5. Aug. 2023
Bewertung:5

„Eine intrigante Natur, scheinbar sinnlos arbeitend wie der Wind, nach fernen, fremden Aufträgen, in die man nie Einsicht bekam.“ – Das Schloss (1926) Kafka hat trotz seines frühzeitigen Ablebens im Jahre 1924 ein rätselhaftes, bis heute nachhallendes Werk geschaffen, das verwirrt, herausfordert, berührt, zuweilen anekelt, vor allem aber die eigene Vorstellungskraft ganz neu auf die Probe stellt. Es ist beachtlich, wie er in „Betrachtung (1913)“ verschiedenste Gemütszustände im Leser weckt, ohne dabei den Umfang eines Absatzes überschreiten zu müssen, ebenso wie er in seinem Romanfragment „Das Schloss (1926)“ einen Monolog über 50 Seiten erstreckt, der nicht anödet, sondern berührt. Seine unbenannten, weitgehend unbeschriebenen Helden des Unwahrscheinlichen verzweifeln am Wall der vermeintlichen Sachlichkeit – behördliche Instanzen, deren Vorgänge undurchdringbar und Urteile wahllos wirken. Oder sie verzweifeln an Beziehungen, die in ihrer verflechtenden Komplexität kaum zu bewältigen sind. Was dem Herrn K. zustößt, ist dem Herrn Kafka oft schon widerfahren, was nicht zuletzt aus seinen herzzerreißenden Briefen an den Vater, oder die Geliebte Milena Jesenskà hervorgeht. Ein von Krankheit und Einsamkeit geplagter Mann, der im Schreiben einen Weg durch die Irrungen und Wirrungen des Lebens sucht, letztlich aufgeben muss und sein Werk verbrannt sehen will. Der Nichtfolgeleistung seines Korrespondentenfreundes Max Brod zum Dank ist uns sein Schaffen aber erhalten geblieben, denn Kafkas Geschichten errichten in ihrer sprachlichen Klarheit und inhaltlichen Vernebelung ein Gedankenlabyrinth, in das es sich allemal zu verirren lohnt.

Franz Kafka, Gesammelte Werke
Franz Kafka, Gesammelte Werkevon Franz KafkaAnaconda Verlag