Mutmassungen über Jakob

Mutmassungen über Jakob

Hardcover
4.02

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Beschreibung

»Aber Jakob ist immer quer über die Gleise gegangen.« Der berühmte Eingangssatz zu einem der großen Romane der Nachkriegszeit, dem Debüt eines der wichtigsten Erzähler des 20. Jahrhunderts, wurde von seinem Verfasser in der DDR niedergeschrieben. Als sein richtiger Name auf die Titelseite des Buches in der BRD gedruckt wurde, zog er nach West-Berlin um – als Flüchtling wollte er nicht gelten. Nach Erscheinen des Romans erklärte die Kritik Uwe Johnson zum Schriftsteller der »beiden Deutschland«. Auch wenn er sich gegen ein solches Etikett wehrte - nicht nur in seinem Erstling, auch in den folgenden Büchern beschreibt er das Leben in Deutschland West und Deutschland Ost – und was sie getrennt hat und trennen wird. Fulminant in der Erzählweise, humoristisch-hintersinnig, detailliert die Verhältnisse beschreibend, in denen sich die als vom Autor mit Eigenleben ausgestatteten Personen bewegen, gehört dieser Roman zu den modernen, immer neue Aktualität gewinnenden Werken über deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert. Die Erstausgabe von 1959 wird hier, mit dem von Imre Reiner entworfenen Umschlag und den Johnsonschen Angaben zur Fabel auf dem Rücken des Umschlags, als Faksimile vorgelegt.
Haupt-Genre
Romane
Sub-Genre
Zeitgenössische Romane
Format
Hardcover
Seitenzahl
307
Preis
15.50 €

Autorenbeschreibung

Uwe Johnson wurde am 20. Juli 1934 in Kammin (Pommern), dem heutigen Kamien Pomorski, geboren und starb am 22. oder 23. Februar 1984 in Sheerness-on-Sea. 1945 floh er mit seiner Mutter und seiner Schwester zunächst nach Recknitz, dann nach Güstrow in Mecklenburg. Sein Vater wurde von der Roten Armee interniert und 1948 für tot erklärt. 1953 schrieb er sich an der Universität Leipzig als Germanistikstudent ein und legte sein Diplom über Ernst Barlachs Der gestohlene Mond ab. Bereits während des Studiums begann er mit der Niederschrift des Romans Ingrid Babendererde. Reifeprüfung 1953. Er bot ihn 1956 verschiedenen Verlagen der DDR an, die eine Publikation ablehnten. 1957 lehnte auch Peter Suhrkamp die Veröffentlichung ab. Der Roman wurde erst nach dem Tode von Uwe Johnson veröffentlicht. Der erste veröffentlichte Roman von Uwe Johnson ist Mutmassungen über Jakob. Von 1966 – 1968 lebte Uwe Johnson in New York. Das erste Jahr dort arbeitete er als Schulbuch-Lektor, das zweite wurde durch ein Stipendium finanziert. Am 29. Januar 1968 schrieb er in New York die ersten Zeilen der Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl nieder. Deren erste ›Lieferung‹ erschien 1970. Die Teile zwei und drei schlossen sich 1971 und 1973 an. 1974 zog Uwe Johnson nach Sheerness-on Sea in der englischen Grafschaft Kent an der Themsemündung. Dort begann er unter einer Schreibblockade zu leiden, weshalb der letzte Teil der Jahrestage erst 1983 erscheinen konnte. 1979 war Uwe Johnson Gastdozent für Poetik an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt. Ein Jahr später erschienen seine Vorlesungen unter dem Titel Begleitumstände. Sein Nachlass befindet sich im Uwe Johnson-Archiv an der Universität Rostock.

Beiträge

2
Alle
4

Diese Lektüre musste ich mir wirklich hart erarbeiten, denn Uwe Johnson verlangt viel von seiner Leserschaft. Die Geschichte rund um den bei der Deutschen Reichsbahn in der DDR als Dispatcher (Stellwerkleiter) angestellten Jakob Abs, der im November 1956 aus ungeklärten Gründen auf seinem Gleisgelände vom Zug erfasst wird und stirbt, wird weder chronologisch noch stringent in einer bestimmten Form oder durch eine bestimmte Person erzählt. Vielmehr lesen sich die einzelnen Absätze wie Gesprächsprotokolle, Verhöre, Gedankenströme oder auch mal zwischendurch durch einen Erzähler, der aber alles andere als allwissend ist. Und so bekommt man quasi die Glasscherben eines Spiegels präsentiert, denn man mit Mühe sich erst selbst zusammenpuzzeln muss. Dabei ist es noch nicht mal sicher, wenn man in eine Scherbe hineinschaut, wen man eigentlich sieht, sprich, wer der Sprecher dieser Gedanken ist. Oft ergibt es sich aus dem Kontext. Aber es kam immer wieder vor, dass ich im Dunkeln tappte und so bei einem Blick in die Inhaltsangabe im Netz am Ende der Lektüre überrascht war, wie das Bild tatsächlich aussah. Ich lag aber sehr nahe dran. Nur bei manchen Handlungsabschnitten habe ich mich gefragt, ob ich die wirklich gelesen hatte. Das Ganze läßt mich aber alles andere als unzufrieden zurück. Vielmehr war es eine spannende Reise, die vor allem durch die faszinierende Sprache Johnsons erleichtert wurde. Das Buch lebte für mich gar nicht so sehr durch die Handlung, sondern mehr durch die Atmosphäre, die bei der Beschreibung des Alltags in der DDR im Jahr 1956 zum Ausdruck kam. Es wirkt alles irgendwie grau und melancholisch, ja freudlos würde ich fast sagen. Oft ist dieser nöhlende Ton zu hören, wie wenn nachts um 1 Uhr zwei letzte Gäste einer verrauchten Bar in ihren Erinnerungen festhängen. Die Figuren sind auch nicht plakativ. Jakob ist still und pflichtbewusst. Seine Freundin Gesine aus Kindertagen, die in den Westen flüchtet, ist keineswegs überzeugt vom Kapitalismus des Westens. Jonas, der früher Arbeitskollege Gesines aus Ost-Berlin, ist ein kritischer Intellektueller, der aber keine flammende Reden gegen den Sozialismus hält, sondern vielmehr Angst vor dem Stalinismus der Sowjetunion hat und sich eine Art neuen, menschlichen Sozialismus wünscht. Diese Dreiecksbeziehung durchbricht Herr Rohlfs, Mitarbeiter der Staatssicherheit, der aber zunächst nicht kalt und herrisch auftritt, sondern den Plan verfolgt, dass Gesine als Spionin im Westen arbeitet. Erst gegen Ende zeigt sich in ihm die unerbittliche Staatsmacht. In den Wochen vor Jakobs tödlichen Unfall ist das Weltgeschehen durch den blutigen Niederschlagung der Revolution in Ungarn durch die Sowjetunion im Osten und die Suez-Krise in Ägypten im Westen geprägt, bei dem westliche Mächte kriegerisch eingreifen. Die Protagonisten des Buchs heißen beide Konflikte nicht gut und sehen somit eigentlich weder im Osten noch im Westen ihre Heimat. Diese Zerrissenheit, die ja geradezu typisch für das geteilte Deutschland ist, kommt hier hervorragend zur Geltung. Es ist ein Buch, bei dem ich schon während des Lesens dachte, dass ich es bestimmt irgendwann nochmal lesen werde, ja lesen muss. Bestimmt ergeben sich dann ganz andere Blickwinkel. War es am Ende Mord, Selbstmord oder doch nur ein tragischer Unfall? „Aber Jakob ist immer quer über die Gleise gegangen“ (erster und bester Satz des Buchs). Spannend.

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Diese Lektüre musste ich mir wirklich hart erarbeiten, denn Uwe Johnson verlangt viel von seiner Leserschaft. Die Geschichte rund um den bei der Deutschen Reichsbahn in der DDR als Dispatcher (Stellwerkleiter) angestellten Jakob Abs, der im November 1956 aus ungeklärten Gründen auf seinem Gleisgelände vom Zug erfasst wird und stirbt, wird weder chronologisch noch stringent in einer bestimmten Form oder durch eine bestimmte Person erzählt. Vielmehr lesen sich die einzelnen Absätze wie Gesprächsprotokolle, Verhöre, Gedankenströme oder auch mal zwischendurch durch einen Erzähler, der aber alles andere als allwissend ist. Und so bekommt man quasi die Glasscherben eines Spiegels präsentiert, denn man mit Mühe sich erst selbst zusammenpuzzeln muss. Dabei ist es noch nicht mal sicher, wenn man in eine Scherbe hineinschaut, wen man eigentlich sieht, sprich, wer der Sprecher dieser Gedanken ist. Oft ergibt es sich aus dem Kontext. Aber es kam immer wieder vor, dass ich im Dunkeln tappte und so bei einem Blick in die Inhaltsangabe im Netz am Ende der Lektüre überrascht war, wie das Bild tatsächlich aussah. Ich lag aber sehr nahe dran. Nur bei manchen Handlungsabschnitten habe ich mich gefragt, ob ich die wirklich gelesen hatte. Das Ganze läßt mich aber alles andere als unzufrieden zurück. Vielmehr war es eine spannende Reise, die vor allem durch die faszinierende Sprache Johnsons erleichtert wurde. Das Buch lebte für mich gar nicht so sehr durch die Handlung, sondern mehr durch die Atmosphäre, die bei der Beschreibung des Alltags in der DDR im Jahr 1956 zum Ausdruck kam. Es wirkt alles irgendwie grau und melancholisch, ja freudlos würde ich fast sagen. Oft ist dieser nöhlende Ton zu hören, wie wenn nachts um 1 Uhr zwei letzte Gäste einer verrauchten Bar in ihren Erinnerungen festhängen. Die Figuren sind auch nicht plakativ. Jakob ist still und pflichtbewusst. Seine Freundin Gesine aus Kindertagen, die in den Westen flüchtet, ist keineswegs überzeugt vom Kapitalismus des Westens. Jonas, der früher Arbeitskollege Gesines aus Ost-Berlin, ist ein kritischer Intellektueller, der aber keine flammende Reden gegen den Sozialismus hält, sondern vielmehr Angst vor dem Stalinismus der Sowjetunion hat und sich eine Art neuen, menschlichen Sozialismus wünscht. Diese Dreiecksbeziehung durchbricht Herr Rohlfs, Mitarbeiter der Staatssicherheit, der aber zunächst nicht kalt und herrisch auftritt, sondern den Plan verfolgt, dass Gesine als Spionin im Westen arbeitet. Erst gegen Ende zeigt sich in ihm die unerbittliche Staatsmacht. In den Wochen vor Jakobs tödlichen Unfall ist das Weltgeschehen durch den blutigen Niederschlagung der Revolution in Ungarn durch die Sowjetunion im Osten und die Suez-Krise in Ägypten im Westen geprägt, bei dem westliche Mächte kriegerisch eingreifen. Die Protagonisten des Buchs heißen beide Konflikte nicht gut und sehen somit eigentlich weder im Osten noch im Westen ihre Heimat. Diese Zerrissenheit, die ja geradezu typisch für das geteilte Deutschland ist, kommt hier hervorragend zur Geltung. Es ist ein Buch, bei dem ich schon während des Lesens dachte, dass ich es bestimmt irgendwann nochmal lesen werde, ja lesen muss. Bestimmt ergeben sich dann ganz andere Blickwinkel. War es am Ende Mord, Selbstmord oder doch nur ein tragischer Unfall? „Aber Jakob ist immer quer über die Gleise gegangen“ (erster und bester Satz des Buchs). Spannend.

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