Alsoooo... Halten wir zuerst mal fest: Ich hasse die Bücher, die ich in der Schule lesen muss immernoch. Dafür, dass es aber in die Sparte fiel, von Büchern, die ich generell nicht sehr mag, war es trotzdem ein Buch, das mir besser gefallen hat, als manch andere in der Kategorie "Klassiker". (Ich hoffe, das war verständlich) Der Schreibstil von Fontane ist weitaus angenehmer und flüssiger zu lesen, als der von zum Beispiel Goethe. Großer Pluspunkt! Die Handlung an sich war auch relativ interessant, wohingegen ich die Charaktere nicht allzu sehr mochte. Möglicherweise, weil sie etwas zu realistisch waren für meinen Geschmack. Klar, Sinn und Zweck dieser Epoche, aber "perfektere" Charaktere sind mir dann doch lieber :D
„Und eines Tages bist du wieder glücklich und ich vielleicht auch.“ - „Glaubst du‘s? Und wenn nicht? Was dann?“ - „Dann lebt man ohne Glück.“ (S. 80)
In Theodor Fontanes Roman "Irrungen, Wirrungen" geht es um eine unstandesgemäße Liebe im 19. Jahrhundert, die an den gesellschaftlichen Schranken scheitert. Lene, eine bürgerliche Näherin, und Botho, ein adeliger Offizier, verlieben sich ineinander. Doch beide wissen, dass ihre Beziehung aufgrund des Standesunterschieds keine Zukunft hat. Fontane gelingt es, die Konflikte zwischen individueller Sehnsucht und gesellschaftlichen Zwängen darzustellen. Lene ist die realistischere von beiden, sie erkennt die Grenzen ihrer Liebe von Anfang an und akzeptiert das Unvermeidliche. Botho hingegen schwankt zwischen seinen Gefühlen für Lene und den Erwartungen seiner Familie. Am Ende beugt er sich dem Druck und heiratet seine reiche Cousine Käthe. Die Geschichte ist dabei erstaunlich zugänglich, sowohl in Sprache als auch Inhalt. Trotz der distanzierten Art, wie Liebesbeziehungen damals oft geführt wurden, wirkt das Paar in manchen Momenten überraschend modern – etwa wenn sie unverheiratet gemeinsam in den Urlaub fahren. Das durfte ich vor 15 Jahren nicht 😄 Fontane zeichnet ein realistisches Bild der damaligen Gesellschaft und übt leise, aber prägnante Sozialkritik. Die Erzählung bleibt nüchtern und sachlich, typisch für den Realismus, und zeigt, wie stark die Menschen durch ihre sozialen Rollen geprägt und oft auch eingeschränkt werden. Der letzte Satz des Romans, "Gideon ist besser als Botho" unterstreicht Bothos eigenes Unbehagen über seine Entscheidung, und symbolisiert Lenes endgültige Loslösung und Neuanfang mit einem neuen Mann aus ihrer eigenen Schicht. „Irrungen, Wirrungen“ ist ein feinsinniger, gesellschaftskritischer Roman, der trotz seiner ruhigen Töne viel Tiefgang und einen Haufen Interpretationsansätze bietet. Die Distanz und Resignation der Figuren mögen heute schwer nachvollziehbar erscheinen, doch gerade diese Aspekte machen den Reiz des Werks aus. Wer sich für die sozialen Zwänge und die gesellschaftliche Realität des 19. Jahrhunderts interessiert, findet hier eine gesellschaftshistorisch interessante und zeitlose Geschichte. ⭐️⭐️⭐️⭐️
Eat the rich
Es entzückt doch immer wieder aufs äußerste von einem Adligen zu lesen, welcher so handelt, wie es eben reiche und adlige Menschen so zu tun pflegen und aufgrund dessen an den Konventionen seines eigenen Standes langsam zerbricht. Grandios!
Irrungen, Wirrungen klingt wie ein Lustspiel eines Boulevardtheaters und daher erwartete ich auch eher einen leichten Schwank oder eine Verwechselungskomödie. Fontanes kleiner Roman mag von der Handlung auch nicht weiter spektakulär sein, wenn man ihn aus heutiger Sicht betrachtet. Aber im Kontext seiner Zeit empfinde ich den Roman als sehr außergewöhnlich. Ich kann mich nicht erinnern, einen deutschen Roman des 19. Jahrhunderts je gelesen zu haben, der so realistisch die einfachen Menschen in einer Großstadt beschrieben hätte. Da ist keine verklärte Romantik über das einfache und rechtschaffene Leben der deutschen Landbevölkerung zu erkennen. Fontane beschriebt auch mal gerne Begebenheit, wie z.B. die Lebens- und Wohnverhältnisse der armen Näherin Lene auf der einen Seite und ihres Geliebten, dem Offizier Baron Botho auf der anderen Seite. Sie wohnt mit ihrer alten Mutter in einer Art Hütte auf dem Anwesens eines Gärtners am Rande von Berlin, er bewohnt eine repräsentative und stark ausstaffierte Wohnung in der Innenstadt. Aber die Unterschiede ergeben sich in erster Linie durch das gesprochene Wort. Ehrlich, gerade heraus, auch mal frivol (Frau Dörr) und meist im Dialekt spricht das einfache Volk. Der höhere Stand mit Fremdworten durchsetzt, mit Anspielungen an die Kultur und auf Hochdeutsch. Dabei sind die Anspielungen auch sehr arrogant, vor allem wenn sich die Reichen nach Figuren aus Schillers Tragödien benennen. Die Geschichte ist wie bei Effi Briest auch wieder geprägt von der Überwindung von Standesgrenzen. Und es ist halt auch kein Boulevardtheater und daher kann man kein Happyend erwarten. Liebe und Bindung ist zur damaligen Zeit keine Herzensangelegenheit, sondern traditionell geprägt durch die Kopf- und Vernunftentscheidungen. Die einfachen Leute wirken weise, gerade der Umgang Lenes mit ihrer Liebschaft zum Offizier. Die Reichen dagegen arrogant und weltentrückt, nur Botho weicht im Verlauf des Buchs ab und so wird man Zeuge, wie in ihm der Kampf zwischen Kopf und Herz abläuft. Auch wenn es aus heutiger Sicht teilweise kitschig wirken könnte, so ist der Roman für mich eine hervorragende Gesellschaftsstudie für das Stadtleben in den 1870er Jahren. Hat mir überraschend gut gefallen.
Irrungen, Wirrungen klingt wie ein Lustspiel eines Boulevardtheaters und daher erwartete ich auch eher einen leichten Schwank oder eine Verwechselungskomödie. Fontanes kleiner Roman mag von der Handlung auch nicht weiter spektakulär sein, wenn man ihn aus heutiger Sicht betrachtet. Aber im Kontext seiner Zeit empfinde ich den Roman als sehr außergewöhnlich. Ich kann mich nicht erinnern, einen deutschen Roman des 19. Jahrhunderts je gelesen zu haben, der so realistisch die einfachen Menschen in einer Großstadt beschrieben hätte. Da ist keine verklärte Romantik über das einfache und rechtschaffene Leben der deutschen Landbevölkerung zu erkennen. Fontane beschriebt auch mal gerne Begebenheit, wie z.B. die Lebens- und Wohnverhältnisse der armen Näherin Lene auf der einen Seite und ihres Geliebten, dem Offizier Baron Botho auf der anderen Seite. Sie wohnt mit ihrer alten Mutter in einer Art Hütte auf dem Anwesens eines Gärtners am Rande von Berlin, er bewohnt eine repräsentative und stark ausstaffierte Wohnung in der Innenstadt. Aber die Unterschiede ergeben sich in erster Linie durch das gesprochene Wort. Ehrlich, gerade heraus, auch mal frivol (Frau Dörr) und meist im Dialekt spricht das einfache Volk. Der höhere Stand mit Fremdworten durchsetzt, mit Anspielungen an die Kultur und auf Hochdeutsch. Dabei sind die Anspielungen auch sehr arrogant, vor allem wenn sich die Reichen nach Figuren aus Schillers Tragödien benennen. Die Geschichte ist wie bei Effi Briest auch wieder geprägt von der Überwindung von Standesgrenzen. Und es ist halt auch kein Boulevardtheater und daher kann man kein Happyend erwarten. Liebe und Bindung ist zur damaligen Zeit keine Herzensangelegenheit, sondern traditionell geprägt durch die Kopf- und Vernunftentscheidungen. Die einfachen Leute wirken weise, gerade der Umgang Lenes mit ihrer Liebschaft zum Offizier. Die Reichen dagegen arrogant und weltentrückt, nur Botho weicht im Verlauf des Buchs ab und so wird man Zeuge, wie in ihm der Kampf zwischen Kopf und Herz abläuft. Auch wenn es aus heutiger Sicht teilweise kitschig wirken könnte, so ist der Roman für mich eine hervorragende Gesellschaftsstudie für das Stadtleben in den 1870er Jahren. Hat mir überraschend gut gefallen.
Das von Gert Westphal gelesene Hörbuch ist ein absolutes Highlight! Er nimmt wunderbar die Stimmungen (Humor, Resignation, Gesellschaftsdruck, Verliebtheit u.a.) der Charaktere ins Gelesene mit auf, sodass die Sprache, die sich aus heutiger Sicht ungewohnt anfühlen könnte, gar nicht so angestaubt wirkt, sondern zum Mitfühlen einlädt.