8. Apr. 2025
Bewertung:4.5

Siegfried Lenz "Deutschstunde" ist kein Buch, das sich einfach in ein paar Tagen lesen lässt. Es ist ein Buch, das sich Zeit nimmt seine Geschichte zu erzählen und im Gegenzug dazu die Zeit einfordert, die es braucht um diese zu lesen. Ich denke nicht das ich jemals zuvor eine Geschichte gelesen habe, die sprachlich so sanft, ruhig und anschaulich geschrieben war, wie diese. Die langen, für den 'ungeübten' Klassik-Leser vielleicht etwas befremdlich wirkenden, Beschreibungen sind dabei keinesfalls Fehl am Platz, sondern essentiell wichtig für die Geschichte und ihre Sprach- und Erzählmelodie. Nimmt man sich die Zeit dem Buch zuzuhören findet man etwas fantastisches: vielleicht keine weltanschauungserschütternde Erkenntnis, aber doch etwas wichtiges: Verständnis.

Deutschstunde
Deutschstundevon Siegfried LenzSpaß am Lesen
21. März 2025
Bewertung:3.5

Interessant, aber laaaaaaaang...

Die Geschichte an sich ist durchaus interessant und auch wenn ich zweimal kurz davor war es abzubrechen, konnte ich mich dann doch nicht überwinden das Buch einfach zur Seite zu legen. Es gibt sehr viele Beschreibungen von Räumen die man hätte (meiner Meinung) nach weglassen können. Im Allgemeinen wird sehr viel drum herum geredet. Aber irgendwie möchte man dann doch wissen wie die Geschichte sich entwickelt und ausgeht, man muss halt wirklich die "wichtigen" Informationen aus dem Ganzen Rausfiltern. Wie oben schon geschrieben ein interessantes Buch, aber sehr langatmig. Werde mir wahrscheinlich noch den Film dazu anschauen.

Deutschstunde
Deutschstundevon Siegfried LenzSpaß am Lesen
16. März 2025
Bewertung:3.5

Ein Buch zum gemeinsamen Lesen

Dieser Roman hat mich echt gefordert. Teilweise liest sich das Buch flüssig, wird sogar etwas spannend. Größtenteils ist es allerdings sehr dicht und zäh geschrieben. Trotzdem ist es durchweg interessant und unmittelbar. Ich bin der Meinung, man sollte es mit anderen zusammen lesen und sich ständig darüber austauschen. Dadurch bekommt der Inhalt noch mehr Gewicht. Rückblickend bin ich froh, mich an dieses Werk getraut zu haben.

Deutschstunde
Deutschstundevon Siegfried LenzSpaß am Lesen
17. Aug. 2024
Bewertung:3.5

Ein wichtiges Buch zur Aufarbeitung deutscher Geschichte leider manchmal etwas langatmig

Wer von euch hält sich für pflichtbewusst? Finger hoch!👆🏻 Uwe Jepsen ist ein Ausbund an Pflichtbewusstsein. So sehr, dass er sogar über die Gültigkeit der Pflicht hinaus es für seine Aufgabe hält, ihr nachzukommen. Er ist Polizist im fiktiven Rugbüll unter der Herrschaft der Nationalsozialisten, die gegen den Maler Max Ludwig Nansen (eine Reminiszenz an Nolde/Beckmann/Kirchner) ein Malverbot verhängt haben. Jepsen überbringt die Botschaft und beaufsichtigt gewissenhaft die Entsorgung der Kunstwerke und die Einhaltung des Verbots. Sein Sohn Siggi versteht die Hartherzigkeit des Vaters nicht. Er versteckt Bilder des Malers. Als die Schreckensherrschaft endet fühlt sich Uwe Jepsen nach seiner Entnazifizierung immer noch dafür verantwortlich, den Maler zu schikanieren und seine Bilder zu vernichten. Als er seinem Sohn auf die Schliche kommt, der gegen ihn arbeitet, nimmt er auch diesen in die Mangel. Siggi entwickelt daraufhin die Manie die Bilder des Malers entwenden und verstecken zu müssen. Er wird erwischt und landet in einer Erziehungsanstalt. Dort schreibt er einen Aufsatz über die „Freuden der Pflicht“ und das Ergebnis lesen wir in dem Roman. Siegfried Lenz Meisterwerk wurde nach seinem Erscheinungsjahr 1968 eins der meistverkauften Bücher in der die Deutschstunde nicht nur einen Aufsatz darstellt, sondern auch deutsche Geschichte aufarbeitet. Schnell wurde es zur Schullektüre. Ich habe es allerdings jetzt zum ersten Mal gelesen. Lenz hat hier gleich dreimal Menschen in die Pflicht genommen. Uwe Jepsen, der aus blindem Gehorsam Macht ausübt und sie in Pflichtbewusstsein verkleidet, den Maler Nansen, der es unermüdlich als seine Pflicht ansieht sich dem Druck des Polizisten nicht zu beugen und letztendlich Siggi, der sie umkehrt und eine pathologische Pflicht entwickelt, die Bilder zu retten. Uwe Jepsen ist ein kalter, von sich selbst und den Menschen enttäuschter Mann, der sogar seine Söhne opfern würde, um nach außen hin als fleißiger und gewissenhafter Staatsdiener dazustehen. Er ist blind für Veränderung und die Gefühle seiner Familie. Der Plot ist in Norddeutschland angesetzt, und der Menschenschlag ist auch durch die Sprache gut wiedergegeben. Mir war’s allerdings das ein ums andere Mal zu ausschweifend und 200 Seiten weniger hätten dem Roman ganz gut getan. Durch die Fülle an direkten und indirekten Dialogen, in denen sich Sätze wiederholten und Gespräche stattfanden, die nichts zur Handlung beitrugen, wich die Handlung immer wieder ab, was dem Spannungsbogen schadet. Lenz bediente sich da beides stilistischen mittels wörtliche Rede nicht durch Anführungszeichen zu kennzeichnen, also damals gab’s das auch schon. Die Geschichte wird in zwei Perspektiven erzählt, jeweils von Siggi‘s Ich ausgehend: im Rückblick und in der damaligen Gegenwart der Besserungsanstalt. Zum Schluss hätte ich mir den Plot etwas runder gewünscht, wobei ich mit dem offenen Ende gut leben kann. Inhaltlich ist dies aber ein wichtiges Buch und die Frage danach, wann Verantwortungsbewusstsein endet und Machtmissbrauch beginnt, ist auch heute wieder aktueller geworden. Die Parallelen zu realen Malern sind mir sofort ins Auge gefallen. Allerdings scheint Lenz, als er den Roman geschrieben hat, die nationalsozialistische Vergangenheiten Noldes noch nicht klar gewesen zu sein. Ein wichtiger, moderner Klassiker, der manchmal etwas ausufert, trotzdem aber lesenswert deutsche Geschichte aufarbeitet.

Deutschstunde
Deutschstundevon Siegfried LenzSpaß am Lesen
26. Juli 2024
Bewertung:2

Ich musste es für meinen Deutsch-LK lesen, da es Abitur Pflichtlektüre am beruflichen Gymnasium in NRW ist. Ich fürchte meine Schüler werden dieses 600 Seiten-Monster nicht schaffen....

Oh man. In diesem Buch geht es um Siggi Jepsen, der in einer Jugendbesserungsanstalt einen Deutsch-Aufsatz verfassen soll mit dem Thema "die Freuden der Pflicht". In diesem Aufsatz erzählt er von seiner Vergangenheit zu Zeiten des Nationalsozialismus, als sein Vater, der Polizeiposten Rügbüll, das von den Nationalsozialisten auferlegte Malverbot bei seinem guten Freund, dem Maler Nansen, durchsetzten sollte. Naja, die Story ist vielleicht ein wenig bewegend, spannend eher weniger. Sprachlich ist das Werk eine echte Herausforderung. Wäre nun nichts, was ich in meiner Freizeit lesen würde. Ich fürchte, dass meine SchülerInnen erhebliche Probleme beim Lesen haben werden

Deutschstunde
Deutschstundevon Siegfried LenzSpaß am Lesen
26. Juli 2024
Bewertung:3

Ansich eine spannende Geschichte aber, leider viel zu langatmig erzählt.

Durch die vielen Zeitsprünge und das Einstreuen unwichtiger Informationen über Landschaft und Ausblick aus dem Fenster kam beim Lesen häufig Langeweile auf und die Spannung war völlig verbannt. Insgesamt gesehen aber eine sehr tiefgründige Story, die zum Nachdenken, Hinterfragen und Mitfühlen anregt.

Deutschstunde
Deutschstundevon Siegfried LenzSpaß am Lesen
14. Apr. 2024
Bewertung:4

I found it very curious that the German lesson was about "The Pleasures of Duty". It was a perfect coincidence that I read the book more out of a sense of duty. Does it make us humans happy to fulfill duties? Especially for us Germans? Aren't our reading projects and challenges on Goodreads also slightly obsessive challenges that reveal the joys of duty to us? So, right up my alley. Lenz, however, is not about duty stemming from one's own goals, but about the blind obedience that has led an entire nation to justify atrocities with reference to obedience. Siggi Jepsen sits as a 21-year-old in a home for boys who are difficult to educate and has to write an essay on the aforementioned topic, initially refuses, then has to serve detention and then (also out of a sense of duty?) writes down his childhood and youth history in a kind of obsession, for days he voluntarily allows himself to be locked up in order to finish the punishment work. He has suffered in the village on the North Sea just before the Danish border under his father, Rugbüll's police chief, who embodies blind obedience. He has to supervise the painting ban of a painter friend and becomes so absorbed in this task that friendships and even his own family break down because of his sense of duty and value system. He even shows no consideration for his own children and disowns all three. Lenz works through the Nazi era with this novel. I liked the fact that he doesn't pinpoint the essence of the German masses on the worst crimes of all (war, Holocaust), but instead singles out the crime against freedom and art. The internal plot is written in the first person format. Quasi as an essay by Siggi. Linguistically, I noticed that Siegfried Lenz is very good at switching styles between narrative perspectives. Siggi's essay has a partly youthful language, while the frame story is sometimes written more ironically or scientifically. I was disturbed, however, by the boy's epic and very detail-oriented style. For a school essay, it is simply not authentic. Only a few people can describe a landscape down to the smallest detail as Siegfried Lenz could and therefore I would have found it easier to read with an authorial narrator. However, Lenz is consistent, because only things are described that Siggi also experienced. There catch like impressions through a keyhole or take fragments of conversation incompletely. The inhuman memory of Siggi really bothered me. The book is in the internal plot therefore partly exhausting to read. I felt more comfortable in the frame story in the home. So I came to understand with the book that blind obedience can lead to downfall. This was not new to me. It would have been interesting to me to know why Siggi's father was such an obsessive policeman and rule-keeper. And there we come to the weakness of the book. It is a novel and considered as such, it is outstandingly good. But he has taken on a subject that, in its complexity, would have worked better as an essay, nonfiction book, or scholarly treatise. What is German, after all? What constitutes our being German? Why is the fulfillment of duty so close to us? Why did Siggi's father become the way he is? None of this is addressed in the book. This point of criticism leads to a one star deduction in my rating. By the way, I still find the double meaning of the book's title ingenious. The German lesson is the lesson in which Siggi has to write his essay. But ultimately, for us readers, the German lesson is also a history lesson, and it is the lesson in which students were taught not only how to read and write, but also the essence of our culture or civilization. Today, this kind of lesson hardly plays a role in German classes. There German lessons in high school are more German studies and literature and linguistics. Even though I couldn't bring myself to give it 5 stars, the book is absolutely recommended reading. I was very moved by the book. ----------------------------------------- Die im Herbst 2019 in die Kinos kommende Neuverfilmung dieses Klassikers der deutschen Nachkriegsliteratur hat mich veranlasst, endlich mal den Roman zu lesen, der schon Jahrzehnte in meinem Bücherregal mich herausfordernd anschaute. Das klingt fast so, als ob ich mich verpflichtet gefühlt habe, dieses Werk zu lesen. Ich interessiere mich für diese Zeit der Literaturgeschichte und empfand es als Wissenslücke. Also war es schon etwas mehr Pflicht als Lust als ich zu diesem Wälzer gegriffen habe. Womit wir beim Thema wären. Denn ich empfand es als sehr kurios, dass es in der Deutschstunde ausgerechnet „Um die Freuden der Pflicht“ geht. Das traf sich ja prima, dass ich das Buch mehr aus Pflichtgefühl las. Macht es uns Menschen froh, Pflichten zu erfüllen? Insbesondere uns Deutschen? Sind unsere Lesevorhaben und Challenges auf Goodreads nicht auch schon leicht in zwanghaft gehende Herausforderungen, die die Freuden der Pflicht uns offenbaren? Also, genau mein Thema. Lenz geht es aber nicht um die Pflicht, die aus den eigenen Zielen herrühren, sondern um den blinden Gehorsam, der eine ganze Nation dazu veranlasst hat, Gräueltaten mit Verweis auf den Gehorsam zu rechtfertigen. Siggi Jepsen sitzt als 21jähriger im Heim für schwer erziehbare Jungs und muss einen Aufsatz über das genannte Thema schreiben, verweigert sich zunächst, muss daraufhin nachsitzen und schreibt dann (auch aus Pflichtgefühl?) in einer Art Obsession seine Kindheits- und Jugendgeschichte auf, tagelang lässt er sich freiwillig einsperren, um die Strafarbeit zu beenden. Gelitten hat er an dem Dorf an der Nordsee kurz vor der dänischen Grenze unter dem Vater, dem Polizeiposten Rugbülls, der den blinden Gehorsam verkörpert. Er muss das Malverbot eines befreundeten Malers überwachen und steigert sich derart in diese Aufgabe hinein, dass Freundschaften und sogar die eigene Familie an seinem Pflichtgefühl und Wertesystem zerbrechen. Er nimmt sogar keine Rücksicht auf die eigenen Kindern und verstößt alle Drei. Lenz arbeitet mit diesem Roman die Nazizeit auf. Mir hat gefallen, das er das Wesen der Masse der Deutschen nicht an den schlimmsten Verbrechen überhaupt (Krieg, Holocaust) festmacht, sondern sich dafür das Verbrechen an der Freiheit und an der Kunst heraussucht. Dadurch wird das Verlangen des Vaters nach Recht und Ordnung nur noch absurder. Neben der Rahmenhandlung in dem Heim, spielt der Roman weitgehend in der Binnenhandlung im Jahr 1944/45 in Rugbüll. Siggi begleitet zu Beginn seinen Vater noch bei dessen Aufgaben, wobei Ole Jepsen noch einen Widerwillen in sich trägt, als er das von Berlin angeordnete Malverbot dem entarteten Künstler als Brief überbringt. Er weißt Siggi aber schon zurecht: „daß einer sich treu bleiben muss. Daß er seine Pflicht ausüben muss, auch wenn die Verhältnisse sich ändern. Ich meine anerkannte Pflicht!“ Auch wenn Vater Jespen kein Mitschuld an den Verbrechen des Nationalsozialismus trägt, so bereitet er doch der Idee eine Bahn, wenn er in Uniform gekleidet, nicht daran zweifelt, jeden Befehl der Obrigkeit zur Ausführung zu bringen. Als er Nachkriegsende von den Engländern verhaftet wird und für einige Wochen in Gewahrsam bleibt, erfahren wir nicht, wie er sein Verhalten in den Jahren zuvor verteidigt. Wir können es uns aber denken (er hat nur seine Pflicht getan). Seine zentrale Aussage im Buch ist für mich: „Ich frage nicht, was einer gewinnt dabei, wenn er seine Pflicht tut, ob es einem nützt oder so. Wo kämen wir hin, wenn wir uns bei allen fragten: und was kommt danach? Seine Pflicht, die kann man doch nicht nach Laune tun.“ Und was ist mit Siggis Verlangen, die entartete Kunst vor dem Vernichtungswahn des Vaters zu retten? Handelt er auch pflichtbewusst? Er handelt ähnlich akribisch, aber er handelt zumindest aus einem freien Willen, kein Mensch hatte ihn angewiesen dazu. Und so kämpft Pflicht gegen freien Willen mit gegenläufigen Interesse sind. Dann kann es nur Verlierer geben. Letztlich ist der Vater alleine und die Kinder traumatisiert in der Ferne. Die Binnenhandlung ist im Ich-Format geschrieben. Quasi als Aufsatz Siggis. Sprachlich fiel mir auf, dass Siegfried Lenz sehr gut den Stil zwischen den Erzählperspektiven wechseln kann. Siggis Aufsatz hat eine teilweise jugendlich Sprache, während die Rahmenhandlung auch mal ironischer oder wissenschaftlicher geschrieben ist. Gestört hat mich allerdings der epische und sehr detailverliebt Stil des Jungen. Für einen Schulaufsatz ist es einfach nicht authentisch. Nur wenige Menschen können eine Landschaft so bis ins Kleinste beschreiben, wie das Siegfried Lenz konnte und daher hätte ich mir beim Lesen mit einem auktorialen Erzähler einfacher getan. Konsequent ist Lenz aber schon, denn es werden nur Sachen beschrieben, die Siggi auch erlebte. Da erhaschen wie Impressionen durch ein Schlüsselloch oder nehmen Gesprächsfetzen unvollständig war. Das unmenschliche Erinnerungsvermögens von Siggi machte mir wirklich zu schaffen. Das Buch ist in der Binnenhandlung daher teilweise anstrengend zu lesen. In der Rahmenhandlung im Heim fühlte ich mich wohler. Ich lernte mit dem Buch also zu verstehen, dass blinder Gehorsam zum Untergang führen kann. Das war mir nicht neu. Interessant wäre es für mich gewesen, warum Siggis Vater so ein versessener Polizist und Regeleinhalter war. Und da kommen wir zur Schwäche des Buchs. Es ist ein Roman und als solches betrachtet, ist er herausragend gut. Er hat sich aber ein Thema vorgenommen, das in seiner Komplexität eher als Essay, Sachbuch oder wissenschaftliche Abhandlung funktioniert hätte. Was ist denn deutsch? Was macht unser Deutschsein aus? Warum liegt uns die Pflichterfüllung so nahe? Warum ist Siggis Vater so geworden, wie er ist? All das wird im Buch nicht thematisiert. Diese Kritikpunkt führt zu einem Stern Abzug in der Bewertung bei mir. Genial finde ich übrigens noch die Doppeldeutigkeit des Buchtitels. Die Deutschstunde ist die Unterrichtseinheit, in der Siggi seinen Aufsatz schreiben muss. Aber letztlich ist die Deutschstunde für uns Leser auch eine Geschichtsstunde und es ist die Stunde, in der Schülern nicht nur lesen und schreiben beigebracht wurde, sondern auch das Wesen unserer Kultur oder Zivilisation. So etwas spielt heute im Deutschunterricht bestimmt kaum noch eine Rolle. Da ist Deutschunterricht in der Oberstufe mehr Germanistik und Literatur- und Sprachwissenschaft. Auch wenn ich mich nicht für 5 Sterne durchringen konnte, ist das Buch eine absolute Leseempfehlung. Das Buch hat mich sehr bewegt. Ich freue mich auf Ulrich Noethen als pflichtversessenen Polizeiposten im Herbst. Ach ja, steckt nun in uns Deutschen nicht doch irgendwie immer ein Vater Jepsen? Müssen wir unsere Hobbies auch noch mit Pflichterfüllung garnieren, Schritte zählen, SuB abbauen und beim Geocachen Challenges erfüllen. Mir kommt es so vor, dass in den amerikanischen Gruppen auf Goodreads nicht so viel über Pflicht gesprochen wird, wie in den deutschen Gruppen. Gibt es andere Nationen, die sich für gelesene Bücher ein Punktekonto anlegen, die sie dann nach festgelegten Regeln in Neubücher umwandeln können? Keine Anklage, ich brauche die Pflicht auch in meinem Leben, denn ohne sie gäbe es keine Struktur. Aber ab und zu ein gelassenes C’est la vie oder Inschallah würde uns guttun. Das habe ich aus der Deutschstunde mit in mein eigenes Leben genommen. Alle Biedermeier und Brandstifter der rechten Parteien in unserem Land können aber noch viel mehr aus dem Buch für ihr Leben zum Reflektieren mitnehmen.

Deutschstunde
Deutschstundevon Siegfried LenzSpaß am Lesen
23. Feb. 2024
Bewertung:4

I found it very curious that the German lesson was about "The Pleasures of Duty". It was a perfect coincidence that I read the book more out of a sense of duty. Does it make us humans happy to fulfill duties? Especially for us Germans? Aren't our reading projects and challenges on Goodreads also slightly obsessive challenges that reveal the joys of duty to us? So, right up my alley. Lenz, however, is not about duty stemming from one's own goals, but about the blind obedience that has led an entire nation to justify atrocities with reference to obedience. Siggi Jepsen sits as a 21-year-old in a home for boys who are difficult to educate and has to write an essay on the aforementioned topic, initially refuses, then has to serve detention and then (also out of a sense of duty?) writes down his childhood and youth history in a kind of obsession, for days he voluntarily allows himself to be locked up in order to finish the punishment work. He has suffered in the village on the North Sea just before the Danish border under his father, Rugbüll's police chief, who embodies blind obedience. He has to supervise the painting ban of a painter friend and becomes so absorbed in this task that friendships and even his own family break down because of his sense of duty and value system. He even shows no consideration for his own children and disowns all three. Lenz works through the Nazi era with this novel. I liked the fact that he doesn't pinpoint the essence of the German masses on the worst crimes of all (war, Holocaust), but instead singles out the crime against freedom and art. The internal plot is written in the first person format. Quasi as an essay by Siggi. Linguistically, I noticed that Siegfried Lenz is very good at switching styles between narrative perspectives. Siggi's essay has a partly youthful language, while the frame story is sometimes written more ironically or scientifically. I was disturbed, however, by the boy's epic and very detail-oriented style. For a school essay, it is simply not authentic. Only a few people can describe a landscape down to the smallest detail as Siegfried Lenz could and therefore I would have found it easier to read with an authorial narrator. However, Lenz is consistent, because only things are described that Siggi also experienced. There catch like impressions through a keyhole or take fragments of conversation incompletely. The inhuman memory of Siggi really bothered me. The book is in the internal plot therefore partly exhausting to read. I felt more comfortable in the frame story in the home. So I came to understand with the book that blind obedience can lead to downfall. This was not new to me. It would have been interesting to me to know why Siggi's father was such an obsessive policeman and rule-keeper. And there we come to the weakness of the book. It is a novel and considered as such, it is outstandingly good. But he has taken on a subject that, in its complexity, would have worked better as an essay, nonfiction book, or scholarly treatise. What is German, after all? What constitutes our being German? Why is the fulfillment of duty so close to us? Why did Siggi's father become the way he is? None of this is addressed in the book. This point of criticism leads to a one star deduction in my rating. By the way, I still find the double meaning of the book's title ingenious. The German lesson is the lesson in which Siggi has to write his essay. But ultimately, for us readers, the German lesson is also a history lesson, and it is the lesson in which students were taught not only how to read and write, but also the essence of our culture or civilization. Today, this kind of lesson hardly plays a role in German classes. There German lessons in high school are more German studies and literature and linguistics. Even though I couldn't bring myself to give it 5 stars, the book is absolutely recommended reading. I was very moved by the book. ----------------------------------------- Die im Herbst 2019 in die Kinos kommende Neuverfilmung dieses Klassikers der deutschen Nachkriegsliteratur hat mich veranlasst, endlich mal den Roman zu lesen, der schon Jahrzehnte in meinem Bücherregal mich herausfordernd anschaute. Das klingt fast so, als ob ich mich verpflichtet gefühlt habe, dieses Werk zu lesen. Ich interessiere mich für diese Zeit der Literaturgeschichte und empfand es als Wissenslücke. Also war es schon etwas mehr Pflicht als Lust als ich zu diesem Wälzer gegriffen habe. Womit wir beim Thema wären. Denn ich empfand es als sehr kurios, dass es in der Deutschstunde ausgerechnet „Um die Freuden der Pflicht“ geht. Das traf sich ja prima, dass ich das Buch mehr aus Pflichtgefühl las. Macht es uns Menschen froh, Pflichten zu erfüllen? Insbesondere uns Deutschen? Sind unsere Lesevorhaben und Challenges auf Goodreads nicht auch schon leicht in zwanghaft gehende Herausforderungen, die die Freuden der Pflicht uns offenbaren? Also, genau mein Thema. Lenz geht es aber nicht um die Pflicht, die aus den eigenen Zielen herrühren, sondern um den blinden Gehorsam, der eine ganze Nation dazu veranlasst hat, Gräueltaten mit Verweis auf den Gehorsam zu rechtfertigen. Siggi Jepsen sitzt als 21jähriger im Heim für schwer erziehbare Jungs und muss einen Aufsatz über das genannte Thema schreiben, verweigert sich zunächst, muss daraufhin nachsitzen und schreibt dann (auch aus Pflichtgefühl?) in einer Art Obsession seine Kindheits- und Jugendgeschichte auf, tagelang lässt er sich freiwillig einsperren, um die Strafarbeit zu beenden. Gelitten hat er an dem Dorf an der Nordsee kurz vor der dänischen Grenze unter dem Vater, dem Polizeiposten Rugbülls, der den blinden Gehorsam verkörpert. Er muss das Malverbot eines befreundeten Malers überwachen und steigert sich derart in diese Aufgabe hinein, dass Freundschaften und sogar die eigene Familie an seinem Pflichtgefühl und Wertesystem zerbrechen. Er nimmt sogar keine Rücksicht auf die eigenen Kindern und verstößt alle Drei. Lenz arbeitet mit diesem Roman die Nazizeit auf. Mir hat gefallen, das er das Wesen der Masse der Deutschen nicht an den schlimmsten Verbrechen überhaupt (Krieg, Holocaust) festmacht, sondern sich dafür das Verbrechen an der Freiheit und an der Kunst heraussucht. Dadurch wird das Verlangen des Vaters nach Recht und Ordnung nur noch absurder. Neben der Rahmenhandlung in dem Heim, spielt der Roman weitgehend in der Binnenhandlung im Jahr 1944/45 in Rugbüll. Siggi begleitet zu Beginn seinen Vater noch bei dessen Aufgaben, wobei Ole Jepsen noch einen Widerwillen in sich trägt, als er das von Berlin angeordnete Malverbot dem entarteten Künstler als Brief überbringt. Er weißt Siggi aber schon zurecht: „daß einer sich treu bleiben muss. Daß er seine Pflicht ausüben muss, auch wenn die Verhältnisse sich ändern. Ich meine anerkannte Pflicht!“ Auch wenn Vater Jespen kein Mitschuld an den Verbrechen des Nationalsozialismus trägt, so bereitet er doch der Idee eine Bahn, wenn er in Uniform gekleidet, nicht daran zweifelt, jeden Befehl der Obrigkeit zur Ausführung zu bringen. Als er Nachkriegsende von den Engländern verhaftet wird und für einige Wochen in Gewahrsam bleibt, erfahren wir nicht, wie er sein Verhalten in den Jahren zuvor verteidigt. Wir können es uns aber denken (er hat nur seine Pflicht getan). Seine zentrale Aussage im Buch ist für mich: „Ich frage nicht, was einer gewinnt dabei, wenn er seine Pflicht tut, ob es einem nützt oder so. Wo kämen wir hin, wenn wir uns bei allen fragten: und was kommt danach? Seine Pflicht, die kann man doch nicht nach Laune tun.“ Und was ist mit Siggis Verlangen, die entartete Kunst vor dem Vernichtungswahn des Vaters zu retten? Handelt er auch pflichtbewusst? Er handelt ähnlich akribisch, aber er handelt zumindest aus einem freien Willen, kein Mensch hatte ihn angewiesen dazu. Und so kämpft Pflicht gegen freien Willen mit gegenläufigen Interesse sind. Dann kann es nur Verlierer geben. Letztlich ist der Vater alleine und die Kinder traumatisiert in der Ferne. Die Binnenhandlung ist im Ich-Format geschrieben. Quasi als Aufsatz Siggis. Sprachlich fiel mir auf, dass Siegfried Lenz sehr gut den Stil zwischen den Erzählperspektiven wechseln kann. Siggis Aufsatz hat eine teilweise jugendlich Sprache, während die Rahmenhandlung auch mal ironischer oder wissenschaftlicher geschrieben ist. Gestört hat mich allerdings der epische und sehr detailverliebt Stil des Jungen. Für einen Schulaufsatz ist es einfach nicht authentisch. Nur wenige Menschen können eine Landschaft so bis ins Kleinste beschreiben, wie das Siegfried Lenz konnte und daher hätte ich mir beim Lesen mit einem auktorialen Erzähler einfacher getan. Konsequent ist Lenz aber schon, denn es werden nur Sachen beschrieben, die Siggi auch erlebte. Da erhaschen wie Impressionen durch ein Schlüsselloch oder nehmen Gesprächsfetzen unvollständig war. Das unmenschliche Erinnerungsvermögens von Siggi machte mir wirklich zu schaffen. Das Buch ist in der Binnenhandlung daher teilweise anstrengend zu lesen. In der Rahmenhandlung im Heim fühlte ich mich wohler. Ich lernte mit dem Buch also zu verstehen, dass blinder Gehorsam zum Untergang führen kann. Das war mir nicht neu. Interessant wäre es für mich gewesen, warum Siggis Vater so ein versessener Polizist und Regeleinhalter war. Und da kommen wir zur Schwäche des Buchs. Es ist ein Roman und als solches betrachtet, ist er herausragend gut. Er hat sich aber ein Thema vorgenommen, das in seiner Komplexität eher als Essay, Sachbuch oder wissenschaftliche Abhandlung funktioniert hätte. Was ist denn deutsch? Was macht unser Deutschsein aus? Warum liegt uns die Pflichterfüllung so nahe? Warum ist Siggis Vater so geworden, wie er ist? All das wird im Buch nicht thematisiert. Diese Kritikpunkt führt zu einem Stern Abzug in der Bewertung bei mir. Genial finde ich übrigens noch die Doppeldeutigkeit des Buchtitels. Die Deutschstunde ist die Unterrichtseinheit, in der Siggi seinen Aufsatz schreiben muss. Aber letztlich ist die Deutschstunde für uns Leser auch eine Geschichtsstunde und es ist die Stunde, in der Schülern nicht nur lesen und schreiben beigebracht wurde, sondern auch das Wesen unserer Kultur oder Zivilisation. So etwas spielt heute im Deutschunterricht bestimmt kaum noch eine Rolle. Da ist Deutschunterricht in der Oberstufe mehr Germanistik und Literatur- und Sprachwissenschaft. Auch wenn ich mich nicht für 5 Sterne durchringen konnte, ist das Buch eine absolute Leseempfehlung. Das Buch hat mich sehr bewegt. Ich freue mich auf Ulrich Noethen als pflichtversessenen Polizeiposten im Herbst. Ach ja, steckt nun in uns Deutschen nicht doch irgendwie immer ein Vater Jepsen? Müssen wir unsere Hobbies auch noch mit Pflichterfüllung garnieren, Schritte zählen, SuB abbauen und beim Geocachen Challenges erfüllen. Mir kommt es so vor, dass in den amerikanischen Gruppen auf Goodreads nicht so viel über Pflicht gesprochen wird, wie in den deutschen Gruppen. Gibt es andere Nationen, die sich für gelesene Bücher ein Punktekonto anlegen, die sie dann nach festgelegten Regeln in Neubücher umwandeln können? Keine Anklage, ich brauche die Pflicht auch in meinem Leben, denn ohne sie gäbe es keine Struktur. Aber ab und zu ein gelassenes C’est la vie oder Inschallah würde uns guttun. Das habe ich aus der Deutschstunde mit in mein eigenes Leben genommen. Alle Biedermeier und Brandstifter der rechten Parteien in unserem Land können aber noch viel mehr aus dem Buch für ihr Leben zum Reflektieren mitnehmen.

Deutschstunde
Deutschstundevon Siegfried LenzSpaß am Lesen
22. Sept. 2023
Bewertung:5

Lieblingsbuch

Ein kluger Mensch hat damals herausgefunden, dass es um den Maler Emil Nolde geht. Ich habe das Buch damals sehr gemocht, obwohl es ja einige lange Längen hat. Inzwischen ist die Nolde Forschung und das Malverbot wieder etwas weiter und der verehrte Künstler soll dann doch mit den Nazis und deren Denke etwas mehr übereingestimmt haben als man es heutzutage gut finden kann.

Deutschstunde
Deutschstundevon Siegfried LenzSpaß am Lesen
28. Sept. 2022
Bewertung:4

Der Roman erzählt die Geschichte von Siggi Jepsen, dessen Vater während des 2. Weltkriegs das Malverbot der Nazis für den Maler Max Ludwig Nansen (für den Emil Nolde als Vorbild diente) durchsetzen muss. Das große Thema des Buches ist die Frage, inwiefern Pflichterfüllung zu Schuld führt. Wo hört die auferlegte Pflicht auf und beginnt die Pflicht, gegen die Pflicht zu handeln? Es fällt mir nicht leicht, eine Rezension für dieses Buch zu schreiben, denn ich bin nach seiner Lektüre etwas zwiegespalten. Einerseits handelt es sich ganz klar um gute, wichtige Literatur, an der mir auch Vieles gefallen hat, andererseits muss ich feststellen, dass ich mich im vor allem im letzten Drittel eher durchgequält habe. Und zwar vor allem dort, wo Bilder des Malers Max Ludwig Nansen oder expressionistische Malerei allgemein beschrieben werden. Diese Passagen erschließen sich mir einfach nicht. Gut gefällt mir hingegen der ironische Ton insbesondere zu Beginn des Buches. Häufig setzt Lenz als humoristisches Element Übertreibungen ein. Die zentralen Themen des Buches, Pflicht und Schuld, ziehen sich durch das gesamte Buch. Siggis Vater, der mit dem Maler aufgewachsen und befreundet ist, setzt das Malverbot rigoros durch und verweist dabei stets auf seine Pflicht, so zu handeln. Er steigert sich regelrecht in diese Aufgabe hinein und setzt sie sogar nach Ende des Krieges noch fort. Die meisten der Mitläufer und Opportunisten und auch viele Täter versteckten sich damals hinter der Ausrede, sie hätten ja nur ihre Pflicht getan. Die Fragen, die sich dem Leser stellen, sind: „Wie hättest du gehandelt? Wie schuldig hättest du dich gemacht? Und wo endet die Rechtfertigung?“ Gegen Ende scheint dieser Aspekt etwas in den Hintergrund zu treten. Doch dem ist nicht so, denn die Kinder der Kriegsgeneration, wie Siggi, sind es, die für die Handlungen ihrer Eltern oft indirekt einstehen, die ihre Schuld erkennen und aufarbeiten. Der Roman ist schwere Kost, aber man sollte ihn gelesen haben. Er gehört unbedingt zur deutschen Nachkriegsgeschichte.

Deutschstunde
Deutschstundevon Siegfried LenzSpaß am Lesen