112 intensive Seiten, die man nicht mal eben so zwischendurch gelesen hat. Ich habe längere Pausen gebraucht, das eine oder andere mehrmals gelesen.
Wichtige und richtige Botschaften
Auch wenn ich den vorwurfsvollen Schreibstil von Michel Friedmann nicht ganz schön zu lesen finde, werden mir in dem Buch Dinge klar, die ich bis dato so noch nicht gesehen habe. Den größten Antisemiten wird man dadurch nicht bekehren, was auch sicher nicht die Absicht des Buches ist. Aber für Leute die mit jüdischen Mitmenschen keinen Kontakt haben, ist dieses Buch aufjeden eine klare Empfehlung!
Ein kurzes aber wichtiges Buch über den Umgang mit Antisemitismus in unserer Gesellschaft und wie offen und gefährlich er ausgelebt wird.
„In der Woche nach dem 7. Oktober 2023 bemerkt die jüdische Gemeinschaft: Etwas ist anders als sonst in Deutschland. Eine tiefe Enttäuschung. Ein Gefühl der Einsamkeit, des Alleingelassenseins macht sich breit. Das Schweigen der vielen Mehrheit der Gesellschaft klingt in jüdischen Ohren laut, es macht Angst: „Wo seid ihr? Warum tut ihr nichts? […]“ (S.18) „Dass am 7. Oktober und an den Tagen danach so wenige Menschen auf die Straße ginge oder mit anderen demonstrativen Gesten zeigen wollten: Euer Schmerz ist unser Schmerz, hat zur größten Irritation der letzten Jahrzehnte in der jüdischen Gemeinschaft geführt. Hatten die Menschen in diesem Land nicht versprochen dass, wenn auf deutschen Straßen „Tod den Juden!“ erklingt, die vielen da sein werden? Dass das Versprechen nicht gehalten wurde, hat einen tiefen Riss, eine tiefe Einsamkeit, ein tiefes Gefühl von Alleinsein hervorgerufen.[…]“ (S.20) Ein Buch mit so viel Tiefe und der harten Wahrheit-noch immer werden Juden nicht einfach als Menschen wahrgenommen. Noch immer wird ihnen ein Stempel aufgedrückt. Warum? Wieso hat die Menschheit nicht gelernt aus der Vergangenheit? Warum müssen jüdische Eltern immer noch Angst um ihre Kinder haben und versuchen diese möglichst Unauffällig und ohne Anzeichen des Judentums durch die Welt zu bringen, damit ihnen nicht geschadet wird? Dieses Buch hat soviel Wut in mir entfacht. Wut auf die Menschen, die Juden nicht als Menschen sehen. Die gegen Juden hetzen. Wut auf die Menschen, die wegsehen. Lasst uns nicht wegsehen, sondern füreinander einstehen. Denn am Ende sind wir alle eins: Menschen, unabhängig von Glauben, sexuelle Orientierung, Aussehen. Einfach nur Menschen.
"Juden sind Menschen"
Antisemitismus endete nicht mit Kriegsende und Befreiung von Jüd*innen aus KZs. Die Aussage "Aber das ist doch Jahre her, irgendwann müssen wir Geschichte auch mal ruhen lassen und nicht immer wieder drauf eingehen. Das waren doch unsere Vorfahren" ist so falsch. Ja, die jetzt aufwachsenden Generationen oder bereits erwachsenen Generationen, waren nicht die, die Menschen in KZs gesteckt haben, aber es sind die, die dafür sorgen müssen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt. Wir können nicht aufhören über die Geschichte zu reden und zu lehren, denn sie ist eben leider noch immer sehr verankert, sehr internalisiert in vielen Köpfen. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass Jüd*innen eben nicht aus Angst bestimmte Orte nicht mehr besuchen oder keine Kippa oder Davidstern mehr tragen, sondern das wir sichtbar für sie einstehen, wenn wir sehen, dass sie beleidigt, angegriffen werden - bzw dafür sorgen, dass sie überhaupt keine Angst mehr haben müssen! Juden sind Menschen und haben Menschenrechte und wer das vergessen hat, sollte dringend dieses Buch lesen. Wer das nicht vergessen hat, auch. Was ich hier mit eigenen Worten grob zusammengefasst habe, beschreibt Michel Friedman sehr genau - geht hierbei auch auf viele politische und historische Hintergründe ein, die gewisse Gerüchte und ihre Ursprünge erklären. Aber dafür, lest ihr lieber dieses Buch.
Eindrücklich geschrieben und einfach ein zeitloses Thema. Sollt jeder gelesen haben!
Soooo wichtig und immer aktuell!!!