Lügen über meine Mutter
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Beschreibung
Autorenbeschreibung
Daniela Dröscher, Jahrgang 1977, aufgewachsen in Rheinland-Pfalz, lebt in Berlin. Promotion im Fach Medienwissenschaft an der Universität Potsdam sowie ein Diplom in »Szenischem Schreiben« an der Universität Graz. Ihr Romandebüt »Die Lichter des George Psalmanazar« erschien 2009, es folgten der Erzählband »Gloria« (2010) und der Roman »Pola« (2012) sowie das Memoir »Zeige deine Klasse« (2018). Sie wurde u.a. mit dem Anna Seghers-Preis, dem Arbeitsstipendium des Deutschen Literaturfonds sowie dem Robert-Gernhardt-Preis (2017) ausgezeichnet. Der Roman »Lügen über meine Mutter« (2022) stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises.
Merkmale
1 Bewertungen
Stimmung
Hauptfigur(en)
Handlungsgeschwindigkeit
Schreibstil
Beiträge
Das Portrait einer überaus toxischen Ehe in der bundesrepublikanischen Provinz der 1980er Jahre
Selten hat mich ein Buch so wütend gemacht, mich mit einem so schlechten Gefühl zurück gelassen. Daniela Dröscher beschreibt autobiographisch die Ehe ihrer Eltern aus der Perspektive ihres kindlichen Ichs. Die Beziehung besteht ausschließlich aus Vorwürfen des Vaters gegenüber der Mutter, der es sichtlich an Disziplin mangelnd, schließlich gerät der Körper der Mutter immer mehr aus den Fugen. Keine der zahlreichen Diäten hilft, eher im Gegenteil kommt es zur "rückkehrenden Gewichtszunahme". Das Aussehen der Mutter bestimmt den Alltag der Familie und führt regelmäßig zu heftigen Streitereien zwischen den Eltern. Der Vater sieht die wahren Gründe, die Traurigkeit, Unzufriedenheit und Überforderung der Mutter nicht, im Gegenteil führt er sie regelmäßig vor und beschämt sie, in dem er verlangt, dass sie sich regelmäßig vor ihm wiegt. Der Umgang der Eltern, die Ausweglosigkeit haben bei mir zu einem bitteren Beigeschmack geführt. Zwischen den Kapiteln ordnet Daniela Dröscher die Geschehnisse mit ihrem heutigen Wissen ein und reflektiert ihr kindliches Verhalten, wie sie sich bspw. von beiden Eltern vereinnahmen ließ. Die Narrative des Vaters übernommen wurden. Das Buch hat mir gut gefallen. Es ist ein wichtiges Buch zur Beschreibung einer bundesrepublikanischen Ehe in den 1980er Jahren ohne Kinderbetreuung und ohne die Möglichkeit der Selbstverwirklichung der Frauen. Dafür mit viel Arroganz und Unverständnis bei den Männern. Zitat S. 113 In dem Kammerspiel mit Namen "Familie" wird das Kind nicht selten zum Blitzableiter der Kräfte, denen die Frau im Patriarchat unterworfen ist.
Eher schwere Kost, aber unheimlich gut!
Inhalt und Meinung Bitte achtet auf die Triggerwarnung, das Buch ist teilweise wirklich nur schwer zu ertragen. Die Geschichte wird rückblickend von der Tochter einer Familie erzählt, in der sich alles darum gedreht hat, dass die Mutter nach Meinung des Vaters abnehmen muss. Das Kind erlebt emotionalen Missbrauch demnach hautnah und fühlt sich auch jahrelang in der Verantwortung als Puffer zu agieren…. Das Buch hat mich sehr mitgenommen, habe auch etwas Schwierigkeiten seitdem mich auf leichtere Bücher emotional einzulassen. Der Vater der Familie agiert aus einer tiefen inneren Scham und Unsicherheit heraus und macht das Leben für seine Frau und dadurch auch für die ganze Familie zur Hölle. 🌼 Zitat 🌼 „Sein inneres Gleichgewicht hängt von einem äusseren Gleichgewicht ab. Der Körper meiner Mutter hat in ihm, der ohnehin schon verunsichert war, eine massive zusätzliche Verunsicherung bewirkt.“ Die Rolle der Frau in der Familie sowie das gesamte System des Patriarchats wird einer starken und stimmigen Kritik unterworfen. Für mich ein Buch, das jeder mal gelesen haben müsste. Ist aber tatsächlich eher schwere Kost, hat auch recht lange Kapitel. Man kommt dennoch sehr gut durch, weil der Inhalt einen einnimmt und man auch wissen möchte wie das Ende ist. Leseempfehlung! 5/5⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️

Mich hat das Buch direkt in meine Kindheit katapultiert: Die Mutter, die ständig im Diätkampf war, der Vater, der die Richtlinien vorgibt, die Mitgliedschaft im Tennisclub als gesellschaftlicher Aufstiegs, die Omma in der Kittelschürze, deren Ängste nicht verarbeitet sind, und die Kinder, die es endlich besser haben sollen... Das kommt mir alles so bekannt vor. Und gleichzeitig vermittelt das Buch so viel mehr: Die Systematik des Patriarchiats, das die Ehefrau zu einer unmündigen Rollenerfüllerin degradiert. Der schwache Vater und Ehemann, der seine "Männlichkeit" in der Familie unter Beweis stellen muss, damit er sein Bild im Außen halten kann. Die Ehefrau und Mutter, die sich unterordnet und immer zwischen ihren zugewiesenen Rollen und ihrer Sehnsucht nach Selbstverwirklichung zerrieben wird. Der gute Ruf der Familie, dem alles untergeordnet wird. Diese Bild einer Familie im materiellen Aufschwung seziert gesellschaftlichen Rollenbildern, deckt falsche Glaubenssätze auf und macht mich als Frau unglaublich wütend. Eins A vorgetragen von Sandra Voss. Von mir eine eindeutige Leseempfehlung bzw. Hörempfehlung.

Sehr intensiv
Ein sehr intensives Leseerlebnis. Hat mich sehr gefesselt und aufgewühlt.
Ein sehr bewegendes Buch, welches mich oft sehr sprachlos gemacht hat.
Ein Einblick in ein Frauenleben, der einen fassungslos zurück lässt! Wie wichtig kann Körpergewicht sein?
Schlimm wie sehr manche Frauen den Schönheitsidealen ihrer Männer ausgesetzt sind.
"Der Ehe meiner Eltern, das begreife ich erst jetzt, liegt im Grunde eine faustdicke Lüge zu Grunde. Stets hat mein Vater von sich behauptet, ein Familienmensch zu sein. Ich habe lange gebraucht, um diese Lüge zu entziffern. Vielleicht weil sie die komplizierteste von allen ist." Daniela Dröscher schreibt in ihrem Buch "Lügen über meine Mutter" über das Aufwachsen in einer Familie, in der der Schönheitswahn des Vaters das Familienleben bestimmt und belastet. Der Roman erzählt die Geschichte dieser Familie zu einer Zeit, in der das "Weight Watching" zu einer Formel für die soziale Kontrolle des weiblichen Körpers wurde. Für die Frauen hieß es stets nur "Verzicht", um dem Schönheitsideal der Männer zu entsprechen. Und so ergeht es der Mutter von Ela wirklich schlecht, der Vater nörgelt und meckert ständig über ihr Gewicht und als wäre das nicht genug, macht er seine Frau zudem verantwortlich für sein eigenes Versagen. Sie, mit ihrem Übergewicht, ist die Schuldige für das, was ihm versagt bleibt: die Beförderung, die Anerkennung im Ort, der soziale Aufstieg. "Während meiner frühen Kindheit war die Möglichkeit ihrer Wut immer präsent. Ich bin, könnte man sagen, mit einem schlafenden, aber aktiven Vulkan im Rücken aufgewachsen. In einem zwielichtigen Frieden." Ein Buch, das wirklich nachdenklich macht, gerade auch, was den Umgang mit den Frauen der damaligen Zeit betrifft. In der Frauen endlich auch ohne die Erlaubnis ihrer Männer arbeiten gehen konnten, was allerdings die Männer in ihrem Stolz verletzte, vor allem, wenn die Frau plötzlich mehr verdiente als er selbst. Eine Zeit, die nochmal deutlich macht, wie sehr eine Frau doch unter Beobachtung stand und immer noch steht. Eine Zeit, in der der Körper einer Frau zum Allgemeingut gemacht wird, über das jeder urteilen und bestimmen darf. "Das Schlimmste aber war ihr Blick. Eine Einsamkeit, schwer und grau wie Blei, schimmerte darin."
Elas Mutter ist dick. Ein Problem stellt das vor allem für alle anderen, weniger aber für sie selbst dar. Besonders ihr Ehemann lässt keine Gelegenheit aus, um sie dafür zu demütigen. Im Grunde kann sie ihm nichts recht machen, denn sie ist ja dick. Aus der Perspektive der noch kleinen Tochter Ela werden uns 4 Jahre einer Ehe, die alles andere als harmonisch ist, geschildert. Im Westdeutschland der 80er Jahre werden Wohlstand, Eigentum, Aufstieg und Patriarchat gelebt – nicht ohne die Tatsache, dass irgendjemand hierfür Opfer bringen muss. Die Beziehung zwischen Mutter und Vater ist stark patriarchal geprägt – auch, wenn Elas Mutter zunächst (gerne) ihrer Arbeit in der Lederwarenfabrik nachgegangen ist, war ihr das aufgrund der Umstände irgendwann nicht mehr möglich. Die klassischen Rollenbilder sehen vor, dass sich die Frau um die gesamte Familie und den Haushalt zu kümmern hat. Der Mann hingegen ist mit seinem beruflichen Aufstieg beschäftigt, verwaltet das Geld, plant den Hausbau und gönnt sich zur Belohnung ein neues Cabrio. Zwischen den Stühlen befindet sich Ela, die ihre Eltern liebt, aber feine Antennen für die Dynamik zwischen Mutter und Vater ausgebildet hat. Sie versucht alles richtig zu machen und kann sich doch nicht von den Wertvorstellungen ihres Vaters freimachen. Die Introjektion seiner Fettfeindlichkeit ist sicher nur logische Konsequenz, bringt sie aber spätestens im Schwimmbad in eine Zwickmühle, weil sie spürt, dass sie sich für ihre Mutter schämt. Mich hat Daniela Dröschers Roman ziemlich zerrissen. Die vielen Demütigungen, der Fakt, dass das Aussehen einer Person wichtiger ist als ihre Gesundheit, diese für mich kaum vorstellbare Arbeitsbelastung, die Elas Mutter ertragen hat und gleichsam die fehlende Unterstützung durch ihren Ehemann (im Gegenteil eher die Sabotage) brechen mir das Herz. Besonders beeindruckend finde ich, dass Daniela Dröscher es schafft, dass Leser*innen eine Vorstellung davon bekommen, wie es sich anfühlt und was es bedeutet, als dicke Person in einer fettfeindlichen Umgebung zu leben – und in Elas Fall – aufzuwachsen. Leider bekomme ich oft das Gefühl, dass wir als Gesellschaft bis heute nur wenig dazugelernt haben. Ich würde mir wünschen, dass die Geschichte von Ela daran vielleicht ein kleines bisschen was ändert.

Ein wichtiges Buch
Man sieht sich oder seine Kindheit selbst in diesem Buch und reflektiert nochmal die Vergangenheit. Es wird ein alltägliches Leben einer Mutter beschrieben, aus der Sicht eines Kindes, was dem Patriarcht unterstellt ist, wie eigenentlich jede Frau. Ich war so oft so wütend auf den Vater! Das Gedankengut vom Kind wurde auch sehr geprägt. Aber, dass sich die kleine an so viel Detail so genau der Reihenfolge her über erinnert, ist eigentlich unwahrscheinlich. Da vermischt sich dann doch vieles. Ich kann nur hoffen, dass das Buch viele lesen und dazu lernen. Es darf alles nicht mehr so weitergehen! Schön fände ich auch immer die Reflexionen mit der heute Erwachsenen Protagonistin. Wo teils Wissenschaftlich versucht wird Dinge zu erklären.
‘Lügen über meine Mutter’ ist ein vielschichtiger und kritischer Roman, der klassische Rollenbilder und Schönheitsideale, Care-Arbeit, rigide Strukturen, den Kampf um Emanzipation sowie ein komplexes und dysfunktionales Familiensystem autofiktional beleuchtet. Die kleine Ela schildert die komplexe Dynamik ihrer Familie aus kindlicher Perspektive. Sie erzählt, wie Vater und Mutter um ihren persönlichen Selbstwert kämpfen, während Ela in Angst, Parentifizierung und Scham ertrinkt. Ergänzend fließen die Gedanken der erwachsenen Ela in Nebenkapiteln ein und schaffen eine gesellschaftliche sowie politische Einordnung der Themen. So gelingt es der Autorin, die Themen differenziert zu betrachten und die psychologischen sowie gesellschaftlichen Zusammenhänge greifbar zu machen. Dabei beleuchtet sie keine Figur einseitig und stellt die Welt eines parentifizierten Kindes unglaublich real dar. Mit meiner ganz persönlichen Geschichte von Parentifizierung bin ich von der feinen sowie treffsicheren Beschreibung einer parentifizierten Kinderseele berührt und begeistert. Daniela Dröscher trifft mit ihrer Geschichte mein eigenes kindliches Erleben oft im Kern. “Ein parentifiziertes Kind spürt die Not der Eltern. Es entziffert die Bedürfnisse und Wünsche anhand von Mimik und Gestik. Und es verschenkt seine Liebe bedingungslos.” - Daniela Dröscher - Dröscher hat so einen sehr authentischen und guten Roman kreiert. Die gesellschaftliche und politische Einordnung ist ihr dabei ebenfalls gelungen.
Ähnliche Bücher
AlleMerkmale
1 Bewertungen
Stimmung
Hauptfigur(en)
Handlungsgeschwindigkeit
Schreibstil
Beschreibung
Autorenbeschreibung
Daniela Dröscher, Jahrgang 1977, aufgewachsen in Rheinland-Pfalz, lebt in Berlin. Promotion im Fach Medienwissenschaft an der Universität Potsdam sowie ein Diplom in »Szenischem Schreiben« an der Universität Graz. Ihr Romandebüt »Die Lichter des George Psalmanazar« erschien 2009, es folgten der Erzählband »Gloria« (2010) und der Roman »Pola« (2012) sowie das Memoir »Zeige deine Klasse« (2018). Sie wurde u.a. mit dem Anna Seghers-Preis, dem Arbeitsstipendium des Deutschen Literaturfonds sowie dem Robert-Gernhardt-Preis (2017) ausgezeichnet. Der Roman »Lügen über meine Mutter« (2022) stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises.
Beiträge
Das Portrait einer überaus toxischen Ehe in der bundesrepublikanischen Provinz der 1980er Jahre
Selten hat mich ein Buch so wütend gemacht, mich mit einem so schlechten Gefühl zurück gelassen. Daniela Dröscher beschreibt autobiographisch die Ehe ihrer Eltern aus der Perspektive ihres kindlichen Ichs. Die Beziehung besteht ausschließlich aus Vorwürfen des Vaters gegenüber der Mutter, der es sichtlich an Disziplin mangelnd, schließlich gerät der Körper der Mutter immer mehr aus den Fugen. Keine der zahlreichen Diäten hilft, eher im Gegenteil kommt es zur "rückkehrenden Gewichtszunahme". Das Aussehen der Mutter bestimmt den Alltag der Familie und führt regelmäßig zu heftigen Streitereien zwischen den Eltern. Der Vater sieht die wahren Gründe, die Traurigkeit, Unzufriedenheit und Überforderung der Mutter nicht, im Gegenteil führt er sie regelmäßig vor und beschämt sie, in dem er verlangt, dass sie sich regelmäßig vor ihm wiegt. Der Umgang der Eltern, die Ausweglosigkeit haben bei mir zu einem bitteren Beigeschmack geführt. Zwischen den Kapiteln ordnet Daniela Dröscher die Geschehnisse mit ihrem heutigen Wissen ein und reflektiert ihr kindliches Verhalten, wie sie sich bspw. von beiden Eltern vereinnahmen ließ. Die Narrative des Vaters übernommen wurden. Das Buch hat mir gut gefallen. Es ist ein wichtiges Buch zur Beschreibung einer bundesrepublikanischen Ehe in den 1980er Jahren ohne Kinderbetreuung und ohne die Möglichkeit der Selbstverwirklichung der Frauen. Dafür mit viel Arroganz und Unverständnis bei den Männern. Zitat S. 113 In dem Kammerspiel mit Namen "Familie" wird das Kind nicht selten zum Blitzableiter der Kräfte, denen die Frau im Patriarchat unterworfen ist.
Eher schwere Kost, aber unheimlich gut!
Inhalt und Meinung Bitte achtet auf die Triggerwarnung, das Buch ist teilweise wirklich nur schwer zu ertragen. Die Geschichte wird rückblickend von der Tochter einer Familie erzählt, in der sich alles darum gedreht hat, dass die Mutter nach Meinung des Vaters abnehmen muss. Das Kind erlebt emotionalen Missbrauch demnach hautnah und fühlt sich auch jahrelang in der Verantwortung als Puffer zu agieren…. Das Buch hat mich sehr mitgenommen, habe auch etwas Schwierigkeiten seitdem mich auf leichtere Bücher emotional einzulassen. Der Vater der Familie agiert aus einer tiefen inneren Scham und Unsicherheit heraus und macht das Leben für seine Frau und dadurch auch für die ganze Familie zur Hölle. 🌼 Zitat 🌼 „Sein inneres Gleichgewicht hängt von einem äusseren Gleichgewicht ab. Der Körper meiner Mutter hat in ihm, der ohnehin schon verunsichert war, eine massive zusätzliche Verunsicherung bewirkt.“ Die Rolle der Frau in der Familie sowie das gesamte System des Patriarchats wird einer starken und stimmigen Kritik unterworfen. Für mich ein Buch, das jeder mal gelesen haben müsste. Ist aber tatsächlich eher schwere Kost, hat auch recht lange Kapitel. Man kommt dennoch sehr gut durch, weil der Inhalt einen einnimmt und man auch wissen möchte wie das Ende ist. Leseempfehlung! 5/5⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️

Mich hat das Buch direkt in meine Kindheit katapultiert: Die Mutter, die ständig im Diätkampf war, der Vater, der die Richtlinien vorgibt, die Mitgliedschaft im Tennisclub als gesellschaftlicher Aufstiegs, die Omma in der Kittelschürze, deren Ängste nicht verarbeitet sind, und die Kinder, die es endlich besser haben sollen... Das kommt mir alles so bekannt vor. Und gleichzeitig vermittelt das Buch so viel mehr: Die Systematik des Patriarchiats, das die Ehefrau zu einer unmündigen Rollenerfüllerin degradiert. Der schwache Vater und Ehemann, der seine "Männlichkeit" in der Familie unter Beweis stellen muss, damit er sein Bild im Außen halten kann. Die Ehefrau und Mutter, die sich unterordnet und immer zwischen ihren zugewiesenen Rollen und ihrer Sehnsucht nach Selbstverwirklichung zerrieben wird. Der gute Ruf der Familie, dem alles untergeordnet wird. Diese Bild einer Familie im materiellen Aufschwung seziert gesellschaftlichen Rollenbildern, deckt falsche Glaubenssätze auf und macht mich als Frau unglaublich wütend. Eins A vorgetragen von Sandra Voss. Von mir eine eindeutige Leseempfehlung bzw. Hörempfehlung.

Sehr intensiv
Ein sehr intensives Leseerlebnis. Hat mich sehr gefesselt und aufgewühlt.
Ein sehr bewegendes Buch, welches mich oft sehr sprachlos gemacht hat.
Ein Einblick in ein Frauenleben, der einen fassungslos zurück lässt! Wie wichtig kann Körpergewicht sein?
Schlimm wie sehr manche Frauen den Schönheitsidealen ihrer Männer ausgesetzt sind.
"Der Ehe meiner Eltern, das begreife ich erst jetzt, liegt im Grunde eine faustdicke Lüge zu Grunde. Stets hat mein Vater von sich behauptet, ein Familienmensch zu sein. Ich habe lange gebraucht, um diese Lüge zu entziffern. Vielleicht weil sie die komplizierteste von allen ist." Daniela Dröscher schreibt in ihrem Buch "Lügen über meine Mutter" über das Aufwachsen in einer Familie, in der der Schönheitswahn des Vaters das Familienleben bestimmt und belastet. Der Roman erzählt die Geschichte dieser Familie zu einer Zeit, in der das "Weight Watching" zu einer Formel für die soziale Kontrolle des weiblichen Körpers wurde. Für die Frauen hieß es stets nur "Verzicht", um dem Schönheitsideal der Männer zu entsprechen. Und so ergeht es der Mutter von Ela wirklich schlecht, der Vater nörgelt und meckert ständig über ihr Gewicht und als wäre das nicht genug, macht er seine Frau zudem verantwortlich für sein eigenes Versagen. Sie, mit ihrem Übergewicht, ist die Schuldige für das, was ihm versagt bleibt: die Beförderung, die Anerkennung im Ort, der soziale Aufstieg. "Während meiner frühen Kindheit war die Möglichkeit ihrer Wut immer präsent. Ich bin, könnte man sagen, mit einem schlafenden, aber aktiven Vulkan im Rücken aufgewachsen. In einem zwielichtigen Frieden." Ein Buch, das wirklich nachdenklich macht, gerade auch, was den Umgang mit den Frauen der damaligen Zeit betrifft. In der Frauen endlich auch ohne die Erlaubnis ihrer Männer arbeiten gehen konnten, was allerdings die Männer in ihrem Stolz verletzte, vor allem, wenn die Frau plötzlich mehr verdiente als er selbst. Eine Zeit, die nochmal deutlich macht, wie sehr eine Frau doch unter Beobachtung stand und immer noch steht. Eine Zeit, in der der Körper einer Frau zum Allgemeingut gemacht wird, über das jeder urteilen und bestimmen darf. "Das Schlimmste aber war ihr Blick. Eine Einsamkeit, schwer und grau wie Blei, schimmerte darin."
Elas Mutter ist dick. Ein Problem stellt das vor allem für alle anderen, weniger aber für sie selbst dar. Besonders ihr Ehemann lässt keine Gelegenheit aus, um sie dafür zu demütigen. Im Grunde kann sie ihm nichts recht machen, denn sie ist ja dick. Aus der Perspektive der noch kleinen Tochter Ela werden uns 4 Jahre einer Ehe, die alles andere als harmonisch ist, geschildert. Im Westdeutschland der 80er Jahre werden Wohlstand, Eigentum, Aufstieg und Patriarchat gelebt – nicht ohne die Tatsache, dass irgendjemand hierfür Opfer bringen muss. Die Beziehung zwischen Mutter und Vater ist stark patriarchal geprägt – auch, wenn Elas Mutter zunächst (gerne) ihrer Arbeit in der Lederwarenfabrik nachgegangen ist, war ihr das aufgrund der Umstände irgendwann nicht mehr möglich. Die klassischen Rollenbilder sehen vor, dass sich die Frau um die gesamte Familie und den Haushalt zu kümmern hat. Der Mann hingegen ist mit seinem beruflichen Aufstieg beschäftigt, verwaltet das Geld, plant den Hausbau und gönnt sich zur Belohnung ein neues Cabrio. Zwischen den Stühlen befindet sich Ela, die ihre Eltern liebt, aber feine Antennen für die Dynamik zwischen Mutter und Vater ausgebildet hat. Sie versucht alles richtig zu machen und kann sich doch nicht von den Wertvorstellungen ihres Vaters freimachen. Die Introjektion seiner Fettfeindlichkeit ist sicher nur logische Konsequenz, bringt sie aber spätestens im Schwimmbad in eine Zwickmühle, weil sie spürt, dass sie sich für ihre Mutter schämt. Mich hat Daniela Dröschers Roman ziemlich zerrissen. Die vielen Demütigungen, der Fakt, dass das Aussehen einer Person wichtiger ist als ihre Gesundheit, diese für mich kaum vorstellbare Arbeitsbelastung, die Elas Mutter ertragen hat und gleichsam die fehlende Unterstützung durch ihren Ehemann (im Gegenteil eher die Sabotage) brechen mir das Herz. Besonders beeindruckend finde ich, dass Daniela Dröscher es schafft, dass Leser*innen eine Vorstellung davon bekommen, wie es sich anfühlt und was es bedeutet, als dicke Person in einer fettfeindlichen Umgebung zu leben – und in Elas Fall – aufzuwachsen. Leider bekomme ich oft das Gefühl, dass wir als Gesellschaft bis heute nur wenig dazugelernt haben. Ich würde mir wünschen, dass die Geschichte von Ela daran vielleicht ein kleines bisschen was ändert.

Ein wichtiges Buch
Man sieht sich oder seine Kindheit selbst in diesem Buch und reflektiert nochmal die Vergangenheit. Es wird ein alltägliches Leben einer Mutter beschrieben, aus der Sicht eines Kindes, was dem Patriarcht unterstellt ist, wie eigenentlich jede Frau. Ich war so oft so wütend auf den Vater! Das Gedankengut vom Kind wurde auch sehr geprägt. Aber, dass sich die kleine an so viel Detail so genau der Reihenfolge her über erinnert, ist eigentlich unwahrscheinlich. Da vermischt sich dann doch vieles. Ich kann nur hoffen, dass das Buch viele lesen und dazu lernen. Es darf alles nicht mehr so weitergehen! Schön fände ich auch immer die Reflexionen mit der heute Erwachsenen Protagonistin. Wo teils Wissenschaftlich versucht wird Dinge zu erklären.
‘Lügen über meine Mutter’ ist ein vielschichtiger und kritischer Roman, der klassische Rollenbilder und Schönheitsideale, Care-Arbeit, rigide Strukturen, den Kampf um Emanzipation sowie ein komplexes und dysfunktionales Familiensystem autofiktional beleuchtet. Die kleine Ela schildert die komplexe Dynamik ihrer Familie aus kindlicher Perspektive. Sie erzählt, wie Vater und Mutter um ihren persönlichen Selbstwert kämpfen, während Ela in Angst, Parentifizierung und Scham ertrinkt. Ergänzend fließen die Gedanken der erwachsenen Ela in Nebenkapiteln ein und schaffen eine gesellschaftliche sowie politische Einordnung der Themen. So gelingt es der Autorin, die Themen differenziert zu betrachten und die psychologischen sowie gesellschaftlichen Zusammenhänge greifbar zu machen. Dabei beleuchtet sie keine Figur einseitig und stellt die Welt eines parentifizierten Kindes unglaublich real dar. Mit meiner ganz persönlichen Geschichte von Parentifizierung bin ich von der feinen sowie treffsicheren Beschreibung einer parentifizierten Kinderseele berührt und begeistert. Daniela Dröscher trifft mit ihrer Geschichte mein eigenes kindliches Erleben oft im Kern. “Ein parentifiziertes Kind spürt die Not der Eltern. Es entziffert die Bedürfnisse und Wünsche anhand von Mimik und Gestik. Und es verschenkt seine Liebe bedingungslos.” - Daniela Dröscher - Dröscher hat so einen sehr authentischen und guten Roman kreiert. Die gesellschaftliche und politische Einordnung ist ihr dabei ebenfalls gelungen.