Das Versprechen
Auf dem Mädchen Siss lastet ein folgenschweres Versprechen, seit sie die zurückgezogene Unn bei sich zu Hause besucht hat und dort etwas erfuhr. Was diesen Roman so einnehmend macht, ist, dass man selbst die Schwere des Versprechens auf sich spürt, während Siss sich immer mehr in der unsichtbaren Schlinge ihrer Gefühle befindet. Ihre Gedanken rund um die Verantwortung, die sie Unn gegenüber empfindet, waren ebenso abstrakt wie nachvollziehbar, wodurch der Konflikt der Protagonistin mehr als spürbar wurde. Auch wenn die Dialoge für einige Leser etwas zu sachlich und hölzern wirken könnten, haben sie mich sehr beeindruckt. Denn es ist deutlich zu spüren, dass hier jedes Wort sorgfältig ausgewählt wurde - und keines verfehlt seine Wirkung. Zusammen mit den winterlichen Beschreibungen der norwegischen Landschaft ergibt sich ein dichtes Bild, das vom ersten Wort an von einem eisigen Schleier überzogen ist. Die Art und Weise wie der Erzähler uns der Wahrheit näher bringt und uns doch einer endgültigen Gewissheit beraubt, ist beengend und einzigartig. Denn auch wir können nicht sprechen, können uns nicht offenbaren und sind damit eng mit Siss und Unn verbunden.