3 Tage vor
Bewertung:5

»Ich kann mein inneres Verhalten zur Welt, oder zur Gesellschaft, nicht anders als widerspruchsvoll bezeichnen.«

Der Günstling Felix Krull versteht es andere um den Finger zu wickeln, sich selbst zu gefallen und dabei nie sein inneres Schmunzeln zu verlieren, wenn er bestimmte Eigenheiten seiner Mitmenschen auf freche, süffisante und doch stets gut durchdachte Weise kontert und diese gleichermaßen auf die Schippe nimmt. So erleben wir ihn, der als kleiner Junge, als Sohn eines Champagnerfabrikantens, schon versteht, die Welt um ihn herum so auszulegen, wie er sie gerne hätte. Nach dem Tod seines Vaters soll er den Militärdienst antreten, doch kann er sich in einer genial beschriebenen Musterungsszene herauswinden und reist nach Paris, um in den Dienst des pompösen Hotels Saint James and Albany zu treten. Auf seinem Weg dahin gerät er in den Besitz eines Schmuckkästchens und schon bald soll er wieder mit der Besitzerin zusammentreffen. Und das auf ganz unvorhersehbare Art. Es entwickelt sich eine komödiantische, erotische Liebesnacht, die viel über den Autor selbst verrät. Anschließend geht das Abenteuer erst richtig los, denn er soll als Marquis de Venosta eine einjährige Weltreise unternehmen, die ihn zuerst nach Portugal führt. Mehr will ich gar nicht verraten, denn den Roman solltet ihr, falls ihr es nicht bereits schon getan habt, natürlich unbedingt selbst lesen. Anfangs beginnt die Handlung noch relativ gemächlich, bevor sie dann Fahrt aufnimmt und dann erst recht zu einem wirklichen Lesegenuss wird, der die humoristischen Stärken Thomas Manns deutlich hervorhebt. Der einzige große Nachteil ist, dass dieses Buch leider Fragment geblieben ist und man schneller als erwartet mit dem Ende konfrontiert wird. Ganz ohne Fortsetzung hat uns Thomas Mann glücklicherweise nicht gelassen, sondern zumindest sehr skizzenhaft den weiteren Verlauf des Romans in Notizen angedeutet.

Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull
Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krullvon Thomas MannDer Hörverlag
20. Juni 2025
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Bewertung:3

Heute möchte euch das Buch „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ von Thomas Mann, erschienen im Jahre 1954 vorstellen. Es handelt sich um einen unvollendeten Roman, der die klassischen Bildungs- und Entwicklungsromane parodiert und daher auch als Schelmenroman angesehen werden kann. Der Autor erzählt mit Ironie und feiner Psychologie von Selbstinszenierung, gesellschaftlicher Fassade und dem Spiel mit der Wahrheit. Der charmante und gewitzte Felix Krull schlägt sich mit Lügen, Verstellung und Verführung durchs Leben. Schon früh entdeckt Felix sein Talent zur Täuschung und beginnt, seine Umwelt zu manipulieren. Nach dem Zerfall seiner Familie verlässt er Frankfurt und beginnt eine Karriere als Liftboy in einem Pariser Hotel. Dort lernt er reiche Gäste kennen und erschleicht sich mit Geschick und Ausstrahlung immer neue Vorteile. Durch eine riskante Identitätsverwechslung nimmt er schließlich die Identität eines jungen Adeligen an. Felix bewegt sich erfolgreich in der gehobenen Gesellschaft und entgeht jeder Entlarvung mit Leichtigkeit. Der Schreibstil des Autors ist ausführlich, elaboriert und oft ironisch, was dem Werk seinen literarischen Feinsinn, aber auch eine gewisse Langatmigkeit verleiht. Die Sprache ist gehoben, mit vielen verschachtelten Sätzen und stilistischen Verzierungen. Thomas Mann verwendet Ironie und Humor, um die Gesellschaft und ihren Hang zur Oberflächlichkeit zu entlarven. Besonders auffällig ist die Ich-Erzähler-Perspektive, durch die Felix sich selbst überhöht und seine Taten rechtfertigt – ein klassisches Beispiel für unzuverlässiges Erzählen. Zudem finden sich zahlreiche Anspielungen auf Mythologie und Kunst, was dem Roman eine gewisse Tiefe, aber auch Schwere verleiht. Das Buch lebt mehr von Charakterstudie und Sprachkunst als von spannender Handlung – was für mich eher zäh wirkte. Die für mich interessanten Kapitel, bspw. die Musterung, stechen daher besonders hervor, weil dort mehr passiert oder der Witz stärker zur Geltung kommt. Durch die Entlarvung der Doppelmoral der bürgerlichen Gesellschaft mit feinem Humor konnte ich dem Roman bis zum Schluss folgen, da mir diese besonders gut gefallen hat. Am meisten hatte ich mich auf die angekündigte Weltreise von Felix Krull gefreut, weshalb es umso enttäuschender war, dass dieser Teil nie geschrieben wurde und der Roman für mein Empfinden zu abrupt endete. Ich bin kein großer Fan von Thomas Mann, doch seine Kurzgeschichten haben mir bisher deutlich besser gefallen als seine Langwerke, da sie prägnanter erzählt sind und nicht mit allzu detaillierten Beschreibungen überladen wirken. Ich vergebe daher 3 von 5 Sterne. ✨️

Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull
Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krullvon Thomas MannDer Hörverlag
22. Apr. 2025
Bewertung:5

Absolute Leseempfehlung!

Nach den „Buddenbrooks“ ist dies der zweite Roman von Thomas Mann, den ich im Jahr 2025 gelesen habe und es werden weitere folgen! Anfangs empfand ich diesen Roman wesentlich anspruchsvoller als die „Buddenbrooks“ kam jedoch immer besser rein und die letzten 100-150 Seiten vergingen wie im Fluge. Meinetwegen hätte der Roman noch wesentlich umfangreicher sein dürfen.

Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull
Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krullvon Thomas MannDer Hörverlag
20. Apr. 2025
Bewertung:3

Bekenntnisse eines angehenden Thomas-Mann-Lesers

3 Sterne bedeuten für mich keineswegs Mittelmaß, sondern eine lesenswerte Lektüre, die mich über weite Strecken begleitet und bereichert hat. Im Kosmos der Hoch- bzw. zeitlosen Literatur ist dieses Werk eine spielerische, von Witz und Ironie geprägte Komödie, die den Leser immer wieder zum Schmunzeln bringt. Sprachlich – wie für Thomas Mann üblich – ist es ein reiner Genuss. Ich persönlich halte ihn für den größten Sprachvirtuosen der deutschen Literatur. Seine Sätze tragen eine Eleganz, die ihresgleichen sucht. Im letzten Drittel des Romans ging mir allerdings etwas die Puste aus. Die Konzentration, all die feinen Wendungen, Nuancen und ironischen Zwischentöne aufzunehmen, ließ spürbar nach – auch, weil das Buch weniger von dramatischer Spannung lebt, sondern vielmehr von einer kunstvoll stilisierten Selbsterzählung mit subtiler Moral. Ich bin überzeugt: Bei einer zweiten, konzentrierteren Lesen hätte dieses Buch für mich das Potenzial zu 4,5 Sternen. Auch wenn es nicht mein liebstes Werk von Thomas Mann ist, würde ich es der zeitgenössischen Unterhaltungsliteratur immer wieder vorziehen – weil es fordert, formt und Spuren hinterlässt.

Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull
Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krullvon Thomas MannDer Hörverlag
26. Jan. 2025
Bewertung:4

"Es lief dies, wie man sieht, auf eine Art von Doppelleben hinaus, dessen Anmutigkeit darin bestand, dass es ungewiss blieb, in welcher Gestalt ich eigentlich ich selbst und in welcher ich nur verkleidet war. [...] Verkleidet war ich in jedem Fall. Und die unmaskierte Wirklichkeit zwischen den beiden Erscheinungsformen, das "ich selber Sein", war nicht bestimmbar, da tatsächlich nicht vorhanden." Eher durch Zufall habe ich vor einigen Wochen das Hörbuch dieses Romans angefangen, gelesen von Boris Aljinowic. Der Roman ist leider ein Fragment geblieben – ursprünglich sollten die Memoiren des Felix Krull als ein sechsteiliger Roman erscheinen, Thomas Mann schrieb jedoch nur die ersten drei Teile. Dennoch ist das Buch empfehlenswert. Der Plot ist selten mitreißend, doch es ist die wunderschöne Prosa, die mich gefesselt hat. Der Held/Antiheld Felix Krull, ein selbstverliebter Hochstapler, geht mit einer einnehmenden rhetorischen Finesse, Höflichkeit und Feinsinnigkeit durchs Leben, was ihn nicht unbedingt zu einem klassischen Sympathieträger oder einer Identifikationsfigur macht, aber auch nach der Lektüre nicht loslässt. Ich denke auch einige Wochen nach Beendigung des Romans noch immer wieder an Felix Krull und seine Abenteuer und versuche mir vorzustellen, welche Ideen Thomas Mann für den jungen Hochstapler noch gehabt haben mag. Vielleicht wollte er Felix Lebensweg aber auch bewusst offen und unserer Fantasie überlassen. Wie Krull selbst feststellt: "Das Wort ist der Feind des Geheimnisvollen und ein grausamer Verräter der Gewöhnlichkeit."

Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull
Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krullvon Thomas MannDer Hörverlag
13. Nov. 2024
Bewertung:4

Sprachlich genial (wenn man die langen, für Thomas Mann typischen Schachtelsätze, die bisweilen über mehr als eine Seite reichen zu schätzen weiß) und brilliant vorgetragen von Boris Aljinovic. Zwar mit einigen Längen (das Buch ist wahrlich kein Actionthriller), dafür aber auch mit echten Highlights (genannt seien nur die vorgetäuschte Epilepsie bei der Musterung und das scheinbare sprachliche Genie bei der Vorstellung beim Hoteldirektor!). Abrupt endet das Buch auf der ersten Station der "Weltreise" in Lissabon - es ist halt unvollendet geblieben. Insgesamt trotzdem ein echter Hörgenuss.

Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull
Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krullvon Thomas MannDer Hörverlag
2. März 2024
Bewertung:3.5

Irgendwo zwischen ellenlangen Beschreibungen und unterschwelliger Hornyness verbrigt sich ein reizender Plot

Ein Roman für den man Zeit, und in meinem Fall viel Geduld, braucht. Nachdem ich bereits einige Novellen von Thomas Mann mit großer Begeisterung gelesen habe wollte ich mich nunmehr mal an einem seiner etwas längeren Romane versuchen. An einer Stelle des Buches folgt ein mehrseitiger Absatz darüber, warum es doch wichtig ist, dass jetzt erstmal alles ganz detailgenau beschrieben werden muss, bevor wir im Plot weitermachen, gefolgt von mehrseitigen, detailgenauen Beschreibungen. Das an sich bildet eine recht gute Zusammenfassung darüber wie sich dieser Roman lesen lässt. Die Geschichte des Hauptcharakters ist interessant und unterhaltsam und auch die unfassbar langen Beschreibungen sind aufgrund ihres detailreichtums eigentlich recht interessant. Die dazwischen angesiedelten, ewig andauernden inneren und äußeren Monologe sind aber selbst mir zu viel und haben mich einige Nerven gekostet. Sprachlich ist das ganze wunderschön gehalten - nicht überraschend für einen Roman von Thomas Mann. Absolut fasziniert bin ich außerdem davon wie unterschwellig (und stellenweise sehr direkt) horny das Ganze stellenweise ist. Moderne Smut-Literatur ist langweilig dagegen.

Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull
Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krullvon Thomas MannDer Hörverlag