Auf den Spuren eines Monsters: “Das Verschwinden des Josef Mengele” von Olivier Guez
Als ich “Das Verschwinden des Josef Mengele” von Olivier Guez in die Hand nahm, war ich unsicher, was mich erwarten würde. Ein Buch über einen der berüchtigtsten Nazi-Verbrecher? Konnte das mehr sein als eine trockene historische Abhandlung? Die Antwort ist ein klares Ja – auch wenn ich dem Buch nicht die volle Sternzahl geben kann. Guez nimmt den Leser mit auf eine beklemmende Reise durch die Nachkriegsjahre eines Mannes, der in Auschwitz als “Todesengel” bekannt wurde und dann jahrzehntelang auf der Flucht war. Die Recherche ist beeindruckend akribisch, und man spürt auf jeder Seite, wie viel Arbeit der Autor in die Rekonstruktion von Mengeles Leben im südamerikanischen Exil gesteckt hat. Was mich besonders packte, war die Art, wie Guez die innere Zerrissenheit dieses Mannes darstellt – nicht um Sympathie zu erzeugen, sondern um die Banalität des Bösen greifbar zu machen. Mengele, der sich für einen Wissenschaftler hielt und doch nur ein Schlächter war, der zwischen Größenwahn und Paranoia pendelte, während er unter falschen Namen durch Argentinien, Paraguay und Brasilien irrte. Stellenweise fand ich das Erzähltempo jedoch etwas schleppend. Manche Passagen hätten gestrafft werden können, ohne dass die Intensität der Geschichte darunter gelitten hätte. Auch hatte ich manchmal das Gefühl, dass Guez zu sehr in Details versinkt, was den Lesefluss gelegentlich bremst. Dennoch: Die beklemmende Atmosphäre, die das Buch erzeugt, hat mich nicht mehr losgelassen. Ich ertappte mich dabei, wie ich beim Lesen immer wieder innehalten musste, um das Gelesene zu verarbeiten. Die Vorstellung, dass dieser Mann, der für unvorstellbare Gräueltaten verantwortlich war, jahrzehntelang unbehelligt leben konnte, während die Welt nach ihm suchte, ist erschütternd. Besonders eindrücklich fand ich die Schilderung von Mengeles zunehmendem Realitätsverlust und seiner Verbitterung. Der Mann, der einst in den höchsten Kreisen verkehrte, endet einsam und paranoid – ein würdiges Ende, auch wenn die Gerechtigkeit in Form eines Prozesses ausblieb. Eine Frage bleibt, Sollte man dieses Buch lesen? Ich denke, Ja. Weil es uns daran erinnert, dass die Vergangenheit nie wirklich vergeht. Weil es zeigt, wie zerbrechlich unsere Zivilisation ist. Und weil es uns mahnt, wachsam zu bleiben. “Das Verschwinden des Josef Mengele” ist kein angenehmes Leseerlebnis – und das kann und soll es auch nicht sein. Es ist ein wichtiges Buch, das mich nachdenklich zurückgelassen hat, auch wenn es literarisch nicht in allen Punkten überzeugen konnte. 3,5 Sterne für ein Buch, das man nicht vergisst, auch wenn man es manchmal gerne würde.