Harry Crews‘ Roman „Florida Forever“ ist ein beeindruckendes Stück Literatur, das den Leser von der ersten bis zur letzten Seite fesselt. Ich habe das Buch in nur zwei Tagen verschlungen – ein Zeichen dafür, dass es nicht nur sprachlich äußerst flüssig geschrieben ist, sondern auch mit einer faszinierenden Geschichte aufwartet. Die Geschichte spielt in einem heruntergekommenen Trailerpark in Florida, einem Ort, der für die Bewohner sowohl Gefängnis als auch Heimat ist. Crews gelingt es meisterhaft, eine Atmosphäre zu erschaffen, in der man sich als Leser fast wie ein Teil der verschrobenen Gemeinschaft fühlt. Seine Figuren sind skurril, überzeichnet und dennoch erschreckend real. Die Sprache ist oft derb, manchmal unter der Gürtellinie, aber immer direkt und unverfälscht – typisch für Crews‘ Erzählstil. Crews zeigt uns eine Welt der Außenseiter und Gestrandeten, Menschen, die sich mit ihrem Schicksal abgefunden haben oder verzweifelt versuchen, ihrem Dasein Sinn zu geben. Der Trailerpark ist eine Art Mikrokosmos der amerikanischen Gesellschaft, in der gescheiterte Träume, Hoffnung und Resignation aufeinanderprallen. Das Buch fragt: Was bedeutet es, ein erfülltes Leben zu führen? Ist ein Leben in Armut und Perspektivlosigkeit zwangsläufig sinnlos, oder kann es in den kleinen Momenten des Glücks seinen Wert finden? Der Protagonist trägt eine körperliche Narbe aus dem Korea-Krieg – ein fehlender Arm. Diese Verletzung steht sinnbildlich für den Preis, den Menschen zahlen, wenn sie sich in die großen Ideale von Nation und Ehre verstricken lassen. Gleichzeitig ist der Armstumpf ein Zeichen für den Verlust von Kontrolle, Würde und vielleicht auch Identität. Er zeigt, dass der Krieg nicht nur auf dem Schlachtfeld zerstört, sondern auch noch lange nach der Heimkehr weiterwirkt. Eine der faszinierendsten Figuren des Romans ist die junge Frau mit dem bezeichnenden Namen Too Much. Ihr Name ist Programm: Sie ist überlebensgroß, exzessiv, eine Verkörperung der Maßlosigkeit. Doch sie steht auch für die Sehnsucht nach Intensität und Bedeutung in einer Welt, die oft nur Mittelmäßigkeit bietet. Sie symbolisiert sowohl die Verführung als auch die Gefahr, sich in Träumen und Illusionen zu verlieren. „Florida Forever“ ist ein echter Pageturner, der einen in eine fremde, aber seltsam vertraute Welt entführt. Crews schreibt gnadenlos ehrlich, mit einem Humor, der oft ins Groteske kippt. Das Buch ist nicht für zartbesaitete Leser, aber wer sich auf den rauen Stil und die sperrigen Figuren einlässt, wird mit einer unvergesslichen Lektüre belohnt. Von mir gibt es 4 von 5 Sternen – eine starke Empfehlung für alle, die literarische Außenseiterstorys mit Tiefgang zu schätzen wissen.
16. Feb. 2025
Florida Forevervon Harry CrewsWALDE + GRAF bei Metrolit