"Du magst für mich brennen, aber ich habe Angst, von den Flammen verzehrt zu werden."
Die Fortsetzung der Cruel Castaways war ein starkes Stück. Auf den ersten 150 Seiten fragte ich mich unentwegt, ob die Autorin mich veralbern will. Aber dann wurde es einfach immer besser. Über den Schreibstil müssen wir uns wohl keine Gedanken mehr machen, denn der war wie gewohnt mitreißend und flüssig. Die Autorin hält sich nicht lange damit auf, sich in ewigen Beschreibungen der Schauplätze zu ergießen, weckt aber treffsicher die Vorstellungskraft und weiß, wie sie den Leser fesseln kann. Die Dynamik zwischen den Protagonisten könnte den ein oder anderen stutzig machen. Wer romantisches Geplänkel und schmalzige Liebesschwüre sucht, ist bei Shen jedoch an der falschen Adresse. Und genau das gefällt mir so an ihren Geschichten. Auch hier kam der Trope Morally Grey definitiv nicht zu kurz und war genau nach meinem Geschmack. Aber fangen wir vielleicht ganz von vorn an. Vorsicht Spoiler! In Fallen lernen wir zunächst Arsène näher kennen. Er war schon in Band eins für mich der Interessanteste der drei Freunde, weil er mit seiner Unnahbarkeit und der trockenen, ungeschönten Art, mit der er auftrat, meine Neugier geweckt hat. Zudem war ich gespannt, was es mit seinem Hass auf Gracelynne Langston auf sich hat, die in Band eins kurz erwähnt wird. Die beiden führen zu Beginn des Romans eine Beziehung, die man eigentlich niemandem wünscht. Zu sehr spürt man, wie sie sich gegenseitig verabscheuen, aber auf verquere Art doch nicht von einander loskommen können. Ihre Hassliebe gipfelt schlussendlich darin, dass Arsène es sich zum Ziel gemacht hat, sie zu heiraten, um ihr damit ein für alle mal zu zeigen, dass er "gewonnen" hat. Ich habe mich während der Dauer dieser Beziehung ständig gefragt, ob das, was ich da lese, ernst gemeint ist, oder ob mir irgendwas entgangen sein könnte. Die Begegnungen zwischen Arsène und Gracelynne wurden so lieblos und platt beschrieben, dass man gar nicht anders konnte, als sich zu fragen, ob da nicht mehr dahintersteckt, schließlich ist man etwas ganz anderes von der Autorin gewohnt. Und wie viel mehr dahintersteckt, wird einem schnell klar, wenn man die versnobte Grace endlich hinter sich lassen kann und der bezaubernden Winniefred begegnet. Sie ist so völlig anders als das kalte Biest, das Arsène sich als Lebensgefährtin erwählt hat, dass von Anfang an klar ist, dass es zwischen ihr und Arsène heftig zur Sache gehen wird. Winnie ist herzensgut und ein bisschen naiv. Sie steckt voller Gefühl und so viel Liebe für ihre Mitmenschen, dass jemand wie Arsène ihr verständlicherweise auf den Magen schlägt und eine ganz neue Seite an sich entdecken lässt. Es war wundervoll zu verfolgen, wie die beiden sich entwickelt haben. Nicht nur eigenständig, sondern auch miteinander. Dabei wurden harte Themen aufgegriffen, die den Leser durchaus zum Nachdenken anregen. Fallen war oft frustrierend, aber auch heiß und ungezügelt. Die Liebe von Arsène und Winnie ist das ganze Gegenteil einer Hollywood-Romanze, aber für die beiden einfach nur richtig und perfekt. Ich habe es geliebt.