Liebe als Passion

Liebe als Passion

Hardcover
5.01
MotiveSemantikGeschichte 1600-1900Historisch

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Format
Hardcover
Seitenzahl
231
Preis
11.40 €

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Da ich glaube, dass die Meisten diesen Text nicht zu Ende lesen - Luhmann ist verdammt krasser Scheiß- sei kurz gesagt: Meine Rezi ist eine stark eingedampfte, vereinfachte und konzentrierte Zusammenfassung, des hochkomplexen Systems Liebe und seiner semantischen Differenzierung über die Jahrhunderte. Mich begeistert an Luhmann's Ansatz, dass ich das Gefühl bekomme, eine gewisse Kontrolle ausüben zu können. Die systemische Betrachtung bietet mir einen enormen Freiheitsgewinn. Ich fühle mich weniger ausgeliefert und kann andere Systeme damit Vergleichen. Die Komplexität der Welt ist damit dynamisch zu ordnen. Genial! Was ist Liebe für Luhmann? Liebe ist eine Unwahrscheinlichkeit - wenn unwahrscheinliche Kommunikationen auftreten und sich stabilisieren, können sie zur Basis für die Entstehung und Ausdifferenzierung von sozialen Systemen werden. Liebe ist der Wunsch nach Verständnis . Liebe ist kein Gefühl sondern ein Kommunikationscode, nach dessen Regeln man Gefühle, ausdrücken, bilden, simulieren, unterstellen, leugnen und sich auf die Konsequenzen einstellen kann, die es hat wenn entsprechende Kommunikation realisiert wird. Für Luhmann ist Liebe ein Kommunikationsmedium, das es zwei Individuen ermöglicht, sich in einer hochkomplexen Welt aufeinander zu beziehen und die Komplexität zwischen ihnen zu reduzieren . Liebe wird hierbei als eine Form der beidseitigen Erwartungsstrukturierung gesehen, die Balance und ständigen Ausgleich erfordert. Was ist so schwierig an der Liebe? Es ist ein klassisches Dilemma zwischen Effizienz (Komplexitätsreduktion der Welt) und Tiefe (tiefe, authentische, individuelle Erfahren können durch Liebe begrenzt werden). In einer Liebesbeziehung wird einem die Komplementärrolle des Weltbestätigers, des anderen zugemutet, obwohl dieser Weltentwurf einzigartig also nicht konsensfähig ist. Liebe existiert nicht in einem Vakuum. Sie ist tief in kulturellen und traditionellen Vorstellungen verwurzelt und entwickelt sich ständig weiter, indem sie auf sich selbst zurückgreift. Das macht Liebe zu einem besonders komplexen sozialen Phänomen. Die Notwendigkeit, gleichzeitig die interne Dynamik der Beziehung und ihre Position in der Umwelt zu navigieren, stellt eine kognitive Herausforderung dar. Liebe lässt neue Komplexität aufkommen. Liebe lebt in der etablierten Phase der Beziehung vom „Zuvorkommen“: wir benötigen Spontaniät, eine wortlose Übereinstimmung, die proaktiv eingesetzt wird. Durch explizite Kommunikation kann dies unangenehm berührt werden. Etwas versteht sich nicht von selbst. Das bedeutet, dass die Verträglichkeit der Liebe auf Unschärfe beruht - nicht ständiges Nachbohren. Wenn man Bitten muss, liegt bereits was im Argen. Während das System sich selbst und seine interne Dynamik beobachtet, kann es die gesamte Umwelt nie vollständig erfassen oder beobachten, weil die Komplexität der Umwelt immer größer ist als das, was das System erfassen kann. Dh. Es gibt immer blinde Flecken, für die es noch keinen passenden Code gibt. Die Evolution der Liebe Mittelalter (Höfische Liebe) Liebe gilt noch als Krankheit, man erleidet sie passiv. Der Mann war der Gunst der Frau ausgeliefert. Die Liebe wird ins unwahrscheinliche, Ideale verlagert, durch besondere Verdienste erreichbar. Erotik kann man nur von einer bestimmten Frau bekommen. Die Negation, der Aufschub, das „noch nicht“, spielt eine zentrale Rolle. Problem hierbei: Die hohe Liebe schloss Religiosität mit ein. „Das was den Menschen mit Engeln verbindet und das mit den Tieren, kann nicht mehr säuberlich getrennt werden“. Die moralisch/religiöse Tugendhaftigkeit, flippert im 17.Jh. unter dieser unauflöslichen Problematik, auch seine Leidenschaft ausleben zu wollen, zwischen Frivolität und Moral hin und her. Der Ausweg – die Amor passion - die leidenschaftliche Liebe - der Leidensgenuss. Dieser Code ist speziell für außereheliche Beziehungen entwickelt worden (so Montaigne). Sexuell basierte Intimbeziehungen konnten sich so unter diesem Code ausdifferenzieren. Hinzu kommt die Paradoxierung als Handlungsfreiheit. Aktivität wird als Passivität, Freiheit als Zwang getarnt. Schönheit der Frau hat Liebe verursacht - Mann leidet unschuldig, wenn nicht abgeholfen wird. Auch hier spielt die Negation weiterhin eine entscheidende Rolle. Der Aufschub ist Voraussetzung für die semantische Konditionierung des Zugangs zum Vollzug, und auf dieser Konditionierung bauen die Freiheitsgrade der kommunikativen Prozesse auf. Im 18. Jh beinhaltet die Paradoxierung den Zufall als Notwendigkeit, Zufall als Freiheit der Wahl - Voraussetzungslos- auf alle Gesellschaftsschichten ausgedehnt. Gemeint ist, dass Liebe über die Klassenunterschiede hinweg möglich wird. Irrationalität gesellt hinzu: lässt Chancen der Liebe steigen, Vernunft/Urteil werden ausgeschaltet. Der Liebescode wird zur reinsten Spielwiese: Galanterie (sowohl für täuschendes, verführendes Verhalten als auch wahrhaft liebendes Werben verbindlicher Stil), Amor plaisier (frei von Moral, Vergnügen, Genuss) bei dem das Subjekt im Vordergrund steht, kriterienlose Selbstreferenz, unreflektiert, auf Grundlage der Coquetterie (Täuschen, im Wissen getäuscht zu werden). Exzess als Passion lässt soziale Formen und Charakter schärfer hervortreten. Nur der Exzess rechtfertigt die Hingabe der Frau. Eszess totalisiert die Liebe - Universalismus - Sie kann sich nicht die geringste Nachlässigkeit leisten - Der Code tyrannisiert ohne zu zwingen. Er ist auf Beweise ausgelegt. Damit muss Verbalisiert werden. Das Verbale fördert Code und die Codierung fördert Zweifel an der Echtheit. Jetzt landen wir bei der Inkommunikabilität. Das 18 Jh., das im Zeichen der Passion steht, verschärft diese. Sie weist klare Schranken der Kommunizierbarkeit auf. Die Unmöglichkeit der Aufrichtigkeit wird zum Problem. Wenn sich Systeme ausdifferenzieren fällt Inkommunikabilität zwangsweise an. Deutsche Reaktion auf Inkommunikabilität: Kokettieren mit Einsamkeit --> literaische Form des Briefromans. Das Unberührt bleiben bis zur Hochzeit - dadurch kein Coquette mehr- unterdrückt die Unterscheidung zwischen aufrichtiger, unaufrichtiger Liebe. Wir erinnern uns, konkrete Verbalisierung ist Störfaktor und kann nicht zwischen aufrichtig/unaufrichtig unterscheiden, hierfür ist immer ein Code, wie das Coquette nötig. Insbesondere In England wurde die Sexualität der Frau geleugnet oder tabuisiert und dadurch in einen Bereich, der sich dem Bewusstsein entzieht verschoben – er wird unsagbar, unaussprechlich und daher inkommunikabel. Was tun? Weitere Ausdiffenzierung – die Romantik ward als Reaktion auf die Inkommunikabilität geboren. Ein dynamischer Spannungszustand, der die Romantik als kulturelles Phänomen faszinierend und einzigartig macht. Rauschhafte Intensivierung und Verdichtung des Liebeserlebnisses - Idealisierung. Alles ist geheimnisvoll und unergründlich. In der Frühromantik versuchte man eine tiefere, transzendentale Ebene des Selbstbewusstseins zu erreichen. Ein ständiger Prozess der Selbstentfaltung, Reflexion und Transformation. Sie feiert mit einer rauschhaften Orgie das Ungewöhnliche. Zur Intensivierung werden Askese und Befriedigungsaufschub vorausgesetzt. Charakter der romantischen Liebe: Geheimhaltung/Verheimlichung von Beziehungen.Klare Trennung zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten. Diese Trennung ermöglichte es, die Intimität der Beziehung, ihre Geheimnisse und ihre Tiefe literarisch zu erforschen. Ihr Problem: Sie trifft kaum Vorsorge für den Liebesalltag derjenigen, die sich auf eine Ehe einlassen und sich nachher in einer Situation finden, an der sie selbst schuld sind. Im 19. Jh kamen weitere Aspekte hinzu. Man erkannte, dass Liebe sowohl Einschränkung als auch Freiheit bedeutet → Paradoxie. Mögliche Reaktion: Die "Flucht in die Scheinwelt" (idealisierte Vorstellungen von Liebe, Rückgriff auf traditionelle oder überholte Liebeskonzepte). Die romantische Liebe hat sich bis heute gehalten. Heutiger Liebescode (Stand 80er Jahre): Man muss den anderen mehr berücksichtigen als sich selbst - Höchstrelevanz - sonst zerfällt die Liebe. Wie schafft man Dauer? Funktion von Semantik - Liebe und Individualität: Entropie aufhaltende, dem Zerfall entgegenwirkende Orientierung. Man kann der dynamischen Stabilität der Liebe Dauer verleihen wenn sie als Subjekt/Weltverhältnis begriffen wird- den Wandel vorweg in sich einschließt. Ersatzsystem schaffen, wenn Liebe endet. Kein Exzess! Die Dauer kann nur durch Aufschub, Umweg, Widerstand erreicht werden, die der Exzess nicht kennt. Nur auf der Ebene die über Attribution (jemand, der tiefgründig, verständnisvoll und loyal ist) kann Aussicht auf Dauer gefestigt werden. Die Kommunikation bleibt negierbar. Akzeptieren der Inkommunikabilität. Liebe muss jederzeit plaisir bereiten. Ist die Dauer des Aufschubs vorbei, kann Sexualität eine Form der Kommunikation und Intimität ermöglichen, die andere Formen der Kommunikation ergänzt oder sogar ersetzt. Evtl Möglichkeit die Inkommunikabilität zu umgehen. Welche Rolle spielt die Literatur in diesem System? Literatur bildet die Grundlage für Luhmanns systemischen Ansatz des Liebescodes. Er sieht den Buchdruck als eine entscheidende technologische Neuerung, die erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung von Sozialsystemen hatte. Ausdifferenzierung von Sozialsystemen: Mit der Verbreitung von Büchern und der Zunahme des zitierfähigen Wissens, konnten sich Sozialsysteme (z.B. Wissenschaft, Kunst, Politik) stärker voneinander unterscheiden und spezialisieren. Förderung der Reflexivität: Durch die Möglichkeit, Texte zu konsultieren und zu zitieren, wurde eine tiefere Reflexion und Kritik ermöglicht. Menschen konnten auf ein breiteres Spektrum von Wissen zurückgreifen und ihre eigenen Gedanken und Ideen in Bezug auf diese Texte entwickeln. Für tiefgreifende Strukturverschiebungen ist die Ausstattung mit zitierfähigem Gedankengut einer langen Tradition bezeichnend. Insbesondere für die Frau hat dies im 18.Jh einen Meilenstein bedeutet. Der Roman dient als Umweg, um die Inkommunikabilität zu umgehen (Bewusst/Unbewuust, Einsamkeit, Briefroman) 18.Jh. - Roman wird in die eigene Realität übertragen -Erzählung wird copiert. Die zuvor beschriebene Passion im 18.Jh bringt die Rhetorik ins Stottern. Die Literarische Verarbeitung wird essentiell. Im Gegensatz zur Romantik, die die Trennung von Privat und Öffentlich vollzog und es literarisch ermöglichte, die Intimität der Beziehung, ihre Geheimnisse und ihre Tiefe zu erforschen, steht die Neuzeit vor dem Dilemma, dass diese Trennung aufgehoben ist und dementsprechend eine literarische Bearbeitung von Liebe und Beziehung immer komplizierter wird.

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