
Theater im viktorianischen Zeitalter, was einen fesselt...
Ich hatte mal wieder richtig Lust auf ein Buch von Laura Purcell. Zum Glück habe ich noch genau 1 ungelesene Exemplare auf meinem Sub und ich freute mich wieder in diese Zeit einzutauchen. Optisch macht das gebundene Buch einen unglaublich schönen Eindruck. Alles ist farblich aufeinander abgestimmt und besonders edel sieht der Farbschnitt aus mit seinen Ornamenten und theatralischen Verzierungen. Die flüsternde Muse entführt uns in die Welt des Theaters im viktorianischen Zeitalter. Wir tauchen in die besondere Atmosphäre einer Theatergruppe ein, die durch ihre eigenen Ansichten und ihren festen Aberglauben außerhalb des alltäglichen Lebens zu existieren scheinen. Der Fokus des Theaters, an dem Jennifer Wilcox arbeitet, liegt auf den klassischen Tragödien und so verwundert es mich auch nicht, dass es in dem Buch nur so vor tragischen Charakteren auf und neben der Bühne wimmelt. Laura Purcell spielt hier sehr lebhaft mit den gängigen Theaterstücken wie Macbeth, Romeo und Julia oder Faust. Sie verknüpft diese Klassiker mit dem Ensemble und mitten in diesem Vorhaben flechtet sie Jenny und ihre Probleme mit ein. Im tristen London beginnt die junge Protagonistin eine neue Arbeit im Mercury Theater als persönliche Assistentin der aufstrebenden Schauspielerin Lilith Erikson. Jennys Aufgabe ist es, sie anzukleiden und für die Bühne vorzubereiten. Gerüchte besagen, Lilith habe ihren Erfolg einem düsteren Pakt mit der Muse Melpomene zu verdanken, doch Jenny zweifelt daran und sieht in ihr eher eine Frau mit einer gestörten Persönlichkeit. Als jedoch immer mehr Unheimliches geschieht, stellt sich die Frage: Könnten wirklich dunkle Mächte im Spiel sein? In "Die flüsternde Muse" wird man von Laura Purcell in eine düstere, faszinierende Version der historischen Theaterwelt entführt. Das Handlungsgeschehen zu Beginn besteht aus vielen Andeutungen und bisweilen seltsamen Verhaltensweisen der Charaktere. Alles scheint recht nebulös und mystisch zu sein. Die weibliche Hauptfigur und Ich-Erzählerin Jenny ist eine authentische und liebenswürdige Person, die ihrer Zeit geschuldet viele Probleme und Verantwortung mit sich herumträgt. Ihre schwere Lebenssituation wurde durch den Betrug von ihrem Bruder ausgelöst und in ihrer Verzweiflung lässt sie sich an dem gleichen Theater anstellen. Dies erzeugt eine unterschwellige Anspannung und weckt meine Neugierde auf Vergangenes und das Leben mit diesen exzentrischen Schauspielern. Hier werden übernatürliche Elemente mit raffinierter Psychologie verbunden und durch Jennys Sicht werde ich in meiner Meinung zu den anderen Charakteren beeinflusst und so kommt es vor, dass ich auch meine Ansicht über so manche Figur revidieren muss. Bei anderen wiederum bin ich von Anfang an sehr misstrauisch und meine deren wahre Absichten besser durchschauen zu können, wer weiß ob ich Recht behalte. Der Schreibstil ist somit wie immer hervorragend und führt uns ins düstere und misstrauische Theaterleben sehr gut ein. Zwischen all diesem Geschehen wabert das Gefühl des Übernatürlichen wie immer mit, aber erneut so geschickt gemacht, dass es auch natürliche Ursachen haben könnte und damit eine Atmosphäre der ständigen Bedrohung erzeugt. Die Erzählung wird nie langweilig und jeder scheint seine eigenen Ziele mit allen Mitteln zu verfolgen und damit ist schwer, die wahren Absichten wirklich zu durchschauen. Generell sind die Charaktere sehr vielschichtig gezeichnet. Mit einem schnellen Erzähltempo und der gewaltigen Bildsprache, vermag sie extreme Details so auszublenden, dass die eigene Fantasie tätig werden muss und überraschende Wendungen und Schockmomente tun den Rest um mich an die Seiten zu binden. In der flüsternden Muse schwingt auch wieder Gesellschaftskritik mit. Die Moralvorstellungen der damaligen Zeit werden ebenso gut eingefangen, wie die gesellschaftlichen und politischen Zwänge. Hier ist die Macht, die Frauen und Männer in dieser Zeit ausübten völlig verschieden und auch die Mittel sind teilweise sehr begrenzt. Dies macht das Buch zu einem packenden Drama, welches immer wieder in kleinen blutigen Tragödien endet. Das Ende ist genial gemacht. Es rundet diese mit Ränkespielchen durchzogene Erzählung perfekt ab und hinterlässt bei mir eine Gefühlsmischung aus Tragik und Glück gleichermaßen. Ihr merkt, wieder mal ein packender viktorianischer Thriller, der immer wieder in tragischen und blutigen Ereignissen gipfelt und eine emotionale Gefühlsmischung beim Lesen erzeugt. Absolut zu empfehlen und ein Muss für jeden, der noch kein Buch von Ihr gelesen hat. Hier zeigt sie wieder ihre Vielfalt und ein Zeitalter, was ich mittlerweile in buchigem Zusammenhang stark mit Laura Purcell identifiziere.