schnörkelloser Schreibstil, hätte mir allerdings mehr Briefe mit mehr emotionalem Inhalt gewünscht
Der Roman "Die geheimnisvollen Briefe der Margaret Small" von Neil Alexander beruht tatsächlich auf wahren Begebenheiten und realen Briefen aus einer Zeit, in der Menschen mit geistiger Beeinträchtigung systematisch ausgegrenzt wurden. Das hat die Geschichte für mich persönlich umso interessanter gemacht... Aber kommen wir zuerst einmal zum Inhalt: Margaret ist 75 und zufrieden, sie erfreut sich an den kleinen Dingen des Lebens. Umso mehr, da ihr routinierter, aber selbstbestimmter Alltag für sie die große Freiheit bedeutet, denn fast ihr ganzes Leben verbrachte sie in einer Klinik für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Als eines Tages geheimnisvolle Briefe ohne Absender bei ihr ankommen, bringt sie das völlig durcheinander. Margaret vertraut sich Wayne an, ein jüngerer Mann, der sich um sie kümmert und ihr im Alltag hilft. Zusammen mit Wayne kommt Margaret nicht nur dem Ursprung der Briefe auf die Spur, sondern sie geht auch endlich die ersten Schritte, um mit ihrer Vergangenheit Frieden zu schließen... Der Schreibstil ist von Anfang an schnörkellos und die Kapitel sind angenehm kurz gehalten, sodass sich die Geschichte sehr flüssig lesen lässt und gleichzeitig leicht zugänglich bleibt. Erzählt wird auf zwei Zeitebenen aus der Sicht der Hauptprotagonistin Margaret. Deren Sprache ist einfach, ja fast schon kindlich. Daher wirkt Margaret anfangs auch ziemlich naiv und etwas dümmlich. Doch schnell wird deutlich, dass dies nicht an mangelnder Intelligenz liegt, sondern an der Art, wie sie aufgewachsen ist – nämlich ohne Zugang zu Bildung und ohne Wertschätzung oder Förderung in irgendeiner Art und Weise... Der Autor selbst hat viele Jahre mit solchen Menschen gearbeitet und zeichnet dahingehend ein ungeschöntes reales Bild einer Gesellschaft, die lieber wegschaut und in der "Hilfe" mit gleichzeitiger Unterdrückung gleichgesetzt wird. Margaret lebt nämlich in einer sogenannten "Verwahranstalt". In solchen Einrichtungen, besonders Mitte bis Ende des 20. Jahrhunderts, wurden Menschen mit geistigen, körperlichen oder sozialen Auffälligkeiten untergebracht: Waisen, Frauen mit unehelichen Kindern, Menschen mit Lernbehinderungen oder psychischen Erkrankungen. Diese Heime galten häufig nicht als Orte der Heilung oder Betreuung, sondern als Orte der Disziplinierung und Ausgrenzung. Körperliche Übergriffe, Zwangsmaßnahmen, Demütigungen und Entmündigung gehörten vielerorts zum Alltag. Obwohl das Buch somit doch recht viel Substanz bietet, bleiben ein paar größere Wermutstropfen. Einige Passagen wirken meiner Meinung nach einfach übertrieben und werden leider fast schon klischeehaft dramatisiert. Außerdem hätte ich mir auch ein paar mehr Briefe gewünscht, wenn möglich mit deutlich mehr emotionalem Inhalt... Trotzdem hat mir die Geschichte im Großen und Ganzen recht gut gefallen. Ich habe gerade für Margaret des Öfteren Mitleid empfunden, für diese unscheinbare Frau, die trotz allem versucht, ihre kleine (eigene) Welt zu verstehen.