
Kristina Hauff gelingt mit „In blaukalter Tiefe“ ein atmosphärisch dichter und psychologisch fein ausbalancierter Roman, der seine Leser*innen mit auf einen Segeltörn in die schwedischen Schären nimmt – und dabei tief in menschliche Abgründe taucht. Was als Versuch beginnt, eine zum Scheitern eingeschlafene Beziehung zu retten, entwickelt sich zu einem gefährlichen Spiel aus Macht, Begierde und Misstrauen. Caroline und Andreas, beide beruflich erfolgreich, aber emotional voneinander entfremdet, hoffen auf einen Neuanfang auf dem Wasser. Doch Andreas trifft eine folgenschwere Entscheidung: Er lädt seinen jüngeren Kollegen Daniel samt dessen Freundin Tanja auf die Reise ein. Gesteuert wird die Yacht Querelle vom geheimnisvollen Skipper Eric, dessen rätselhafte Aura von Anfang an für Unbehagen sorgt. Hauff entwirft ein Kammerspiel auf engstem Raum. Mit feinem Gespür für zwischenmenschliche Spannungen und einem Blick für die kleinsten Regungen ihrer Figuren entfaltet sie einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Die wechselnden Erzählperspektiven erlauben intime Einblicke in das Innenleben der Figuren – jeder von ihnen trägt Geheimnisse mit sich, jeder spielt ein eigenes Spiel. Die Natur wird dabei nicht nur zur Kulisse, sondern zum Spiegel der inneren Zustände. Das ruhige Wasser, die majestätische Schärenlandschaft – all das schlägt in Bedrohung um, als ein Sturm aufzieht und die aufgeheizte Atmosphäre an Bord in eine Katastrophe mündet. Die Grenze zwischen Kontrolle und Kontrollverlust verschwimmt, Masken fallen, und was lange unter der Oberfläche brodelte, wird mit unbändiger Wucht freigelegt. Hauffs Sprache ist klar, gleichzeitig poetisch und präzise, ihre Landschaftsbeschreibungen sind eindringlich, ohne je kitschig zu wirken. Die psychologische Spannung wird nicht durch laute Dramatik erzeugt, sondern durch das stetige Drehen an der Schraube – ein leises Unbehagen, das sich langsam zu echter Beklemmung steigert. „In blaukalter Tiefe“ ist wesentlich mehr als nur ein Spannungsroman. Es ist eine fein beobachtete Studie über zwischenmenschliche Dynamiken, über Verletzbarkeit, Machtverhältnisse und das fragile Gleichgewicht von Nähe und Distanz. Wer psychologisch dichte Romane mit Sogwirkung liebt, wird mit diesem Roman seine helle Freude haben!