
Ein abwechslungsreiches Zeit- und Kulturzeugnis, eine Liebeserklärung an die Literatur und die Stadt Kiew.
In Die Stadt beschreibt der ukrainische Autor Walerjan Pidmohylnyj den Weg des jungen Mannes Stepan vom Dorf in die Stadt Kyjif (Kiew), seine berufliche und geistige Entwicklung auf dem Weg zum Autoren und die Liebschaften, die seinen Weg begleiten. Das Buch hat witzige und satirische Stellen, stellt und beantwortet lebensphilosophische Fragen, beschreibt und löst (manchmal zu einfach) innere Probleme des Charakters und ist sowohl eine Ode an die Stadt, die Podmohylnyj liebte als auch an den gedruckten Gedanken. Diese Teile des Buches haben mir wirklich Freude gemacht. Stepan ist ein ambivalenter Charakter und entspricht dem, was er selbst am Ende feststellt: Man soll den Menschen in einer Geschichte "mit seinen Verbrechen und seiner Reue, Gemeinheit und Ergebenheit" darstellen. Als Leserin musste ich selbst entscheiden, welche Handlungen von Stepan ich warum gut/schlecht, nachvollziehbar oder nicht usw. finde. Reflexion und Reue haben mir insgesamt des Öfteren fehlt. Vor allem in Bezug auf sein körperliches Verhältnis zu Frauen war mir der Chrakter in großen Teilen unsympathisch und unangenehm. Zwar kritisiert er einen Bekannten, der seine Frau vom Studieren abbringt und die Absicht des Autors, dass sich mit der Entwicklung des Charakters und seines Verhältnisses zur Stadt auch seine Affären und Beziehungen wandeln, finde ich erstmal interessant, aber seine konkreten Einschätzungen, Handlungen und Gefühle gegenüber den Frauen hinterlassen einen bitteren Nachgeschmack. Am Ende ist dieses Buch für mich dennoch ein vielschichtiges, herausforderndes und unterhaltsames Werk, das ich denen empfehlen würde, die Interesse an einem oder mehreren der aufgegriffenen Themen und Aspekte des Buches haben. Dankbar bin ich den vier ÜbersetzerInnen, die großartige Arbeit geleistet haben. Wen generell die ukrainische Geschichte interessiert (wie mich), der kann ich als Einstieg die Folge "Ukraine - Der lange Kampf um Unabhängigkeit" des Podcasts Der Rest ist Geschichte empfehlen.