
Einfach heftig
Ich habe die letzten Tage mit Ein wenig Leben von Hanya Yanagihara verbracht und muss ehrlich zugeben, dass ich froh bin, es beendet zu haben. Ich wusste durch Bookstagram, dass dieses Buch schwierige Themen behandelt. Was ich allerdings nicht wusste, war, wie schwer es sich tatsächlich lesen lässt. Der Anfang fiel mir richtig schwer. Ich war wenig motiviert, weiterzulesen. Der Schreibstil, die Sprache, die ständigen Abschweifungen, die endlosen Sätze, die ich teilweise mehrmals lesen musste, um sie zu verstehen... das alles machte es mir nicht leicht. Irgendwann gewöhnte ich mich daran, fand es stellenweise sogar genial. Denn so sind Gedanken nun mal oft: wirr, ungeordnet, nicht immer grammatikalisch korrekt. Trotzdem kam ich insgesamt nur sehr langsam voran. Wir begleiten in dem Buch das Leben von vier jungen, sehr unterschiedlichen Männern und ihre Freundschaft zueinander. Anfangs war das alles etwas verwirrend aber irgendwann verschiebt sich der Fokus auf Jude und man erfährt Stück für Stück, warum er so besonders ist. Was ihm widerfahren ist, warum er selbst in den alltäglichsten Situationen so anders reagiert. Welche Dämonen ihn begleiten und warum sie ihn einfach nicht loslassen. Und das ist heftig. Richtig heftig. Man kommt beim Lesen immer wieder an seine Grenzen. Über die schlimmsten Ereignisse wird in einer Art geschrieben, als würde jemand nebenbei den Geschirrspüler ausräumen, völlig nüchtern und distanziert. Gerade das hat mich tief berührt. Ich musste das Buch oft zur Seite legen. Was Jude erleiden musste, ist kaum in Worte zu fassen. Und es führt einem vor Augen, wie viel Glück man doch selbst im Leben oft hat. Trotz all der Dunkelheit gibt es aber auch Licht: Freundschaft, Fürsorge, Liebe. Das sind die Momente, die einen beim Lesen aufatmen lassen auch wenn sie manchmal viel zu kurz erscheinen. Ich kann keine klare Empfehlung für dieses Buch aussprechen, dass fühlt sich irgendwie falsch an. Aber wenn du offen bist für menschliche Abgründe, emotionale Wahrhaftigkeit und vielleicht auch das Unbequeme bist, ist das vielleicht ein Buch für dich. Triggerwarnung: Mach dir vorher bewusst, die Geschichte ist extrem intensiv und behandelt viele schwer verdauliche Themen, unter anderem Missbrauch, Selbstverletzung, Suizidgedanken und tiefsitzende Traumata. Wenn du das Buch lesen willst, achte gut auf dich und schau, ob du dafür gerade den richtigen Moment hast.