Konsequent, ironisch, symbolbeladen, konservativ leichtfüßig, steuert Mosebach durch den Sumpf der Opferrituale des Status- und Machtstrebens. Auf dem Weg sich die Realität zu unterwerfen, thront Ralf Krass als Alpha und Weltenverschlinger ganz oben im gesellschaftlichen Gefüge. Wo sind die wichtigen Leute? Wo gehts die Leiter hinauf? Fresse halten, Modediktate befolgen, Unterordnung zu jedem Preis. Endlich einer der enge Grenzen zieht, ein Zukunftsweisender, der Erleichterung schafft, nicht zu viel persönliche Freiheit nutzen zu müssen. Bei Krass verstehen sich die Dinge von selbst. Mosebach spielt mit Abhängigkeiten. Lässt das ganze Personal zu einer Verlierertruppe verkommen. Untote Zombies, an denen der goldene Sand der Zeit vorbeifließt. Passiv, unbestimmt, ohne Positionierung zerfließen sie im Geschehen. Das Buch beschreibt das Nichts. Eine der bemerkenswertesten Szenen erlebt Jüngel, der Lakai von Krass, auf einer Lichtung stehend, voller rosa Blütenblätter. Die Schönheit der Natur. Aber nein, er steht in einer Blutlache. Blütenblätter waren im antiken Griechenland mit dem Blut von Helden verbunden. Welch emotionale Ambivalenz. Die Brutalität der Welt in vollkommener Schönheit zu erblicken. Heroisch ist heute niemand mehr. Die Suppe wird nicht ausgelöffelt. In dieser Demontage platziert Mosebach Lidewine. Den Antagonisten. Dynamisch, fließend, unangepasst, nur im Moment lebend, unbefangen. Sie findet überall den Ausgang. Diese Figur bildet keine harmonische Einheit und treibt insbesondere Jüngel vor sich her. Auch Krass ist durch dieses Störelement irritiert. An was glaub sie? Lässt Mosebach sie in seiner konservativ katholischen Weltanschauung, „ohne Gott ist der Mensch nichts“, Gelingen und Glück finden? Was ist denn eigentlich mit Gott? Der kommt bis jetzt nur in Persona Ralf Krass’s vor. Im letzten Drittel wird er in Kairo ausgepackt. Hier kommt der Anwalt und Moslem Mohamed ins Spiel. „Restaurieren heißt zerstören“ – die Memnonstatue war danach stumm. Das mystische ist tot. Mosebach betreibt beinharte Kritik an der Institution Kirche. Glaube wird im Buch durch Regeln und Ordnungen bestimmt. Wo ist die spirituelle Erfahrung? Wo die traditionellen Wurzeln? Wo die tiefe Verbundenheit? Erst mal die dicke Staubschicht abkratzen. Vielleicht findet sich was.
Invalid Date3. Sept. 2024
Krassvon Martin MosebachHörkultur Verlag AG