stelle einen Wächter” ist auf jeden Fall lesenswert und immer noch zeitgemäß. Das Buch bietet viel Diskussionsstoff und eignet sich meiner Meinung nach excellent für Lesekreise. © Tintenelfe www.tintenhain.de

2

2,5 Sterne. Aus Zeitgründen nun doch nur eine Kurzmeinung: Leider kommt das Buch nicht an seinen berühmten Vorgänger "Wer die Nachtigall stört" heran. Das überrascht mich auch nicht, denn soweit ich informiert bin, war "Gehe hin, stelle einen Wächter" nur ein Manuskript, das niemals veröffentlicht werden sollte. Und genau so liest es sich auch. Es ist zwar interessant zu sehen, wie sich die Charaktere entwickeln haben - und vor allem Atticus Finch scheint nun das komplette Gegenteil seines früheren Ichs zu sein - aber es fehlt der Geschichte leider an einem roten Faden. Die Story plätschert vor sich hin, ohne dass sie einen bleibenden Eindruck hinterlassen würde. Ich bin überzeugt davon, dass das Buch niemals veröffentlicht worden wäre, wenn nicht der Name "Harper Lee" draufstehen würde. Das Buch ist nicht schlecht, hat aber im Vergleich zu "Wer die Nachtigall stört" absolut keinen Daseinszweck.

4

Ich war zunächst sehr skeptisch, als diese Buch veröffentlicht wurde. Posthum herausgebrauchte Bücher finde ich oft nur mittelmäßig. Die Autorin Harper Lee wird schon einen Grund gehabt haben, warum sie ihr Manuskript rund 60 Jahr unter Verschluss hielt. Es ist ja auch nicht so, dass sie eine permanent abliefernde Bestseller-Autorin war, sondern eher ein One-Hit-Wonder. Aber meine Skepsis war völlig unbegründet. Dieses Buch ist ein Schlag in die Magengrube, voller Energie und spannender Konfrontation. Während die Nachtigall eher ein Wohlfühlbuch über eine glückliche Kindheit mit einem zum Heiligen erhobenen Vater ist, ist der Wächter das genaue Gegenteil. Beide Bücher werden aus der Sicht von Jean Louise Finch, genannt Scout, erzählt, wobei Harper Lee für beide Bücher genau den altersgerechten Erzählton trifft. Scout kehrt in diesem Buch als junge Frau zu einem Heimaturlaub aus New York nach Maycomb/Alabama zurück. Es passiert eigentlich nicht viel in der Geschichte, denn zumeist unterhält sie sich mit den bereits aus der Nachtigall bekannten Personen (ihre Verwandten, die Haushälterin, ihr Jugendfreund) oder schwelgt in Erinnerungen. Nachdem sie erkennt, dass ihr Vater und ihr Freund Hank an einer Bürgerversammlung teilnehmen, auf der rassistische Thesen der übelsten Art verbreitet werden, stürzt ihr Weltbild zusammen und sie beginnt sich von ihrer Vergangenheit abzunabeln. Sie tut dies weniger still und in Tränen, sondern lautstark, schimpfend und anklagend. Im Grunde ein Entwicklungsroman, wie man ihn sich wünscht. Die Tatsache, dass ihrem Vater Atticus der Heiligenschein durch dieses Werk heruntergerissen wird, finde ich nicht tragisch. Im Gegenteil, es ist eher spannend und erhöht die Qualität des Buchs. Erstaunlich ist, dass auch immer wieder Verbindung zu dem bekannten Strafverfahren aus der Nachtigall gesponnen werden, in dem der Anwalt Atticus den Schwarzen vor der Verurteilung als Vergewaltiger bewahrte. Für heutige Leser/innen mag es ein Schock sein, wie oft das N-Wort hier fällt und mit welcher Selbstverständlichkeit die Südstaatler über die Rassenunterschiede sprechen. Ja, das Buch beinhaltet viel Rassismus. Aber ich bin mir sicher, dass es als zeitgenössisches Werk ein gutes Gesellschaftsbild des mittelständigen, ländlichen Alabamas der 50er Jahre darstellt. Scout wird im Verlauf des Buchs klar, dass ihrem Vater die Gerechtigkeit an sich wichtiger war als der Mensch, der unter der Ungerechtigkeit zu leiden hatte. Als alter Mann gesteht er den Schwarzen gewisse (wenige) Freiheit zu, aber nur bis zu einer bestimmt Grenze, an der sein persönlicher Wächter des Gewissens steht. Dies bedeutet, dass eine sexuelle Partnerschaft oder das Drücken einer gemeinsamen Schulbank von Schwarzen und Weißen von ihm abgelehnt werden. Es hört sich an wie eine Art "pragmatischer Rassismus", denn die Zeit ist noch nicht reif für mehr Gleichberechtigung. Das Buch tut schon teilweise weh beim Lesen. Aber das schätze ich auch an dem Werk. Ambivalente Persönlichkeit sind doch viel interessanter als stromlinienförmige Langweiler. Einziger Kritikpunkt an diesem Buch: die Befreiung aus dem eigenen Kokon ist letztlich nicht konsequent durchgezogen und so knickt Scout am Ende doch ein (nachdem ihr ihr Onkel ins Gesicht geschlagen hatte und ihr die Leviten liest). Sie kehrt in den Schoß der Familie zurück. Ein Tritt in des Onkels Eier und eine finale Fahrt in die untergehende Sonne Richtung New York wäre für mich ein besserer Schluss gewesen.

3.5

Interessante "Fortsetzung". Habs gern gelesen und musste auch durchaus mal drüber nachdenken. Und wieder mal schön runtergebrochen aufs wesentliche.

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