Gut recherchiert es Werk über ein Jahrzehnt im Leben von Thomas Mann
Als im Januar diesen Jahres in Pacific Palisades Brände katastrophalen Ausmaßes Eine Schneise der Verwüstung hinter sich herzogen, wurde, das Thomas Mann Haus wie durch ein Wunder verschont. Hier hat der Schriftsteller von 1942-1952 gelebt. Und es ist Schauplatz dieses erzählenden Sachbuchs. Um dem Nationalsozialismus in Deutschland zu entfliehen, nahm der Literaturnobelpreisträger mehrere Umwege über Paris und die Schweiz, später auch Princeton in Kauf. Seine kubistische Villa im Großraum Los Angeles wurde ein stark frequentiertter Treffpunkt deutscher Exilanten. Seine Frau Katia organisierte seinen Alltag und Termine, damit „der Professor“ sich in seinem eigenen Glanze baden konnte, aber auch genug Zeit zum Schreiben hatte. Wichtig war ihm die Gespräche zu anderen Leidensgenossen zu suchen, wobei es ihm scheinbar mehr darum ging, gehört zu werden, als zuzuhören. Feuchtwanger, Schönberg. Adorno, Vicky Baum, Bertolt Brecht und die erst 16jährige Susan Sonntag, die damals noch unbekannt, aber neugierig auf Werk und Autor war, sind nur einige wenige, die uns in diesem Text begegnen. Dabei wird deutlich sichtbar, zu welchen Menschen sich Thomas Mann hingezogen fühlt – nicht besonders viele – und Feindschaften aufgedeckt. Mann war kein unkomplizierter Zeitgenosse. Er wusste um seinen Wert und lies das auch entsprechend raushängen. Sympathisch fand ich, dass er gerne Kontakt zu jungen Menschen hatte, die ihm die Welt zugänglich erachten. Seine Familie findet immer mal wieder Erwähnung allerdings sehr fragmentarisch. Die meiste Zeit wird seiner Tochter Erika gewidmet. Es entstehen natürlich auch Werke während seiner Zeit außerhalb Europas und Mittelmeier hat diese Zeit des Schaffens einfangen können. Im Vordergrund steht aber die Zerrissenheit Thomas Manns. Einerseits möchte er deutlich machen, wie sehr er die Situation seiner Heimat verachtet, wie provinziell und hässlich das Gesicht des Landes ist, dass ihn zur Entwurzelung gezwungen hat. Andererseits ist er teilweise besessen damit beschäftigt, das Gute und Schöne in Deutschland nicht außer Acht zu lassen und der Welt zugänglich zu machen. Und das in einer Zeit, in der der Nationalsozialismus alles verschlingt. Das findet sowohl in extrovertierten Reden und Gesprächen statt, als auch in der hadernden Introspektive. Martin Mittelmeier hat eine atmosphärisch dichte Bildergalerie vor meinen Augen entstehen lassen, die hell leuchtend und trotzdem minimalistisch ist. Es ist imponierend, welche Unmenge an Informationen er in diese doch recht kurzen Text gepackt hat. Die Recherchearbeit muss sehr viel Zeit gekostet haben. Die Quellenangabe hat er über einen QR-Code zugänglich gemacht, eine interessante Variante, die das Buch wahrscheinlich sehr verschlankt. Der Text ist literarisch anspruchsvoll ohne anzustrengen und spiegelt meinem Empfinden nach den Stil Thomas Manns. Ist es Mittermeiers Schreibstil, oder sind es die vielen Zitate - Ich hatte den Eindruck, der Autor sitzt lebendig neben mir und erzählt, teilweise ironisch, manchmal auch zerknirscht über ein nicht ganz freiwilliges, wenn auch komfortables Leben weit weg von zu Hause und droppt ab zwischendurch Tratsch und Klatsch über die Exil Gesellschaft. Ein Muss für alle Mann Fans und Interessierte, aber auch eine Empfehlung für Leser*innen die in dieser Zeit eine literarische Heimat finden.