Ware Strafe

Dieses Werk behandelt zwei Themenkreise, die in der kriminologischen bzw. kriminalpolitischen Diskussion eine immer größere Rolle spielen: Zum einen den Versuch, freiheitsentziehende Kriminalitätssanktionen mit technischen Hilfsmitteln wie dem elektronischen Halsband kostengünstig zu bewältigen. Mit der daraus genährten Illusion einer irgendwann zu erreichenden Überwindung der Mauern hat sich Michael Lindenberg bereits in dem gleichnamigen Buch beschäftigt, das er 1992 bei uns veröffentlichte. Zum anderen die Tendenz zur Entstaatlichung der Sozialkontrolle - hier des Strafvollzugs -, die in eine umfassende Kommerzialisierung (auch Kommodifizierung genannt, nach dem engl. commodity = Ware) mündet. Diese beiden Entwicklungsstränge und deren enge Verknüpfung miteinander konkretisieren sich beispielhaft in einem elektronischen Gerät, dessen Anwendung der Autor im vorliegenden Werk untersucht: einem kleinen Sender, der mit einem Fußband an den Knöchel des Delinquenten appliziert wird und so seinen Aktionsradius ständig zu überwachen erlaubt. Damit ergibt sich eine Art von elektronischem Hausarrest - erweitert um die Möglichkeit des Ausgangs, um z. B. den Arbeitsplatz aufzusuchen. Der Autor hat zwei Institutionen besucht, die dieses Verfahren auf recht unterschiedliche Weise anwenden: ein Bewährungsamt in Tulare County, Kalifornien, und eines in Malmö, Schweden. Er beschreibt mit genauem Blick die jeweilige Praxis und vergleicht die beiden Modelle miteinander. Ihre Unterschiede und Gemeinsamkeiten arbeitet er übersichtlich heraus. Abschließend analysiert er die Voraussetzungen und Konsequenzen der Privatisierung staatlicher Kontrolle. Besonders bemerkenswert: Aufgrund seiner Beobachtung der bereits weit fortgeschrittenen Entwicklung in den USA entwickelt er - in Analogie zum bekannten militärisch- industriellen Komplex - die Konzeption eines bestrafungsindustriellen Komplexes, der gekennzeichnet ist durch eine enge Verzahnung staatlicher, professioneller und ökonomischer Interessen und sich ideologisch auf eine rein administrativ ausgerichtete Kriminologie stützt. "Eine Analyse, die in ihrer nüchternen Sprache geeignet ist, uns bange werden zu lassen." (Stephan Quensel im Vorwort)