Fein gezeichnete und authentische Chataktere, in einer Zeit des möglichen Umschwungs.
Zu Beginn war ich mir noch unsicher und dachte, dass dieses Buch mit seinen gut 1000 Seiten ein hartes Stück Arbeit werden würde. Nach den ersten Seiten bin ich aber gut rein gekommen und fand mich in einem Lesefluss wieder. Wir befinden uns in Paris. Der zweite Weltkrieg hat endlich sein Ende gefunden und in den Köpfen der Menschen wird sich ausgemalt, wie es nun weitergeht. Der Erzählstil wechselt mit jedem Kapitel. Wird die dritte Person Singular verwendet, so wissen wir dass der Fokus gerade auf Henri liegt. Henri ist ein junger Intellektueller, der Romane schreibt, seine eigene Zeitung "Espoir" leitet und sich in einer doch eher fragwürdigen Beziehung mit Paule befindet. Mit Politik möchte er eigentlich nichts am Hut haben, doch kann auch er sich davor nicht ganz verschließen und sieht sich schon bald schwierigen Entscheidungen gegenüber in welchen von ihm eine Positionierung erwartet wird. Kapitel in der Ich-Perspektive sind aus der Sich von Anne geschrieben. Sie hat sich als Therapeutin einen Namen gemacht, ist aber vor allem durch ihren Mann bekannt, der wie sein guter Freund Henri Schriftsteller ist und zu den Intelektuellen der Stadt zählt. Der Wechsel zwischen den Kapiteln hat mir aus zwei Gründen sehr gut gefallen. Zum einen, war dadurch immer direkt klar, wessen Geschichte gerade erzählt wird und zum anderen konnten wir die beiden im Fokus stehenden Person auch aus der jeweils anderen Perspektive betrachten. Mir haben die vielen unterschiedlichen Charaktere gut gefallen. Jeder wurde fein gezeichnet, war authentisch und blieb sich stets treu. Insbesondere Paule und ihre persönliche Entwicklung ist der Autorin sehr gut gelungen! Insgesamt liest sich der Roman sehr angenehm, und das ohne wirklichen Spannungsbogen. Ca. zur Hälfte habe ich es als etwas müßig empfunden, gegen Ende kam der Fluss allerdings zurück. 150 Seiten weniger wären in Summe vermutlich auch ok gewesen. In erster Linie habe ich mich für dieses Buch, da der Klappentext den Eindruck erweckt, dass Anne im Vordergrund steht. Ich habe erwartet das es viel offensichtlicher und stärker um die Rolle der Frau in dieser Zeit geht. Doch so war es letztlich nicht. Dass dieses Bild gar nicht so stark und direkt war, ist aber ggf. gewollt, da das nicht vorkommen von Anne in politischen und literarischen Diskussionen doch eben genau die Rolle der Frau gut wiederspiegelt. _______________ "Espoir" heißt übrigens übersetzt "Hoffnung". Ein perfekt gewählter Name für eine Zeitung in einem Nachkriegsroman.