Stammtischgespräche
Dies ist ein überaus unangenehmes Buch. Nicht einfach nur, weil es, wie schon im Klappentext bemerkt um sexuellen Missbrauch geht. Davon erfahren wir in weiten Teilen nicht wirklich etwas, nur ab und zu wird das Ereignis angerissen, lose erwähnt. Es ist Victor selbst, der seine Geschichte in einer derben, stets zwanghaft sexualisierten Sprache erzählt. Es ist der erwachsene Victor, den man nicht mag, der so unangenehm wirkt, teilweise flüchtig, meist aber übermännlich, in seiner Sexualität roh und unsensibel. In gefühlt jedem Absatz wird gefickt, gevögelt, aber auf keinen Fall gebumst und in Kneipenmanier auch stets erklärt, warum so und nicht so. Victor beeilt sich immer, den Sex mit Rachel, seiner Ehefrau, zum Mittelpunkt zu machen und sich damit indirekt aufzuwerten. Ja, er prahlt damit, als wolle er sich damit beweisen, gern auch in Gesprächen mit anderen Männern, in Stammtischmanier. Irgendwie merkt man, dass da etwas nicht stimmen kann. Ich weiss nicht, warum ich das Hörbuch durchgehalten habe. Der Sprecher Stephan Schad macht seine Arbeit gut, liegt mir aber nicht und scheint so die unsympathische Figur Viktors noch zu unterstreichen. Für mich war es fast wie eine Tortur, aber irgendwie habe ich wohl gespürt, dass das noch nicht alles sein kann. Der Twist kommt erst auf den letzten Seiten und haut einen aus den Socken, bestürzt und macht fassungslos. Dennoch muss ich sagen, dass der Aufbau des Romans mir nicht gefallen hat und mir zu wenig durchdacht und ausbalanciert erscheint. Tatsächlich aber ist es auch ein wichtiges Buch, allein schon, weil es aufzeigt, wie gravierend ein sexueller Missbrauch auf Kinder und Jugendliche wirkt und was dann aus ihnen für Erwachsene werden kann