Bewertung:4★
Das wahre Monster ist sicherlich Dr. Moreau (und Montgomery und ab einem gewissen Punkt auch der Ich Erzähler), der ein weiteres Beispiel dafür liefert, wie sehr sich (weiße) Menschen als höherwertiges Lebewesen inszenieren und ihre Machtposition zum Leidwesen anderer Lebewesen ausnutzen. Auch wenn die auf der Insel lebenden Lebewesen vom Erzähler mit sehr abwertenden Begriffen (manchmal auch mit einem rassistischen Einschlag meiner Meinung nach) bezeichnet werden, hatte ich bis zu einem gewissen Punkt der Geschichte die Hoffnung, der Ich Erzähler würde das wahre Monster auf der Insel erkennen und sich gegen diesen stellen. Der Wendepunkt ist dann aber seine Erkenntnis, dass es sich bei den "Monstern" nicht um Menschen handelt, die zu Tieren gemacht wurden, sondern um Tiere, die zu Menschen gemacht werden sollten. Bevor er das wusste, schwang er noch Reden, wie Moreau die Lebewesen nur so quälen kann und feuerte sie an, sich gegen ihren Peiniger zu stellen. Aber nachdem er erfährt, dass es sich um Tiere handelt, kann er die Quälerei und schrecklichen Experimente auf einmal dulden. Zwar sagt er, dass ihm Moreau nicht sympathisch ist, was aber daran läge, dass Moreau die Experimente zum reinen Vergnügen durchführt. Hätte er ein bestimmtes Ziel mit einem Nutzen gehabt, könnte er Sympathien für ihn finden. Sein vorheriges Entsetzen war also ein rein Egoistisches, da er fürchtete, selbst Teil des Experiments zu werden. Eine Geschichte, die zeigt, dass der Mensch nur Leid über andere und sich selbst (keine der menschlichen Figuren findet ein gutes Ende, ob tot oder lebendig) bringt, wenn er meint, sich auf Kosten anderer zu vergöttern. So gesehen finden Moreau und Montgomery nur ein gerechtes Ende in Anbetracht der psychischen und physischen Folter, die sie den Tieren angetan haben. Interessant auch, wie für den Ich Erzähler die Grenze zwischen Mensch und Tier am Ende immer mehr verschwimmt und ihm die Menschen, als er wieder unter ihnen ist, fast tierischer erscheinen, als die Tiere.
Die Insel des Dr. Moreauvon H. G. WellsAnaconda Verlag