Niemand ist sicher - und jeder ist verdächtig
Bereits ab den ersten Seiten war ich in das Buch vertieft. Der Schreibstil ist klar und eindringlich, was perfekt zur düsteren Atmosphäre des stalinistischen Russlands passt. Ich konnte mich sehr gut in die Welt hineinversetzen – kalt, bedrückend, voller Misstrauen und Angst. Dadurch bin ich schnell in die Geschichte reingekommen und wollte das Buch kaum noch aus der Hand legen. Besonders beeindruckt hat mich der Hauptcharakter Leo Demidow. Anfangs ist er ein treuer Offizier des sowjetischen Sicherheitsdienstes, der voll und ganz an das System glaubt. Doch je mehr er hinterfragt und je mehr Zweifel ihn plagen, desto spannender wird sein innerer Konflikt. Im Sinn von: Vertraue niemandem, nicht einmal dir selbst. Diese Wandlung ist sehr glaubwürdig beschrieben und macht ihn zu einer vielschichtigen Figur, mit der man mitfühlt, auch wenn man nicht jede seiner Entscheidungen gutheißen kann. Mit Raisa, seiner Frau, hatte ich es zunächst schwer. Sie wirkte kühl, unnahbar und in ihren Reaktionen oft unverständlich. Erst im Laufe der Handlung – vor allem gegen Ende – wurde ihr Verhalten nachvollziehbarer, als sie beginnt, sich Leo gegenüber zu öffnen. Im Rückblick fand ich ihre Entwicklung sehr interessant, auch wenn es ein wenig gedauert hat, bis ich Zugang zu ihr gefunden habe. Die Spannung wird über weite Strecken konsequent aufgebaut. Die Ermittlungen rund um die grausame Kindesmordserie sind fesselnd und gut durchdacht. Es gibt mehrere Wendungen, die mich überrascht haben insbesondere gegen Ende, als plötzlich Zusammenhänge deutlich werden, mit denen ich so nicht gerechnet hätte. Ein kleiner Kritikpunkt von meiner Seite: Das Ende kam mir etwas zu plötzlich. Das ganze Buch arbeitet auf diesen Moment hin, und dann ist der Showdown relativ kurz und schnell abgehandelt. Da hätte ich mir ein etwas ausführlicheres Finale gewünscht. Fazit: Ein spannender, atmosphärisch dichter Thriller mit starker Charakterentwicklung und einer interessanten, historisch beklemmenden Kulisse. Trotz des etwas abrupten Endes hat mich das Buch begeistert – vor allem, weil die Figuren so glaubwürdig gezeichnet sind und sich stark weiterentwickeln. Ich freue mich schon sehr auf den nächsten Teil der Trilogie!