Eine Geschichte über sexuellen Missbrauch, eingebettet in ein Erbschaftsdrama.
Schwere Kost, sehr eindringlich geschildert
Dieser Roman ist in einem ganz eigenen Stil geschrieben, der ihn sehr eindringlich macht. Ich finde, dadurch wird das dem Buch zugrunde liegende Thema auf angemessene Weise dargestellt. Es wird nicht in eine nette Geschichte gepackt, wie das bei vielen Büchern der Fall ist. Sondern der Roman vermittelt durch seine Sprache und die enthaltenen psychologischen Betrachtungen die Komplexität des Themas. Allerdings muss man in der richtigen Verfassung für dieses Buch sein, nichts „für zwischendurch“
"Ein falsches Wort" von Vigdis Hjorth ist ein Roman, der sich um den Tod des Vaters und das anschließende Erbe dreht. Doch was zunächst wie eine Geschichte über materielle Verteilung wirkt, entpuppt sich schnell als tiefgründige Auseinandersetzung mit den verdrängten Wunden einer Familie. Im Mittelpunkt steht nicht das Geld, sondern die komplexe und schmerzvolle Familiengeschichte, die unweigerlich ans Licht kommt. Die vier Geschwister sind nur scheinbar gleichbehandelt worden und haben ihre Kindheit ganz unterschiedlich erlebt. Vor allem die älteren Geschwister hatten eine oft schwierigere Kindheit als die jüngeren. Das Erbe wird dabei zur Nebensache, während die ungleiche Behandlung und tiefsitzende Verletzungen immer drängender in den Vordergrund treten. Es geht um Schuld, Verdrängung und die Frage nach Gerechtigkeit. Eine Protagonistin, die nicht länger bereit ist, die familiären Lügen und das Schweigen hinzunehmen, beginnt, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Sie kämpft dafür, dass die Wahrheit ausgesprochen wird, auch wenn dies das ohnehin fragile Familienkonstrukt endgültig zum Einsturz bringt. Der Roman fordert heraus. Er ist schonungslos und intensiv, dringt tief in emotionale Abgründe ein und lässt einen oft innehalten. Anfangs fiel es mir schwer, in die Geschichte hineinzufinden – der Lesefluss wurde durch die zahlreichen Wiederholungen und teils bedrückenden Schilderungen gebremst. Doch je weiter die Erzählung voranschritt, desto stärker zog sie mich in ihren Bann. Die erdrückende Atmosphäre, in der vieles unausgesprochen bleibt und hinter der Fassade der heilen Familie eine tiefe Spaltung herrscht, fesselte mich zunehmend. Obwohl es einige Längen gibt und das Buch eine düstere Schwere mit sich bringt, bleibt die Spannung konstant bestehen. Es ist eine Geschichte über das Schweigen und das Schweigenbrechen, über den schmerzhaften Versuch, Gerechtigkeit zu finden, und über das unerbittliche Aufdecken alter Wunden. Trotz seiner dunklen Thematik habe ich den Roman gerne gelesen, auch wenn er mich oft emotional forderte.
Ich erkenne, dass diesem Buch ein wichtiges Thema zugrunde liegt. Leider kam ich durch den verworrenen Schreibstil nicht wirklich in die Geschichte rein. Diese Gedanken, die sich ständig im Kreis drehten waren mir zuviel
Was für ein Familienroman!
**** Worum geht es? **** Was einst eine Familie war, ist heute ein zerrütteter Haufen. Und wo man denkt, es kann kaum noch schlimmer kommen, da kommt dann der Erbstreit. Statt Trauer, ein Streit um Ferienhäuser. Wie konnte es soweit kommen? **** Mein Eindruck **** Ich habe das Buch vor mehreren Tagen beendet und noch immer geht mir die Geschichte unfassbar nahe. Die Gefühle und Gedanken in dem Buch lassen mich sprachlos zurück und gleichzeitig weiß ich, dass die Personen, die Situationen und die Gefühle, die die Autorin hier auf evaluierte Weise zu Papier gebracht hat, echt sind. Vielleicht ist es nicht eins zu eins meine Geschichte, oder deine Geschichte, aber es könnte sie sein. Unfassbar traurig und doch so wichtig gehört zu werden. Die Botschaften in diesem Buch sind universell, zeitlos und ein Spiegel der innersten Seele. Wir begleiten auf der Erzählebene den Erbstreit in diesem Familienroman über wenige Monate und doch erlebte ich ganze Leben. Die Autorin schafft es auf fabelhafte Weise, genau die richtigen Momente in der Kürze und Dramatik darzustellen, um mich ganz und gar an ihre Worte zu fesseln. Ich konnte das Buch und die Protagonistinnen nicht zurücklassen. Ich musste in einem Zug zum Ende kommen, nur um festzustellen, dass ich das Buch irgendwann anders nochmal anfangen werden muss. So ehrlich und so reichhaltig. Vigdis Hjorth ist eine Wucht. Sie hat sich mit diesem Werk in mein Herz geschrieben! Ein Highlight. **** Empfehlung? **** Du möchtest aus der Welt der Illusionen auftauchen und eine Realität erleben, in der du selbst sein könntest? Zeitgenössisches Familiendrama, das unter die Haut geht. Grandios, ein Must-Read!
Ein mal anderes Leseerlebnis
Wo ich anfangs noch dachte, puh … was ist dass den für ein Schreibstil - diese vielen vielen Wiederholungen nacheinander in so kurzen Abständen - doch dann bin ich wirklich hineingezogen worden, es machte Sinn und fühlte sich gut an, es zog mich wahrlich in den Bann. Eine zermürbende Geschichte einer Familie mit einem dunklen Geheimnis, Geschwister, die sich entscheiden müssen, wem sie glauben, was sie glauben, wie sie mit dem Wissen umgehen, um damit zu leben. Eltern, die zueinander halten, die die Schuld ertragen und doch nicht ertragen, die verleugnen für ihr eigenes Seelenwohl. Es ist ein wirklich gelungenes Werk. Absolut lesenswert, toller Schreibstil, wunderbarer Roman.
Dieses Buch wird noch lange in meinem Bauch rumoren, bis ich tatsächlich abwägen kann, wie nachhaltig es in mir Emotionen und Gedanken ausgelöst hat. Es ist für mich auf jeden Fall ein sehr persönliches Buch, das macht es schwieriger; zu viele Parallelen sind zwischen den Familienstrukturen des Romans und meinen eigenen zu erkennen. Zu viele Emotionen wurden während dem Lesen ans Freie gespült. Wir finden hier einige Gedankenanstöße zum Thema Vergebung, Schuld, Trauma, wie lange mensch noch die Kindheit mit sich trägt, die Verantwortung gegenüber der Familie — und was Familie überhaupt bedeutet. Dabei befinden wir uns zu jeder Zeit ganz nah an Bergljot, stärken ihr den Rücken, verzeihen ihre Fehler. Andere (teils professionelle) Rezensent*innen bezeichneten sie als melodramatisch. Ich finde, das ist ein hartes und ungerechtes Urteil. Die Anspielungen an reelle Konflikte hätte die Autorin meiner Meinung nach trotzdem besser weggelassen: Zu sehr drängt sich die Ansicht auf, dass das individuelle Leid der Ich-Erzählerin mit Genoziden und Kriegen verglichen oder gleichgesetzt wird. Dass sie in einer Szene beschreibt sich „wie ein jüdisches Kind“ gefühlt zu haben, mit eindeutiger Shoah-Referenz, hätte es einfach nicht gebraucht. Und auch die eingestreuten Belehrungen eines Nebencharakters, der alle lang anhaltenden Konflikte der Welt (Nahostkonflikt, Balkankriege, etc) durchblickt zu haben scheint, sind in der restlichen Erzählung fehl am Platz, selbst wenn ich ihre gewollte Fuktion im Text verstehe. Diese Passagen kommen allerdings selten und nur kurz vor, sie stören die Lektüre also kaum nachhaltig. Interessant macht dieses Buch auch seine Rezeption in Norwegen: Obwohl das Buch, soweit ich weiß, auch in Norwegen ursprünglich nicht als autobiographisches Werk, sondern als rein fiktionaler Roman vermarktet und aufgenommen wurde, haben sich wohl Vigdis Hjorths Schwester Helga (wie Astrid eine Anwältin) und Mutter in dem Roman wiedererkannt und darauf mit deutlicher und öffentlicher Abneigung reagiert. Besagte Schwester veröffentlichte daraufhin ihr Erstlingswerk „Freier Wille“: Eine Gegendarstellung, in der eine dem Alkohol ergebene, zum Fabulieren neigende Tochter ihre Familie auseinanderreißt, in dem sie dem Vater sexuellen Übergriff unterstellt. Das Buch enthalte teilweise wortwörtliche private Unterhaltungen, Telefonate, Briefe, Mailverkehr, Helga fühlte sich und die Familie beschmutzt. Dass sich so der Kreis schließt, die Verbindungen von Astrid zu Helga enger werden, scheint zynische Ironie. Vigdis Hjorth hingegen verweist bis heute auf den rein fiktionalen Charakter ihres Romans. „Freier Wille“ wurde, wie „Ein falsches Wort“ zum Bestseller in Norwegen. Übersetzt wurde Helga Hjorths Roman bisher nicht, wer sich für die Gegendarstellung interessiert muss also mit dem norwegischen Original vorlieb nehmen. Ich für meinen Teil verzichte dankend. Ich schwanke zwischen 3.5 und 4 Sternen. Jetzt direkt nach der Lektüre entscheide ich mich für 4 Sterne . Dies mag sich aber durchaus in jede Richtung ändern, sobald etwas mehr Zeit vergangen ist.
Anstrengend und langatmig
1. Die ganze Geschichte wird in indirekter Rede erzählt. Dementsprechend sind die Sätze verschachtelt und lang 2. Die Nebenschauplätze… brauchte man meiner Meinung nach nicht 3. Ab einem gewissen Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, die Autorin weiss nicht mehr, wann genug genug ist… und es wiederholt sich.oder sollte das vielleicht so sein? Das Thema ist so wichtig und es klang so interessant… aber die Umsetzung.. gar nicht nach meinem Geschmack
Endlich habe ich auch ein Buch von Vigdis Hjorth gelesen und frage mich, warum ich es nicht schon viel früher gemacht habe. Die Geschichte von Bergljot und ihrer Familie ist sehr berührend, zum Teil auch beklemmend zu lesen. Auch weil es kein Happy End gibt, vielleicht kein solches geben kann und man es die ganze Zeit weiß oder jedenfalls ahnt. Bergliot, die sich als erwachsene Frau bewusst wird, was ihr eigener Vater ihr als Kind angetan hat. Wie ihre Mutter seinerzeit und bis heute damit umgeht, anstatt zu ihr zu stehen. Wie die Familie bestehend aus ihren Eltern und den zwei jungeren Schwestern auf der einen Seite und dem alteren Bruder und ihr auf der anderen Seite unter anderem hieran leidet und letztlich nach dem Tod des Vaters zerbricht. Leseempfehlung von mir.
10 Sterne
Dieses Buch geht so nah, so tief, berührt jeden einzelnen Nerv. Grandios wie Vigdis Hjorth Gefühle und Gedanken in Worte fasst. Gefühle und Gedanken, die mich sprachlos zurücklassen.
Eigentlich mag ich keine Familiendramen, aber dieses hier hat mich von Anfang an gefesselt, was vermutlich an dem atemlosen Gedankenstrom der Erzählerin lag, der jede Faser ihres Schmerzes auf intelligente und mitreißende Art und Weise in die Geschichte einwebt. Ein ziemlich grandioses Stück Literatur, das sich wie (autobiografischer?) Stoff aus dem echten Leben anfühlt.
Eine schonungslos ehrliche Geschichte!
Thematisch schwer wie ein Stein, sprachlich über fast die ganze Strecke federleicht. Vigdis Hjorth umschifft keinen noch so unangenehmen Gedankengang in dieser Geschichte, die eine Familie zum zerreißen bringt. Das Buch liest sich sehr gut, auch wenn es stellenweise in seinem Satzbau fast schon hektisch wird. Dieses Gefühl kommt bei langen Nebensatz-Konstruktionen auf, die mehrere Gedankengänge enthalten. Sprachlich mutet der Stil beinahe lyrisch an, nordische Gedichte sind immer wieder Bezugspunkte. Thematisch ist das Buch herausfordernd. So viel sei gesagt: Ein Erbstreit führt zu dunkleren Familiengeheimnissen hinter einer gutbürgerlichen Oberschicht-Fassade. In deren Zentrum steht Bergljot, älteste Tochter einer Unternehmerfamilie. Winziges Manko für mich bleibt, dass die Perspektive von Bergljots Kindern weitgehend unbeleuchtet bleibt. Für mich eine klare Empfehlung, vor allem weil die bis zum zerreißen gespannten zwischenmenschlichen Beziehungen authentisch sind. Wer ein Feel Good-Buch sucht, sollte allerdings zu etwas anderem greifen.

Ein falsches Wort Vigdis Hjorth Klappentext: Das Schlimmste passiert dort, wo wir uns sicher fühlen: in der eigenen Familie. Was nach dem plötzlichen Tod des Vaters zunächst wie ein Erbstreit zwischen Geschwistern aussieht, wird für die ältere Schwester Bergljot zu einem Kampf um die jahrzehntelang verdrängte Wahrheit. Es geht nicht um Geld und Besitz. Es geht darum, wem die Vergangenheit gehört. Mit unverwechselbarer Konsequenz erzählt Vigdis Hjorth von der Sehnsucht nach Anerkennung, von der Kraft der Befreiung und von der Frage, ob wir unserer eigenen Geschichte vertrauen dürfen. Leseeindruck: Bergljot hat sich vor bereits 20 Jahren von ihrer Familie zurückgezogen und keinen Kontakt zu Eltern und den Geschwistern Bard, Astrid (zu der immerhin sporadisch telefonischer Kontakt besteht) und Asa. Der verdeckte Konflikt mit insbesondere Bergljots Eltern bricht wieder an die Oberfläche als die beiden jüngeren Schwestern die Ferienhütten zu einem geringen Schätzwert überschrieben bekommen - Bard bricht darauf hin mit der Familie. Die Bevorteilung der jüngeren Schwestern beeinflusst im Folgenden alle innerfamiliären Beziehungen bis hin zu der zwischen Großeltern und Enkeln. Vigdis Hjorth nutzt das Erbe hier als Bild für den Ausdruck tiefer Konflikte, Dramen in der Vergangenheit, die nun durch den Anlass des entstehenden Erbstreites, ausgelöst durch Bard und Bergljot, sichtbar werden und nicht mehr verleugenbar sind. Das Drama ist oft Thema in Romanen und wahrscheinlich noch öfter unerkannt hinter verschlossenen Türen - es macht uns bewusst, dass verdrängte und geleugnete Traumata auch und insbesondere innerhalb Familien, alles und jeden zerstören können. Vigdis Hjorth gelingt es gut, Bergljots Emotionen, den Widerspruch ihrer Gefühle, quasi das Drama im weiteren Verlauf ihres Lebens wiederzugeben und authentisch darzustellen bis hin dazu, dass sie endlich ihre Stimme findet und alle mit ihrer Vergangenheit konfrontiert als ihr Vater stirbt und die Familie sich bei einer Notarin zur Testamentseröffnung trifft. So wirr wie Bergljots Inneres, so wirr scheint auch manchmal der Schreibstil - genau das macht den Roman aber schlussendlich so glaubwürdig. Fazit: ⭐️⭐️⭐️

Der absolute Wahnsinn 🤯
Ich weis nicht was ich sagen soll! Wieder ein absolutes Lebenshighlight!!!! Diese Frau hat mein Leben verändert! Zunächst erstmal zur Story: Der Vater unserer Protagonisten stirbt und es bricht ein Streit zwischen den Geschwistern aus. Es geht nicht nur um das Erbe, sondern auch um eine schreckliche Vergangenheit. Vigdis Hjorth schreibt über das, worüber keiner sprechen möchte. Mehr möchte ich an der Stelle nicht verraten. Der Schreibstil: Es ist wirklich Wahnsinn mit welchen einzigartigen stilistischen Mitteln hier gearbeitet wird. Der Text ist in unterschiedlichen Mengen an Schrift verfasst und weist einen Schreibstil auf, der erkennbar und damit unverwechselbar ist. Sie beschreibt alles klasklar und voller Emotionen. Ich werde nicht müde zu erwähnen, das dieser Stil zu einem absoluten Pageturner führt. Absolut beeindruckend! Die einzelnen Figuren: Ich versuche mal nicht zu Spoilern! Nur so viel die Hauptprotagonistin hat mir außerordentlich gut gefallen und ihre Gedanken war schonungslos erzählt. Dieser Einblick hat mich oft berührt zurückgelassen. Die anderen Figuren waren gut gezeichnet und das Zusammenspiel aus beiden machte die Geschichte greifbar. Meine Meinung: Ich liebe dieses Buch!!! Es ist eine absolute Empfehlung für euch da draußen!!! Wenn euch das Thema zusagt, solltet ihr es unbedingt lesen! 5 Sterne ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️
Intelligent und schmerzhaft echt
Vorab: Wir haben dieses Buch im Buchclub gelesen und für solche Zwecke ist es einfach perfekt!! Besonders wenn man auch historische Hintergründe und den Lebenslauf der Autorin bespricht (am besten erst am Ende!). Ich bleibe oberflächlich, weil jeder das Buch selbst für sich erkunden sollte. Dieses Familiendrama ist so schmerzhaft wie realistisch. Den Schreib- und Erzählstil habe ich so noch nie gesehen. Er verzichtet auf große Beschreibung, beschränkt sich auf das Wesentliche: das Innere der Hauptfigur. Die Sätze sind oft komplex und nicht selten findet sich der Leser verwirrt in scheinbar reingeworfenen Kapiteln wieder. Aber gerade das passt unglaublich gut zur Thematik und fügt alles in ein Bild zusammen. Dabei ist der Leser jederzeit gefordert - das fand ich super spannend! Ein Buch für jeden, der als Leser herausgefordert werden und/oder ein Buch kleinteilig analysieren möchte!

Bergljot, die Protagonistin in „Ein falsches Wort“ von Vigdis Hjorth, ist die zweite von vier Geschwistern. Sie hat den Kontakt zu ihnen – zu Bård, Astrid und Åsa – und ihren Eltern vor vielen Jahren abgebrochen, und auch Bård hat sich zurückgezogen. Seitdem hat Bergljot nur sporadischen Kontakt zu ihrer nächsten und viel jüngeren Schwester Astrid, die ihren Eltern und ihrer jüngsten Schwester Åsa sehr nahe steht. Als der Vater stirbt und das ungleich verteilte Erbe zur Sprache kommt, das Bergljot eigentlich nicht interessiert, stellt sie sich auf die Seite ihres älteren Bruders Bård, der Gerechtigkeit fordert. Und mit dem wiederauflebenden Kontakt kommen auch die Erinnerungen zurück. Da ist die Kindheit mit Bård und ihren Eltern, sie als Fünfjährige, der wissende Löwe, die Schwäche und die Manipulation, die Verleugnung und über allem die ständige Sehnsucht nach der Anerkennung ihrer Geschichte ❤️🩹 „Hätte Mutter sich entschieden, erwachsen zu werden, wäre die Wirklichkeit für sie nicht zu bewältigen gewesen.“ (S. 177) Ich muss zugeben, dass ich anfangs ein paar Seiten gebraucht habe, um mich an den besonderen Erzählstil von Vigdis Hjorth zu gewöhnen. Dann aber, schneller als ich gucken konnte, habe ich mich in ihn verliebt. Ähnlich ist es mir auch mit dem Erzähltempo ergangen. Zu Beginn wird langsam und fast zögerlich erzählt, alles ist noch recht abstrakt, wird verdrängt, aber je mehr Kontakt Bergljot zu ihrer Ursprungsfamilie hat und je wütender sie dadurch wird, desto mehr kommt an die Oberfläche und nimmt die Geschichte an Fahrt auf. „Ein falsches Wort“ hat mir schon beim Lesen gefallen und jetzt, etwa zwei Wochen später, kann ich sagen: Der Roman hallt nach und hat sich in mein Herz geschlichen. Es ist die Unwissenheit über das Geschehene bis zur Mitte des Romans, die verschiedenen Perspektiven, die Vielschichtigkeit, die Sehnsucht nach Anerkennung und Versöhnung, das Kappen toxischer Beziehungen, das Einstehen für sich selbst und als wäre das alles nicht genug, die unvergleichliche Sprache, die „Ein falsches Wort“ für mich so lesenswert machen. Und dann ist es auch noch so verdammt klug! 😍 „Ein falsches Wort“ von Vigdis Hjorth wurde von Gabriele Haefs wunderbar aus dem Norwegischen übersetzt und ist ganz frisch bei S.Fischer erschienen. Ihren zuvor erschienenen Roman „Die Wahrheiten meiner Mutter“ möchte ich nun auch unbedingt lesen. Kennst du ihn? Vielen Dank an S.Fischer und Vorablesen für die Bereitstellung des kostenlosen Rezensionsexemplars! „Die Macht, die die Erzählungen der Eltern auf die Wirklichkeitsauffassung des Kindes haben, ist so groß, dass es fast unmöglich ist, sich davon zu befreien.“ (S. 73)
Keine leichte Kost
Die Geschichte habe ich als sehr bedrückend empfunden. Es geht um Geheimnisse,Schweigen und Ignoranz innerhalb einer Familie. Zu Beginn der Geschichte sieht es aus, als verfolgen die Leser*innen einen Familienstreit und Erbe der Eltern. Die Hütten, in denen die Familie die Sommerurlaube verbracht hat, sollen den 2 jüngeren Schwestern überschrieben werden. Die Eltern haben das so entscheiden, weil die älteren Geschwister den Kontakt zur Familie minimiert und abgebrochenen haben. Nach und nach werden die Gründe hierfür aufgedeckt, teilweise lösen die Ereignisse im Buch alte Traumata auf, die lange verdrängt waren... Bergljot als älteste Schwester erzählt und ihre verwirrende Geschichte. In der Kindheit hat der Vater die missbraucht, wie selbst hat das Trauma tief in sich vergraben, die Mutter scheint alle Wohnungen zu ignorieren. Mit dem plötzlichen Tod des Vaters brechen alte Wunden auf. Die Sprache im Buch ist einfach, aber eindrucksvoll. Die Protagonisten blieben mir leider trotzdem weitestgehend fremd und unnahbar. Ich habe bei dem Buch soviel Verachtung für die Familie von Bergljot empfunden. Wie kann man sich für du e derartige Blindheit willentlich entscheiden. Das Buch macht betroffen und regt dazu an, über die eigene Familie nachzudenken. Mich konnte es leider nicht zur Gänze überzeugen, es ist aber sicherlich eine Empfehlung für jene, die gern außergewöhnliche Geschichten lesen.
Astrid und Åsa hatten eine glückliche geborgene Kindheit und verstehen sich auch als Erwachsene sehr gut mit ihren Eltern. Natürlich freuen sie sich, als die Eltern ihnen in je 1 Ferienhütte vererben wollen, denn sie haben ja viele schöne Zeiten gemeinsam in diesen Hütten verbracht. Doch da sind noch 2 weitere Geschwister, die diese Hütten nicht erben, die von der Familie schon seit Jahren distanziert sind und die ihren Eltern einen ungeheuerlichen Vorwurf über Geschehnisse in ihrer Kindheit machen. Die Autorin hat die Dynamik unter den Geschwistern und innerhalb der ganzen Familie bewegend und beeindruckend beschrieben, das Verdrängen und die Not, die daraus entsteht. Dazu ist das Buch unglaublich spannend, man kann es kaum zur Seite legen. Klare Leseempfehlung
Die Geschwister streiten sich um das Erbe, während die Ich-Erzählerin ihr zusätzliches Päckchen zu tragen hat, weil sie sich bereits vor langer Zeit von ihren Eltern abgewandt hat. “Ich hatte ihr erklärt, dass es mich krank machte, mit Mutter und Vater zusammen zu sein. Sie zu treffen und so zu tun, als sei nichts geschehen, wäre Verrat an mir selbst und an allem, wofür ich stehe, es war unmöglich, ich hatte es doch versucht!” Das Thema eines Konflikts zwischen Eltern und Tochter hat die Autorin ebenfalls in “Die Wahrheiten meiner Mutter” verarbeitet, und es passiert hier auf eine ähnliche Weise und eindringliche Art. Die Hauptfigur ist wie gefangen in einer Endlosschleife, in der sie sich immer wieder mit Vorfällen aus der Vergangenheit und ihrer Entscheidung des Abstandnehmens auseinandersetzt. Die Dynamik zwischen den Geschwistern ist neu (wenn man mit dem vorigen Buch vergleicht) und spannend, weil sich Parteien bilden, die auf ihren Standpunkten beharren. Auch wenn die Wiederholung der Diskussion um das Erbe auf Dauer mitunter ermüdet, zeigt sie doch, was in den Köpfen vorgeht und wie schwierig und kleinteilig die Fragen sind. “Ein falsches Wort” hat mich begeistert, weil es die Last der Situation durch eben jene langwierige Debatte greifbar macht. Die Autorin lässt uns zwischendurch aufatmen, indem sie dem auf mancher Seite nur einen philosophisch-zarten Satz gegenüberstellt. Das Ganze wirkt authentisch und ließ mich mitleiden, und mir ist klar, dass ich weiter nach Vigdis Hjorth Ausschau halten werde, deren Erzählweise einen solchen Sog auf mich ausübt.
“Ein falsches Wort” von Vigdis Hjorth handelt von Inzest und dem Verlust der Familie. Bergljot ist das älteste Mädchen von vier Geschwistern und wurde vom ihrem Vater bis zu ihrem 7. Lebensjahr mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht. Ihr älterer Bruder Bard hingegen wurde gemaßregelt und geschlagen. Die beiden jüngeren Schwestern Astrid und Asa, welche vermeintlich in einer normalen Familie aufwuchsen und eine Mutter, die ihren Mann aus unterschiedlichen Gründen nicht verlassen kann oder will und die Augen verschließt. Wäre nicht vor 23 Jahren diese schlimme Anschuldigung von Bergljot gegenüber ihrem Vater gewesen, könnte das Familienleben idyllisch sein. Kann man der Geschichte von Bergljot vertrauen? Warum hat Vater nie etwas dazu gesagt? Vor dem Tode des Vaters wurde bereits zwischen den Geschwistern über die Aufteilung des Erbes diskutiert. Vor allem ging es über zwei Ferienhütten auf der Insel Hvaler. Aber es geht um viel mehr als das Familienerbe. Es geht um eine verdrängte Wahrheit und Bergljot vor allem darum, in der Familie gehört und verstanden zu werden. Ihre Mutter schiebt diese Anschuldigungen weit von sich; sonst hätte sie bereits damals, als die Kinder noch klein waren, eine Entscheidung treffen müssen. Mit vier Kindern allleine ohne Arbeit ein Leben gestalten oder die Anzeichen bzw. Aussagen einer 5-6 jährigen ignorieren? Bergljot ist froh, dass der Vater tot ist; die Angst vor ihm, selbst als erwachsene Frau, war immer vorhanden. Seine Vorwürfe und Verunsicherung sind tief in ihr, trotz Therapie, verwurzelt. Seine Worte: “Wenn du eine Psychopathin sehen willst, schau in den Spiegel “ haben Narben hinterlassen. Auch war sie wütend auf ihre Mutter, die all die Jahre nichts getan hatte. Eine Mutter, die nicht die Verzweiflung ihres Kindes hören und sehen wollte. Eine Mutter, die ihr Kind nicht beschützt hatte. Kein Erbe war es ihr wert, über ihren Schatten zu springen und ihre Geschichte zu vergessen. Allein wegen ihren Kindern, hat sie sich auf die Erbschaft eingelassen und steht ganz klar hinter den Forderungen ihres älteren Bruders. Die beiden jüngeren Töchter werden von den Eltern bevorzugt und Brad versucht die Ungerechtigkeit der Mutter und auch Astrid und Asa zu vermitteln. Er möchte keinen Anwalt einschalten, er plädiert auf deren Vernunft und Einsicht. Astrid fordert als Vermittlerin immer wieder die Familie zur Versöhnung auf. Jedoch verlangt ein Versöhnungsprozess von beiden Parteien d.h. Täter und Opfer gleich viel. Bergljot jedoch weiß nicht, ob dieser Prozess gelingen kann, wenn man sich innerhalb der Familie nicht einig ist, wer Opfer und wer Täter war. Astrid wünscht sich eine friedliche Familie, eine Versöhnung, vor allem auch für Mutter. Diese ist nun alt und möchte gerne Kontakt zu ihren Enkel und Urenkel. Doch sie sagt auch nach Jahren nichts Neues, kein konkreter Vorschlag zur Veränderung- ein Perpetuum mobile erklärt Bergljots Lebensgefährte. Kann Bergljot verzeihen und die Wahrheit vergessen? Für ihre Mutter und Schwestern? Oder wird dies durch die Anerkennung und Akzeptanz unmöglich? Die Protagonisten werden sehr gut beschrieben, die Emotionen und Gedanken dem Leser immer wieder intensiv dargelegt. Die Thematik ist schwer und man wird durch den Schreibstil direkt in diese beklemmende Situation gezogen und voller Unglauben muss man teilnehmen, dass die Familie die Wahrheit nicht sehen /hören möchte. Tiefes Mitgefühl empfindet man als Leser:in mit der Protagonistin und ihrem Bruder. Der Roman fühlte sich durch die Wiederholungen teilweise langatmig an. Jedoch faszinierte mich als Leser der Umgang mit der Thematik, die Freud’schen Anmerkungen und die Emotionen von Opfer und Täter. Wobei sich hier die Frage stellt, wer alles Opfer sein möchte bzw. ist. Wer sich mit dem Thema Inzest und die Befreiung von schlimmen Familienkonstellationen auseinandersetzt und beschäftigt ist hier mit einem besonders offenen, kompromisslosen und doch schmerz-und wuterfüllten Buch sehr gut beraten. Ein außergewöhnliches Leseerlebnis, welches in Gedanken nachhallt und voller Mitgefühl das Unfassbare bestaunt. Die Anerkennung einer Wahrheit innerhalb der eigenen Familie ist unglaublich wichtig - kein Geld oder Besitz können diesen Seelenfrieden herstellen.
Was für ein Buch! Die Autorin versteht es meisterhaft, die Spannungen innerhalb einer Familie darzustellen. Was ist Wahrheit, was die Wahrnehmung einzelner Familienmitglieder und deckt sich diese mit der Wahrheit? Klare Leseempfehlung.