4 Tage vor
Bewertung:5

Mit «Antichristie» hat Mithu Sanyal ein Buch vorgelegt, wie ich es mag: Rasant erzählt, scheinbar vernerdete Erzählstrangwindungen und dabei werden wie in einer großen Dominosteinumschubswette sehr viele Gedankengänge angestoßen. Dieses Buch ist die Art unterhaltsame Zumutung…

«Wenn ich weniger Panik gehabt hätte, hätte ich mehr Panik gehabt, hätte Panik alle meine Nervenbahnen geflutet.» Mit «Antichristie» hat Mithu Sanyal ein Buch vorgelegt, wie ich es mag: Rasant erzählt, scheinbar vernerdete Erzählstrangwindungen und dabei werden wie in einer großen Dominosteinumschubswette sehr viele Gedankengänge angestoßen. Dieses Buch ist die Art unterhaltsame Zumutung, zeigte Sanyal doch zumindest einmal mehr auf, wie eurozentrisch meine (Schul-)Bildung war und ist und wie viel mehr Facetten an Ambiguität rund um mein Faible für das viktorianische England herumstaffiert werden müssen. «Antichristie» passt damit imho in eine Reihe mit «Babel» von R.F. Kuang. Denn auch Kuang zeigt auf, dass der goldene Glanz des britischen Empire ohne Ausbeutung und Raubbau an und in den Kolonien nicht möglich wäre. Und auch Kuang erzählt diese Geschichte in einem fantastischen, alternativen England — und stellt die Frage, wann und wie Widerstand nicht nur organisiert werden, sondern auch erfolgreich sein kann. Einen ähnlichen und doch ganz anderen Weg geht Sanyal und macht ihren Roman besonders für all jene zu einem besonderen Spaß, die Dr. Who und/oder Sherlock Holmes lieben. Denn mit Hilfe der Logik des Ersteren verschlägt es die Hauptfigur Durga in das London des Letzteren. Und während scheinbar ein Locked-Room-Mysterie in der Vergangenheit gelöst werden muss, taucht Durga in der Haut eines jungen Bengalen in die Diskussion der indischen, rechtelosen Bevölkerung ein, die diskutiert, ob und wie Indien unabhängig werden kann und wie sie sich der Willkür der Empire-Verantwortung effektiv entgegenstellen können. Dabei gibt es keine klaren Gut-gegen-Böse-Fronten, dafür viele Widersprüchlichkeiten und Grautöne. Ein Buch, das nicht nur Leerstellen in meiner Geschichtsbildung füllt, sondern auch viel über die Frontstellungen und Konflikte im Heute erzählt. Und ein Plädoyer für eine Superkraft: Ambiguitätstoleranz. «Und plötzlich hörte ich auf, mich darüber zu wundern, dass ich in der Vergangenheit gelandet war. Schließlich ist die Vergangenheit der Ort, an dem wir den größten Teil unserer Politik machen.»

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
1. Juni 2025
Bewertung:4

Durga‘s Mutter ist gerade gestorben, aber anstatt sich Zeit für die Aufarbeitung zu nehmen, nimmt Durga einen Job an. Sie ist Drehbuchautorin und soll an einer Produktion einer (antirassistischen) Neuverfilmung von Agatha Christie mitwirken. Während dieser Zeit passieren mehrere Dinge: 1. die Queen stirbt und ganz England ist in Aufruhr. 2. Durga findet sich auf einmal im Jahr 1906, im Körper eines jungen Inders, inmitten der Kolonialzeit und der Revolution wieder. Unbeabsichtigt wechselt sie immer wieder zwischen den Zeiten und taucht in die Geschichte Indiens und Englands ein. - Mithu Sanyal hat mit „Antichristie“ einen verrückten, geschichtlich hochinformativen Roman geschrieben, der sich genremäßig nicht so richtig verorten lässt. Gesellschaftskritik, Sience-Fiction, Krimi, Geschichte, Psychologie, von allem ist ein bisschen was dabei. Das Gelesene ist anspruchsvoll, es dauert eine Weile in die Geschichte rein zu kommen, sich zu orientieren, aber es lohnt sich in jedem Fall dran zu bleiben. Die Autorin dringt tief in die Kolonialzeit ein, thematisiert die Ungerechtigkeit, die „Befreiung“ und die Auswirkungen, die die damalige Politik auch im Heute noch verursacht. Zum Geschichtsverständnis ist es ein unglaublich wichtiger Beitrag. Das Werk ist derart komplex, dass man es sicherlich mehrfach lesen muss, um alles in Gänze zu erfassen. Wie schon bei „Identitti“, dem Debüt der Autorin, fühlt man sich an und an leicht überfordert und verwirrt, aber auf der anderen Seite auch gut unterhalten. Eine Empfehlung für alle, die gern abseits vom Mainstream lesen, die sich gern Bildung aus Romanen mitnehmen und Lust auf eine crazy Geschichte haben.

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
5. Mai 2025
Bewertung:3

Ich mag Mithu Sanyal und ihre Texte unglaublich gerne, dementsprechend hab ich mich sehr auf „Antichristie“ gefreut. Wie erwartet, ist die Story etwas absurd, verworren, komplex und total unterhaltsam. Durga ist eine intelligente und vielschichtige Protagonistin, die nicht nur die durchaus komplexe (post-)kolonialistische Situation zwischen Großbritannien und Indien einordnet, zudem reflektiert sie stets auch ihre eigenen Wahrnehmungen und Meinungen im Austausch mit anderen Betroffenen. Ich habe einen Moment gebraucht, um in die unterschiedlichen Zeitebenen und deren Switches reinzukommen. Erst empfand ich die Sprünge als etwas anstrengend, aber nach kurzer Zeit habe ich gut reingefunden und die beiden Protagonist:innen mögen gelernt. Die Informationsdichte des Romans ist unglaublich hoch, ebenso wie die Anzahl an Figuren. Es ist kein Buch, das man mal einfach nebenbei liest, da man sich schon konzentrieren muss auf das, was passiert, um auch nichts zu überlesen. Ich mochte das Buch gerne, allerdings wusste ich mit dem Ende nicht allzu viel anzufangen, es kam mir irgendwie zu kurz. Im Vergleich dazu, wie ausholend der Rest des Romans war, war das Ende sehr gehetzt.

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
28. Apr. 2025
Bewertung:4

Ein Roman über die Gegenwart der Vergangenheit Ich-Erzählerin von Mithu Sanyals neuem Roman "Antichristie" ist die Drehbuchautorin Durga. Sie ist in Deutschland mit deutscher Mutter und indischem Vater aufgewachsen, ist verheiratet mit einem Schotten und reist zu Beginn des Romans für einen zehntägigen Writers Room nach London, um an einer Serie zu arbeiten, die auf Agatha Christies Romanen beruht. Sie gerät jedoch in eine Art Zeitstrudel und ist im einen Moment noch im London des 21. Jahrhunderts, dann findet sie sich plötzlich im Jahr 1906 wieder. Es handelt sich aber gar nicht um eine 'klassische' Zeitreise, denn sie befindet sich noch dazu in einem anderen – männlichen – Körper und spricht, ohne es zunächst zu merken, eine fremde Sprache – Bengali. Auch untypisch für die Zeitreise ist, dass Durga nicht ab diesem Zeitpunkt konstant in der Vergangenheit ist, bis sie einen Weg zurück in ihre eigene Zeit findet. Vielmehr wird nun immer wieder zwischen Durgas Erlebnissen in der Vergangenheit und denen in der Gegenwart gesprungen und die beiden Zeitstränge damit parallelisiert. Dadurch kommen zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen damals und heute zum Vorschein und es wird klar, dass die Vergangenheit gar nicht so fremd und die Themen von damals gar nicht so anders sind als heute. „Die Vergangenheit ist eine Wunde im Gewebe der Welt, die sich weigert zu heilen.“ (461) Dieses Verwischen der Grenze zwischen Vergangenheit und Gegenwart und das Dekonstruieren von Unterschieden finde ich besonders gelungen und absolute Stärken des Romans. Auch die zentralen Themen wie Geschichte, Rassismus, Kolonialismus, Ausbeutung, Religionen, Unterdrückung und Gewalt durch das ‚alles verschlingende britische Empire‘ und die indische Unabhängigkeitsgeschichte sind durchweg interessant und spannend eingeflochten in die Geschichte um Durga. Die vielen Verknüpfungen und Fäden zu entdecken, die sich durch diese Geschichte ziehen, war für mich ein Genuss. Und auch sprachlich ist das Buch, wie schon Identitti, ein Meisterwerk. Auch ein gewisser Humor kommt dabei nicht zu kurz: „Manchmal musste man nur 114 Jahre in die Vergangenheit reisen, um eine neue Perspektive auf die Konflikte mit seiner Mutter zu bekommen.“ (332) So spannend und mitreißend ich viele Stellen auch fand, so gelangweilt war ich jedoch an anderen Stellen. Das Buch ist stark geprägt von Gesprächen und manche davon haben mich einfach überhaupt nicht interessiert. Hinzu kommt, dass das Personal dieses Romans viel zu groß ist; die meisten der männlichen Figuren konnte ich leider kaum bis gar nicht auseinanderhalten. Die Figurenübersicht am Ende des Romans listet über 40 Personen auf und die meisten davon haben tatsächlich existiert – was spannend ist – aber insgesamt habe ich trotzdem das Gefühl, sie nach 500 Seiten kaum näher kennengelernt zu haben. Dann passiert – wie in einem echten Kriminalroman von Agatha Christie oder Arthur Conan Doyle – ein Kriminalfall. Und ich muss zugeben: Was da genau passiert ist, habe ich nicht verstanden. Irgendwas mit einem Foto einer Frau und einem orientalischen Messer in einem ausgestopften Kissen und dafür wird nun jemand verhaftet und die Todesstrafe verhängt. Hä? Und dann kommt auch noch Sherlock Holmes und ermittelt, nicht ohne seinen berühmten und schon tausend mal gehörten Satz, dass wenn man das Unmögliche ausschließt, ist das, was übrig bleibt die Wahrheit, bla bla bla… Wenn es schon in der Gegenwart um die Romane von Agatha Christie geht, warum tritt denn nicht Hercule Poirot oder Miss Marple auf, warum eine weitere überhebliche, unfreundliche Inszenierung von Sherlock Holmes, auf die die Welt nicht gewartet hat? Soll Sherlock Holmes ein weiterer der vielen Antichristies in diesem Roman sein? Auch wenn mich die angesprochenen Punkte stören, ist das Buch insgesamt erhellend und einfach sehr, sehr wichtig. Denn es führt uns vor Augen, dass unser Blick auf Geschichte nicht nur subjektiv, sondern einfach einseitig ist. Und dass Geschichte nicht abgeschlossen ist, sondern vielmehr „unfinished business“ (Salman Rushdie). Gerade im Punkt Kolonialismus muss noch vieles aufgearbeitet werden und auch in Deutschland liegt der Fokus, wie Durga immer wieder bemerkt, so stark auf Aufarbeitung und Erinnerung des Holocaust, dass andere ebenfalls wichtige Auseinandersetzungen unter den Tisch fallen: „Und während Durga in Köln-Mülheim in jedem Schuljahr den Nationalsozialismus durchnahm, als wäre er die einzige Geschichte Deutschlands, wurde hindu-muslimische Geschichte in Indien aus den Geschichtsbüchern herausredigiert. Wir leben in der schlechtesten aller möglichen Welten: Wir haben vergessen, aber nicht vergeben.“ (396)

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
29. März 2025
Bewertung:4

Genau meine Nische

Antichristie ist ein wilder Ritt. Hier kommt so viel zusammen, dass man richtig viel Aufmerksamkeit mitbringen muss, um hier ja nichts zu verpassen. Ich glaube wenn man sich persönlich nicht für die Geschichte Indiens, Kolonialismus, Rassismus und für die Literatur von Agatha Christie und auch für Zeitreisen oder Doktor Who interessiert, dann wird einem das Ganze auch eher wirr und vielleicht manchmal langweilig erscheinen. Für mich hat diese Mischung aber sehr gut gepasst.

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
22. März 2025
Bewertung:3.5

Nach dem Klappentext hatte ich etwas anderes erwartet, als einen Zeitreise-Roman voller popkultureller Referenzen über den indischen Befreiungskampf. Ich habe viel über diesen und seine Protagonisten gelernt. Und wie von Mithu Sanyal zu erwarten war, trotzt das Buch vor verdeckten Referenzen auf historische Ereignisse oder kulturwissenschaftliche Theorien. Nicht alles habe ich verstanden, was aber die Handlung nicht behindert. Ich hätte mir das Buch um 100-150 Seiten schlanker gewunschen. Nichtsdestotrotz war es eine lehrreiche und unterhaltsame Reise in London des frühen 20. Jahrhunderts.

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
16. Feb. 2025
Bewertung:1

Leider zu wild, gar nicht meins

Ich habe gedacht, ich versuche es nochmal mit dieser Autorin, schon Identtii habe ich abgebrochen, weil ich das nicht lesen konnte. Aber leider auch hier geht es nicht. Am Anfang noch ok, ist es ab dem 2. Abschnitt nicht mehr möglich für mich zu folgen. Schade, ich hatte es aus meinem Buchabo und gedacht, ich probiere es nochmal, aber es ging leider für mich nicht.

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
15. Feb. 2025
Bewertung:3.5

Antichristie ist witzig und chaotisch. Anfangs und auch später ist die Erzählung geprägt von klassischen Familienkonflikten und dem Verlust eines schwierigen Elternteils. Am Anfang konnte ich dem Roman noch gut folgen und fand es positiv absurd geschrieben. Als Durga im writer’s room eine Art Zeitreise erlebt, war ich komplett verwirrt (was daran ist real, also im fiktiven Rahmen der Erzählung? Verarbeitet Durga noch den Tod ihrer Mutter und ist das Teil der Trauer? - keine Ahnung). Naja, trotzdem bildet das chaotische vermischen der Zeitstränge die Macht des britischen Kolonialismus sehr gut ab und überhäuft beim Lesen mit unzähligen Informationen (über Zusammenhänge aus dem frühen 20. Jh.). Anfangs habe ich noch bei jeder kleinsten Info recherchiert, aber dann aufgegeben. Die Autorin schafft es auf eine sehr einzigartige Weise Wissen über die Vergangenheit mit den Auswirkungen in der Zukunft zu verknüpfen. Dadurch lernt Durga mehr über ihre eigene Vergangenheit und auch wie wichtig Narrative sind, die eine Geschichte erzählen. Die Umsetzung hat mich sehr beeindruckt, trotzdem hatte ich mit der Fülle der Erzählung meine Schwierigkeiten.

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
4. Nov. 2024
Bewertung:2

Ich habe mich sehr auf „Antichristie“ gefreut, da mir schon Mithu Sanyals Vorgänger „Identitti“ so gut gefallen hat. Leider konnte mich die Geschichte um Durga dieses mal nicht überzeugen. Ich habe es nach knapp 100 Seiten abgebrochen. Der Einstieg hat mir zu Beginn sehr gut gefallen und ich war gespannt, wie sich die Protagonistin Durga bei der Neuverfilmung eines Agatha Christie Klassikers einbringt, was sie in London erlebt und wie das Thema Kolonilamus eingebunden wird. Als die Geschichte dann aber zur Zeitreise ins Jahr 1906 überging, wurde mir der Aufbau und die Zusammenhänge zu verwirrend. Es werden sehr viele Fakten genannt, denen ich nicht immer folgen konnte und einige Situationen waren so skurril wiedergegeben, dass ich die Lust am weiterlesen verloren habe. Sehr schade, da ich mich durch die Leseprobe und das Cover sehr angesprochen gefühlt habe und es gerne im Rahmen des Buchpreises zu Ende gelesen hätte. Auch der Schreibstil hat mir wieder sehr gut gefallen. Für mich war die Geschichte letztendlich aber doch zu abgedreht, aber ich denke für Leser:innen, die auf schräge Zeitreisegeschichten mit vielen geschichtlichen Fakten stehen, ist es empfehlenswert.

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
24. Okt. 2024
Verrückt, interessant, anstrengend und auch etwas verwirrend
Bewertung:4

Verrückt, interessant, anstrengend und auch etwas verwirrend

Eigentlich wollte ich „Antichristie“ von Mithu Sanyal nicht lesen, habe es dann aber über ein Buchabo bekommen und bin im Nachhinein froh, dass ich dadurch „gezwungen“ wurde. Ja, es hat es wie erwartet in sich, aber ich habe viele Denkanstöße mitgenommen und wurde gut unterhalten. Es hat sich also am Ende gelohnt. Durga kommt aus Köln und arbeitet 2002 in London in einem Writer’s Room, dort will sie mit ihren Kolleginnen Agatha Christie politisch korrekt überarbeiten. Sie hat es gerade nicht leicht, da ihre Mutter, zu der sie keine einfache Beziehung hatte, vor kurzem verstorben ist. Und dann findet sich Durga plötzlich auch noch 1906 wieder, als Mann. Dort verschlägt es sie oder ihn :D ins India House, wo er in die indische Unabhängigkeitsbewegung verwickelt wird. Die Geschichte ist wirklich nicht leicht zu lesen ist, was zum einen an den vielen Zeitsprüngen liegt und zudem wusste ich fast gar nichts über die indische Unabhängigkeitsbewegung und war dadurch manchmal von den Figuren und ihren Beziehungen überfordert. Zwischendurch habe ich dann im Internet ein wenig über die Hintergründe recherchiert, dann ging es wieder besser und das ausführliche Personenverzeichnis am Ende des Buches hilft auch. Wahrscheinlich muss man es mehrmals lesen, um alles zu erfassen. Die Themen in diesem Buch sind vielfältig. Es geht um Kolonialismus und seine Folgen, die wir bis heute spüren, aber beispielsweise auch um die Suche nach der eigenen Identität und um Agatha Christie, Dr. Who und Sherlock Holmes. Sanyal bringt auf engem Raum sehr viele Informationen unter, die einen zwar manchmal überfordern, dann aber auch wieder unglaublich gute Denkanstöße bringen und einen zum Reflektieren anregen. Ihr Schreibstil ist total humorvoll. Außerdem lotet sie die Grenzen des Schreibens aus und spielt ganz viel mit dem Text und der Erzählstruktur. Das hat mir richtig gut gefallen und hat die teilweise schwere Kost aufgelockert. Fazit: Ein Buch, das einen herausfordert, aber auch sehr bereichernd und unterhaltsam ist.

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
23. Okt. 2024
Bewertung:3.5

👀Nach „Identitti“ war ich sehr gespannt auf Mithu Sanyals neuen Roman „Antichristie“. Und was soll ich sagen? Dieses Buch hat es in sich! Schon der Einstieg fiel mir wesentlich leichter als bei ihrem Debüt, obwohl ich auch diesmal manchmal von den Figuren und Konstellationen etwas überfordert war. Aber das gehört zum Reiz des Buches – es fordert dich, zwingt dich zum Nachdenken und lässt dich nicht mehr los.

✨ Buddy-Read 🫶🏼✨ 🕰️Die Story springt von London 2022 zurück ins Jahr 1906, und ich fand es richtig spannend, wie Sanyal den Bogen zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlägt. Besonders das Setting rund um Agatha Christie hat mich sofort gepackt, obwohl der Roman definitiv kein leichter Snack ist. Es gibt Passagen, da musste ich das Buch zur Seite legen und einfach mal nachdenken (oder googeln 😅). Aber genau das macht es so besonders: Es regt zum Reflektieren an. 💡Was ich unglaublich beeindruckend fand, ist, wie viele Fakten Sanyal auf knappem Raum verpackt. Es fühlt sich fast schon überflutend an, aber genau das spiegelt auch den Wahnsinn der kolonialen Gewalt wider, die sie thematisiert. Ihre humorvolle, witzige Art zu schreiben hilft dabei enorm, diese Dichte an Informationen zu verarbeiten. 📝Ein Zitat, das mich besonders berührt hat: „Erinnern ist dem Hier und Jetzt so unglaublich überlegen, weil man in der Erinnerung die langweiligen Teile herausredigieren kann […]“ – selten habe ich eine schönere Beschreibung gelesen. 🥹 ✨Für mich war „Antichristie“ insgesamt viel besser als „Identitti“. Es ist fordernd, bereichernd, aber auch auslaugend. Doch gerade das macht den Wert dieses Buches aus. Die Auseinandersetzung mit Kolonialismus und den Mechanismen, die bis heute nachwirken, ist keine leichte Kost. Vor allem, weil solche Themen in der deutschen Schulbildung kaum angesprochen werden. Dieses Buch bleibt im Kopf – und genau deshalb ist es so wichtig.

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
23. Okt. 2024
Ambitionierte Idee, Umsetzung aber leider enttäuschend
Bewertung:2.5

Ambitionierte Idee, Umsetzung aber leider enttäuschend

Mochte »Identitti« sehr und war auch gleich bei der Ankündigung von »Antichristie« thematisch überzeugt. Dann habe ich angefangen zu lesen – und wenn ich nicht so schlecht Bücher abbrechen könnte, hätte ich nach 100 Seiten aufgegeben. Ja, der Plot ist verschlungen & kompliziert, wir springen durch Zeit, Raum und Identitäten, und ja, die aufgemachten Referenzen sind hierzulande vllt. nicht so geläufig und popkulturell aufgeladen wie die in »Identitti« – das ist aber nicht das Problem, Geschichten dürfen gerne fordern und zum Mitdenken anregen. Mich haben viel mehr der überdrehte Erzählton, die ›Special Effects‹ & die Überfrachtung an Themen in dieser Ausführlichkeit genervt, und auch die Christie/Holmes/Dr. WHO-Universen sind nicht meine Welt. 200 Seiten weniger hätten der wirklich guten Romanidee wahrscheinlich sehr gut getan. So leider für mich eine Enttäuschung. ☹️

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20. Okt. 2024
Bewertung:3

„Antichristie“ ist wie erwartet eine Herausforderung für mich gewesen. Der Einstieg war noch leicht und hat mich mit seinem Witz mehr als begeistert. Es beginnt damit, dass sich Durga auf der Beerdigung ihrer Mutter Lila befindet. Doch spätestens als Durga sich im Jahr 1906 im India House befindet, wurde das Chaos für mich immer größer. Mithu Sanyal lässt in dieser Geschichte Durga in der Zeit reisen und sie mit dem Hindunationalisten Sarkavar anfreunden. Was dabei herauskommt, ist eine der verwirrendsten und gleichzeitig augenöffnendsten Zeitreisen, die ich je gelesen habe. Viele Themen und Figuren machen „Antichristie“ zu einem bunten Feuerwerk und führen dazu, dass eine Recherche zur Nächsten führt. Ich muss ehrlich gestehen, dass mir das Buch irgendwann große Probleme bereitet hat. Es passiert einfach viel zu viel und Dialoge sind auch reichlich vorhanden. Eine bessere Struktur, mehr Beschreibungen und weniger direkte Rede hätten mir das Lesen sicherlich erleichtert. Bei diesem Werk schadet es nicht, wenn man sich zuvor bereits mit Kolonialismus, Agathe Christie und Doctor Who näher beschäftigt hat. Wer neugierig ist, sollte „Antichristie“ eine Chance geben. Auch wenn Mithu Sanyals Werke wild und verwirrend daherkommen, ist da immer etwas, das fasziniert und den Blick weitet für Neues und Verborgenes.

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
17. Okt. 2024
Bewertung:3

Kolonialismus anders betrachtet

Lila, die Mutter von Durga ist verstorben, zur gleichen Zeit wie die Queen. Ganz London ist in höchster Aufregung. Während der Beerdigung von Lila bekommt Durga eine Nachricht aufs Handy, sie wurde einer Gruppe hinzugefügt, der Name der Gruppe „Anti-Christie“. Die Handlungen im Buch erzählen in verschiedenen Zeitebenen, das war für mich manchmal zu sprunghaft und schwierig nachvollziehbar. Man begegnet vielen bekannten Personen, die in den Geschichten Englands und Indiens eine Rolle spielen. Man erfährt viel über den Kolonialismus, und auch dessen Grausamkeiten. Vielleicht habe ich auch eine Bildungslücke, da ich noch nie eine Folge von „Doctor WHO“ gesehen habe? Kann man durch eine Zeitreise in die Vergangenheit die Zukunft ändern? Das bunte Cover passt sehr gut zum Inhalt des Buches. Ich fand das Buch sehr anspruchsvoll zu lesen.

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
13. Okt. 2024
Bewertung:2.5

Hui, das war wild. So gerne ich die Idee mochte, all die Themen in ein Buch zu packen (Kolonialismus, Indiens Unabhängigkeitskampf, Trauer, Rassismus, Krimis, Sherlock Holmes, Agatha Christie, Doctor Who, Zeitreisen), so war es dann eben doch zu viel, zu wild, zu... Alles? Würde aber wahrscheinlich nicht komplett davon abraten 🤷🏼‍♀️

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12. Okt. 2024
Bewertung:5

Was für ein interessantes, originelles und gleichzeitig heftiges Buch! Durga ist 50 Jahre alt, deutsch mit indischem Vater, verheiratet, Mutter und Drehbuchschreiberin. Für ein Projekt, das einen Agatha Christie - Film mit Hercule Poirot neu und antirassistisch/antikolonianistisch verfilmen will, reist sie nach London. Dort finden, es ist 2022, gerade die Feierlichkeiten zur Beerdigung der Queen statt Und plötzlich landet Durga als Zeireisende im Jahr 1906. Sie findet sich wieder im Körper eines 20- jährigen homosexuellen Inders und lernt nicht nur Sherlock Holmes und Mahatma Gandhi kennen sondern auch Vinayak Savarkar, den Vater des Hindunationalismus. Darf/kann/muss sie die Geschichte ändern? Ich habe in diesem Buch so viel über Indien, UK und Kolonialismus gelernt, ich bin fassungslos, was ich alles nicht wusste. Unbedingt lesen!

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
1. Okt. 2024
Bewertung:2.5

Puh, ganz schwierig! 😩

Ich wollte es wirklich sehr lieben! Das Cover ist so toll und die Autorin sehr sympathisch. Auch durch die Nominierung für den Buchpreis hatte ich große Hoffnungen in das Buch. Leider war es einfach nur unfassbar verwirrend und anstrengend zu lesen. Das Zeitreisenelement war einfach für meinen Geschmack nicht gut umgesetzt und teilweise ist die Protagonistin von einem Satz zum nächsten 100 Jahre in die Vergangenheit gereist und man hat es als Lesende einfach nicht direkt verstanden. Ich verstehe, dass dieses Buch eine krasse Aufklärung betreibt und unglaublich viele historische Personen vorstellt, deren kulturelles Erbe über die Jahre vielleicht anders interpretiert wurde, als es damals gemeint war. Den Aspekt finde ich auch super spannend. Leider hat es mir trotzdem beim Lesen keinen Spaß gemacht, weil es so unfassbar viele Personen waren, dass ich nicht mehr hinterherkam und mich etwas verloren gefühlt habe.. :(

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
25. Sept. 2024
Bewertung:2

Schade

Durga ist fünfzig Jahre alt, lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Köln und ist in der Medienbranche tätig. Ihre Mutter Lila, die erst kürzlich verstorben ist, ist Deutsche und ihr Vater Dinesh ist Inder. Aufgewachsen ist Durga in Deutschland und ihre Mutter hat sich wohl mehr für die indische Kultur interessiert, als gewöhnlich. Das Mutter Tochter Verhältnis ist leider kein so einfaches gewesen. Kurz nach der Beerdigung von Lila muss Durga nach London, um an einer Neuauflage von Agatha Christi zu arbeiten, bei der nicht mehr die Weißen im Vordergrund stehen. Zur selben Zeit stirbt auch noch die Queen und das Chaos ist perfekt. Ich habe Antichristie von Michu Sanyal als Rezensionsexemplar lesen dürfen. Leider hat mir das Buch nicht so zugesagt. Dies lag nicht am Inhalt des Buches sondern an der Art. Zum einen habe ich mich sehr schwer mit dem Schreibstil getan. Zum Anderen war mir der Zeitsprung von Durga einfach zu viel, ich habe damit nichts anfangen können. Das Thema des Kolonialismus, welches im Buch behandelt wird, finde ich sehr wichtig und es müssen auch diese Teile der menschlichen Geschichte aufgearbeitet und auch verarbeitet werden.

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
23. Sept. 2024
Bewertung:4

Sehr empfehlenswert! Mithu Sanyal verbindet hervorragend aktuelle Debatten mit der Kolonialgeschichte des britischen Empires in Indien.

Antichristie ist ein sehr interessantes Werk. Viele aktuelle gesellschaftliche Diskurse werden aufgegriffen. Sanyal geht Fragen nach, ob es sinnvoll ist, Filme und Bücher der klassischen Literatur umzuschreiben und verbindet das äußerst geschickt mit dem Freiheitskampf der Inder gegen die äußerst brutale Herrschaft des britischen Empires. Dabei muss man definitiv anerkennen, dass sie hervorragend zu all diesen Themen recherchiert hat und sich mit diversen Menschen ausgetauscht hat. Das merkt man schnell, da ein wenig Vorwissen zu dieser Materie nicht schaden kann. So hat mir beispielsweise "Zeit der Finsternis" von Shashi Tharoor geholfen. Persönlichkeiten werden hinterfragt, aber selten komplett positiv oder negativ gezeichnet und das ist aus meiner Sicht eine große Stärke des Buches. Dazu passt auch der Schreibstil, der, geschmückt mit vielen Zitaten und einigen Sprüngen, nicht immer ganz flüssig ist, aber so gut zur Handlung, den Debatten und Charakteren passt. Gerne werde ich Antichristie an entsprechende Zielgruppen weiterempfehlen!

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20. Sept. 2024
Bewertung:4.5

2022. Die 50-jährige Durga trauert um ihre Mutter Lila, die unter ungeklärten Umständen gestorben ist. Schon bald muss sie nach London aufbrechen, wo sie in einem Writer‘s Room gemeinsam mit ihren Kolleg*innen eine antirassistische Neuverfilmung der Werke Agatha Christies schreiben soll. Doch dann geschieht das Unerwartete: die Queen stirbt und versetzt ganz Großbritannien in den Ausnahmezustand. Protestierende finden sich vor dem Florin Court ein, in dem der Writer‘s Room stattfindet, weil sie nach der Queen nicht auch noch die Queen of Crime „verlieren“ wollen. Mitten in all diesen Wirren passiert es: Durga reist durch die Zeit und findet sich im Jahr 1906 in India House wieder – im Körper eines jungen Mannes – und nennt sich selbst Sanjeev. „Antichristie“ ist der neuste Roman der Schriftstellerin Mithu Sanyal und wird komplex auf mehreren Handlungs- und Zeitebenen erzählt, die einander nach und nach immer mehr durchdringen. Da ist auf der einen Seite die Gegenwart im Jahr 2022, in der Durga Diskussionen darüber führt, warum Hercule Poirot nicht auch Schwarz sein könnte. Auf der anderen Seite ist da die Vergangenheit im Jahr 1906 in India House, einer Unterkunft für indische Studenten in Großbritannien und Zentrum des antikolonialen Widerstands. Dann springen wir aber auch immer wieder in Durgas Vergangenheit, um die Beziehung zu ihrer Mutter, zu ihrem Mann Jack oder ihrer besten Freundin Nena zu ergründen. Gekonnt verwebt die Autorin Fiktion mit Geschichte, denn vieles hat sich tatsächlich so in India House abgespielt. Im Körper von Sanjeev, aber noch mit ihrem eigenen Wissen und ihren Erinnerungen ausgestattet, lernt Durga historische Persönlichkeiten kennen. Im Zentrum steht dabei Savarkar, ein indischer Revolutionär, der zum Zeitpunkt der Handlung ebenso bekannt war, wie Gandhi. Mit ihm diskutiert sie über Themen wie gewaltfreien Widerstand und schließt zunehmend die Menschen in India House in ihr Herz. Als dann auch noch der britische Geheimdienstchef Curzon Wylie aus einem verschlossenen Raum im Haus verschwindet und Revolutionär Madan, den übrigens Durgas Mutter Lila sehr verehrte, seiner Ermordung verdächtigt wird, stellt sie selbst Ermittlungen an – mit der Hilfe von Sherlock Holmes. „Antichristie“ ist sicherlich ein antikolonialer Roman, aber auch so vieles mehr: ein Locked Room Mystery, ein Füllhorn an Popkultur-Anspielungen, eine Geschichte über Trauer, über Cancel Culture, über studentisches Leben in India House, aber eben auch über Widerstand gegen den Staat und die Frage, was dieser darf und was nicht. Es ist aber vor allem eine Geschichte über Schmerz in all seinen unterschiedlichen Formen, die wir durch Durga/Sanjeevs Augen aus einer deutschen, indischen und britischen Perspektive erleben.

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
19. Sept. 2024
Bewertung:4.5

Kolonialismus in England. Mithu Sanyal lässt Durga nach London zu einem Writer’s Room reisen. Dabei landet sie im India House zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Blick auf die indische Geschichte und den Kolonialismus ist sehr lehrreich. Das Buch erhebt dabei keinen Zeigefinger, sondern schildert – an mancher Stelle auch durchaus humorvoll – die damalige Zeit. Der Schreibstil ist flüssig und das Buch liest sich gut.Mithu Sanyals "Anti Christie" ist ein faszinierendes Werk, das gekonnt mit literarischen Konventionen spielt. Die Leser erwartet eine fesselnde Geschichte, die gleichzeitig unterhält und zum Nachdenken anregt. Sanyals Sprache ist präzise und bildgewaltig, wodurch die Figuren und Schauplätze lebendig werden. Die geschickte Verknüpfung von Gesellschaftskritik und spannender Unterhaltung macht "Anti Christie" zu einem besonderen Leseerlebnis. Dieses Buch ist sowohl für Krimifans als auch für Literaturinteressierte wärmstens zu empfehlen.

Antichristie: Roman
Antichristie: Romanvon Mithu SanyalCarl Hanser Verlag GmbH & Co. KG