Monique bricht aus
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Beschreibung
Autorenbeschreibung
Édouard Louis wurde 1991 geboren. Sein autobiographischer Debütroman »Das Ende von Eddy«, in dem er von seiner Kindheit und Flucht aus prekärsten Verhältnissen in einem nordfranzösischen Dorf erzählt, sorgte 2015 für großes Aufsehen. Das Buch wurde zu einem internationalen Bestseller und machte Louis zum literarischen Shootingstar. Seine Bücher erscheinen in 30 Ländern und werden vielfach fürs Theater adaptiert und verfilmt. Über seine literarischen Positionen gab er u.a. Auskunft als Samuel Fischer-Gastprofessor an der Freien Universität Berlin (2018), bei der Mosse Lecture an der Humboldt-Universität Berlin (2019) oder 2023 bei den Tübinger Poetikvorlesungen. Zuletzt erschienen »Wer hat meinen Vater umgebracht« und »Die Freiheit einer Frau«, der Gesprächsband mit Ken Loach »Gespräch über Kunst und Politik« sowie »Anleitung ein anderer zu werden«. Édouard Louis lebt in Paris.
Beiträge
Wow - Louis schreibt über seine Mutter, großartig! 👏
„Ich könnte sagen: Kein Leid in meiner Kindheit = keine Bücher = kein Geld = keine Freiheit.“ Nur aufgrund seiner Literatur über seine prägenden familiären Erfahrungen ist Édouard Louis in der Lage seiner Mutter helfen zu können, als diese vor einem gewalttätigen Mann flüchtet, um sich ihre eigene Existenz aufzubauen. Aber erstmal von vorne. Louis‘ Mutter verbrachte den größten Teil ihres Lebens in Nordfrankreich, in einem abgelegenen Dorf mit knapp tausend Einwohnern. Sie lernte dort den Mann kennen, vor dem sie später würde fliehen müssen. Aber auch schon Louis‘ Vater misshandelte sie. „Kurz zuvor hatte sie meinen Vater nach zwanzig Jahren Ehe rausgeworfen, zwanzig Jahre, in denen er von ihr erwartet hatte, dass sie kochte putzte einkaufte spülte die Wäsche wusch dass sie den Mund hielt, wenn er fernsah, sechs oder sieben Stunden am Tag, und wenn sie es nicht tat, rastete er aus,..“ Da sie in ihrem Zuhause keine Bestätigung bekam, verfügte seine Mutter über ein geringes Selbstwertgefühl. „Meine Mutter hat sich in ihrem Leben oft an Komplimente geklammert, die andere ihr gemacht haben; sie gaben und geben ihr das Gefühl, gesehen zu werden, in den Augen und in den Worten der anderen zu existieren und die Unsichtbarkeit zu durchbrechen, die eine Folge der Armut war und eines Lebens an der Seite von Männern, die alles daran gesetzt hatten, sie zu erniedrigen.“ Heute als erwachsener Mann versteht Louis die Not seiner Mutter, die Freude über - und den Heisch nach Aufmerksamkeit. Als sie sich endlich von ihrem aktuellen, gewalttätigen Lebensgefährten lossagt, gewährt ihr Sohn Édouard ihr Unterschlupf in seiner Pariser Wohnung. Er spürt ihre Dankbarkeit, aber nimmt auch die Müdigkeit seiner Mutter wahr. „Müdigkeit, das war im Leben meiner Mutter immer das deutlichste Anzeichen dafür gewesen, dass ihr Unrecht geschah. Müdigkeit, weil sie zu einem Hausfrauendasein gezwungen war, Müdigkeit, weil sie gedemütigt wurde, Müdigkeit, weil sie weglaufen musste, Müdigkeit, weil sie sich abrackern musste, Müdigkeit, weil sie immer wieder von vorne anfangen musste. Manche werden vom Leben getragen, für andere ist das Leben ein ständiger Kampf. Wer zur zweiten Kategorie gehört, ist müde.“ Auch finanzielle Abhängigkeit ist ein großes Thema des Buches - seine Mutter verlor durch den Einzug bei dem Mann, mit dem sie zusammen war, ihre Sozialhilfe, auf die sie nach der Trennung von seinem Vater Anspruch gehabt hatte, sowie auch ihren Halbtagsjob. Vorbei war ihre „Unabhängigkeit“. Und so kreuzt sie eines Tages unangekündigt bei Édouard auf, ohne einen Cent in der Tasche. „Wenn wir uns streiten, sagt er jedes Mal, er gibt mir zur Strafe keinen Cent mehr. Deshalb habe ich nicht mal zwei Euro, um einen Kaffee zu trinken und aufs Klo gehen zu können. Heute bin ich ein bisschen spazieren gegangen und habe mich zu weit von zu Hause entfernt. Deshalb musste ich zu dir kommen, sonst hätte ich dich in Ruhe gelassen.“ Louis sagt über die Szene selbst, „Die Scham hat ein Gedächtnis“, was ich für eine unglaublich wichtige Erkenntnis halte und auch aus eigener Erfahrung heraus bestätigen würde, denn wer kann sich mich selbst an besonders schambehaftete Situationen oder Erlebnisse erinnern?! Ich kann es. Mit zunehmender Bildung entfernte sich Louis nicht nur geistig immer mehr von seiner Familie, sondern auch körperlich. „Von dem Tag an, als ich aufs Gymnasium kam, obwohl niemand in meiner Familie Abitur hatte, von dem Tag an, als ich Bücher zu lesen, ins Theater zu gehen, mich für Filmgeschichte zu interessieren begann, wurde all dies schlagartig unmöglich. Plötzlich langweilte ich mich im Supermarkt, hasste die Nachmittage dort, empfand sie als Zeitverschwendung, verachtete Videospiele, hielt sie für dumm, begann zu sagen - den Satz hatte ich in der Uni aufgeschnappt -, dass es in Fastfoodrestaurants nach Frittierfett stinkt und das mir von dem Geruch schlecht wird.“ Es schmerzt solche Passagen zu lesen, denn man bekommt wahrhaftig mit, wie sich Louis von seiner Familie lossagt, ja lossagen will, weil sie einfach nicht in sein neues Bildungsbürger-Leben passt - Klassismus at it’s best! Schafft Louis‘ Mutter dem Abwärtsstrudel aus Gewalt, finanzieller Abhängigkeit und co zu entkommen?! Das müsst Ihr schon selber nachlesen in „Monique bricht aus“ - was ich aber verraten möchte: Es lohnt sich, denn er hat das Buch aus einem besonderen Grund geschrieben: Es war der Wunsch seiner Mutter - sie wollte, dass wir Leser*innen erfahren, welche Wendung ihr Leben genommen hat. Denn es hat sich einiges getan seit „Die Freiheit einer Frau“ - dem ersten Buch, dass Édouard Louis über seine Mutter schrieb. „Ich habe nicht entschieden es zu schreiben. Es war nicht meine Idee. Noch nie hat mir das Schreiben so große Freude bereitet.“ Unbedingte Leseempfehlung!
Berührend & wohlwollend
Als treuer Leser Édouard Louis verfolge ich natürlich alle Publikationen seit dem ersten Buch. Nun widmet sich Louis wieder seiner Mutter, Monique, die es endlich schafft, ganz und gar frei und emanzipiert zu werden. Liebevoll, selbstreflektiert und ehrlich schildert hierbei Louis den Ausbruch seiner Mutter, und die vielschichtige Hilfe von Édouard selbst und seiner Schwester. Eine kurzweilige Lektüre, die Eddys literarisches Vermächtnis komplettiert. Jetzt freuen wir uns auf den Roman über seinen Bruder!
In diesem zweiten Buch über seine Mutter beschreibt Louis den Weg ihrer 2. Flucht aus einer gewaltvollen Partnerschaft und damit ihre Befreiung und ihren Neuanfang im Alter von 55 Jahren. Wie jedes seiner Bücher hat mich auch dieses sehr berührt.
„Monique bricht aus“ ist das behutsame Bild einer Mutter, das sich nun nahtlos einreiht in Louis‘ autobiographische Erzählreihe, die bitte nicht enden soll.
Eines Tages erhält Édouard Louis einen Anruf von seiner weinenden Mutter, im Hintergrund die wüsten Beschimpfungen und Schreie ihres neuen Partners. Verzweifelt wendet sie sich an ihren Sohn, der kurzerhand beschließt, sie aus dieser Beziehung zu retten. Während Louis in „Die Freiheit einer Frau“ bereits beschrieb, wie sich seine Mutter von seinem Vater trennt und nach Paris zieht, schildert er in seinem aktuellen Roman erneut ihren Befreiungsprozess aus einer gewaltvollen Beziehung. Bis zuletzt bleibt dabei ungewiss, ob sie nicht doch zu „dem da“, wie ihr Partner durchweg genannt wird, zurückkehren wird. Louis besticht wie gewohnt mit sprachlicher Präzision, experimentiert in diesem Werk jedoch auch mit neuen erzählerischen Formen. So listet er absatzweise Aspekte des Lebens seiner Mutter auf – ihre zahlreichen Pflichten als Ehefrau und Mutter oder die Demütigungen, die sie durch ihren Ehemann ertragen musste. Diese stilistische Technik verstärkt die Dramatik und verdeutlicht die erdrückende Last, die auf ihr liegt. Besonders spannend ist zudem, dass Louis thematisiert, wie verletzt und empört seine Mutter und Schwester auf seine autobiographischen Romane reagierten und zeitweise den Kontakt zu ihm abbrachen. Ironischerweise ist es jedoch genau das Geld, das er mit diesen Büchern verdient hat, das nun seiner Mutter die erneute Flucht aus der häuslichen Gewalt ermöglicht. Ein wenig oberflächlich, aber dennoch unmissverständlich, rückt Louis erneut die Klassenverhältnisse und die prekäre Situation vieler (Haus-)Frauen in den Fokus, die in abhängigen und gewaltvollen Lebensverhältnissen gefangen sind. Er verdeutlicht, dass „Freiheit keine Frage der Symbolik oder Ästhetik ist, sondern der praktischen materiellen Bedingungen“ (S. 104). Eindrucksvoll rechnet er den Leser*innen vor, was der Ausbruch aus der Gewalt seine Mutter konkret gekostet hat: geliehenes Bargeld: 200 €, Taxi für die Flucht: 15 €, Kaution für die neue Wohnung 1.100€ usw. Schnell wird klar, dass es sich hier nicht um eine heroische Geschichte der Emanzipation handelt, sondern um die brutale Realität finanzieller Abhängigkeiten und systemischer Ungleichheiten, die den vermeintlichen Akt der Befreiung zu einem ökonomischen Wagnis mit ungewissem Ausgang machen.
Ein sehr berührendes Buch. Ich werde in jedem Fall mehr von diesem Autor lesen.
Berührende Erzählung aus dem französischen Klassismus, die Mischung zwischen wehmütigen Alltäglichkeiten und glasklaren, poetischen und schonungslosen Beobachtungen ist wieder grandios
Mehr von Édouard Louis
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Autorenbeschreibung
Édouard Louis wurde 1991 geboren. Sein autobiographischer Debütroman »Das Ende von Eddy«, in dem er von seiner Kindheit und Flucht aus prekärsten Verhältnissen in einem nordfranzösischen Dorf erzählt, sorgte 2015 für großes Aufsehen. Das Buch wurde zu einem internationalen Bestseller und machte Louis zum literarischen Shootingstar. Seine Bücher erscheinen in 30 Ländern und werden vielfach fürs Theater adaptiert und verfilmt. Über seine literarischen Positionen gab er u.a. Auskunft als Samuel Fischer-Gastprofessor an der Freien Universität Berlin (2018), bei der Mosse Lecture an der Humboldt-Universität Berlin (2019) oder 2023 bei den Tübinger Poetikvorlesungen. Zuletzt erschienen »Wer hat meinen Vater umgebracht« und »Die Freiheit einer Frau«, der Gesprächsband mit Ken Loach »Gespräch über Kunst und Politik« sowie »Anleitung ein anderer zu werden«. Édouard Louis lebt in Paris.
Beiträge
Wow - Louis schreibt über seine Mutter, großartig! 👏
„Ich könnte sagen: Kein Leid in meiner Kindheit = keine Bücher = kein Geld = keine Freiheit.“ Nur aufgrund seiner Literatur über seine prägenden familiären Erfahrungen ist Édouard Louis in der Lage seiner Mutter helfen zu können, als diese vor einem gewalttätigen Mann flüchtet, um sich ihre eigene Existenz aufzubauen. Aber erstmal von vorne. Louis‘ Mutter verbrachte den größten Teil ihres Lebens in Nordfrankreich, in einem abgelegenen Dorf mit knapp tausend Einwohnern. Sie lernte dort den Mann kennen, vor dem sie später würde fliehen müssen. Aber auch schon Louis‘ Vater misshandelte sie. „Kurz zuvor hatte sie meinen Vater nach zwanzig Jahren Ehe rausgeworfen, zwanzig Jahre, in denen er von ihr erwartet hatte, dass sie kochte putzte einkaufte spülte die Wäsche wusch dass sie den Mund hielt, wenn er fernsah, sechs oder sieben Stunden am Tag, und wenn sie es nicht tat, rastete er aus,..“ Da sie in ihrem Zuhause keine Bestätigung bekam, verfügte seine Mutter über ein geringes Selbstwertgefühl. „Meine Mutter hat sich in ihrem Leben oft an Komplimente geklammert, die andere ihr gemacht haben; sie gaben und geben ihr das Gefühl, gesehen zu werden, in den Augen und in den Worten der anderen zu existieren und die Unsichtbarkeit zu durchbrechen, die eine Folge der Armut war und eines Lebens an der Seite von Männern, die alles daran gesetzt hatten, sie zu erniedrigen.“ Heute als erwachsener Mann versteht Louis die Not seiner Mutter, die Freude über - und den Heisch nach Aufmerksamkeit. Als sie sich endlich von ihrem aktuellen, gewalttätigen Lebensgefährten lossagt, gewährt ihr Sohn Édouard ihr Unterschlupf in seiner Pariser Wohnung. Er spürt ihre Dankbarkeit, aber nimmt auch die Müdigkeit seiner Mutter wahr. „Müdigkeit, das war im Leben meiner Mutter immer das deutlichste Anzeichen dafür gewesen, dass ihr Unrecht geschah. Müdigkeit, weil sie zu einem Hausfrauendasein gezwungen war, Müdigkeit, weil sie gedemütigt wurde, Müdigkeit, weil sie weglaufen musste, Müdigkeit, weil sie sich abrackern musste, Müdigkeit, weil sie immer wieder von vorne anfangen musste. Manche werden vom Leben getragen, für andere ist das Leben ein ständiger Kampf. Wer zur zweiten Kategorie gehört, ist müde.“ Auch finanzielle Abhängigkeit ist ein großes Thema des Buches - seine Mutter verlor durch den Einzug bei dem Mann, mit dem sie zusammen war, ihre Sozialhilfe, auf die sie nach der Trennung von seinem Vater Anspruch gehabt hatte, sowie auch ihren Halbtagsjob. Vorbei war ihre „Unabhängigkeit“. Und so kreuzt sie eines Tages unangekündigt bei Édouard auf, ohne einen Cent in der Tasche. „Wenn wir uns streiten, sagt er jedes Mal, er gibt mir zur Strafe keinen Cent mehr. Deshalb habe ich nicht mal zwei Euro, um einen Kaffee zu trinken und aufs Klo gehen zu können. Heute bin ich ein bisschen spazieren gegangen und habe mich zu weit von zu Hause entfernt. Deshalb musste ich zu dir kommen, sonst hätte ich dich in Ruhe gelassen.“ Louis sagt über die Szene selbst, „Die Scham hat ein Gedächtnis“, was ich für eine unglaublich wichtige Erkenntnis halte und auch aus eigener Erfahrung heraus bestätigen würde, denn wer kann sich mich selbst an besonders schambehaftete Situationen oder Erlebnisse erinnern?! Ich kann es. Mit zunehmender Bildung entfernte sich Louis nicht nur geistig immer mehr von seiner Familie, sondern auch körperlich. „Von dem Tag an, als ich aufs Gymnasium kam, obwohl niemand in meiner Familie Abitur hatte, von dem Tag an, als ich Bücher zu lesen, ins Theater zu gehen, mich für Filmgeschichte zu interessieren begann, wurde all dies schlagartig unmöglich. Plötzlich langweilte ich mich im Supermarkt, hasste die Nachmittage dort, empfand sie als Zeitverschwendung, verachtete Videospiele, hielt sie für dumm, begann zu sagen - den Satz hatte ich in der Uni aufgeschnappt -, dass es in Fastfoodrestaurants nach Frittierfett stinkt und das mir von dem Geruch schlecht wird.“ Es schmerzt solche Passagen zu lesen, denn man bekommt wahrhaftig mit, wie sich Louis von seiner Familie lossagt, ja lossagen will, weil sie einfach nicht in sein neues Bildungsbürger-Leben passt - Klassismus at it’s best! Schafft Louis‘ Mutter dem Abwärtsstrudel aus Gewalt, finanzieller Abhängigkeit und co zu entkommen?! Das müsst Ihr schon selber nachlesen in „Monique bricht aus“ - was ich aber verraten möchte: Es lohnt sich, denn er hat das Buch aus einem besonderen Grund geschrieben: Es war der Wunsch seiner Mutter - sie wollte, dass wir Leser*innen erfahren, welche Wendung ihr Leben genommen hat. Denn es hat sich einiges getan seit „Die Freiheit einer Frau“ - dem ersten Buch, dass Édouard Louis über seine Mutter schrieb. „Ich habe nicht entschieden es zu schreiben. Es war nicht meine Idee. Noch nie hat mir das Schreiben so große Freude bereitet.“ Unbedingte Leseempfehlung!
Berührend & wohlwollend
Als treuer Leser Édouard Louis verfolge ich natürlich alle Publikationen seit dem ersten Buch. Nun widmet sich Louis wieder seiner Mutter, Monique, die es endlich schafft, ganz und gar frei und emanzipiert zu werden. Liebevoll, selbstreflektiert und ehrlich schildert hierbei Louis den Ausbruch seiner Mutter, und die vielschichtige Hilfe von Édouard selbst und seiner Schwester. Eine kurzweilige Lektüre, die Eddys literarisches Vermächtnis komplettiert. Jetzt freuen wir uns auf den Roman über seinen Bruder!
In diesem zweiten Buch über seine Mutter beschreibt Louis den Weg ihrer 2. Flucht aus einer gewaltvollen Partnerschaft und damit ihre Befreiung und ihren Neuanfang im Alter von 55 Jahren. Wie jedes seiner Bücher hat mich auch dieses sehr berührt.
„Monique bricht aus“ ist das behutsame Bild einer Mutter, das sich nun nahtlos einreiht in Louis‘ autobiographische Erzählreihe, die bitte nicht enden soll.
Eines Tages erhält Édouard Louis einen Anruf von seiner weinenden Mutter, im Hintergrund die wüsten Beschimpfungen und Schreie ihres neuen Partners. Verzweifelt wendet sie sich an ihren Sohn, der kurzerhand beschließt, sie aus dieser Beziehung zu retten. Während Louis in „Die Freiheit einer Frau“ bereits beschrieb, wie sich seine Mutter von seinem Vater trennt und nach Paris zieht, schildert er in seinem aktuellen Roman erneut ihren Befreiungsprozess aus einer gewaltvollen Beziehung. Bis zuletzt bleibt dabei ungewiss, ob sie nicht doch zu „dem da“, wie ihr Partner durchweg genannt wird, zurückkehren wird. Louis besticht wie gewohnt mit sprachlicher Präzision, experimentiert in diesem Werk jedoch auch mit neuen erzählerischen Formen. So listet er absatzweise Aspekte des Lebens seiner Mutter auf – ihre zahlreichen Pflichten als Ehefrau und Mutter oder die Demütigungen, die sie durch ihren Ehemann ertragen musste. Diese stilistische Technik verstärkt die Dramatik und verdeutlicht die erdrückende Last, die auf ihr liegt. Besonders spannend ist zudem, dass Louis thematisiert, wie verletzt und empört seine Mutter und Schwester auf seine autobiographischen Romane reagierten und zeitweise den Kontakt zu ihm abbrachen. Ironischerweise ist es jedoch genau das Geld, das er mit diesen Büchern verdient hat, das nun seiner Mutter die erneute Flucht aus der häuslichen Gewalt ermöglicht. Ein wenig oberflächlich, aber dennoch unmissverständlich, rückt Louis erneut die Klassenverhältnisse und die prekäre Situation vieler (Haus-)Frauen in den Fokus, die in abhängigen und gewaltvollen Lebensverhältnissen gefangen sind. Er verdeutlicht, dass „Freiheit keine Frage der Symbolik oder Ästhetik ist, sondern der praktischen materiellen Bedingungen“ (S. 104). Eindrucksvoll rechnet er den Leser*innen vor, was der Ausbruch aus der Gewalt seine Mutter konkret gekostet hat: geliehenes Bargeld: 200 €, Taxi für die Flucht: 15 €, Kaution für die neue Wohnung 1.100€ usw. Schnell wird klar, dass es sich hier nicht um eine heroische Geschichte der Emanzipation handelt, sondern um die brutale Realität finanzieller Abhängigkeiten und systemischer Ungleichheiten, die den vermeintlichen Akt der Befreiung zu einem ökonomischen Wagnis mit ungewissem Ausgang machen.