Kurzweilige, spannende Reise durch die Abgründe der menschlichen Psyche.
"Worüber wir schweigen" habe ich in 2 Tagen durchgelesen. Die Geschichte war spannend, wobei der erste Teil sich länger anfühlte, als der zweite. Zum Ende hin war es etwas weniger ausgeschmückt und man merkt ein bisschen, dass die Autorin vielleicht auch selbst etwas aufgeregt war, die Geschichte zu Ende zu erzählen. Aber ganz ehrlich, so geht es mir auch oft. Generell hat mich der Schreibstil sehr an meinen eigenen erinnert, was aber sicher nicht für jede*n etwas ist. Knackig, ungeschönt, sarkastisch. Ich mochte es. Zu sagen, die Charaktere hätten "realistische Ecken und Kanten, die sie sympathisch machen", worauf ja immer viel Wert gelegt wird, ist hier maßlos untertrieben. Alle Protagonist*innen - bis auf Gregor vielleicht - waren mir komplett unsympathisch und vor allem Nina abgrundtief toxic. Und das war gut! Es ist schon eine Kunst, eine spannende Geschichte schreiben zu können, bei der die Charaktere so interessant sind und gleichzeitig kaum Identifikationspotenzial haben. An einigen Stellen fand ich es tatsächlich ein bisschen drüber. Zumindest bei Tobi und Mel, deren negative Züge mir oftmals zu in-your-face durch ihre Handlungen oder ihre eigenen Reflektionen waren. Dennoch war dieses Zusammenspiel unterschiedlicher psychischer Schwierigkeiten bzw. Krankheiten sehr dynamisch. Dazu kommen Geheimnisse, Unausgesprochenes und Rachepläne. Der Plot war an sich gut aufgebaut. Die Flashbacks und POV-Wechsel haben mir gefallen, auch wenn ich dauernd nachrechnen "musste", wie alt sie in dem Jahr gerade waren. Der Twist am Ende und die Auflösung war super, wenn auch das tatsächliche Ende für mich nicht so überraschend kam, wie vielleicht gewollt. Zwischendurch hatte ich manchmal das Gefühl, ein bis zwei Szenen hätten nicht unbedingt sein müssen und waren nur ein weiteres Mal dafür da, zu zeigen, wie manipulativ oder naiv oder eifersüchtig jemand ist. Die Kleinstadt voller Lügen, Vertuschung und Heuchelei ist ein beliebtes Setting, das ich sehr mag und das hier gut genutzt wurde. Irgendwie bleibt in mir das nagende Gefühl der Ungerechtigkeit darüber, wie es ausgegangen ist und wer welches Ende verdient hat. Auch das ist kein Kritikpunkt, sondern Lob. Für mich ist es oftmals wichtiger, dass eine Geschichte einen bleibenden Eindruck zum Nachdenken hinterlässt, als dass es ein Happy End für alle gibt. Ich werde sich noch das ein oder andere weitere Buch der Autorin lesen.