Wie Proust Ihr Leben verändern kann
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Diese Anleitung zum Lesen und Verstehen von Marcel Prousts gewaltigem Werk darf man nicht so ernst nehmen. Es handelt sich nicht um klassische Sekundärliteratur zum besseren Textverständnis, sondern ist der Versuch, statt eines pseudowissenschaftlichen Ratgebers über Achtsamkeit lieber sich auf die Suche nach der verlorenen Zeit zu begeben und von Proust ein besseres Leben zu lernen. Was ja schon aberwitzig ist, denn Proust war ja nun wirklich kein Vorbild für eine bereichernde Lebensführung. Er war ein Sonderling, Einzelgänger, Muttersöhnchen, Versager, Hochsensensibler, Snob, Galant, Gönner, Intellektueller, Sprachvirtuose und Kunstliebhaber, der sein Leben vorwiegend im stets verdunkelten Zimmer und die Nächte mit dem Schreiben seines Romans im Bett verbrachte. Kann man also von Proust lernen (so die einzelnen Kapitelüberschriften), wie man das Leben heute liebt, man richtig liest, sich Zeit nimmt, erfolgreich leidet, seinen Gefühlen Ausdruck verleiht, Freundschaften pflegt, sehen lernt und das Glück in der Liebe findet? Nein, das wäre wirklich zu viel verlangt. Warum liest man dann aber Proust? Er ist zweifellos einer, der die schönsten Metaphern kreiieren konnte. Jegliche Klischees waren ihm zuwider. Und wenn mir mal wieder bei Proust diese schier überbordende Phantasie in der Beschreibung von Dingen und Gefühlen auf den Wecker geht, dann werde ich mich zumindest gerne an diese Anleitung zurückerinnern, denn sie machte mir deutlich, dass Proust so ist wie die Maus Frederick in dem bekannten Bilderbuch. Er ist ein Nichtsnutz, der die Farben und die Bilder im Sommer sammelt, um in den kalten Wintermonaten davon erzählen zu können. Ja, ich bin auch metaphorisch positiv. Dafür vier Sterne. Über das ganze Konzept des Buchs als Ratgeber, decke ich mal den Mantel des Vergessens. Denn was soll man von so einem Ende halten: "Die Moral? Daß wir Proust keinen größeren Tribut zollen könnten, als wenn wir zum guten Schluß das [...] Urteil über ihn fällen, [...] dass auch seine Werke dem, der sich zu lange mit ihm beschäftigt, trotz ihrer unbestrittenen Qualität irgendwann dumm, eigenbrötlerisch, enervierend, falsch und lächerlich vorkommen müssen. [...] Selbst die besten Bücher haben es verdient, in die Ecke geworfen zu werden. ENDE" Wie kann man eine Hommage an einen außergewöhnlichen Schriftsteller so beschissen enden lassen? Die Flugeigenschaften dieser Anleitung (Hardcover, 238 Seiten) sind übrigens hervorragend. Und die Ecke des Wohnzimmers habe ich auch getroffen.
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Diese Anleitung zum Lesen und Verstehen von Marcel Prousts gewaltigem Werk darf man nicht so ernst nehmen. Es handelt sich nicht um klassische Sekundärliteratur zum besseren Textverständnis, sondern ist der Versuch, statt eines pseudowissenschaftlichen Ratgebers über Achtsamkeit lieber sich auf die Suche nach der verlorenen Zeit zu begeben und von Proust ein besseres Leben zu lernen. Was ja schon aberwitzig ist, denn Proust war ja nun wirklich kein Vorbild für eine bereichernde Lebensführung. Er war ein Sonderling, Einzelgänger, Muttersöhnchen, Versager, Hochsensensibler, Snob, Galant, Gönner, Intellektueller, Sprachvirtuose und Kunstliebhaber, der sein Leben vorwiegend im stets verdunkelten Zimmer und die Nächte mit dem Schreiben seines Romans im Bett verbrachte. Kann man also von Proust lernen (so die einzelnen Kapitelüberschriften), wie man das Leben heute liebt, man richtig liest, sich Zeit nimmt, erfolgreich leidet, seinen Gefühlen Ausdruck verleiht, Freundschaften pflegt, sehen lernt und das Glück in der Liebe findet? Nein, das wäre wirklich zu viel verlangt. Warum liest man dann aber Proust? Er ist zweifellos einer, der die schönsten Metaphern kreiieren konnte. Jegliche Klischees waren ihm zuwider. Und wenn mir mal wieder bei Proust diese schier überbordende Phantasie in der Beschreibung von Dingen und Gefühlen auf den Wecker geht, dann werde ich mich zumindest gerne an diese Anleitung zurückerinnern, denn sie machte mir deutlich, dass Proust so ist wie die Maus Frederick in dem bekannten Bilderbuch. Er ist ein Nichtsnutz, der die Farben und die Bilder im Sommer sammelt, um in den kalten Wintermonaten davon erzählen zu können. Ja, ich bin auch metaphorisch positiv. Dafür vier Sterne. Über das ganze Konzept des Buchs als Ratgeber, decke ich mal den Mantel des Vergessens. Denn was soll man von so einem Ende halten: "Die Moral? Daß wir Proust keinen größeren Tribut zollen könnten, als wenn wir zum guten Schluß das [...] Urteil über ihn fällen, [...] dass auch seine Werke dem, der sich zu lange mit ihm beschäftigt, trotz ihrer unbestrittenen Qualität irgendwann dumm, eigenbrötlerisch, enervierend, falsch und lächerlich vorkommen müssen. [...] Selbst die besten Bücher haben es verdient, in die Ecke geworfen zu werden. ENDE" Wie kann man eine Hommage an einen außergewöhnlichen Schriftsteller so beschissen enden lassen? Die Flugeigenschaften dieser Anleitung (Hardcover, 238 Seiten) sind übrigens hervorragend. Und die Ecke des Wohnzimmers habe ich auch getroffen.