15. Mai 2025
Ein Werk, dass man gelesen haben muss.

Ein Werk, dass man gelesen haben muss.

Sehr geehrter Günter Grass, würden Sie noch leben, könnte ich diese Zeilen direkt an Sie richten. Seit der zwölften Klasse begleiten mich Ihre Werke. Das erste Mal kam ich mit „Im Krebsgang“ in Berührung. Bereits zu dieser Zeit faszinierte mich Ihre Sprache. Es folgten „Katz und Maus“ sowie diverse Gedichte. Nach vielen Jahren habe ich mich endlich an „Die Blechtrommel“ getraut. Respekt hatte ich vor diesem Werk. Der Umfang und die Sprache haben mich lange Zeit abgeschreckt. Viele Jahre lang wartete „Die Blechtrommel“ in meinen Bücherregal darauf, endlich in die Hände genommen und studiert zu werden. Jetzt habe ich sie gelesen und diese bildgewaltige Sprache auf mich einwirken lassen; mich einmal wieder - um in Ihrem Sprachgebrauch zu bleiben - im grass’schen Literaturkosmos kundig zu machen. Bei Ihrer Blechtrommel handelt es sich um ein Werk, das man nicht einfach so nebenbei konsumieren kann. Man muss es langsam genießen; Zeile für Zeile, Satz für Satz, Wort für Wort aufsaugen und genießen. Ich möchte nicht behaupten, dass ich beim ersten Lesen wirklich alles verstanden hätte. Manche Passagen waren verwirrend und laden zum Nachdenken ein. Ich bin froh, mich mit Oskar und seiner Blechtrommel durch Danzig, Oskars Geschichte, seine Familie und Düsseldorf getrommelt zu haben. Hätte ich den Roman eher gelesen, hätte ich damals auf der Fähre den Mut gehabt, Sie anzusprechen und ein paar Fragen zu stellen. Bewertung: Auf Anregung von kapitelweise.lesen verzichte ich zukünftig auf eine Bewertung mit Sternen. Autorin: Günter Grass Verlag: dtv Seiten: 708 Genre: Roman Übersetzung: Ersterscheinung: 1993 Meine Version: Taschenbuch

Die Blechtrommel
Die Blechtrommelvon Günter GrassSteidl Verlag
19. März 2025
Bewertung:3.5

Wow, ich muss schon sagen, ohne Leserunde hätte ich nicht durchgehalten. Auch nach Beenden der Lektüre kann ich zugeben, dass ich bzgl. der Story mit einigen Fragezeichen im Kopf zurückgelassen wurde, vor allem gegen Ende. Was ich aber als großes Highlight bezeichnen muss, ist der Schreibstil von Günther Grass, denn der ist wirklich außergewöhnlich, mal witzig, mal klug, aber immer anspruchsvoll. Jetzt muss ich noch den Film schauen, um zu erfahren, ob ich Oskar und seiner Trommel dadurch noch ein bisschen besser auf die Schliche komme/einschätzen kann.

Die Blechtrommel
Die Blechtrommelvon Günter GrassSteidl Verlag
14. Apr. 2024
Bewertung:4

Wie gerne hätte ich diesem Klassiker die volle Sternenzahl gegeben und ihn zu einem meiner Lieblingsbüchern erklärt. Nach zwei Dritteln sah es noch absolut danach aus, doch der dritte und letzte Teil ließ einen Schatten über das ganze Werk fallen. Ich bewerte daher die Teile einzeln: 1. und 2. Teil in Danzig: jeweils 5 Sterne. Der 3. Teil in Düsseldorf: 2 Sterne. Ergibt die mathematischen 4 Sterne. Ich will in meiner Rezension gar nicht groß auf den letzten Teil eingehen. Meiner Ansicht nach hätte Grass diese Vertreibung aus Polen und die Erlebnisse in der jungen Bundesrepublik eher in einen neuen Roman packen sollen. Das ganze Buch hat viele autobiografische Tendenzen und im Grunde erleben wir die ganze Lebensgeschichte Grass von der Kindheit in Danzig bis hin zu seinen Künstlerjahren im Rheinland. Der Film von Schlöndorff aus den 70er Jahren behandelt auch nur die ersten beiden Teile. Hatte die filmische Umsetzung mich so sehr geprägt, dass ich nach den Abspann gar nicht an weiteren abstrusen Geschichten über Oskar als Model, Steinmetz oder Jazzmusiker interessiert war? Das Besondere an diesem Buch ist für mich Stil und Sprache, die Handlung tritt fast in den Hintergrund bei der Beurteilung. Allerdings ist die Geschichte des Oskar Matzerath, der mit drei Jahren beschloss, das Wachsen einzustellen und die Welt zu betrommeln, gespickt von Metaphern, Symbolen und Synonymen. Schon alleine die Erzählweise aus dem Blickwinkel von unten und nicht aus der Vogelperspektive, wie man sie so oft liest, ist sehr spannend. Abwechslungsreich wird das Buch durch die ständig wechselnden Erzähler, was teilweise sogar von Satz zu Satz der Fall ist. Da ist diese freche, zynische Stimme Oskars, der die Welt sich macht, wie sie ihm gefällt (obwohl er beim Geschlechtsakt seines Vaters mit Maria auf ihm sitzt und so das Unglück der Schwangerschaft herbeiführt, ist er der Auffassung, dass dann gezeugte Kurt nicht sein Bruder, sondern sein Sohn ist). Und wenn Oskar nicht mehr weiter erzählen will, tritt ein auktorialer Erzähler ins Spiel, der das Handeln und Denken Oskars süffisant kommentiert. Die Sprache des Autors ist kraftvoll, obszön, lyrisch, bildhaft und auch oft sinnlich. Was gibt es für viele versteckte erotische Anspielungen. Ich kann gut verstehen, dass es die Gesellschaft der 50er Jahre geschockt hatte. So harmlose Worte wie Moos, Vanille, Gieskanne oder Trommelstock bekommen von Grass oft auch immer noch eine frivole Doppelbedeutung. Faszinierender als die offensichtliche Beschreibung der Sexualität fand ich dagegen die versteckten Anspielungen. Zum Beispiel in dieser grandiosen Eingangsszene mit dem weiten Rock der Großmutter, die auf dem Kartoffelfeld sitzend, der späteren Großvater Asyl unter ihren Röcken bot auf der Flucht vor den Gendarmen. Da heißt es: Sie pfiff, ohne ein Lied zu meinen, und scharrte mit dem Haselstock die erste gare Kartoffel aus der Asche. Weit genug schob sie die Bulve neben den schwelenden Krautberg, damit der Wind sie streifte und abkühlte. Ein spitzer Ast spießte dann die angekohlte und krustig geplatzte Knolle, hielt diese vor ihren Mund, der nicht mehr pfiff, sondern zwischen windtrockenen, gesprungenen Lippen Asche und Erde von der Pelle blies. Beim Blasen schloß meine Großmutter die Augen. Als sie meinte, genug geblasen zu haben, öffnete sie die Augen nacheinander und biß mit Durchblick gewährenden, sonst fehlerlosen Schneidezähnen zu, gab das Gebiss sogleich wieder frei, hielt die halbe, noch zu heiße Kartoffel mehlig und dampfend in offener Mundhöhle [...] Wie kann man nur diesen simplen Akt eines Kartoffelfeuers in so poetischen Worten fassen? Wenn man sich in die Blechtrommel eingelesen hat und die Sprache Grass versteht, dann fällt einem auf, dass hier gepfiffen und geblasen wird, ein spitzer Stock spießt und führt zu den Lippen, zum Mund, die warme Frucht. Diese Worte sind ganz bewusst gewählt, um die Sinnlichkeit dieses Akts des Essens zu verdeutlichen. Ich bin wirklich kein Kenner oder ausgesprochener Liebhaber von Lyrik, aber diese Art der Schilderung sprach mich sehr an. Das ist ganz große Literatur für mich. Schade, dass sich dieses Niveau nicht bis zum Ende aufrecht erhielt und ähnliche Beschreibungen im 3. Teil (Auf dem Kokosteppich) nur noch enttäuschend waren. Die Blechtrommel ist eine unbedingte Leseempfehlung. Vom 3. Teil sollte man sich nicht beeindrucken oder abhalten lassen. Man kann das Buch auch ohne weiteres nach der Danziger Zeit beenden. Aber diese ersten beiden Teile muss man gelesen haben.

Die Blechtrommel
Die Blechtrommelvon Günter GrassSteidl Verlag
20. März 2024
Bewertung:4

Ein Klassiker, den man gelesen haben muss

Es hat mich drei Anläufe gekostet, um dieses Buch endlich zu lesen. Am Anfang kämpft man sich noch durch die Schreibweise und den Stil, dann freundet man sich damit an und taucht in die Grass-Welt ein. Das Buch hat Humor und an manchen Stellen musste ich grinsen. Am besten, man hört auch nebenbei das Hörbuch, gelesen vom Meister selber. Das wird wohl nicht mein letzter Grass gewesen sein!

Die Blechtrommel
Die Blechtrommelvon Günter GrassSteidl Verlag
23. Feb. 2024
Bewertung:4

Wie gerne hätte ich diesem Klassiker die volle Sternenzahl gegeben und ihn zu einem meiner Lieblingsbüchern erklärt. Nach zwei Dritteln sah es noch absolut danach aus, doch der dritte und letzte Teil ließ einen Schatten über das ganze Werk fallen. Ich bewerte daher die Teile einzeln: 1. und 2. Teil in Danzig: jeweils 5 Sterne. Der 3. Teil in Düsseldorf: 2 Sterne. Ergibt die mathematischen 4 Sterne. Ich will in meiner Rezension gar nicht groß auf den letzten Teil eingehen. Meiner Ansicht nach hätte Grass diese Vertreibung aus Polen und die Erlebnisse in der jungen Bundesrepublik eher in einen neuen Roman packen sollen. Das ganze Buch hat viele autobiografische Tendenzen und im Grunde erleben wir die ganze Lebensgeschichte Grass von der Kindheit in Danzig bis hin zu seinen Künstlerjahren im Rheinland. Der Film von Schlöndorff aus den 70er Jahren behandelt auch nur die ersten beiden Teile. Hatte die filmische Umsetzung mich so sehr geprägt, dass ich nach den Abspann gar nicht an weiteren abstrusen Geschichten über Oskar als Model, Steinmetz oder Jazzmusiker interessiert war? Das Besondere an diesem Buch ist für mich Stil und Sprache, die Handlung tritt fast in den Hintergrund bei der Beurteilung. Allerdings ist die Geschichte des Oskar Matzerath, der mit drei Jahren beschloss, das Wachsen einzustellen und die Welt zu betrommeln, gespickt von Metaphern, Symbolen und Synonymen. Schon alleine die Erzählweise aus dem Blickwinkel von unten und nicht aus der Vogelperspektive, wie man sie so oft liest, ist sehr spannend. Abwechslungsreich wird das Buch durch die ständig wechselnden Erzähler, was teilweise sogar von Satz zu Satz der Fall ist. Da ist diese freche, zynische Stimme Oskars, der die Welt sich macht, wie sie ihm gefällt (obwohl er beim Geschlechtsakt seines Vaters mit Maria auf ihm sitzt und so das Unglück der Schwangerschaft herbeiführt, ist er der Auffassung, dass dann gezeugte Kurt nicht sein Bruder, sondern sein Sohn ist). Und wenn Oskar nicht mehr weiter erzählen will, tritt ein auktorialer Erzähler ins Spiel, der das Handeln und Denken Oskars süffisant kommentiert. Die Sprache des Autors ist kraftvoll, obszön, lyrisch, bildhaft und auch oft sinnlich. Was gibt es für viele versteckte erotische Anspielungen. Ich kann gut verstehen, dass es die Gesellschaft der 50er Jahre geschockt hatte. So harmlose Worte wie Moos, Vanille, Gieskanne oder Trommelstock bekommen von Grass oft auch immer noch eine frivole Doppelbedeutung. Faszinierender als die offensichtliche Beschreibung der Sexualität fand ich dagegen die versteckten Anspielungen. Zum Beispiel in dieser grandiosen Eingangsszene mit dem weiten Rock der Großmutter, die auf dem Kartoffelfeld sitzend, der späteren Großvater Asyl unter ihren Röcken bot auf der Flucht vor den Gendarmen. Da heißt es: Sie pfiff, ohne ein Lied zu meinen, und scharrte mit dem Haselstock die erste gare Kartoffel aus der Asche. Weit genug schob sie die Bulve neben den schwelenden Krautberg, damit der Wind sie streifte und abkühlte. Ein spitzer Ast spießte dann die angekohlte und krustig geplatzte Knolle, hielt diese vor ihren Mund, der nicht mehr pfiff, sondern zwischen windtrockenen, gesprungenen Lippen Asche und Erde von der Pelle blies. Beim Blasen schloß meine Großmutter die Augen. Als sie meinte, genug geblasen zu haben, öffnete sie die Augen nacheinander und biß mit Durchblick gewährenden, sonst fehlerlosen Schneidezähnen zu, gab das Gebiss sogleich wieder frei, hielt die halbe, noch zu heiße Kartoffel mehlig und dampfend in offener Mundhöhle [...] Wie kann man nur diesen simplen Akt eines Kartoffelfeuers in so poetischen Worten fassen? Wenn man sich in die Blechtrommel eingelesen hat und die Sprache Grass versteht, dann fällt einem auf, dass hier gepfiffen und geblasen wird, ein spitzer Stock spießt und führt zu den Lippen, zum Mund, die warme Frucht. Diese Worte sind ganz bewusst gewählt, um die Sinnlichkeit dieses Akts des Essens zu verdeutlichen. Ich bin wirklich kein Kenner oder ausgesprochener Liebhaber von Lyrik, aber diese Art der Schilderung sprach mich sehr an. Das ist ganz große Literatur für mich. Schade, dass sich dieses Niveau nicht bis zum Ende aufrecht erhielt und ähnliche Beschreibungen im 3. Teil (Auf dem Kokosteppich) nur noch enttäuschend waren. Die Blechtrommel ist eine unbedingte Leseempfehlung. Vom 3. Teil sollte man sich nicht beeindrucken oder abhalten lassen. Man kann das Buch auch ohne weiteres nach der Danziger Zeit beenden. Aber diese ersten beiden Teile muss man gelesen haben.

Die Blechtrommel
Die Blechtrommelvon Günter GrassSteidl Verlag
9. Feb. 2024
Bewertung:3.5

Günter Grass bewegt sich in "Die Blechtrommel" irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn.

Die Handlung lässt mich mit gemischten Gefühlen zurück. Während sich einige Kapitel wie ein buchgewordener Fiebertraum anfühlen und einen völlig verstört zurücklassen, dadurch aber äußerst interessant und lesenswert werden, wünscht man sich nach anderen bloß die aufgewendete Lebenszeit zurück, da sie für die Handlung völlig irrelevant und schlicht, zumindest für mich persönlich, langweilig sind. Im großen Ganzen finde ich die Handlung jedoch nicht sonderlich überzeugend und interessant, oft sogar recht belanglos. Aus meiner Sicht hätten es auch 200 Seiten weniger sein können. Dagegen besticht Grass durch seinen, zugegeben nicht ganz einfachen, Schreibstil. Nicht nur der dauernde Wechsel zwischen ich- und er-Erzähler, sondern auch die Nutzung von Metaphern und Symbolen sowie die Art zu beschreiben wissen zu überzeugen. Ich kann jeden verstehen den die Blechtrommel nicht überzeugt oder sogar abschreckt. Ich persönlich bin aber froh sie endlich gelesen zu haben, da es einfach ein wichtiges Buch der deutschen Literatur darstellt und insgesamt auch recht überzeugend war.

Die Blechtrommel
Die Blechtrommelvon Günter GrassSteidl Verlag
15. Juni 2023
Bewertung:2

Irgendwie ätzend

Wollte das Buch unbedingt lesen. Es ist von der Schreibart wirklich schwer zu lesen, da es viele lange Schachtelsätze enthält. Anfangs war das Buch auch echt spannend, aber ab der Mitte ist es nur noch langweilig. Hab mich aber durchgequält. Kann es wirklich nicht empfehlen!

Die Blechtrommel
Die Blechtrommelvon Günter GrassSteidl Verlag
10. Apr. 2023
Bewertung:4

Verstörende Weltliteratur mit viel Platz für Interpretationen

Ich hab für das Buch eine ganze Weile gebraucht. Anfangs haben mich die doch sehr verschachtelten Sätze ein wenig abgeschreckt, doch hat mich die Geschichte so interessiert, dass ich mich zum dranbleiben gezwungen habe. Dies hat sich auch gelohnt, einmal an den Schreibstil gewohnt bleibt man dran. Die Geschichte ist aber doch sehr verstörend. Viele Situationen muss man erst einmal sacken lassen und für sich selbst interpretieren. Was will der Autor damit sagen? Jedoch möchte man die Geschichte um Oskar jederzeit weiterverfolgen. Das Buch hat zurecht die deutsche Nachkriegsliteratur geprägt und komplett verändert. Ich denke das Buch ist nicht für jeden etwas. Man muss es schon mögen. Ich bin jedoch sehr motiviert nun auch die weiteren Teile der Danzig-Trilogie zu lesen. Aber benötige dennoch erstmal etwas leichtere Kost :-)

Die Blechtrommel
Die Blechtrommelvon Günter GrassSteidl Verlag
8. Apr. 2023
Bewertung:3

Ich glaube das Buch spaltet die Leserschaft ein wenig, oder? Entweder man mag es oder hasst es. Nennt es "Brechtrommel". Davon darf man sich aber nicht abschrecken lassen. Ich hatte zuerst "Katz und Maus" gelesen und fands sehr merkwürdig. Lag vielleicht an Grass Schreibart, mit welchem Auge er beschreibt. Fakt ist: Die Blechtrommel gefiel mir irgendwie. Ich weiß nicht richtig, es hat mich sehr viel Zeit gekostet, das Buch zu lesen. Nur 40 Seiten in einer Stunde sind für mich wenig. Es ist vielleicht ein wenig langatmig und manche Kapitel hätte es bestimmt nicht gebraucht, aber an sich find ich das Buch sehr gut gelungen. Man erfährt immer mehr, wieso Oskar in der Heilanstalt ist (obwohl mir seine Schuld nicht richtig herausgearbeitet vorkommt, weil so richtig begriffen hab ich die auch nicht). Sein Schreibstil ist aber eigentlich doch recht interessant, gut geschrieben. Der stetige Wechsel zwischen "Ich" und "Er"-Erzähler verläuft so flüssig und ohne Verwirrung (außer am Anfang), dass ich wirklich sehr begeistert und fasziniert davon bin. Man soll es auch nicht glauben, aber irgendwie fühlt man mit Oskar mit, auch, wenn eine Distanz irgendwie immer bleibt, weil er einem nicht ganz erschließbar scheint. Mir zumindest. Ich schweife zu sehr ab...ich bin mit keinen hohen Erwartungen reingegangen, bin sehr froh, es endlich gelesen (und aus) zu haben, finde es jedoch recht gelungen und kann auch verstehen, wieso Grass dafür geehrt wurde. Es ist keine leichte Lektüre, entweder man wird damit warm oder nicht. Wenn man schon vornherein eine Abneigung gegen das Buch hat, muss man es nicht lesen, aber derjenige, der sich immer mal dafür interessierte und nie wusste, ob er es nun doch lesen soll, dem kann ich nur sagen: Tu es! Ob du es später bereust, wirst du dann herausfinden, aber schaden tut es nicht, diesen Klassiker der dt. Literatur gelesen zu haben.

Die Blechtrommel
Die Blechtrommelvon Günter GrassSteidl Verlag
29. Dez. 2022
Bewertung:4

Wie gerne hätte ich diesem Klassiker die volle Sternenzahl gegeben und ihn zu einem meiner Lieblingsbüchern erklärt. Nach zwei Dritteln sah es noch absolut danach aus, doch der dritte und letzte Teil ließ einen Schatten über das ganze Werk fallen. Ich bewerte daher die Teile einzeln: 1. und 2. Teil in Danzig: jeweils 5 Sterne. Der 3. Teil in Düsseldorf: 2 Sterne. Ergibt die mathematischen 4 Sterne. Ich will in meiner Rezension gar nicht groß auf den letzten Teil eingehen. Meiner Ansicht nach hätte Grass diese Vertreibung aus Polen und die Erlebnisse in der jungen Bundesrepublik eher in einen neuen Roman packen sollen. Das ganze Buch hat viele autobiografische Tendenzen und im Grunde erleben wir die ganze Lebensgeschichte Grass von der Kindheit in Danzig bis hin zu seinen Künstlerjahren im Rheinland. Der Film von Schlöndorff aus den 70er Jahren behandelt auch nur die ersten beiden Teile. Hatte die filmische Umsetzung mich so sehr geprägt, dass ich nach den Abspann gar nicht an weiteren abstrusen Geschichten über Oskar als Model, Steinmetz oder Jazzmusiker interessiert war? Das Besondere an diesem Buch ist für mich Stil und Sprache, die Handlung tritt fast in den Hintergrund bei der Beurteilung. Allerdings ist die Geschichte des Oskar Matzerath, der mit drei Jahren beschloss, das Wachsen einzustellen und die Welt zu betrommeln, gespickt von Metaphern, Symbolen und Synonymen. Schon alleine die Erzählweise aus dem Blickwinkel von unten und nicht aus der Vogelperspektive, wie man sie so oft liest, ist sehr spannend. Abwechslungsreich wird das Buch durch die ständig wechselnden Erzähler, was teilweise sogar von Satz zu Satz der Fall ist. Da ist diese freche, zynische Stimme Oskars, der die Welt sich macht, wie sie ihm gefällt (obwohl er beim Geschlechtsakt seines Vaters mit Maria auf ihm sitzt und so das Unglück der Schwangerschaft herbeiführt, ist er der Auffassung, dass dann gezeugte Kurt nicht sein Bruder, sondern sein Sohn ist). Und wenn Oskar nicht mehr weiter erzählen will, tritt ein auktorialer Erzähler ins Spiel, der das Handeln und Denken Oskars süffisant kommentiert. Die Sprache des Autors ist kraftvoll, obszön, lyrisch, bildhaft und auch oft sinnlich. Was gibt es für viele versteckte erotische Anspielungen. Ich kann gut verstehen, dass es die Gesellschaft der 50er Jahre geschockt hatte. So harmlose Worte wie Moos, Vanille, Gieskanne oder Trommelstock bekommen von Grass oft auch immer noch eine frivole Doppelbedeutung. Faszinierender als die offensichtliche Beschreibung der Sexualität fand ich dagegen die versteckten Anspielungen. Zum Beispiel in dieser grandiosen Eingangsszene mit dem weiten Rock der Großmutter, die auf dem Kartoffelfeld sitzend, der späteren Großvater Asyl unter ihren Röcken bot auf der Flucht vor den Gendarmen. Da heißt es: Sie pfiff, ohne ein Lied zu meinen, und scharrte mit dem Haselstock die erste gare Kartoffel aus der Asche. Weit genug schob sie die Bulve neben den schwelenden Krautberg, damit der Wind sie streifte und abkühlte. Ein spitzer Ast spießte dann die angekohlte und krustig geplatzte Knolle, hielt diese vor ihren Mund, der nicht mehr pfiff, sondern zwischen windtrockenen, gesprungenen Lippen Asche und Erde von der Pelle blies. Beim Blasen schloß meine Großmutter die Augen. Als sie meinte, genug geblasen zu haben, öffnete sie die Augen nacheinander und biß mit Durchblick gewährenden, sonst fehlerlosen Schneidezähnen zu, gab das Gebiss sogleich wieder frei, hielt die halbe, noch zu heiße Kartoffel mehlig und dampfend in offener Mundhöhle [...] Wie kann man nur diesen simplen Akt eines Kartoffelfeuers in so poetischen Worten fassen? Wenn man sich in die Blechtrommel eingelesen hat und die Sprache Grass versteht, dann fällt einem auf, dass hier gepfiffen und geblasen wird, ein spitzer Stock spießt und führt zu den Lippen, zum Mund, die warme Frucht. Diese Worte sind ganz bewusst gewählt, um die Sinnlichkeit dieses Akts des Essens zu verdeutlichen. Ich bin wirklich kein Kenner oder ausgesprochener Liebhaber von Lyrik, aber diese Art der Schilderung sprach mich sehr an. Das ist ganz große Literatur für mich. Schade, dass sich dieses Niveau nicht bis zum Ende aufrecht erhielt und ähnliche Beschreibungen im 3. Teil (Auf dem Kokosteppich) nur noch enttäuschend waren. Die Blechtrommel ist eine unbedingte Leseempfehlung. Vom 3. Teil sollte man sich nicht beeindrucken oder abhalten lassen. Man kann das Buch auch ohne weiteres nach der Danziger Zeit beenden. Aber diese ersten beiden Teile muss man gelesen haben.

Die Blechtrommel
Die Blechtrommelvon Günter GrassSteidl Verlag