Atemschaukel

Atemschaukel

Hardcover
4.152
ArbeitslagerHöspielSchicksalOskar Pastior

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Beschreibung

Rumänien 1945: Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende. Die deutsche Bevölkerung lebt in Angst. "Es war 3 Uhr in der Nacht zum 15. Januar 1945, als die Patrouille mich holte. Die Kälte zog an, es waren -15º C." So beginnt ein junger Mann den Bericht über seine Deportation in ein Lager nach Russland. Anhand seines Lebens erzählt Herta Müller von dem Schicksal der deutschen Bevölkerung in Siebenbürgen. In Gesprächen mit dem Lyriker Oskar Pastior und anderen Überlebenden hat sie den Stoff gesammelt, den sie nun zu einem großen neuen Roman geformt hat. Ihr gelingt es, die Verfolgung Rumäniendeutscher unter Stalin in einer zutiefst individuellen Geschichte sichtbar zu machen.
Haupt-Genre
Romane
Sub-Genre
Zeitgenössische Romane
Format
Hardcover
Seitenzahl
304
Preis
24.70 €

Autorenbeschreibung

Herta Müller wurde 1953 im deutschsprachigen Nitzkydorf im Banat in Rumänien geboren. Sie studierte in Temeswar rumänische und deutsche Literatur. Sie arbeitete nach dem Studium in einer Maschinenbaufabrik als Übersetzerin. Weil sie sich weigerte, ihre Kollegen für den rumänischen Geheimdienst Securitate zu bespitzeln, verlor sie ihre Stelle, fand danach nur noch Aushilfstätigkeiten und geriet selbst ins Visier der Securitate. Es folgten Verhöre und Hausdurchsuchungen und die Verleumdung. 1987 konnte sie nach Berlin ausreisen, wo sie heute noch lebt. Ihre Bücher wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Zuletzt wurden ihr der Preis für Verständigung und Toleranz des Jüdischen Museum Berlin sowie der Internationale Brückepreis der Europastadt Görlitz/Zgorzelec verliehen und sie wurde in den Orden Pour le mérite aufgenommen. 2009 erhielt sie den Literaturnobelpreis. Ihr Werk wurde in über 50 Sprachen übersetzt und erscheint auf Deutsch bei Hanser, zuletzt die Collagenbände Im Heimweh ist ein blauer Saal (2019) und Der Beamte sagte (2021) sowie Eine Fliege kommt durch einen halben Wald (2023).

Beiträge

17
Alle
5

Ganz große Literatur. Erschreckend schön. Herta Müller hat so bilderreich und poetisch geschrieben, dass es absolut gegensätzlich zum Geschehen erscheint.

Wir begleiten einen jungen, homosexuellen Mann in ein russisches Straflager, wo er in den 5 Jahren Aufenthalt versuchen wird, zu überleben. Herta Müller gelingt es, das Grauen im Lager mit derart lyrischer, schöner, poetischer Sprache zu schildern, dass man völlig gefesselt ist von der Sprache und darüber ganz vergisst, dass es hier ums nackte Überleben geht. Das Buch ist zwar nicht immer ganz einfach zu lesen, aber es lohnt sich so sehr. Das ist mein Zweites, aber bestimmt nicht das letzte Buch dieser Autorin.

4

Das Buch hat mich echt berührt. Die Gefühle sind sehr greifbar und eindringlich. Der Schreibstil ist verdammt gut.

5

So oder so, die Nacht packt ihren schwarzen Koffer gegen meinen Willen, das muss ich betonen. Ich muss mich erinnern gegen meinen Willen. Und auch wenn ich nicht muss, sondern will, würde ich es lieber nicht wollen müssen. Manchmal überfallen mich die Gegenstände aus dem Lager nicht nacheinander, sondern im Rudel. ... Die Atemschaukel überschlägt sich, ich muss hecheln. So eine Zahnkammnadelscherenspiegelbürste ist ein Ungeheuer, so wie der Hunger ein Ungeheuer ist. Und es gäbe die Heimsuchung der Gegenstände nicht, wenn es den Hunger als Gegenstand nicht gegeben hätte. - Zitat, Seite 34 Es ist ein dunkles Kapitel der Geschichte, welches die Nobelpreisträgerin Herta Müller mit ihrem Buch aufschlägt. Und es ist ein Stück weit auch ihre Geschichte, denn auch ihre Mutter war 5 Jahre in einem sowjetischen Arbeitslager. Von der Deportation der in Rumänien lebenden Deutschen waren 1945 alle Frauen und Männer zwischen 17 und 45 Jahre betroffen. Eigentlich wollte die Autorin ein gemeinsames Buch mit dem Überlebenden dieser Zeit, Oskar Pastior, schreiben. Dessen plötzlicher Tod 2006 beendete das gemeinsame Projekt, doch die aufgezeichneten Details aus dem Lageralltag, versetzten Herta Müller in die Lage, diesen großartigen Roman zu schreiben. Auch wenn der Ich-Erzähler hier Leopold heißt und nicht Oskar, auch wenn der Bericht weniger einer direkten Erzählung oder Tagebuchaufzeichnungen entspricht, sondern vielmehr durch seine poetische Sprachmelodie geprägt ist, wirkt diese Geschichte unglaublich nah und echt. Wenn Herta Müller darüber schreibt, wie der Protagonist völlig unwillkürlich von Erinnerungen heimgesucht wird oder er im Lager von Hunger und von Läusen gequält wird, findet sie Sprachbilder, die zwar auf den ersten Blick zart und lyrisch anmuten, aber in ihrer Eindringlichkeit einen starken Nachhall erzeugen. Die Hoffnung findet sich als Taschentuch, von der Großmutter mit den Worten "Du kommst wieder", in der Hand des jungen Mannes. Und der diebische Hungerengel wirkt sein verwirrendes Spiel, dass der Verlust des letzten Stückchen Menschlichkeit nur eine Brotkante weniger entfernt zu sein scheint. Die Geschichte ist im Präsens verfasst, daher wirkt sie ungemein nah und gleichzeitig zeitlos. Und der Leser spürt, was war, ist für den Erzähler nicht vorbei, die Vergangenheit ist ebenso gegenwärtig wie das Hier und Jetzt. Für diesen Roman sollte man sich Zeit nehmen und immer wieder bewusst nachspüren, was das Gelesene mit einem macht. Dann entwickelt das Werk seine volle Wirkung. FAZIT Wäre mir bewusst gewesen, welch außergewöhnliche Lektüre mich mit Herta Müllers Atemschaukel erwartet, hätte ich bestimmt früher zum Werk gegriffen. Es war eine ganz besondere Leseerfahrung, die ich gerne weiter empfehle. Unbedingt lesenswert.

4

🌬𝐀𝐔𝐅𝐄𝐍𝐓𝐇𝐀𝐋𝐓 𝐈𝐌 𝐀𝐑𝐁𝐄𝐈𝐓𝐒𝐋𝐀𝐆𝐄𝐑 𝐈𝐍 𝐑𝐔𝐒𝐒𝐋𝐀𝐍𝐃🌬

Dieses Buch ist eine Art Tagebuch eines jungen Mannes, der in ein Arbeitslager in Russland geschickt wird. Mir hat der Schreibstil der Autorin sehr gut gefallen, jedoch an manchen Stellen kam es mir etwas in die Länge gezogen vor. Man bekommt in dieser Geschichte allerlei Aneinanderreihungen von Ereignissen, die vom Protagonisten erzählt werden. Mir hat da leider die Emotion etwas gefehlt, weil es mich mit dieser Art der Erzählweise nicht richtig berührt hat. Dennoch ein sehr lesenswertes Buch, welches ich definitiv empfehlen kann!

4

Herta Müller hat sich mit der Deportation von Rumäniendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg in die Sowjetunion befasst und dazu auch Gespräche mit Betroffenen geführt. Es ist düster, traurig, sollte nicht in einer dunklen Stimmung gehört oder gelesen werden.

4

"Ich trage stilles Gepäck. Ich habe mich so tief und so lang ins Schweigen gepackt, ich kann mich in Worten nie auspacken. Ich packe mich nur anders ein, wenn ich rede." 'Atemschaukel' ist mein erstes Buch von Herta Müller und es lag so ewig auf meinem SuB, dass ich sehr froh war, als eine Freundin einen Buddyread angeboten hat. Und dass ich nun endlich dieses intensive Buch gelesen habe! Der Protagonist Leo, wird als 17-jähriger im Januar 1945 zum Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter in der Sowjetunion. Erst sieht er seine Abholung fälschlicherweise noch als Chance, seinem kleinen Leben zu entkommen, in dem er Teile seiner Identität nicht zeigen kann. Denn heimlich trifft er sich in seiner Heimatstadt mit fremden Männern im Park und kann nur dort, nur unter dem Schleier des Verborgenen seine Homosexualität ausleben. Schon sehr schnell merkt er, dass die eingetauschte Realität alles übersteigt, was er sich vorstellen hätte können - vor allem, weil ihm nicht klar war, wie sich Hunger wirklich anfühlt. Und wie lang das Leben im Lager sein wird, wie nah dran am Tod. Sehr detailliert, bildhaft und wortgewandt wird aus Leos Perspektive die Kriegsgefangenschaft geschildert, mit dem stets präsenten Hungerengel, der jedes Leben und jeden Tod prägt. Es ist wirklich eindrücklich, wie Herta Müller die Psychologie des Lagerlebens ausrollt und es nachvollziehbar macht, in welchen Spiralen die Gedanken kreisen. Auch das Leben nach dem Lager findet Platz im Buch, und auch hier schafft die Autorin, der Sprachlosigkeit zwischen den Heimkehrenden und den Heimgebliebenen Worte zu geben. Es ist wirklich ein besonderes Buch und ich bin froh, es endlich gelesen zu haben. Ich dachte mir beim Lesen ab und zu, dass es zu detailliert ist, sich manchmal zu sehr zieht, doch genau das gibt das Erleben des Protagonisten so authentisch wieder. CN: T0d, Able1smus, Hom0feindlichkeit, Tierle1d, Suiz1d

4

Lange wollte ich dieses Buch nicht lesen, da sehr viele Rezensionen eher negativ ausfallen. Der Stil sei zu verkünstelt und emotionslos. Umso größer war meine Überraschung als mich bereits die ersten Zeilen fasziniert haben. Zugegeben die Sprache ist gewöhnungsbedürftig und in der Tat sehr experimentell. Manche Sätze ergeben einfach keinen Sinn oder sind in ihrer Aussage, wenn man sie dann mehrmals gelesen und schließlich erfasst hat, so banal dass es etwas enttäuschend ist. Das klingt eigentlich nicht nach der Sorte Literatur die ich bevorzuge. Sprache und Geschichte haben jedoch eine Atmosphäre entfaltet, die mich gefangen genommen hat. Ich kann nicht einmal erklären was genau mich so sehr fasziniert hat. Es ist mehr ein Gefühl, eine Stimmung die sich nicht in Worte fassen lässt und dieser sture, melancholische Überlebenswille des Protagonisten. Dass nach einem solchen Erlebnis ein Anknüpfen an das alte Leben nicht mehr möglich ist und wie Verbündete und Leidensgenossen aus dem Lager in der Freiheit plötzlich zu Fremden werden, hat Herta Müller meines Erachtens am eindrücklichsten dargestellt. Besonders der furchtbare Umgang mit Traumata zur damaligen Zeit, als schlichtweg nicht über die Schrecken gesprochen und alles totgeschwiegen wurde ging mir sehr nahe. Ein Buch das gewiss nicht jedermanns Sache ist, mich jedoch sehr positiv überrascht hat. Es wird nicht mein letztes Buch von Herta Müller gewesen sein.

4

Hartes Sujet trifft auf gefühlige Sprache - it‘s a Match

Mein erstes Buch 2024 und gleich so ein Schlag in den Magen. Aber ich wusste ja, worauf ich mich einlasse. „Atemschaukel“ von Herta Müller, die 2009 nicht unverdient den Nobelpreis für Literatur erhalten hat, ist ein schmerzhaftes Buch. Und das vielleicht umso mehr, als das wahrscheinlich viele nicht so richtig Bescheid wissen über das Thema. Nach dem Zweiten Weltkrieg werden insgesamt 60.000 Rumäniendeutsche in russische Straflager deportiert. Sie wissen nicht, wie lange sie dort bleiben. Sie wissen nicht, ob sie überleben. Der junge, homosexuelle Protagonist Leopold ist einer von ihnen. Ich habe einige Rezensionen gelesen, in denen sich Menschen mit dem Schreibstil von „Atemschaukel“ schwergetan haben. Oder sogar hinterfragt haben, ob man das überhaupt „darf“, nicht nüchtern, sondern poetisch und gefühlig über „so ein“ Thema schreiben. Ich finde: Man darf. Sollte vielleicht sogar auch. Dass man sich im harten, gleichförmigen Alltag eines Lagerlebens in Phantasien und Details flüchtet, finde ich höchst plausibel. Was bleibt einem sonst. Gleichzeitig hadert Leopold auch etwas damit, dass er gerade nicht fühlen kann, wie er vielleicht fühlen sollte. Aus Selbstschutz, aus Überlebenswillen oder einfach aus Unvermögen aufgrund des Traumas. Ich persönlich kann mit solch metaphorischer Sprache schon was anfangen, wobei mich die Hungerengel, Herzschaufeln und Atemschaukeln schon ein bisschen an meine Grenze geführt haben aufgrund der Wiederholungen - was aber vielleicht auch als Kunstgriff zu verstehen ist. Am Ende bleibt: Ein Kloß im Hals, ein Stein im Magen und das Gefühl, ein wichtiges, ein gutes Stück Literatur gelesen zu haben. Wenn ihr könnt, lest es.

5

Ein sprachgewaltiges Buch für ein Leben das Generationen von Gefangenen der sowjetischen Arbeitslager nach dem zweiten Weltkrieg in Rumänien sprachlos machte. Welche Worte findet man für unmenschliches Leben, Hunger und Erfahrungen die ein "danach" Leben ausschließen? Was am Leben hielt den Hunger als Engel zum Begleiter zu machen, den Rhythmus des Atmens als Schaukel zu fühlen und bei fürchterlich Appellen einen Haken in den Wolken finden, der einen hält.

5

Wahnsinn. Aufwühlend, lyrisch, poetisch und dramatisch.

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