chère ida

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Hardback

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Description

eine gelbe tapete
über einer tapete in der farbe deiner strümpfe
über einer tapete in scharlach und samt
ein paket whistkarten ohne karo zehn
adieu cheriè
conrad


Konrad Bayer bin ich 1951 im Wiener Art Club, dem sogenannten „Strohkoffer“, erstmals begegnet. Ich besuchte noch das Gymnasium und versuchte, so oft wie möglich in die aufregende Atmosphäre des Strohkoffers einzutauchen. Es war kurz nach Kriegsende, Wien noch von den Alliierten besetzt und jede Art von Kunst, Kultur, Literatur, Film und Jazz war für uns „das“ grosse Abenteuer. Wien war zerbombt, die Stadt ein Schutthaufen, grau und traurig. Wir aber waren jung – jung, lebendig, voller Passion und Neugierde. Eine Tür zur Welt stand plötzlich offen! […]
Konrad arbeitete bereits in einer Bank und war, genauso wie ich, von der Atmosphäre des Art Clubs angezogen. Und … wir waren voneinander angezogen! Ich habe ihn meistens nachmittags von der Bank abgeholt und wir haben alle Zeit bis spät in der Nacht zusammen verbracht. […] Um diese Zeit begann er zu schreiben. Oft las er mir seine neuesten Gedichte vor und gab sie mir quasi als Geschenk. […] Von seinen Gedichten war ich sofort begeistert. Ich fand seinen Stil von Beginn an aussergewöhnlich. […]
Einige Male in der Woche trafen wir H.C. Artmann und Gerhard Rühm im damaligen „Café Glory“ neben der Votivkirche. Bald kamen Oswald Wiener, Friedrich Achleitner und Ernst Kölz dazu. Sie lasen einander ihre neuesten Texte vor, kritisierten und unterstützten sich gegenseitig. Zusammen machten wir lange Spaziergänge entlang der Donau im Winter und kehrten frierend auf einen heissen Tee mit Rum in ein Gasthaus ein, rund um uns patrouillierten noch die bewaffneten russischen Soldaten. […]
1955 wurden wir von Peter Kubelka und Ferry Radax nach Linz eingeladen, um in ihrem ersten Film „Mosaik im Vertrauen“ mitzuspielen. Der Film sollte im nächsten Jahr beim Experimentalfilm-Festival in Paris den ersten Preis erhalten. 1956 und 1957 war unser Zusammensein öfter durch meine Reisen unterbrochen. Wir schrieben uns viele Briefe, um einander so viel wie möglich aus Wien und aus dem Ausland zu berichten. 1959 heirateten Konrad und Traudl Hutter, ich war ihre Trauzeugin. 1960 heiratete ich Ferry Radax, Traudl und Konrad waren unsere Trauzeugen. Mit Ferry zog ich kurz danach in die Schweiz. […]
Im Sommer 1964 kehrten Ferry und ich nach Wien zurück. Wir besuchten Konrad auf Schloss Hagenberg, wohin er sich zurückgezogen hatte, um seinen Roman „Der sechste Sinn“ zu beenden. Wir verbrachten diesen Sommertag mit ihm, Hundertwasser und seiner Frau Yuko, liessen Drachen steigen und genossen ein Abendessen auf der Wiese unter den Sternen. Konrad war ausgelassen, lachte und zündete Raketen in der schon dunklen Nacht. Es war eine eigenartige Stimmung.
Am 9. Oktober 1964 waren wir mit ihm in einem Wiener Schnapslokal verabredet. Konrad beklagte sich bei mir über Magenkrämpfe, er war in einer eher deprimierten Stimmung. Von dort fuhren wir auf seinen Wunsch ins Café Hawelka, wo wir wie immer alle Freunde trafen. Peter Daimler lud uns alle in sein Haus nach Hietzing ein. Die Platten der Beatles wurden gespielt, „A Hard Day’s Night“, immer und immer wieder dieselben, einige tanzten. Konrad sass am Boden, den Kopf im Schoss einer Dame, und beobachtete die ganze Szene, ohne irgendwie teilzunehmen. Ferry und ich fuhren gegen 2 Uhr nach Hause. […]
(Ida Szigethyin der Vorbemerkung)
Main Genre
Biographies
Sub Genre
Diaries & Letters
Format
Hardback
Pages
84
Price
20.00 €

Author Description

Konrad Bayer: geboren am 17.12.1932 in Wien, gestorben am 10.10.1964 ebenda. Gemeinsam mit Friedrich Achleitner, H. C. Artmann, Gerhard Rühm und Oswald Wiener gehörte er der „Wiener Gruppe“ an, jenem Schriftstellerzusammenschluss, der in Österreich als eine der wichtigsten Manifestationen literarischer Subkultur gilt. Mit literarischen Kabaretts, avancierten Texten und einer unkonventionellen Lebensform wurde in den fünfziger und beginnenden sechziger Jahren ein Gegenpol zum offiziösen Kunst- und Kulturbetrieb gesetzt. Das in diesem Zusammenhang entstandene Werk Bayers zerfällt in viele kleine Einzeltexte, neben einigen längeren Prosaarbeiten und Dramen umfaßt es zwei Romane, deren einer, „der sechste sinn“, Fragment geblieben ist. Mit dem Buch „der kopf des vitus bering“ hat Bayer einen der ersten Montageromane geschrieben, eine, wie der Autor die Form des Textes genannt hat, „summarische biographie“. Sie sammelt Materialien zum Leben des Polarforschers Bering und fügt diese mit ethnographischen, schamanistischen, historischen und technischen Texten zusammen. Vor seinem Freitod hatte Bayer noch an zwei Treffen der bedeutenden, vom dem deutschen Schriftsteller Hans Werner Richter geleiteten Literatenvereinigung „Gruppe 47“ teilgenommen (Saulgau 1963 und Sigtuna/Schweden 1964). (Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek)