Über die Dummheit
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Kann man lesen, muss man aber nicht. 🥱
So aktuell, als wäre in den letzten 90 Jahren nichts passiert
„Es gibt schlechterdings keinen bedeutenden Gedanken, den die Dummheit nicht anzuwenden verstünde, sie ist allseitig beweglich und kann alle Kleider der Wahrheit anziehen. Die Wahrheit dagegen hat jeweils nur ein Kleid und einen Weg und ist immer im Nachteil.“ 1937 hielt Robert Musil die Rede „Über die Dummheit“ am 11. März 1937 vor dem österreichischen Werksbund in Wien. Diese erschien im gleichen Jahr im Bermann-Fischer Verlag in schriftlicher Form. Dass es kein leichtes Unterfangen war, kann man sich denken, wenn man auf die Jahreszahl schaut. Die Nazi Schergen streckten ihre Finger schon aus, Intellektuelle zu denunzieren und zu vernichten. Außerdem war Musil mit einer Jüdin verheiratet und schon deswegen im Fokus der deutschen Machthaber. Robert Musil floh 1934 von Berlin, wo er lebte, in seine Heimat Österreich. Seine Rede bezieht sich immer wieder auf das aktuelle Zeitgeschehen, ohne es direkt zu benennen. Dabei zitiert er nicht nur den Psychiater Eugen Bleuler , der in der Schizophrenie Forschung Erfolge erzielt hat, und den Philosphen Johann Eduard Erdmann, sondern vor allem sich selbst und mehrfach aus seinem Werk: „Mann ohne Eigenschaften“ Das Dummheit oft ein Nebenprodukt von Macht und/oder Überheblichkeit ist, wundert mich überhaupt nicht. Auch die Feststellung, dass Dummheit nicht zwangsläufig ein Mangel an Verstand bedeutet, begegnet mir fast täglich in Persona. Sehr tagesaktuell, finde ich die Feststellung, dass Dummheit eine Beziehung mit Eitelkeit eingeht. Das erinnert mich sehr an die Politik, die wir momentan in oberster Reihe so erleben. Die Rede wirkt bisweilen etwas verworren und ohne wirklichen roten Faden, aber wenn man sich auf den Subtext konzentriert, erfasst man die Kritik an den Machenschaften der Nazis. Übertragbar ist das auch auf den Kommunismus. Als die Rede veröffentlicht wurde, war die Brisanz des Textes, und die Anklage gegen das Nazitum für alle sehr deutlich, das geht aus dem Nachwort von Klaus Amann hervor. Die Rede ist, wenn sie auch in wirklich umständlicher und altertümlich wirkender Sprache verfasst ist, aktueller denn je und ich hoffe sehr, dass das folgende Zitat nicht irgendwann wieder für uns alle in diesem Lande hier gilt. "Einer, so sich unterfängt, über die Dummheit zu sprechen, läuft heute Gefahr, auf mancherlei Weise zu Schaden zu kommen; es kann ihm als Anmaßung ausgelegt werden, es kann ihm sogar als Störung der zeitgenössischen Entwicklung ausgelegt werden."
Ich muss gestehen, ich bin kein großer Musil-Fan (seit wir in der Schule den Törleß lesen mussten) und auch diese Niederschrift eines Vortrags von ihm war nicht einfach zu lesen - er schreibt sehr sprunghaft, bringt tausend verschiedene Perspektiven ein, ohne eine mal richtig auszuleuchten und zwischendurch hatte ich das Gefühl, dass ich vermutlich einfach zu dumm bin, die Dummheit zu verstehen. Nichtsdestotrotz ist der Vortrag an manchen Stellen sehr unterhaltsam, da eben auch verschiedene Arten der Dummheit verglichen und gegeneinander aufgewogen werden. Besonders schön finde ich, wie Musil die "einfache", einfältige Dummheit in ihrer puren Naivität als fast anmutig beschreibt. Das Fazit ist: eigentlich sind wir alle manchmal ein bisschen dumm, und damit kann ich ganz gut leben.
Schöne Lektüre für zwei gemütliche Stunden auf dem Sofa - habe an vielen Stellen geschmunzelt!
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Kann man lesen, muss man aber nicht. 🥱
So aktuell, als wäre in den letzten 90 Jahren nichts passiert
„Es gibt schlechterdings keinen bedeutenden Gedanken, den die Dummheit nicht anzuwenden verstünde, sie ist allseitig beweglich und kann alle Kleider der Wahrheit anziehen. Die Wahrheit dagegen hat jeweils nur ein Kleid und einen Weg und ist immer im Nachteil.“ 1937 hielt Robert Musil die Rede „Über die Dummheit“ am 11. März 1937 vor dem österreichischen Werksbund in Wien. Diese erschien im gleichen Jahr im Bermann-Fischer Verlag in schriftlicher Form. Dass es kein leichtes Unterfangen war, kann man sich denken, wenn man auf die Jahreszahl schaut. Die Nazi Schergen streckten ihre Finger schon aus, Intellektuelle zu denunzieren und zu vernichten. Außerdem war Musil mit einer Jüdin verheiratet und schon deswegen im Fokus der deutschen Machthaber. Robert Musil floh 1934 von Berlin, wo er lebte, in seine Heimat Österreich. Seine Rede bezieht sich immer wieder auf das aktuelle Zeitgeschehen, ohne es direkt zu benennen. Dabei zitiert er nicht nur den Psychiater Eugen Bleuler , der in der Schizophrenie Forschung Erfolge erzielt hat, und den Philosphen Johann Eduard Erdmann, sondern vor allem sich selbst und mehrfach aus seinem Werk: „Mann ohne Eigenschaften“ Das Dummheit oft ein Nebenprodukt von Macht und/oder Überheblichkeit ist, wundert mich überhaupt nicht. Auch die Feststellung, dass Dummheit nicht zwangsläufig ein Mangel an Verstand bedeutet, begegnet mir fast täglich in Persona. Sehr tagesaktuell, finde ich die Feststellung, dass Dummheit eine Beziehung mit Eitelkeit eingeht. Das erinnert mich sehr an die Politik, die wir momentan in oberster Reihe so erleben. Die Rede wirkt bisweilen etwas verworren und ohne wirklichen roten Faden, aber wenn man sich auf den Subtext konzentriert, erfasst man die Kritik an den Machenschaften der Nazis. Übertragbar ist das auch auf den Kommunismus. Als die Rede veröffentlicht wurde, war die Brisanz des Textes, und die Anklage gegen das Nazitum für alle sehr deutlich, das geht aus dem Nachwort von Klaus Amann hervor. Die Rede ist, wenn sie auch in wirklich umständlicher und altertümlich wirkender Sprache verfasst ist, aktueller denn je und ich hoffe sehr, dass das folgende Zitat nicht irgendwann wieder für uns alle in diesem Lande hier gilt. "Einer, so sich unterfängt, über die Dummheit zu sprechen, läuft heute Gefahr, auf mancherlei Weise zu Schaden zu kommen; es kann ihm als Anmaßung ausgelegt werden, es kann ihm sogar als Störung der zeitgenössischen Entwicklung ausgelegt werden."
Ich muss gestehen, ich bin kein großer Musil-Fan (seit wir in der Schule den Törleß lesen mussten) und auch diese Niederschrift eines Vortrags von ihm war nicht einfach zu lesen - er schreibt sehr sprunghaft, bringt tausend verschiedene Perspektiven ein, ohne eine mal richtig auszuleuchten und zwischendurch hatte ich das Gefühl, dass ich vermutlich einfach zu dumm bin, die Dummheit zu verstehen. Nichtsdestotrotz ist der Vortrag an manchen Stellen sehr unterhaltsam, da eben auch verschiedene Arten der Dummheit verglichen und gegeneinander aufgewogen werden. Besonders schön finde ich, wie Musil die "einfache", einfältige Dummheit in ihrer puren Naivität als fast anmutig beschreibt. Das Fazit ist: eigentlich sind wir alle manchmal ein bisschen dumm, und damit kann ich ganz gut leben.