Anleitung ein anderer zu werden
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Beschreibung
Autorenbeschreibung
Édouard Louis, geboren 1992, gilt als einer der wichtigsten Autoren der jüngeren Generation. Sein Roman »Das Ende von Eddy« machte ihn 2015 international bekannt. Er erzählte darin von seiner Kindheit in einem Dorf in Nordfrankreich in prekärsten Verhältnissen. In »Anleitung ein anderer zu werden« erzählt er davon, wie er die Grenzen seiner Herkunft hinter sich ließ. Seine Bücher erscheinen in 35 Sprachen und werden an Bühnen überall auf der Welt fürs Theater adaptiert. Zuletzt erschienen »Im Herzen der Gewalt«, »Wer hat meinen Vater umgebracht« sowie »Die Freiheit einer Frau«. Édouard Louis lebt in Paris.
Beiträge
Was bedeute es, sich seiner „Klasse“ bewusst zu sein und zu wissen, dass das eigene Überleben nur möglich ist, wenn Mensch sich von dieser Herkunft verabschiedet und die Flucht nach vorne ergreift. Edouard Louis beschreibt in seinem autobiografischen Roman mit einer radikalen Ehrlichkeit die Herausforderungen dieser Flucht in eine neue Welt, in ein neues Leben, in ein neues sein. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie sehr lässt sich die alte Welt hinter einem lassen und wie stark trägt sie eigentlich trotzdem noch unser Dasein und unser Handeln. Ein starkes Buch für Menschen, die wie Louis geprägt sind von ihrer Herkunft und ihrer sozialen Klasse und „ein besseres Leben“ schaffen wollen aber nicht immer schaffen können.
Was für ein großartiges Werk
Ich bin wirklich begeistert! Dieser Schreibstil ist einfach herausragend und damit auch zu erwähnen. Irgendwie ist es eine tragische Geschichte und behandelt ein sehr sensibles Thema in einer messerscharfen und präzisen Analyse, das es einem nur so graut. Ich habe gelitten, ich hatte Angst vor jedem weiteren Einbruch und ich hatte Angst um „Eddy“. Ich glaube dieses Buch ist nicht für jeden etwas aber mir persönlich hat es sehr viel gegeben. Ich habe mir viel markieren können, da der Autor eine gute Balance gefunden hat, zwischen seiner Geschichte und Erkenntnissen, die die Allgemeinheit betreffen. Ich bin sehr glücklich es gelesen zu haben und kann es wirklich nur empfehlen. Lasst euch von den ersten Prologen nicht abschrecken. Das dient einfach dazu dem Leser klar zu machen, wovon dieses Buch handeln wird und mit welcher Härte es zuschlagen wird. ⭐️⭐️⭐️⭐️
"Ich sagte mir immer wieder, hier kannst du dich wenigstens ausruhen, der Kampf ist vorbei, du musst niemand mehr werden, hier kannst du einfach nur sein." "Bin ich dazu verdammt, mich immer nach einem anderen Leben zu sehnen?" "Ich sehne mich nicht nach der Armut zurück, sondern nach der Möglichkeit einer Gegenwart." Eine berührende Lebensgeschichte voller Kämpfe und Anstrengungen, um der Armut, den Beleidigungen und der Ausgrenzung zu entfliehen. Eine Flucht und Metamorphose in ein scheinbar besseres Leben. Auf der Suche nach Glück, Liebe und Ich-sein, oft schmerzlich zu lesen.
Klare autobiografische Aufarbeitung des Autors. Sehr angenehmer Schreibstil trifft auf ehrliche offene (unangenehme) Reflexion.
Edouard beschreibt seine Motivation, seinen Drang für seine Abkehr von seiner ärmlichen Herkunft hinzu seinem jetzigen Leben (bürgerlich, bekannt). Die absolute Notwendigkeit, das Alternativlose ist allgegenwärtig. Selbst ausgebrannt, bleibt die Flucht nach vorne unvermeidlich. Sein Handeln wirkt für mich manisch und das Schreiben ist ein Ventil. Die Darstellung der verschiedenen Gesellschaftlichen Schichten Frankreichs (oder stellvertretend für andere Industriestaaten Europas) ist auf den Punkt.
Immer wieder gibt es diese Bücher, die einem den Atem nehmen; die sich gleichermaßen wie eine wärmende Decke um einen legen und einem Tränen in die Augen treiben. Bücher, die einen nicht mehr loslassen, etwas bewegen, Gedanken weit über das Ende der Zeile hinaus provozieren. Schon immer strebte er danach, ein Anderer zu werden, seiner Herkunft, die sich in Gestik, in Stimme und Haltung in ihm manifestiert hatte, zu entfliehen. Seinem Vater. Der Armut, der Scham. Er wollte Édouard werden, in Paris studieren und leben, aufsteigen. Frei sein, sich frei machen, ein gutes Leben führen. Doch diese Veränderung hat einen Preis. In "Anleitung ein anderer zu werden" (aus dem Französischen von Sonja Finck) beschreibt Édouard Louis reflektiert, ehrlich und ungemein vulnerabel, wie die letzten Jahre seit der Veröffentlichung seines Debütromans "En finir avec Eddy Bellegueule" und der damit verbundenen Bekanntheit, aber auch welche Personen ihn verändert haben. Aus einer gereiften, erfahreneren Perspektive blickt er zurück auf die Beziehung zu seinem Vater und Szenen seiner Kindheit, die er in seinen drei vorherigen Romanen bereits umriss, und erzeugt so ein Gefühl der Nähe, des „Eingeweihtseins“. Doch nun, Jahre später, ist im vieles klarer, so auch die Rolle seiner einstmals besten Freundin Elena, die ihm ein Vorbild war, seine Metamorphose begünstigte und unterstützte. Gleichermaßen sehnsuchtsvoll, schambehaftend und ablehnend versucht er in einer fiktiven Ansprache an seinen Vater Distanz- und Fixpunkte zu definieren, um den Erfolg seines Bemühens, seine Herkunft abzulegen, zu objektivieren. Es sind Dinge, die er sich nie traute, ihm zu sagen, aus Angst, sie könnten ihn verletzen; „ich will nur, dass du es weißt, mehr nicht“ (S. 28); Dinge, die er sich im Schreiben immer wieder vergegenwärtigt, um sie zu verarbeiten und mit Abstand betrachten zu können: den Umgang mit Sexualität und Rassismus, seine soziale Klasse und seine Erziehung. Erst durch seine Freundschaft zu Elena, einem wohlhabenden Mädchen am Gymnasium, das ihn zu sich nach Hause einlud, erkannte er: Was für ihn normal ist, was im suggeriert worden war, normal zu sein – Rauchen in der Wohnung, Essverhalten, von Geschwistern trübes Badewasser –, ist es in anderen gesellschaftlichen Schichten nicht. Er verbringt immer mehr Zeit im Kreise ihrer Familie, schaut sich ab, wie er zu lachen, sprechen, zu essen, wie er sich zu betragen hat. Wie er ein besserer Mensch werden kann. Er färbte seine Haare, begann, andere Kleidung zu tragen; Jahre später unterzog er sich mit der finanziellen Unterstützung seiner Geliebten einer Haartransplantation und umfassender Kieferchirurgie. Bis er endlich Édouard wurde. In gewisser Weise sollten seine Begegnung mit Didier Eribon und dessen Autobiographie „Retour à Reims“ einen Punkt in seinem Leben markieren, an dem ihm bewusst wurde, was er wirklich will, wohin er will, dass er der sein kann, der er immer sein wollte. Er suchte seine Nähe, sehnte sich danach, von ihm zu lernen, wie er zu sein, talentiert und wohlhabend, und fand schließlich einen Freund in ihm, der ihn leitete, prägte und bei seinem Aufstieg weiterhalf. So hangelte er sich schließlich von einer Bekanntschaft zur nächsten, flog hoch und stürzte tief – und wie er dies so offen darlegt, sich seinem Scheitern und dessen Gründen komplett bewusst ist, das hat mein Herz wirklich berührt. Immer wieder springt er in diesen schwierigen Erinnerungen von der Vergangenheit in die Gegenwart, um eine „Pause zu machen“, schließlich ist es auch für ihn emotional belastend, all das aufzuarbeiten. Und immer wieder: Perspektivwechsel, kurze, schneidende Einwürfe, in denen er sich selbst anspricht, vor einem Spiegel stehend anklagt, um dann, um sich wiederum zu distanzieren, von sich selbst in der dritten Person redet, sich objektiviert. Der Raum zwischen den Zeilen voller Schmerz. Könnte ich jemals solch drastische Maßnahmen ergreifen, um eine andere zu werden, meine Art zu sprechen, zu schreiben verändern, um mich meiner Herkunft zu entsagen? Ich glaube nicht, es würde sich komisch anfühlen, wie ein Schauspiel hinter geschlossenem Vorhang, das Skript noch in der Hand. Édouard jedoch, er spricht frei aus seinem Herzen, spricht mit all dem Willen und Mut, den es braucht, die Fesseln abzustreifen, mit all der Demut und dem Schmerz, den er erfuhr, und letztlich auch voller Respekt vor all den Menschen, die ihn zu dem machten, der er heute ist. Auch vor seinen Eltern, denn sie werden immer ein Teil von ihm bleiben, auch wenn in seinem Pass ein anderer als sein Geburtsname steht. Und wegen all dieser Aspekte, dieser tiefen Menschlichkeit, Offenheit, seine Geschichte in dieser Art mit uns zu teilen, bleibt sie für immer in meinen Gedanken. Magnifique, monsieur Louis!
Ein Buch was ich verschlungen habe, trotz schwerer Themen. Eddy ist als Homosexueller in Nordfrankreich in einem Dorf aufgewachsen, welches geprägt ist von Armut, harter Arbeit, Rassismus und Homophobie. Er schafft es ins Gymnasium in die nächste Kleinstadt, wird dort von der Familie seiner neuen Freundin Elena aufgenommen und verändert sich nach und nach. Verändert seine Sprache, seine Kleidung und seinen Namen. Doch nachdem auch die Kleinstadt zu klein wird, bewirbt er sich an eine Elitehochschule in Paris und wird angenommen. Er lebt seine Sexualität aus, schließt Freundschaften mit sehr wohlhabenden Menschen, verändert nun auch sein Äußeres und entfernt sich immer mehr von seinen Eltern und dem Dorf.
Anleitung ein anderer zu werden" hat mich berührt und bedrückt. Es ist kein Buch zum Wohlfühlen, denn die angesprochenen Themen liegen schwer auf dem Herzen. Armut, insbesondere Kinderarmut, Diskriminierung, familiäre Entfremdung - das alles muss der Autor ertragen und versucht deshalb, ein Anderer zu werden. Eddy ist ein zwiespältiger Charakter und das weiß er auch selbst. Sein Leben ist ebenso voller Rückschläge wie voller Erfolge, doch trotz der Erfolge kommt er einfach nicht an. Der Schreibstil des Autors ist sehr beeindruckend. Die Geschichte fließt dahin und erzählt in einem ruhigen Ton von allen Höhen und Tiefen. Dadurch lässt es sich sehr einfach lesen und der Inhalt wirkt nachhaltig nach. Man wird als Leser angehalten, sich Fragen über unsere Gesellschaft zu stellen, die niemand so einfach beantworten kann. Aus meiner Sicht ein schönes und bedrückendes Buch.
Komplett verschlungen trotz wenig Zeit - sehr berührend, toller Schreibstil
Dieses Buch tut einfach nur weh. Der Epilog killte mich.
„Anleitung ein anderer zu werden“ ist die Geschichte von Eddy der zu Edouard wird. Es ist die Geschichte eines Jungen, der in ärmliche Verhältnisse geboren wird, der von klein auf wegen seiner sexuellen Orientierung gemobbt und ausgegrenzt wird, der beschließt sein Leben und seine Persönlichkeit grundlegend zu ändern, um an allen Rache zu nehmen. Es ist die Geschichte eines bemerkenswerten gesellschaftlichen Aufstiegs, aber auch der späten Einsicht das Status, Macht und Äußerlichkeiten nicht glücklich machen. - Eddy wächst in einem kleinen Dorf in Nordfrankreich auf. Durch schauspielerisches Talent schafft er es aufs Gymnasium und damit auch ins Internat einer Kleinstadt, später dann auf eine Elite-Universität in Paris. Er arbeitet hart, ja schon obsessiv, an seiner Veränderung, imitiert andere Personen, nutzt viele aus, um das zu erreichen, was er will. Er ist egoistisch, unreflektiert, will andere um jeden Preis davon überzeugen sich auch zu ändern und diese Tatsachen führten bei mir im Verlauf des Buches dazu, dass aus der anfänglichen Bewunderung und dem vorhandenen Mitgefühl für den Protagonisten, eine gewisse Antisympathie wurde. Mit Anfang 20 hat er sein Leben radikal geändert. Neue Zähne, neuer Name, neue Frisur und die ein oder andere OP. Durch seinen Lebensstil und den Drang unbedingt dazu gehören zu wollen, lebt er ein Leben in Extremen. An einigen Tagen lässt er sich aushalten von reichen Freunden, an anderen Tagen hat er nicht genug Geld für eine Mahlzeit. Der Schreibstil ist sehr angenehm, die Erzählung durchaus spannend und der Autor schafft es verschiedene Gefühle mit dem Geschriebenen hervor zu rufen, leider nicht nur positive. Die Erzählung ist in den Grundzügen autobiographisch, was nochmal mehr dazu führt, dass die ein oder andere Szene ordentlich schockiert. So berichtet er bspw. von der sexuellen Nötigung seiner Schwester durch einen LKW-Fahrer, aber anstatt das zu verurteilen, wünscht er sich, dass es ihm passiert wäre, damit er Erfahrungen mit dem männlichen Geschlecht sammeln kann. Dies finde ich auf mehreren Ebenen schwierig, da es zum einen zeigt, dass er dringend Hilfe benötigt hätte oder immer noch benötigt und zum anderen bagatellisiert er sexuelle Übergriffe, stellt sie gar als etwas Gutes hin und das ist natürlich ein Schlag ins Gesicht für alle Betroffenen. Ebenso finde ich seine generelle Einstellung gegenüber der Arbeiterschicht schwierig. Er geht ganz natürlich davon aus, dass jeder Mensch sich hocharbeiten will, dass man in der Arbeiterschicht nicht glücklich sein kann und gibt seinen Eltern die Schuld daran, dass er dort aufwachsen musste. Er stellt es teilweise so hin, dass seine Eltern den Aufstieg nicht gewagt haben, nur um ihn zu ärgern. - Alles in allem fand ich es ein gutes Buch, dass sehr eindrücklich beschreibt, wie weit ein Mensch bereit ist zu gehen um sich abzugrenzen. Ein bisschen mehr Reflexion hätte aber sicher nicht geschadet.
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Autorenbeschreibung
Édouard Louis, geboren 1992, gilt als einer der wichtigsten Autoren der jüngeren Generation. Sein Roman »Das Ende von Eddy« machte ihn 2015 international bekannt. Er erzählte darin von seiner Kindheit in einem Dorf in Nordfrankreich in prekärsten Verhältnissen. In »Anleitung ein anderer zu werden« erzählt er davon, wie er die Grenzen seiner Herkunft hinter sich ließ. Seine Bücher erscheinen in 35 Sprachen und werden an Bühnen überall auf der Welt fürs Theater adaptiert. Zuletzt erschienen »Im Herzen der Gewalt«, »Wer hat meinen Vater umgebracht« sowie »Die Freiheit einer Frau«. Édouard Louis lebt in Paris.
Beiträge
Was bedeute es, sich seiner „Klasse“ bewusst zu sein und zu wissen, dass das eigene Überleben nur möglich ist, wenn Mensch sich von dieser Herkunft verabschiedet und die Flucht nach vorne ergreift. Edouard Louis beschreibt in seinem autobiografischen Roman mit einer radikalen Ehrlichkeit die Herausforderungen dieser Flucht in eine neue Welt, in ein neues Leben, in ein neues sein. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie sehr lässt sich die alte Welt hinter einem lassen und wie stark trägt sie eigentlich trotzdem noch unser Dasein und unser Handeln. Ein starkes Buch für Menschen, die wie Louis geprägt sind von ihrer Herkunft und ihrer sozialen Klasse und „ein besseres Leben“ schaffen wollen aber nicht immer schaffen können.
Was für ein großartiges Werk
Ich bin wirklich begeistert! Dieser Schreibstil ist einfach herausragend und damit auch zu erwähnen. Irgendwie ist es eine tragische Geschichte und behandelt ein sehr sensibles Thema in einer messerscharfen und präzisen Analyse, das es einem nur so graut. Ich habe gelitten, ich hatte Angst vor jedem weiteren Einbruch und ich hatte Angst um „Eddy“. Ich glaube dieses Buch ist nicht für jeden etwas aber mir persönlich hat es sehr viel gegeben. Ich habe mir viel markieren können, da der Autor eine gute Balance gefunden hat, zwischen seiner Geschichte und Erkenntnissen, die die Allgemeinheit betreffen. Ich bin sehr glücklich es gelesen zu haben und kann es wirklich nur empfehlen. Lasst euch von den ersten Prologen nicht abschrecken. Das dient einfach dazu dem Leser klar zu machen, wovon dieses Buch handeln wird und mit welcher Härte es zuschlagen wird. ⭐️⭐️⭐️⭐️
"Ich sagte mir immer wieder, hier kannst du dich wenigstens ausruhen, der Kampf ist vorbei, du musst niemand mehr werden, hier kannst du einfach nur sein." "Bin ich dazu verdammt, mich immer nach einem anderen Leben zu sehnen?" "Ich sehne mich nicht nach der Armut zurück, sondern nach der Möglichkeit einer Gegenwart." Eine berührende Lebensgeschichte voller Kämpfe und Anstrengungen, um der Armut, den Beleidigungen und der Ausgrenzung zu entfliehen. Eine Flucht und Metamorphose in ein scheinbar besseres Leben. Auf der Suche nach Glück, Liebe und Ich-sein, oft schmerzlich zu lesen.
Klare autobiografische Aufarbeitung des Autors. Sehr angenehmer Schreibstil trifft auf ehrliche offene (unangenehme) Reflexion.
Edouard beschreibt seine Motivation, seinen Drang für seine Abkehr von seiner ärmlichen Herkunft hinzu seinem jetzigen Leben (bürgerlich, bekannt). Die absolute Notwendigkeit, das Alternativlose ist allgegenwärtig. Selbst ausgebrannt, bleibt die Flucht nach vorne unvermeidlich. Sein Handeln wirkt für mich manisch und das Schreiben ist ein Ventil. Die Darstellung der verschiedenen Gesellschaftlichen Schichten Frankreichs (oder stellvertretend für andere Industriestaaten Europas) ist auf den Punkt.
Immer wieder gibt es diese Bücher, die einem den Atem nehmen; die sich gleichermaßen wie eine wärmende Decke um einen legen und einem Tränen in die Augen treiben. Bücher, die einen nicht mehr loslassen, etwas bewegen, Gedanken weit über das Ende der Zeile hinaus provozieren. Schon immer strebte er danach, ein Anderer zu werden, seiner Herkunft, die sich in Gestik, in Stimme und Haltung in ihm manifestiert hatte, zu entfliehen. Seinem Vater. Der Armut, der Scham. Er wollte Édouard werden, in Paris studieren und leben, aufsteigen. Frei sein, sich frei machen, ein gutes Leben führen. Doch diese Veränderung hat einen Preis. In "Anleitung ein anderer zu werden" (aus dem Französischen von Sonja Finck) beschreibt Édouard Louis reflektiert, ehrlich und ungemein vulnerabel, wie die letzten Jahre seit der Veröffentlichung seines Debütromans "En finir avec Eddy Bellegueule" und der damit verbundenen Bekanntheit, aber auch welche Personen ihn verändert haben. Aus einer gereiften, erfahreneren Perspektive blickt er zurück auf die Beziehung zu seinem Vater und Szenen seiner Kindheit, die er in seinen drei vorherigen Romanen bereits umriss, und erzeugt so ein Gefühl der Nähe, des „Eingeweihtseins“. Doch nun, Jahre später, ist im vieles klarer, so auch die Rolle seiner einstmals besten Freundin Elena, die ihm ein Vorbild war, seine Metamorphose begünstigte und unterstützte. Gleichermaßen sehnsuchtsvoll, schambehaftend und ablehnend versucht er in einer fiktiven Ansprache an seinen Vater Distanz- und Fixpunkte zu definieren, um den Erfolg seines Bemühens, seine Herkunft abzulegen, zu objektivieren. Es sind Dinge, die er sich nie traute, ihm zu sagen, aus Angst, sie könnten ihn verletzen; „ich will nur, dass du es weißt, mehr nicht“ (S. 28); Dinge, die er sich im Schreiben immer wieder vergegenwärtigt, um sie zu verarbeiten und mit Abstand betrachten zu können: den Umgang mit Sexualität und Rassismus, seine soziale Klasse und seine Erziehung. Erst durch seine Freundschaft zu Elena, einem wohlhabenden Mädchen am Gymnasium, das ihn zu sich nach Hause einlud, erkannte er: Was für ihn normal ist, was im suggeriert worden war, normal zu sein – Rauchen in der Wohnung, Essverhalten, von Geschwistern trübes Badewasser –, ist es in anderen gesellschaftlichen Schichten nicht. Er verbringt immer mehr Zeit im Kreise ihrer Familie, schaut sich ab, wie er zu lachen, sprechen, zu essen, wie er sich zu betragen hat. Wie er ein besserer Mensch werden kann. Er färbte seine Haare, begann, andere Kleidung zu tragen; Jahre später unterzog er sich mit der finanziellen Unterstützung seiner Geliebten einer Haartransplantation und umfassender Kieferchirurgie. Bis er endlich Édouard wurde. In gewisser Weise sollten seine Begegnung mit Didier Eribon und dessen Autobiographie „Retour à Reims“ einen Punkt in seinem Leben markieren, an dem ihm bewusst wurde, was er wirklich will, wohin er will, dass er der sein kann, der er immer sein wollte. Er suchte seine Nähe, sehnte sich danach, von ihm zu lernen, wie er zu sein, talentiert und wohlhabend, und fand schließlich einen Freund in ihm, der ihn leitete, prägte und bei seinem Aufstieg weiterhalf. So hangelte er sich schließlich von einer Bekanntschaft zur nächsten, flog hoch und stürzte tief – und wie er dies so offen darlegt, sich seinem Scheitern und dessen Gründen komplett bewusst ist, das hat mein Herz wirklich berührt. Immer wieder springt er in diesen schwierigen Erinnerungen von der Vergangenheit in die Gegenwart, um eine „Pause zu machen“, schließlich ist es auch für ihn emotional belastend, all das aufzuarbeiten. Und immer wieder: Perspektivwechsel, kurze, schneidende Einwürfe, in denen er sich selbst anspricht, vor einem Spiegel stehend anklagt, um dann, um sich wiederum zu distanzieren, von sich selbst in der dritten Person redet, sich objektiviert. Der Raum zwischen den Zeilen voller Schmerz. Könnte ich jemals solch drastische Maßnahmen ergreifen, um eine andere zu werden, meine Art zu sprechen, zu schreiben verändern, um mich meiner Herkunft zu entsagen? Ich glaube nicht, es würde sich komisch anfühlen, wie ein Schauspiel hinter geschlossenem Vorhang, das Skript noch in der Hand. Édouard jedoch, er spricht frei aus seinem Herzen, spricht mit all dem Willen und Mut, den es braucht, die Fesseln abzustreifen, mit all der Demut und dem Schmerz, den er erfuhr, und letztlich auch voller Respekt vor all den Menschen, die ihn zu dem machten, der er heute ist. Auch vor seinen Eltern, denn sie werden immer ein Teil von ihm bleiben, auch wenn in seinem Pass ein anderer als sein Geburtsname steht. Und wegen all dieser Aspekte, dieser tiefen Menschlichkeit, Offenheit, seine Geschichte in dieser Art mit uns zu teilen, bleibt sie für immer in meinen Gedanken. Magnifique, monsieur Louis!
Ein Buch was ich verschlungen habe, trotz schwerer Themen. Eddy ist als Homosexueller in Nordfrankreich in einem Dorf aufgewachsen, welches geprägt ist von Armut, harter Arbeit, Rassismus und Homophobie. Er schafft es ins Gymnasium in die nächste Kleinstadt, wird dort von der Familie seiner neuen Freundin Elena aufgenommen und verändert sich nach und nach. Verändert seine Sprache, seine Kleidung und seinen Namen. Doch nachdem auch die Kleinstadt zu klein wird, bewirbt er sich an eine Elitehochschule in Paris und wird angenommen. Er lebt seine Sexualität aus, schließt Freundschaften mit sehr wohlhabenden Menschen, verändert nun auch sein Äußeres und entfernt sich immer mehr von seinen Eltern und dem Dorf.
Anleitung ein anderer zu werden" hat mich berührt und bedrückt. Es ist kein Buch zum Wohlfühlen, denn die angesprochenen Themen liegen schwer auf dem Herzen. Armut, insbesondere Kinderarmut, Diskriminierung, familiäre Entfremdung - das alles muss der Autor ertragen und versucht deshalb, ein Anderer zu werden. Eddy ist ein zwiespältiger Charakter und das weiß er auch selbst. Sein Leben ist ebenso voller Rückschläge wie voller Erfolge, doch trotz der Erfolge kommt er einfach nicht an. Der Schreibstil des Autors ist sehr beeindruckend. Die Geschichte fließt dahin und erzählt in einem ruhigen Ton von allen Höhen und Tiefen. Dadurch lässt es sich sehr einfach lesen und der Inhalt wirkt nachhaltig nach. Man wird als Leser angehalten, sich Fragen über unsere Gesellschaft zu stellen, die niemand so einfach beantworten kann. Aus meiner Sicht ein schönes und bedrückendes Buch.
Komplett verschlungen trotz wenig Zeit - sehr berührend, toller Schreibstil
Dieses Buch tut einfach nur weh. Der Epilog killte mich.
„Anleitung ein anderer zu werden“ ist die Geschichte von Eddy der zu Edouard wird. Es ist die Geschichte eines Jungen, der in ärmliche Verhältnisse geboren wird, der von klein auf wegen seiner sexuellen Orientierung gemobbt und ausgegrenzt wird, der beschließt sein Leben und seine Persönlichkeit grundlegend zu ändern, um an allen Rache zu nehmen. Es ist die Geschichte eines bemerkenswerten gesellschaftlichen Aufstiegs, aber auch der späten Einsicht das Status, Macht und Äußerlichkeiten nicht glücklich machen. - Eddy wächst in einem kleinen Dorf in Nordfrankreich auf. Durch schauspielerisches Talent schafft er es aufs Gymnasium und damit auch ins Internat einer Kleinstadt, später dann auf eine Elite-Universität in Paris. Er arbeitet hart, ja schon obsessiv, an seiner Veränderung, imitiert andere Personen, nutzt viele aus, um das zu erreichen, was er will. Er ist egoistisch, unreflektiert, will andere um jeden Preis davon überzeugen sich auch zu ändern und diese Tatsachen führten bei mir im Verlauf des Buches dazu, dass aus der anfänglichen Bewunderung und dem vorhandenen Mitgefühl für den Protagonisten, eine gewisse Antisympathie wurde. Mit Anfang 20 hat er sein Leben radikal geändert. Neue Zähne, neuer Name, neue Frisur und die ein oder andere OP. Durch seinen Lebensstil und den Drang unbedingt dazu gehören zu wollen, lebt er ein Leben in Extremen. An einigen Tagen lässt er sich aushalten von reichen Freunden, an anderen Tagen hat er nicht genug Geld für eine Mahlzeit. Der Schreibstil ist sehr angenehm, die Erzählung durchaus spannend und der Autor schafft es verschiedene Gefühle mit dem Geschriebenen hervor zu rufen, leider nicht nur positive. Die Erzählung ist in den Grundzügen autobiographisch, was nochmal mehr dazu führt, dass die ein oder andere Szene ordentlich schockiert. So berichtet er bspw. von der sexuellen Nötigung seiner Schwester durch einen LKW-Fahrer, aber anstatt das zu verurteilen, wünscht er sich, dass es ihm passiert wäre, damit er Erfahrungen mit dem männlichen Geschlecht sammeln kann. Dies finde ich auf mehreren Ebenen schwierig, da es zum einen zeigt, dass er dringend Hilfe benötigt hätte oder immer noch benötigt und zum anderen bagatellisiert er sexuelle Übergriffe, stellt sie gar als etwas Gutes hin und das ist natürlich ein Schlag ins Gesicht für alle Betroffenen. Ebenso finde ich seine generelle Einstellung gegenüber der Arbeiterschicht schwierig. Er geht ganz natürlich davon aus, dass jeder Mensch sich hocharbeiten will, dass man in der Arbeiterschicht nicht glücklich sein kann und gibt seinen Eltern die Schuld daran, dass er dort aufwachsen musste. Er stellt es teilweise so hin, dass seine Eltern den Aufstieg nicht gewagt haben, nur um ihn zu ärgern. - Alles in allem fand ich es ein gutes Buch, dass sehr eindrücklich beschreibt, wie weit ein Mensch bereit ist zu gehen um sich abzugrenzen. Ein bisschen mehr Reflexion hätte aber sicher nicht geschadet.