Heimweh im Paradies

Heimweh im Paradies

E-Book
3.75

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Beschreibung

»Wie kann man über Thomas Mann heute schreiben? So: geistreich, komisch und mit lässigem Ernst.« SAŠA STANIŠIĆ Los Angeles in den 1940er-Jahren: Die Westküste ist ein Traumort, die Exilanten aus Europa trauen ihren Sinnen nicht, das Farbenspiel, das Licht, das Meer. Hier sind sie alle gestrandet, die im Deutschland der Nationalsozialisten keine Heimat mehr haben oder haben wollen: Arnold Schönberg, Vicki Baum, Theodor W. Adorno, Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Helene Weigel, Max Horkheimer, Hanns Eisler, Franz und Alma Werfel – und allen voran: Thomas Mann. Sie feiern, reden sich die Köpfe heiß, langweilen sich, streiten darum, wie ein demokratisches Deutschland nach Hitler aussehen könnte. Thomas Mann ist der König der Emigranten, bewundert, beneidet, angefeindet. In seinem Haus in Pacific Palisades will er im ›Doktor Faustus‹ die genuin deutschen Wurzeln des Nationalsozialismus ans Licht bringen. Und fügt sich in die Rolle einer Galionsfigur des guten Deutschlands. Atmosphärisch dicht und lebensnah erzählt Martin Mittelmeier von den Hoffnungen, Begegnungen, Anfeindungen und Triumphen des Nobelpreisträgers, der sich unter Palmen fragt, was das ist und wie das gehen könnte: deutsch zu sein, Kunst zu machen und die Menschen zu lieben. »Die Sonne von Südkalifornien gibt für Martin Mittelmeier die ideale Beleuchtung ab, um mit großer Leichtigkeit die schweren Fragen von Kunst und Politik zu stellen.« PHILIPP FELSCH
Haupt-Genre
Romane
Sub-Genre
Weitere Themen
Format
E-Book
Seitenzahl
192
Preis
20.60 €

Autorenbeschreibung

MARTIN MITTELMEIER, Jahrgang 1971, war Lektor und Programmleiter bei renommierten Publikumsverlagen. Seit 2014 arbeitet er als freier Lektor und Autor. Im Jahr 2019 war er Visiting Scholar an der Rutgers University in New Jersey. Zudem ist er Honorarprofessor am Institut für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität zu Köln. Zuletzt erschien von ihm ›Freiheit und Finsternis – Wie die Dialektik der Aufklärung zum Jahrhundertbuch wurde‹ (2021).

Beiträge

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Alle
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»Zuhause ist, wo er schreiben kann.«

Martin Mittermeier nimmt uns mit auf eine Reise ins amerikanische Exil Thomas Manns. Genauer gesagt von 1938 bis zu seiner Rückkehr nach Europa. Wie lebt man im Exil, so fernab der eigentlichen Heimat, umgeben von einer ganz anderen Kultur? Konnte Thomas Mann sich mit diesen Umständen arrangieren und seinem gewohnten Schreibrhythmus nachgehen? Immerhin haben sich einige befreundete Schriftsteller und andere bekannte Persönlichkeiten in unmittelbarer Umgebung niedergelassen; Kontakte auf geistiger Augenhöhe waren somit allemal geboten! In Mittelmeiers Buch begegnet man auch anderen Schriftstellern wie Franz Werfel, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger oder Bertolt Brecht. Dementsprechend liegt der Schwerpunkt zwar auf Thomas Mann – vom Autor als König der Emigranten bezeichnet –, dennoch wird das Leben im amerikanischen Exil grundsätzlich beschrieben und beschränkt sich nicht nur auf ihn. Sie alle haben ihre Heimat verloren und mal mehr und mal weniger eine neue gefunden, doch bedrücken die allgegenwärtigen Auswirkungen des Dritten Reichs alle. Auch als der Krieg nun vorbei war, wusste er, dass er nie wieder dauerhaft nach Deutschland zurückkehren wird. So fand er seine letzte Stätte in der benachbarten Schweiz, die ihm schon zu Beginn seines Exils, ein Zuhause war: »Deutschland hat er ja in sich, das äußere erträgt er nicht.« Natürlich finden auch die Werke, an denen Mann zur jeweiligen Zeit aktuell geschriebene hat, Erwähnung. Es geht u.a. über den vierten Band der Joseph-Tetralogie, den „Erwählten“, aber besonders um den „Doktor Faustus“ und sein diesbezügliches Verhältnis zu Adorno und Schönberg. Zu Beginn empfand ich das Buch manchmal zu langatmig und zu abschweifend, doch je mehr ich las, desto besser gefiel es mir, auch wenn es von einer sprunghaften Dynamik bestimmt wurde. Zwischen mal humorvollen und dann wieder ernsteren Abschnitten wechselnd, erzählt Martin Mittelmeier eine punktuelle biografische Annäherung Thomas Manns, ausgehend von seinen amerikanischen Jahren.

»Zuhause ist, wo er schreiben kann.«
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Eine Reise durch Manns Leben in Kalifornien

Ein Buch für Fans von Mann. Wer seine Bücher interessant findet, möchte bestimmt erleben, wie vieles das Entstehen beeinflusste. Wer Manns Buch *Deutsche Hörer* kennt, kann hier erfahren, was neben all den Radiosendungen zur selben Zeit im Leben des Autors passierte. Allgemein stellt das Buch eine Teilbiografie dar und gewährt gezielte Einblicke in dokumentierte Momentaufnahmen sowie ein Gefühl für die Persönlichkeit Manns und ein wenig auch für die seiner Familie. Wir begleiten Mann vor allem durch Kalifornien und bekommen einige Eindrücke vom Ende seines Lebens. Die Recherchearbeit muss immens gewesen sein, und dafür verdient der Autor absoluten Respekt. Auch schriftstellerisch ist das Buch gelungen – neutral und sprachlich angenehm. Für alle, die Mann nicht kennen, wird dieses Buch jedoch keine tiefgreifenden Erkenntnisse bringen, vielleicht aber Einblicke in einige historische Gegebenheiten. Manche Erzählungen über eine Persönlichkeit können auch ohne weiteres Wissen über die Person interessant sein, aber das würde ich hier nicht sagen. Ohne mein Interesse an Mann wäre mir dieses Buch vermutlich zu trocken und uninspiriert erschienen. Als Fan von Manns Lektüre habe ich es gerne verfolgt, doch die sonstige Begeisterung blieb aus.

3

Trockenes Paradies „Große Ereignisse“ oder Jubiläen großer Schriftsteller werden gerne benutzt, um der (meist) schier unübersichtlichen Menge an Literatur zu dieser Person weitere hinzuzufügen. Nerds und Fans stürzen sich drauf. Da kann sich der Verfasser dieser Zeilen nicht von ausschließen… Sei´s drum. In diesem Jahr jährt sich der Geburtstag von Thomas Mann am 6. Juni zum 150. Mal. Es gibt zahlreiche Abhandlungen über sein Werk, seine Familie – ja, selbst über seinen Schreibtisch, der bei jedem Umzug mitmusste, gibt es ein Werk. Und Thomas Mann ist oft umgezogen. So auch – um zum Kern zu kommen – in seiner Zeit im amerikanischen Exil, wo er ab 1938 bis 1952 mit seiner Frau Katia gelebt hat. Von dieser bewegten Zeit (nicht nur für Thomas Mann sondern für die ganze Welt) erzählt Martin Mittelmeier in seinem Buch „Heimweh im Paradies: Thomas Mann in Kalifornien“; erschienen im März 2025 im DuMont Buchverlag. Etliche Begegnungen mit zahlreichen Exilanten haben Einzug gehalten; das Namedropping spare ich mir an dieser Stelle. Die wichtigsten Treffen waren sicherlich die mit Theodor W. Adorno und Arnold Schönberg, die schließlich in der Veröffentlichung von „Doktor Faustus“ münden. Und genau hier liegt (für mich) ein Knackpunkt der vorliegenden Veröffentlichung: es gibt nämlich neben durchaus interessanten Passagen über das Innenleben Thomas Manns oder die ein oder andere witzige Anekdote im amerikanischen Exil des Literaturnobelpreisträgers endlos lange philosophische und musiktheoretische Abhandlungen, die mich als Leser mehr ermüdet haben, als dass sie mich lesend bei der Stange gehalten hätten. Immerhin (das muss ich dem Autor zugutehalten) weiß ich jetzt, dass ich den Roman „Doktor Faustus“ nicht ohne den erläuternden Band „Die Entstehung des Doktor Faustus“ lesen werde, zu dessen Publikation sich Thomas Mann aufgrund eines Streits mit Arnold Schönberg „gezwungen“ sah. Hervorheben muss ich auch ganz klar die von Martin Mittelmeier geleistete Quellenarbeit. Die von ihm benutzten Quellen und dazugehörige Anmerkungen können geneigte Leser:innen über einen QR-Code einsehen, der am Ende des Buches abgedruckt ist. Der Autor hat also bei weitem nicht alles falsch gemacht, nur hat es mich persönlich nicht ganz erreicht. Daher kann ich auch nur eine bedingte Leseempfehlung aussprechen und vergebe 3*. ©kingofmusic

3.5

Respekt vor der Quellenarbeit des Autors, aber in großen Teilen zu theoretisch und kompliziert. Mehr dazu dann in meiner Rezension.

4

Gut recherchiert es Werk über ein Jahrzehnt im Leben von Thomas Mann

Als im Januar diesen Jahres in Pacific Palisades Brände katastrophalen Ausmaßes Eine Schneise der Verwüstung hinter sich herzogen, wurde, das Thomas Mann Haus wie durch ein Wunder verschont. Hier hat der Schriftsteller von 1942-1952 gelebt. Und es ist Schauplatz dieses erzählenden Sachbuchs. Um dem Nationalsozialismus in Deutschland zu entfliehen, nahm der Literaturnobelpreisträger mehrere Umwege über Paris und die Schweiz, später auch Princeton in Kauf. Seine kubistische Villa im Großraum Los Angeles wurde ein stark frequentiertter Treffpunkt deutscher Exilanten. Seine Frau Katia organisierte seinen Alltag und Termine, damit „der Professor“ sich in seinem eigenen Glanze baden konnte, aber auch genug Zeit zum Schreiben hatte. Wichtig war ihm die Gespräche zu anderen Leidensgenossen zu suchen, wobei es ihm scheinbar mehr darum ging, gehört zu werden, als zuzuhören. Feuchtwanger, Schönberg. Adorno, Vicky Baum, Bertolt Brecht und die erst 16jährige Susan Sonntag, die damals noch unbekannt, aber neugierig auf Werk und Autor war, sind nur einige wenige, die uns in diesem Text begegnen. Dabei wird deutlich sichtbar, zu welchen Menschen sich Thomas Mann hingezogen fühlt – nicht besonders viele – und Feindschaften aufgedeckt. Mann war kein unkomplizierter Zeitgenosse. Er wusste um seinen Wert und lies das auch entsprechend raushängen. Sympathisch fand ich, dass er gerne Kontakt zu jungen Menschen hatte, die ihm die Welt zugänglich erachten. Seine Familie findet immer mal wieder Erwähnung allerdings sehr fragmentarisch. Die meiste Zeit wird seiner Tochter Erika gewidmet. Es entstehen natürlich auch Werke während seiner Zeit außerhalb Europas und Mittelmeier hat diese Zeit des Schaffens einfangen können. Im Vordergrund steht aber die Zerrissenheit Thomas Manns. Einerseits möchte er deutlich machen, wie sehr er die Situation seiner Heimat verachtet, wie provinziell und hässlich das Gesicht des Landes ist, dass ihn zur Entwurzelung gezwungen hat. Andererseits ist er teilweise besessen damit beschäftigt, das Gute und Schöne in Deutschland nicht außer Acht zu lassen und der Welt zugänglich zu machen. Und das in einer Zeit, in der der Nationalsozialismus alles verschlingt. Das findet sowohl in extrovertierten Reden und Gesprächen statt, als auch in der hadernden Introspektive. Martin Mittelmeier hat eine atmosphärisch dichte Bildergalerie vor meinen Augen entstehen lassen, die hell leuchtend und trotzdem minimalistisch ist. Es ist imponierend, welche Unmenge an Informationen er in diese doch recht kurzen Text gepackt hat. Die Recherchearbeit muss sehr viel Zeit gekostet haben. Die Quellenangabe hat er über einen QR-Code zugänglich gemacht, eine interessante Variante, die das Buch wahrscheinlich sehr verschlankt. Der Text ist literarisch anspruchsvoll ohne anzustrengen und spiegelt meinem Empfinden nach den Stil Thomas Manns. Ist es Mittermeiers Schreibstil, oder sind es die vielen Zitate - Ich hatte den Eindruck, der Autor sitzt lebendig neben mir und erzählt, teilweise ironisch, manchmal auch zerknirscht über ein nicht ganz freiwilliges, wenn auch komfortables Leben weit weg von zu Hause und droppt ab zwischendurch Tratsch und Klatsch über die Exil Gesellschaft. Ein Muss für alle Mann Fans und Interessierte, aber auch eine Empfehlung für Leser*innen die in dieser Zeit eine literarische Heimat finden.

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