Ein intensiver Psychothriller mit starker emotionaler Tiefe und einem außergewöhnlichen Erzählkonzept
Rezension: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. von S. J. Watson Der Roman startet mit einem wirklich fesselnden Ausgangspunkt: Eine Frau wacht jeden Morgen auf und erinnert sich an nichts – weder an ihren Namen, noch an ihren Ehemann oder an ihr Leben. Diese Orientierungslosigkeit löst beim Lesen sofort ein unangenehmes Gefühl der Fremdheit und Verwirrung aus, das einen nicht mehr loslässt. Genau dieses Unbehagen macht die Geschichte so spannend – man kann sich der Vorstellung, plötzlich ohne eigene Erinnerung dazustehen, kaum entziehen. Besonders gelungen fand ich die Darstellung der Amnesie. Watson greift das Thema nicht nur oberflächlich auf, sondern schafft es, die psychologische Tiefe und die emotionale Zerrissenheit der Protagonistin authentisch zu vermitteln. Der Schreibstil trägt viel dazu bei: Er ist schnörkellos, aber sehr emotional und glaubwürdig – die inneren Konflikte und Zweifel der Hauptfigur sind greifbar und nachvollziehbar. Allerdings kommt die Handlung im Mittelteil etwas ins Stocken. Viele Szenen wiederholen sich in Struktur und Inhalt, was sicherlich der Erzählweise aus Sicht einer an Amnesie leidenden Frau geschuldet ist, dennoch führt es dazu, dass sich das Ganze stellenweise ein wenig zieht. Es entsteht schnell das Gefühl, in einer Schleife zu stecken – was auf der einen Seite realistisch, auf der anderen aber auch ermüdend wirkt. Ein Kritikpunkt ist der Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. klingt vielversprechend und düster, doch im Buch selbst spielt dieser Satz nur eine marginale Rolle. Wer erwartet, dass das Motiv des Schlafentzugs oder der Schlaf als Gefahr zentral behandelt wird, könnte sich getäuscht fühlen. Trotzdem: Das Buch bleibt insgesamt spannend, auch wenn einige Wendungen vorhersehbar sind. Besonders das offene Ende sorgt für Gesprächsstoff und lässt Raum für eigene Interpretationen – was ich persönlich sehr mag. Fazit: Ein intensiver Psychothriller mit starker emotionaler Tiefe und einem außergewöhnlichen Erzählkonzept. Kleinere Längen und ein irreführender Titel trüben das Leseerlebnis ein wenig, aber unterm Strich ist es ein lesenswerter Roman, der noch lange nachwirkt.