Ob wir wollen oder nicht
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Ein Buch, welches 2008 auf der Longlist des Deutschen Buchpreises stand und hier auf Goodreads gerade mal von sechs Personen gelesen wurde, die es im Schnitt mit 2,0 (!) Sternen bewertet hatten. Das versprach mir mal wieder eine zähe Lektüre mit viel Unverständnis. Doch ich musste mir mein eigenes Bild machen, ob ich wollte oder nicht, zumal die 11 Personen, die es auf Amazon bewerten, dem Buch im Schnitt 4,1 Sterne gaben. Eine erstaunliche Diskrepanz. Sind Goodreads-User kritischer? Oder weniger offen für ausgefallene Erzählformen? Nun, ich kann die amazonmäßige Begeisterung und das überschwängliche Feuilleton absolut verstehen. Karl-Heinz Ott hat einen bewundernswerten Schreibstil. Er platziert seine Leserschaft in den Kopf von Richard, einem etwa 50jährigen Mann, träge und unförmig, in der links-alternativen Szene groß geworden, dessen einzige vorzeigbare Berufstätigkeit mal die Führung einer kleinen Tankstelle in einem abgelegenen Dorf im Hochschwarzwald war. Doch eine neue Talbrücke leitete den Durchgangsverkehr um, und somit begann Richards und des Dorfes wirtschaftlicher Niedergang. Wir treffen Richard an, als er gerade auf der Pritsche in der U-Haft Platz nimmt und sich aufregt, dass ausgerechnet ihm so eine Behördenwillkür widerfahren muss. Das Buch ist ein einzig langer Gedankenstrom mit Sätzen, die sich nicht nur über Zeilen, sondern über ganze Seiten mäandern. Das ist einerseits unheimlich anstrengend zu lesen, denn jegliche Konzentrations- oder Erinnerungsschwäche im Kurzzeitgedächtnis beim Leser wird bestraft, weil nur mit wachem Geist man am Ende eines Satzes noch weiß, wie er vor ein paar Minuten begonnen hatte. Der Autor hat dies selbst als „Gedankenmusik“ bezeichnet, was ich sehr treffend finde. Wie bei einer Bach-Etude bauen sich hier immer mehr Nebensätze kaskadenförmig auf, wobei man sich wünscht, dass ein begnadeter Schauspieler oder Hörbuchsprecher, diese Wortaneinanderreihungen vertonen würde. Es gibt auch eine Handlung, quasi der Grund für Richards Verhaftung, aber die Puzzlestücke gibt der Autor nur sehr spärlich über die Erinnerungen seines Ich-Erzählers frei. Man versteht zwar recht schnell, dass es um eine Dreiecksbeziehung zwischen Richard, dem ehemaligen Pfarrer Johannes, dem eine abgeschmetterte Anklage wegen Kindesmissbrauchs in die Einsiedelei trieb, und Lisa, die Gastwirtin des Dorfes, geht. Offensichtlich sind Johannes und Lisa verschwunden und nun wird Richard wegen irgendetwas verdächtig, was selbst er nicht weiß oder sich zusammenreimen kann. Aber gegen Ende dieser Geschichte setzt sich doch ein ungefähres Gesamtbild zusammen, dem aber noch genug Lücken bleiben, um sie mit der Phantasie des Lesers zu füllen. Handlungsorientierte Leser/innen werden bestimmt wahnsinnig dabei, was die schlechte Goodreads-Bewertung erklärt. Menschen, die sich dagegen an einer kunstvollen, stellenweise auch humorvollen Erzählweise erfreuen können, die am Anfang wie eine Anklage oder Traktat klingt und mit zunehmender Zermürbung des Erzählers gleichgültiger und fatalistischer wird, werden dagegen ihre Freude haben. Ich hatte sie auf jeden Fall, aber so ein Restfunken mehr Gewissheit hätte wahrscheinlich auch den fünften Stern freigeschaltet. Aber auf jeden Fall sehr lesenswert.
An sich gar nicht sooo schlecht, aber ich finde es einen eher ungünstigen Zug, wenn man den Leser die ganzen 205 Seiten lang wie einen Außenseiter behandelt. Es gibt nur Andeutungen und Informationsbröckchen und die auch nur so nach und nach. Kann man als erzähltechnisch clever auslegen. Muss man aber nicht.
Ein Buch, welches 2008 auf der Longlist des Deutschen Buchpreises stand und hier auf Goodreads gerade mal von sechs Personen gelesen wurde, die es im Schnitt mit 2,0 (!) Sternen bewertet hatten. Das versprach mir mal wieder eine zähe Lektüre mit viel Unverständnis. Doch ich musste mir mein eigenes Bild machen, ob ich wollte oder nicht, zumal die 11 Personen, die es auf Amazon bewerten, dem Buch im Schnitt 4,1 Sterne gaben. Eine erstaunliche Diskrepanz. Sind Goodreads-User kritischer? Oder weniger offen für ausgefallene Erzählformen? Nun, ich kann die amazonmäßige Begeisterung und das überschwängliche Feuilleton absolut verstehen. Karl-Heinz Ott hat einen bewundernswerten Schreibstil. Er platziert seine Leserschaft in den Kopf von Richard, einem etwa 50jährigen Mann, träge und unförmig, in der links-alternativen Szene groß geworden, dessen einzige vorzeigbare Berufstätigkeit mal die Führung einer kleinen Tankstelle in einem abgelegenen Dorf im Hochschwarzwald war. Doch eine neue Talbrücke leitete den Durchgangsverkehr um, und somit begann Richards und des Dorfes wirtschaftlicher Niedergang. Wir treffen Richard an, als er gerade auf der Pritsche in der U-Haft Platz nimmt und sich aufregt, dass ausgerechnet ihm so eine Behördenwillkür widerfahren muss. Das Buch ist ein einzig langer Gedankenstrom mit Sätzen, die sich nicht nur über Zeilen, sondern über ganze Seiten mäandern. Das ist einerseits unheimlich anstrengend zu lesen, denn jegliche Konzentrations- oder Erinnerungsschwäche im Kurzzeitgedächtnis beim Leser wird bestraft, weil nur mit wachem Geist man am Ende eines Satzes noch weiß, wie er vor ein paar Minuten begonnen hatte. Der Autor hat dies selbst als „Gedankenmusik“ bezeichnet, was ich sehr treffend finde. Wie bei einer Bach-Etude bauen sich hier immer mehr Nebensätze kaskadenförmig auf, wobei man sich wünscht, dass ein begnadeter Schauspieler oder Hörbuchsprecher, diese Wortaneinanderreihungen vertonen würde. Es gibt auch eine Handlung, quasi der Grund für Richards Verhaftung, aber die Puzzlestücke gibt der Autor nur sehr spärlich über die Erinnerungen seines Ich-Erzählers frei. Man versteht zwar recht schnell, dass es um eine Dreiecksbeziehung zwischen Richard, dem ehemaligen Pfarrer Johannes, dem eine abgeschmetterte Anklage wegen Kindesmissbrauchs in die Einsiedelei trieb, und Lisa, die Gastwirtin des Dorfes, geht. Offensichtlich sind Johannes und Lisa verschwunden und nun wird Richard wegen irgendetwas verdächtig, was selbst er nicht weiß oder sich zusammenreimen kann. Aber gegen Ende dieser Geschichte setzt sich doch ein ungefähres Gesamtbild zusammen, dem aber noch genug Lücken bleiben, um sie mit der Phantasie des Lesers zu füllen. Handlungsorientierte Leser/innen werden bestimmt wahnsinnig dabei, was die schlechte Goodreads-Bewertung erklärt. Menschen, die sich dagegen an einer kunstvollen, stellenweise auch humorvollen Erzählweise erfreuen können, die am Anfang wie eine Anklage oder Traktat klingt und mit zunehmender Zermürbung des Erzählers gleichgültiger und fatalistischer wird, werden dagegen ihre Freude haben. Ich hatte sie auf jeden Fall, aber so ein Restfunken mehr Gewissheit hätte wahrscheinlich auch den fünften Stern freigeschaltet. Aber auf jeden Fall sehr lesenswert.
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Ein Buch, welches 2008 auf der Longlist des Deutschen Buchpreises stand und hier auf Goodreads gerade mal von sechs Personen gelesen wurde, die es im Schnitt mit 2,0 (!) Sternen bewertet hatten. Das versprach mir mal wieder eine zähe Lektüre mit viel Unverständnis. Doch ich musste mir mein eigenes Bild machen, ob ich wollte oder nicht, zumal die 11 Personen, die es auf Amazon bewerten, dem Buch im Schnitt 4,1 Sterne gaben. Eine erstaunliche Diskrepanz. Sind Goodreads-User kritischer? Oder weniger offen für ausgefallene Erzählformen? Nun, ich kann die amazonmäßige Begeisterung und das überschwängliche Feuilleton absolut verstehen. Karl-Heinz Ott hat einen bewundernswerten Schreibstil. Er platziert seine Leserschaft in den Kopf von Richard, einem etwa 50jährigen Mann, träge und unförmig, in der links-alternativen Szene groß geworden, dessen einzige vorzeigbare Berufstätigkeit mal die Führung einer kleinen Tankstelle in einem abgelegenen Dorf im Hochschwarzwald war. Doch eine neue Talbrücke leitete den Durchgangsverkehr um, und somit begann Richards und des Dorfes wirtschaftlicher Niedergang. Wir treffen Richard an, als er gerade auf der Pritsche in der U-Haft Platz nimmt und sich aufregt, dass ausgerechnet ihm so eine Behördenwillkür widerfahren muss. Das Buch ist ein einzig langer Gedankenstrom mit Sätzen, die sich nicht nur über Zeilen, sondern über ganze Seiten mäandern. Das ist einerseits unheimlich anstrengend zu lesen, denn jegliche Konzentrations- oder Erinnerungsschwäche im Kurzzeitgedächtnis beim Leser wird bestraft, weil nur mit wachem Geist man am Ende eines Satzes noch weiß, wie er vor ein paar Minuten begonnen hatte. Der Autor hat dies selbst als „Gedankenmusik“ bezeichnet, was ich sehr treffend finde. Wie bei einer Bach-Etude bauen sich hier immer mehr Nebensätze kaskadenförmig auf, wobei man sich wünscht, dass ein begnadeter Schauspieler oder Hörbuchsprecher, diese Wortaneinanderreihungen vertonen würde. Es gibt auch eine Handlung, quasi der Grund für Richards Verhaftung, aber die Puzzlestücke gibt der Autor nur sehr spärlich über die Erinnerungen seines Ich-Erzählers frei. Man versteht zwar recht schnell, dass es um eine Dreiecksbeziehung zwischen Richard, dem ehemaligen Pfarrer Johannes, dem eine abgeschmetterte Anklage wegen Kindesmissbrauchs in die Einsiedelei trieb, und Lisa, die Gastwirtin des Dorfes, geht. Offensichtlich sind Johannes und Lisa verschwunden und nun wird Richard wegen irgendetwas verdächtig, was selbst er nicht weiß oder sich zusammenreimen kann. Aber gegen Ende dieser Geschichte setzt sich doch ein ungefähres Gesamtbild zusammen, dem aber noch genug Lücken bleiben, um sie mit der Phantasie des Lesers zu füllen. Handlungsorientierte Leser/innen werden bestimmt wahnsinnig dabei, was die schlechte Goodreads-Bewertung erklärt. Menschen, die sich dagegen an einer kunstvollen, stellenweise auch humorvollen Erzählweise erfreuen können, die am Anfang wie eine Anklage oder Traktat klingt und mit zunehmender Zermürbung des Erzählers gleichgültiger und fatalistischer wird, werden dagegen ihre Freude haben. Ich hatte sie auf jeden Fall, aber so ein Restfunken mehr Gewissheit hätte wahrscheinlich auch den fünften Stern freigeschaltet. Aber auf jeden Fall sehr lesenswert.
An sich gar nicht sooo schlecht, aber ich finde es einen eher ungünstigen Zug, wenn man den Leser die ganzen 205 Seiten lang wie einen Außenseiter behandelt. Es gibt nur Andeutungen und Informationsbröckchen und die auch nur so nach und nach. Kann man als erzähltechnisch clever auslegen. Muss man aber nicht.
Ein Buch, welches 2008 auf der Longlist des Deutschen Buchpreises stand und hier auf Goodreads gerade mal von sechs Personen gelesen wurde, die es im Schnitt mit 2,0 (!) Sternen bewertet hatten. Das versprach mir mal wieder eine zähe Lektüre mit viel Unverständnis. Doch ich musste mir mein eigenes Bild machen, ob ich wollte oder nicht, zumal die 11 Personen, die es auf Amazon bewerten, dem Buch im Schnitt 4,1 Sterne gaben. Eine erstaunliche Diskrepanz. Sind Goodreads-User kritischer? Oder weniger offen für ausgefallene Erzählformen? Nun, ich kann die amazonmäßige Begeisterung und das überschwängliche Feuilleton absolut verstehen. Karl-Heinz Ott hat einen bewundernswerten Schreibstil. Er platziert seine Leserschaft in den Kopf von Richard, einem etwa 50jährigen Mann, träge und unförmig, in der links-alternativen Szene groß geworden, dessen einzige vorzeigbare Berufstätigkeit mal die Führung einer kleinen Tankstelle in einem abgelegenen Dorf im Hochschwarzwald war. Doch eine neue Talbrücke leitete den Durchgangsverkehr um, und somit begann Richards und des Dorfes wirtschaftlicher Niedergang. Wir treffen Richard an, als er gerade auf der Pritsche in der U-Haft Platz nimmt und sich aufregt, dass ausgerechnet ihm so eine Behördenwillkür widerfahren muss. Das Buch ist ein einzig langer Gedankenstrom mit Sätzen, die sich nicht nur über Zeilen, sondern über ganze Seiten mäandern. Das ist einerseits unheimlich anstrengend zu lesen, denn jegliche Konzentrations- oder Erinnerungsschwäche im Kurzzeitgedächtnis beim Leser wird bestraft, weil nur mit wachem Geist man am Ende eines Satzes noch weiß, wie er vor ein paar Minuten begonnen hatte. Der Autor hat dies selbst als „Gedankenmusik“ bezeichnet, was ich sehr treffend finde. Wie bei einer Bach-Etude bauen sich hier immer mehr Nebensätze kaskadenförmig auf, wobei man sich wünscht, dass ein begnadeter Schauspieler oder Hörbuchsprecher, diese Wortaneinanderreihungen vertonen würde. Es gibt auch eine Handlung, quasi der Grund für Richards Verhaftung, aber die Puzzlestücke gibt der Autor nur sehr spärlich über die Erinnerungen seines Ich-Erzählers frei. Man versteht zwar recht schnell, dass es um eine Dreiecksbeziehung zwischen Richard, dem ehemaligen Pfarrer Johannes, dem eine abgeschmetterte Anklage wegen Kindesmissbrauchs in die Einsiedelei trieb, und Lisa, die Gastwirtin des Dorfes, geht. Offensichtlich sind Johannes und Lisa verschwunden und nun wird Richard wegen irgendetwas verdächtig, was selbst er nicht weiß oder sich zusammenreimen kann. Aber gegen Ende dieser Geschichte setzt sich doch ein ungefähres Gesamtbild zusammen, dem aber noch genug Lücken bleiben, um sie mit der Phantasie des Lesers zu füllen. Handlungsorientierte Leser/innen werden bestimmt wahnsinnig dabei, was die schlechte Goodreads-Bewertung erklärt. Menschen, die sich dagegen an einer kunstvollen, stellenweise auch humorvollen Erzählweise erfreuen können, die am Anfang wie eine Anklage oder Traktat klingt und mit zunehmender Zermürbung des Erzählers gleichgültiger und fatalistischer wird, werden dagegen ihre Freude haben. Ich hatte sie auf jeden Fall, aber so ein Restfunken mehr Gewissheit hätte wahrscheinlich auch den fünften Stern freigeschaltet. Aber auf jeden Fall sehr lesenswert.