28. Jan. 2025
Bewertung:5

Dorfleben in Norddeutschland und die Wege zweier Frauen, die sich irgendwann kreuzen. Und dann ist da noch eine verschwundene Familie. Mehr muss man im Vorfeld gar nicht wissen über diese herrlich unaufgeregte Geschichte mit angenehm flachem Spannungsbogen. Wenn man bedenkt, wie wenig in diesem Buch passiert, ist es erstaunlich, wie schnell ich durch die knapp 300 Seiten gerauscht bin. Das war ein ganz klarer Fall von richtige Lektüre zum genau richtigen Zeitpunkt. Denn hier war in den letzten Tagen Entschleunigung angesagt. Da passte "Nebenan" perfekt. Und was für ein wunderbares Zeichen, dass genau so ein Buch es in die Shortlist für den diesjährigen Deutschen Buchpreis geschafft hatte! Es muss eben nicht immer alles laut, bunt, aufregend und provokant sein. Danke, liebe @kristinebilkau, für dieses wunderbare stille Werk und für Julia, Astrid und vor allem auch für Elsa! ❤️ Und danke ans @bloggerportal und an den @luchterhand_verlag für das Rezensionsexemplar! #kristinebilkau #nebenan #luchterhand #luchterhandverlag #shortlistdeutscherbuchpreis2022 #dbp22 #deutscherbuchpreis #shortlist #bloggerportal #rezensionsexemplar #bookstagramdeutschland #whatiread2022 #booksofinstagram #bookstagram #bücher #lesen #werbung #ausgelesen

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
28. Jan. 2025
Bewertung:5

Wie leben die Menschen „Nebenan“? Wie viel wissen wir überhaupt über die Menschen, die neben uns oder gegenüber von uns leben? Haben wir überhaupt eine Verbindung zu denjenigen, die ums herum, die nebenan leben oder leben wir nur nebeneinander her und sind uns fremd? In einem kleinen Ort am Nord-Ostsee-Kanal stellt Julia, eine der Hauptfiguren des Buches, am Anfang des Jahres fest, dass die Familie, die nebenan gewohnt hat, gar nicht mehr da ist – quasi über Nacht verschwunden. Dies setzt ein Gedankenkarussel bei ihr in Gang, denn eigentlich weiß sie gar nicht viel über diese Menschen, die im Haus neben ihr und ihrem Mann Chris gewohnt haben. Aber Julia ist nicht die einzige, die sich Gedanken um diese Familie macht, auch Astrid beschäftigt sich damit, denn sie hat einen an die Besitzerin des Hauses gerichteten Brief nachts auf einem Feld gefunden und möchte ihn zustellen. Ihre Tante Elsa wohnt neben dem verlassenen Haus und hatte Kontakt zu den Bewohnern. So kreisen die Gedanken um diese verschwundene Familie und gleichzeitig um die eigenen Verbindungen zu anderen Menschen. Es ist nicht allein die Handlung, die den Charme dieses Buches ausmachen, obwohl das mysteriöse Verschwinden der Familie von nebenan eine gewisse Spannung birgt. Das Schöne des Buches sind die genauen und liebevollen Beschreibungen der Gedanken der einzelnen Figuren des Romans. Jede dieser Personen hat eine oder mehrere Sachen, die sie umtreibt und Kristine Bilkau schafft es so treffsicher, uns als Leser:innen Einblick in diese Gedankenwelt der jeweiligen Person geben. Es sind diese genauen und liebevollen Beschreibungen, die das Buch für mich so besonders machen. Es gelingt ihr, die Verzweiflung Julias über die bislang erfolglosen Versuche schwanger zu werden zu schildern, das Gefühl Astrids, dass sie bedroht wird und nicht ausmachen kann, von wem und das Gefühl, dass sie die ehemals intensive Beziehung zu ihrer Nachbarin Marli vermisst, Elsa, wie sie langsam älter wird, dabei aber pragmatisch und liebevoll bleibt. Feine Beobachtungen des Innenlebens und wie diese Menschen miteinander verbunden sind. Es ist aber trotzdem keine Geschichte, die langsam vor sich her plätschert, sondern sie besitzt einen langsamen Spannungsaufbau. Zum einen das Verschwinden der Familie, die Bedrohung, der Astrid ausgesetzt ist, die Sorge um Elsa und natürlich die Versuche von Julia und Chris, schwanger zu werden. Jede dieser Charaktere hat ein ganz eigenes Päckchen zu tragen und hat ganz besondere Eigenschaften, die im Zusammenspiel wichtig sind. Alles in allem ein ganz wunderbares Buch über die Beziehungen, die wir alle haben zu den Menschen, die nebenan leben bzw. den Menschen, mit denen wir in irgendeiner Art verbunden sind und wie sich dies alles auf uns und unsere Gedanken auswirkt.

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
8. Aug. 2024
Bewertung:3

Julia und Chris sind aufs Land gezogen. Julia kämpft mit ihrem unerfüllten Kinderwunsch. Zudem lässt sie das plötzliche und spurlose Verschwinden der Nachbarn nicht los. Astrid ist Ärztin und sorgt sich um ihre Tante Elsa. Als ihre alte Freundin Marli wieder ins Nachbarhaus zieht, keimen in ihr die Fragen wieder auf, warum der Kontakt zwischen den beiden Frauen abgebrochen ist. Und dann tauchen auch noch mysteriöse Briefe auf. In ihrem Roman wirft Kristine Bilkau die Frage auf, wie viel wir wirklich über die Menschen in unserer Nähe wissen - ob Nachbarn, Freunde oder Familie. Ruhig und atmosphärisch wird die Story erzählt und man erhält abwechselnd Einblick in die Gedanken, Ängste und Sehnsüchte von Julia und Astrid.  Leider plätschert die Geschichte irgendwann etwas vor sich hin und ich hatte das Gefühl, dass es Wiederholungen gibt und es nicht wirklich vorwärts geht. Die Grundfrage, was “Nebenan” passiert, mochte ich  sehr und insgesamt ist der Roman flüssig geschrieben. Leider hat mir dennoch das gewisse Extra gefehlt.

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
8. Aug. 2024
Bewertung:2

Zu Beginn hat mir das Buch sehr gefallen, ich mochte den Schreibstil aber irgendwann wurde es eintönig. Das Buch konnte in mir kein wirkliches Gefühl hervorrufen und die Geschichte entwickelte sich unglaublich langsam. Am Ende blieb ich ohne Antworten und einem deprimierten Gefühl zurück.

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
25. Juli 2024
Bewertung:4

melancholische Roman über das Leben am Nord-Ostsee-Kanal

Es geht um zwei Frauen: Julia, die sich so sehr ein Kind wünscht, vor Sehnsucht die Accounts der Vorzeige-Instagramm-Muttis stalkt und von Monat zu Monat neu enttäuscht wird. Und wir haben Astrid, Anfang 60 und Ärztin, die Drohbriefe bekommt und sich um die ehemalige Freundschaft ihrer Nachbarin bemüht. Julia ist neu in die Gegend gezogen. Irgendwo am Nord-Ostsee-Kanal in der Nähe von Hamburg, wo sie einen Keramikladen eröffnet hat. Die Familie neben ihr ist eines Tages verschwunden. Was hat es damit auf sich? Wer ist der kleine Junge, den sie in dem leerstehenden Gebäude beobachtet? Astrid sorgt sich um ihre alte Tante, die sich darauf vorbereitet, ein Pflegefall zu werden und bereits verwirrt bei Nachbarin Julia gelandet ist. "Nebenan" zeichnet das fragile Bild einer Kleinstadt, die langsam zerfällt. Alles ist in einer Art Zwischenstadium, nicht lebendig aber auch nicht ausgestorben. Die Geschichte selbst kommt wenig reißerisch mit leisen Tönen daher und lebt von der Atmosphäre, die sie vermittelt. Wer selbst einmal in einer Kleinstadt gelebt hat, kennt das Gefühl eventuell. Läden müssen schließen, die Innenstädte werden immer einsamer zugunsten der Einkausfzentren in den Großstädten. Häuser zerfallen, da die Menschen die Restauration nicht zahlen können. Diese Stimmung fängt das Buch ein. Die verschwundene Familie, der Nebel über dem Kanal, der unerfüllte Kinderwunsch; als dies vermittelt dem Leser das Gefühl von Starre und Sehnsucht. Trotzdem ist der Roman nicht unangenehm zu lesen, ganz im Gegenteil. Ich mochte den atmosphärischen und leicht melancholischen Schreibstil sehr gerne und werde bestimmt noch mehr von def Autorin lesen.

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
5. Apr. 2024
So intim und leise und dennoch so spannend und bedeutungsvoll 🤍
Bewertung:4.5

So intim und leise und dennoch so spannend und bedeutungsvoll 🤍

Julia und Astrid leben beide in einem kleinen Ort in Schleswig-Holstein. Doch sie führen völlig unterschiedliche Leben. Astrid ist verheiratet, hat bereits erwachsene Kinder und scheint immer alles im Griff zu haben. Julia hingegen ist mit ihrem Freund vor kurzem erst zugezogen. Sie ist unsicher, hat einen unerfüllten Kinderwunsch, sucht Anschluss und Einsamkeit zugleich. Über Umwege kreuzen sich die Wege der beiden Frauen hin und wieder. Und das Dorfleben bringt immer wieder Überraschungen mit sich, denn so richtig anonym ist hier niemand. 🌳🏠🚏 Die Autorin lässt uns tief blicken in die Gedanken von Julia und Astrid und erzählt ihr Leben aus abwechselnder Perspektive. So kommt es dazu, dass ich als Leserin aus verschiedenen Augen auf dieselben Situationen blicken konnte. Diese möglichen Sichtweisen nachzufühlen, hat mir an „Nebenan“ mitunter am besten gefallen. Ich habe es sehr gemocht, dass die alltäglichen Sorgen von Julia und Astrid eine so hohe Bedeutung und Wichtigkeit erhalten haben. Durch den einfühlsamen Sprachstil habe ich mich den beiden sehr verbunden gefühlt und konnte ihre Handlungen nachvollziehen, obwohl beide Frauen so unterschiedlich sind. So intim und leise und dennoch so aufregend und schwerwiegend. Dieser Kontrast erweckt den Roman zum Leben und machte das Lesen wunderbar leicht. Im Laufe der Kapitel sorgten viele Fragen für Spannung und ich hatte mich schon sehr auf die Auflösung gefreut. Für meinen Geschmack war das Ende dann etwas zu offen. Das faszinierende Lesegefühl steht für mich dennoch im Vordergrund, sodass ich dieses Buch unbedingt empfehlen möchte!

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
26. März 2024
Bewertung:5

Wahnsinns Buch! Es werden so viele wichtige und aktuelle Themen behandelt, gleichzeitig eine intensive emotionale Ebene… es zu lesen war wie ein Sog, der immer tiefer ging. Auch wenn der Stil nicht immer einfach ist und vieles offen bleibt: unbedingte Leseempfehlung!

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
20. Okt. 2023
Bewertung:5

Mitten aus dem Leben gegriffen wird hier eine tolle Geschichte erzählt mit greifbaren Figuren, die ich gerne weiter begleitet hätte. Viele unausgesprochene Geschichten zwischen den Zeilen, starke Frauen, die sich ihrer Stärke oftmals gar nicht bewusst sind und ein Ende, das zum Weiterdenken einlädt. Kristine Bilkau hat gleich mehrere Themen in ihren Figuren angelegt, die mich persönlich sehr betreffen, die ich ähnlich erlebt habe und dabei geht sie immer sehr sensibel vor. Ungewollte Kinderlosigkeit, Einsamkeit, Älter werden, Zukunftsängste, wo gehöre ich hin, woher stamme ich, lebe ich in Verbindungen zu Menschen, die stabil sind und mich tragen, welche Geheimnisse schlummern in meiner Familiengeschichte… um nur ein paar Themen zu nennen.

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
1. Sept. 2023
Bewertung:4

4,5 ⭐️ „Nebenan“ ist ein Buch, das leise und unaufdringlich eine düstere, bedrückende Atmosphäre erzeugt und mich damit schnell in den Bann ziehen konnte. Ich habe die Protagonistinnen und ihre Gedanken sehr gerne begleitet. Es werden viele Themen angesprochen, die wichtig und aktuell sind und Raum zum Weiterdenken bieten. Den ein oder anderen Strang hätte ich mir doch gerne ausführlicher bearbeitet gewünscht.

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
6. Mai 2023
Bewertung:4

Unaufgeregt und spannend bis zum Schluss. Zugegeben, ich hätte niemals damit gerechnet, dass ich diese Adjektive einmal zusammen in einem Satz verwenden und das Buch dann auch noch gut finden werde. Danke, Kristine Bilkau und Luchterhand Verlag, dass ihr mich eines Besseren belehrt habt! Im Zentrum des zum Deutschen Buchpreis 2022 nominierten Romans stehen Julia und Astrid. Julia ist Ende 30, Töpferin und erst vor Kurzem zusammen mit ihrem Partner in das namenlose Dorf am Nord-Ostsee-Kanal gezogen. Viele ihrer Gedanken drehen sich um den unstillbaren Kinderwunsch und um die Nachbarsfamilie, die plötzlich wie vom Erdboden verschluckt scheint. Ihr Partner ist Biologe und Umweltaktivist, was sich auch im Lebensstil der beiden widerspiegelt: kein Auto, wenig Plastik usw. Astrid wiederum ist Anfang 60, steht kurz vor der Rente und ist Landärztin. Sie sorgt sich zunehmend um ihre betagte Tante Elsa, erhält Drohbriefe, die sie unter den Teppich kehrt, und sucht den erneuten Kontakt zu ihrer Nachbarin Marli. Schon bei der groben Skizzierung der beiden Hauptprotagonistinnen wird ersichtlich, wie tiefgründig und vielschichtig der Roman werden kann - und was soll ich sagen? Kristine Bilkau hat alles richtig gemacht! Nebenan hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Die bildhaften Beschreibungen, die auf den gesellschaftlichen Normen basierenden und nachvollziehbaren Gedankengänge, den leisen Wunsch zur Weltrettung beizutragen, trotz all der menschlichen Doppelmoral, und die an vielen Stellen durchscheinende Gesellschaftskritik haben dieses Buch für mich so unaufgeregt und gleichzeitig erlebnisreich gemacht

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
16. März 2023
Bewertung:5

Die Protagonistinnen von "Nebenan" leben in einem kleinen Ort am Nord-Ostsee-Kanal und für eine kurze Zeit begleitet der Roman sie ihrem Alltag. Julia ist Ende 30, erst kürzlich mit ihrem Partner hergezogen. Die Ärztin Astrid, fast doppelt so alt, kennt die Gegend von klein auf. Vordergründig scheinen Julias unerfüllter Kinderwunsch und Astrids alternde Tante, um die sie sich kümmert, im Mittelpunkt zu stehen. Doch "Nebenan" ist viel mehr. Denn da ist noch eine dritte Frau; verschwunden mitsamt ihrer Familie und niemand weiß etwas. Nicht nur ob dieses Verschwindens liest sich der Roman, der keinesfalls ein Thriller ist, wie ein ebensolcher. Wie ein roter Faden zieht sich die Thematik häusliche Gewalt durch die Erzählung. Der Autorin gelingt ein Spagat, dieses Thema nie plakativ und laut in den Mittelpunkt zu stellen, sondern subtil in die Geschichte zu verweben. Es ist da. Wenn man hinsieht und es nicht ignoriert (wie viele männliche Kritiker). Die Figuren der Julia und der Astrid sind so angelegt, dass sie einerseits als komplexe, tiefgründige Charaktere funktionieren - Leser:innen erhalten Einblick in ihre (unerfüllten) Sehnsüchte, Ängste, Wünsche, Geheimnisse. Gleichzeitig könnten die Figuren aber auch Frauen sein, die jede:r von uns kennt. Diese Mischung schaffte für mich eine besondere Verbundenheit. Am Ende präsentiert Bilkau noch ein thrillerwürdiges Geständnis, dass ebenso subtil eingeflochten wurde, wie der Roman es bisher vorgab, aber gleichzeitig keineswegs eine Kleinigkeit ist.

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
20. Feb. 2023
Bewertung:3

»Sie überlegt, würde sie gefragt werden, wie gut kennst du deine Söhne?, würde sie sagen: in- und auswendig. Doch Marli hat recht. »Ich bin darauf angewiesen, dass sie mir von sich erzählen. Den Rest muss ich mir meistens zusammenreimen«, antwortet sie. Sie kann nicht genau wissen, wie viel ihre Söhne von sich preisgeben, und was für Menschen sie geworden sind, wirklich geworden sind. Sie kann ihre Söhne nur lieben.« (S.257)

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
17. Feb. 2023
Bewertung:4

Kristine Bilkau erzählt in „Nebenan“ in pointierter und unaufgeregter Sprache die Geschichte zweier Frauen in unterschiedlichem Alter in einer namenlosen Kleinstadt am Nord-Ostsee-Kanal. Julia ist Ende dreißig und mit ihrem Partner aus Hamburg in die Kleinstadt gezogen, um dort einen Keramikladen zu eröffnen und eine Familie zu gründen. Doch der Kinderwunsch bleibt unerfüllt, weshalb sich ihr Leben und ihre Gedanken zu großen Teilen um dieses Thema drehen. Astrid ist Ärztin kurz vor dem Ruhestand, die eines Tages anonyme Drohbriefe in ihre Praxis erhält. Die Leben der beiden Frauen sind auf den ersten Blick nicht direkt miteinander verbunden. Allerdings wohnt Astrids Tante, die erste Anzeichen von Demenz zeigt, bei Julia ‚nebenan‘. Ebenfalls nebenan befindet sich ein Haus, dessen Bewohner seit einiger Zweit verschwunden zu sein scheinen… „Nebenan“ stellt Fragen nach Vertrautheit, Wandel, Nähe und Distanz, die wohl im Alltag eines jeden allgegenwärtig sind. Das Ende lässt die meisten der Erzählstränge offen, was für mich aber anders inhaltlich und stilistisch auch nicht stimmig gewesen wäre. Denn auch im Alltag gibt es nur selten abschließende Antworten… Das Buch ist spannend und zum Teil auch beklemmend aufgrund der Alltäglichkeit der geschilderten Situationen. Zudem überzeugt es durch seine subtile, unaufgeregte Sprache, die auf wunderbare Weise Stimmungen transportiert. Nach meinem Empfinden stand ‚Nebenan‘ also völlig zu Recht auf der Shortlist des deutschen Buchpreises 2022. Unbedingte Leseempfehlung! TW: Unerfüllter Kinderwunsch.

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
5. Jan. 2023
Bewertung:5

"Wie gut musste man einen Menschen kennen, um etwas zu bemerken, um sicher sein zu können, dass etwas nicht stimmte? Und wie konnte man sicher voneinander unterscheiden, was Vermutungen und was Vorurteile waren? Wie nah musste man einem Menschen sein, um aus einem Verdacht heraus eine Frage stellen zu können, ohne neugierig oder aufdringlich zu wirken?" (S. 74) Vor kurzem erst haben Julia und ihr Freund Chris der Großstadt den Rücken gekehrt. Neuer Start, neues Glück; sie waren die Hektik und die Geschwindigkeit leid, suchten Entschleunigung und Ruhe und fanden sie in dem kleinen Ort am Nord-Ostsee-Kanal. Was nun noch fehlt: ein Kind. Nichts wünscht sich Julia mehr als werdende Mutter, eine Mutter im Werden genannt zu werden, diesen zart-pudrigen Geruch einzuatmen und die Wärme eines kleinen Wesens zu spüren. Aber ihre Gedanken werden zunehmend mit etwas Anderem eingenommen: Von einem Tag auf den anderen verschwinden ihre Nachbarn plötzlich. Der kleine Junge auf seinem Laufrad, die schwangere Mutter, der Vater, der ihnen penetrant Wein zu verkaufen versucht, "Freundschaftsangebot". Der Briefkasten quillt über, und kein Wort des Abschieds. Doch warum nur? Auch Astrid, Anfang sechzig, wird zunehmend von Sorgen geplagt: Seit Jahrzehnten führt sie erfolgreich eine Praxis mit festem Patientenstamm, bis sie eines Tages mysteriöse Briefe erhält, in denen ihr Ansehen als Ärztin beschmutzt, an ihren Fähigkeiten gezweifelt wird. Damit nicht genug, scheint es ihrer Tante mit dem Alter immer schlechter zu gehen, sie scheint verwirrt, beinahe dement - und ist doch der letzte familiäre Anker, den sie hat. Und dann ist da der Junge, der einen Zettel an die Tür des leerstehenden Hauses klemmt. "Es sind die Kleinigkeiten, es sind fast immer die Kleinigkeiten, an denen das Traurige sich fest macht." (S. 20) Dieses Buch fühlt sich an wie Heimkommen, wohlig-warm und unglaublich geborgen: "Nebenan" von Kristine Bilkau. Zärtlich und mit feinem Blick für das, was in Julia und Astrid passiert, so unterschiedlich und im Grunde doch so nah, verwebt sie die Schicksale der beiden Frauen nur sanft touchierend miteinander, lässt abwechselnd einen Blick in ihrer jeweiligen Leben zu. Sie beeinflussen einander nicht, kennen sich nur flüchtig, aber sind doch Teil derselben Umgebung, einer sozialen Gemeinschaft, deren Miteinander von geopolitischen und Gentrifizierungsmaßnahmen beeinflusst wird. Auch auf dem Land wird alles teurer, da ist es rentabler, leerstehende Gebäude derart zu belassen als zu sanieren. Kommt doch eh keiner von den jungen Leuten hier raus. Trotz ihres Altersunterschieds von fast dreißig Jahren sind es doch ähnliche Probleme, die sie beide beschäftigen: Sie sehnen sich nach Geborgenheit, nach Nähe, diesem anderen Menschen, den sie verloren haben oder sehnsüchtig erwarten, und doch bleiben sie auf der Stelle stehen. Ob aus Angst vor der Wahrheit, warum Marli Astrid nach all den Jahren, wo sie in den kleinen Ort zurückkehrte, nicht wieder in ihr Leben lässt; oder als Laune des Schicksals, dass es einfach nicht klappt, sie einfach nicht schwanger wird. Was resultiert, ist Ungewissheit, dieses Zwicken in der Brust. Und Frustration, all die Versuche, Marli unbemerkt näher zu kommen, ein Kind zu bekommen; die Distanz, die die alte Freundin aufbaut, die Julia von ihrem Glück trennt; beide gehen ans Äußerste, stark, vulnerabel, menschlich. Und müssen sich in der Gesellschaft doch immer wieder als Frau behaupten. Trotz all der ehrlichen Emotionen, der Verzweiflung und der Dringlichkeit, dem Verschwinden der Nachbarsfamilie auf die Spur zu kommen, ist es diese Ruhe, die den Roman so besonders macht. Sie macht all die harten Themen, die die Autorin behandelt, irgendwie erträglicher, denn es sind Probleme, die alltäglich sind: häusliche Gewalt, Fehlgeburt, Umweltverschmutzung. Gerade im Begriff, die Tränen wegzublinzeln, legen sich die Worte wie eine tröstende Hand auf mein Herz, beruhigen es. Sie tragen den Geruch salziger Luft, einer kühlen Brise heran, streuen Sand unter meine Füße und wirken entspannend wie eine warme Milch mit Honig. Danke für diese Geschichte, @kristinebilkau.

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
2. Jan. 2023
Bewertung:2

Ich habe nun einige Tage nachgedacht, wie ich meine Empfindungen in Worte packen soll … es werden die kritischen Feedbacks ja zwar immer gerne gefordert, dann aber nicht gerne gelesen, schon gar nicht, wenn einem selbst ein Buch so viel gegeben hat … von daher: kurz & knackisch. Was habe ich mich auf dieses Buch gefreut … wie schön ist das Cover, wie ansprechend der Klappentext, wie fein die vielen schönen Buchbesprechungen und wie fröhlich machte mich, was das Buch mit so vielen von Euch gemacht hat. Was der Klappentext an Spannung in mir aufbaute, wurde recht flott und sukzessive beim Lesen abgebaut. Die Sprache und der Schreibstil haben mich total abgeholt, ich fühlte mich so wohl mit dieser Sprache. Aber ich fühlte mich mit dem Plot nicht wohl, im Gegenteil, er hat mich leider völlig gelangweilt, und das von Beginn an. Doch wegen der vielen gefühlsbetonten Rezensionen wollte ich es unbedingt beenden, das gleiche fühlen, mich wohlig in den Kanon miteinreihen und es auch zu meinen Highlights zählen. Doch leider kann ich das nicht, mich miteinreihen. Schade, dass es mich nicht so berühren konnte wie viele von Euch. Schön, dass es sprachlich so fein und klug ist. Schade, dass mir der Spannungsbogen fehlt, es so dahinplätschert. Schön, dass es für viele von Euch ein Highlight & Lieblingsbuch ist. Das finde ich so toll! Schade, dass es sich für mich so spannungsarm und monoton anfühlte. Und schade auch deswegen >> ich möchte wieder einmal eine Geschichte lesen, wo etwas stattfindet! Etwas stattfindet und PASSIERT, dass ich mir nicht zwischen den Zeilen mühevoll raussaugen muss, sondern dass mir IN den Zeilen gegeben wird. Ich will ein Buch, dass eine klare Geschichte liefert, wo etwas voran geht, ich möchte eine Geschichte gut erzählt bekommen, wo ich mir nix zusammenreimen muss, wo die Protagonist*innen und die Story in die Puschen kommen!

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
28. Okt. 2022
Bewertung:4

Sehnsüchte und Einsamkeiten Im Zentrum dieser leisen Geschichte stehen zwei Frauen, die beide auf verschiedene Art in einer Zeit des persönlichen Umbruchs leben. Astrid erfährt angesichts des am Horizont drohenden Ruhestands einen Wegfall alter Gewissheiten und erhält anonyme Drohbriefe, Julia wünscht sich ein Kind, doch diese Sehnsucht bleibt trotz In-vitro-Fertilisation unerfüllt. Diese Brüche im Lebensentwurf stehen nicht im leeren Raum, die Gesellschaft ist jedoch weniger Trost als vielmehr Brennglas der empfundenen Unzulänglichkeiten. Und so zieht eine jede sich eher zurück ins Private, als nach echter Verbundenheit und Gemeinschaft zu streben. Ja, es geht viel um das Nebeneinander, das Miteinander – aber vor allem um den Mangel daran. Nicht von ungefähr gibt es eine ganz reale Leerstelle im Dorf: Eine Familie ist spurlos verschwunden, anscheinend über Nacht, Personifizierung der sozialen Verkümmerung. Sorgen wir uns überhaupt um unsere Nachbarn, gibt es eine Gemeinschaft, die noch etwas bedeutet? Inwiefern ersetzen wir menschliche Kontakte mit sinnentleerten Konstrukten wie Social Media? Leere, immer wieder Leere, der Roman findet viele Bilder und Worte dafür, im Großen wie im Kleinen, ohne plump offensichtlich zu werden. Klimawandel, Kleinstadtsterben, Kinderwunsch, die Geschichte wandert in ruhigem Erzählduktus durch die Themen. Julia kann sich nicht losreißen von den Instagram-Accounts, die eine heile heteronormative Welt voller niedlicher Kinder und strahlender Übermütter vorgaukeln, obwohl sie sich der Künstlichkeit bewusst ist. Sie tröstet sich damit, sie quält sich damit, und das eine lässt sich vom anderen nicht mehr trennen. Astrid dagegen wird durch die anonyme Post eine echte Auseinandersetzung mit dem Gegenüber verwehrt, und damit auch jede Möglichkeit der Verteidigung. Und das hat etwas sehr Gewaltsames an sich, bewusst dosiert. Im Zeitalter des Ghostings kann die Verweigerung persönlicher Kommunikation passive Nachlässigkeit sein, aber auch eine Form der Aggression. Neben den beiden Protagonistinnen betreten auch andere Charaktere die Bühne, rücken für kurze Zeit diesen oder jenen Aspekt der ins Wanken geratenen Zwischenmenschlichkeit ins Zentrum. Wer bin ich? Wie behaupte ich meine Individualität und bewahre mir gleichzeitig einen Sinn für Gemeinschaft? Der Roman lässt das immer wieder anklingen, mit klugem Feingefühl, gibt aber keine Lösungen vor. Das kippt mehrfach um ins still Bedrohliche, ohne dass »Nebenan« jemals auf Effekthascherei zurückgreift. Kristine Bilkau erzählt in einer Sprache der leisen, schlichten Töne, die sowohl Problematik als auch Potential der angesprochenen Themen auf den Punkt bringt – allerdings verzichtet sie darauf, jedes davon auszuerzählen, sie ist eine Meisterung der beredten Andeutung. Über das Ende können Leser:innen sich sicher streiten, denn die Autorin zieht diese Unverbindlichkeit konsquent durch bis zur letzten Seite: jegliche Antworten, die sie liefert, werfen letztlich weitere Fragen auf.

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
25. Okt. 2022
Bewertung:3

#fazit Das Buch beschreibt Alltagsgeschichten, wie wir sie alle in solcher oder ähnlicher Art kennen: Nachbar*innen, die sich aus den Augen verlieren, welche die weg sind, bevor man sich richtig eingelebt hat, aussterbende Innenstädte, alte Menschen, ungewollte Kinderlosigkeit, Umweltverschmutzung… Was genau ist Leben, was genau ein erfülltes Leben? Jede*r hat darauf eine andere oder keine Antwort. Und dieses Buch ist von allem etwas. Viele Handlungsstränge, die sich manchmal überschneiden, wieder auseinandergehen und dann ins Nichts führen. Alles begleitet von einer unterschwelligen, ansteigenden Spannung ohne Auflösung. Alles sehr nett. Nicht mehr und nicht weniger. Das war buchpreisverdächtig? Warum? Ich finde weder außergewöhnliche Sprache, Stil, Figuren oder Handlung. Ein richtig nettes Buch für zwischendurch. Für ruhige Abende.

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
12. Okt. 2022
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Bewertung:3

Nebenan Kristine Bilkau Nominiert für den deutschen Buchpreis, bereits auf der #shortlist und von euch oft hoch gelobt. Zum Inhalt: Erst vor sechs Monaten sind Julia und ihr Mann in die Nähe von Hamburg, in ein kleines Dorf, gezogen. Sie haben ihre Nachbarn nie richtig kennengelernt, zu sehr waren sie mit ihrem eigenen Leben beschäftigt: Julia, deren Kinderwunsch sich einfach nicht erfüllen will und Chris, der das ausbleiben der Schwangerschaft nicht als dramatisch wahrnimmt, sich aber um die katastrophalen Umweltverschmutzungen und Plastikmüll in unseren Gewässern sorgt. Eines Tages sind ihre direkten Nachbarn weg - über Nacht. Keiner der Nachbarn hat einen Umzugswagen gesehen, von keinem haben sich die Nachbarn verabschiedet. Sind sie wirklich ausgezogen? Oder wo können sie sein? Astrid ist kurz davor sich zur Ruhe zu setzen und möchte ihre Praxis demnächst verkaufen. Doch seit neuestem erschweren ihr kleine Alltagssorgen das Leben: Ihre Tante hat erste Anzeichen von Demenz und ihr Mann scheint mit seinem neuen Leben im Ruhestand nichts anfangen zu wollen: Tagein, tagaus sitzt er im „Schlabberlook" vor dem Computer. Als dann noch mysteriöse Drohbriefe in der Praxis eintreffen, wird Astrid paranoid oder wird sie doch wirklich verfolgt? Astrid und Julia kennen sich nur flüchtig, obwohl sie im selben Dorf leben. Ab und zu treffen sie aufeinander, leider stellte sich auch zum Ende des Buches kein Kennenlernen oder eine Freundschaft, wie ich anfänglich vermutete, ein. Das Buch lässt mich ein wenig unzufrieden zurück. Viele interessante Themen wurden angesprochen: Unerfüllter Kinderwunsch, beginnende Demenz, Umweltverschmutzung, Aussterben der Innenstädte durch zu viele „Online-Bestellungen“, sinkender Grundwasserspiegel und Leben in einer Anonymität, wo jeder nur an sich denkt - nur um einige Themen zu nennen - aber nichts wurde wirklich intensiviert. Beim Lesen habe ich mich ständig gefragt, worauf die Autorin hinaus will. Leider wurde am Ende auch nicht geklärt, was mit den Nachbarn geschah ... Der Anfang des Buches las sich sehr gut, doch die Spannung verflüchtigte sich für mich ab der Mitte. Schade! 3/ 5 Sterne Herzlichen Dank an Luchterhand Literaturverlag und @bloggerportal für dieses Leseexemplar. Karten für die wunderbare Lesung von Kristine Bilkau habe ich bei @buecherinkleinborstel gewonnen. Herzlichen Dank dafür ❤️

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
27. Sept. 2022
Bewertung:3.5

Lebensechte Charaktere voller Sehnsüchte, Ängste und Vorstellungen, denen ich gern gefolgt bin. Außerdem in zwei Strängen echt spannende Handlungen - die dann aber jeweils im Nichts verpuffen, schade.

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
23. Sept. 2022
Bewertung:5

Gerade kehre ich von „Nebenan“ zurück – sehr schön war es dort, leise, still, ruhig, melancholisch, manchmal auch bedrückend, bedeutungsvoll und wunderbar. „Nebenan“ ist eigentlich nur der Alltag zweier Frauen, die miteinander fast nichts zu tun haben, aber über ganz fein gesponnene Linien doch durch Berührungspunkte verbunden sind – so wie es in kleinen Orten und auf dem Land wohl häufiger der Fall ist. Astrid, Ärztin in der Kleinstadt, mit erwachsenen Söhnen und pensioniertem Ehemann, fehlt Freundschaft und auch Nähe zu ihrem früheren Leben. Die atmosphärisch dichten Einblicke in ihre Gefühlswelt und auch ihre Ängste, ihre Sorgen um ihre alternde Tante Elsa, die sich anscheinend sukzessive aus dem Leben verabschiedet, sind authentisch und nachvollziehbar eingefangen. Ebenso wie die Lebenswelt und der Kummer Julias, der aus Hamburg zugezogenen Keramikerin, die sich verzweifelt nach einem Kind sehnt, das aber trotz aller medizinischer Hilfe nicht kommen will. Ohne es von der anderen zu wissen, werden beide sehr stark von einem leerstehenden Klinkerhaus angezogen, dessen Bewohner spurlos verschwunden sind. Trotz dieses und weiterer leicht mysteriös oder bedrohlich anmutender Vorfälle, ist „Nebenan“ kein Krimi. Im Gegenteil, alle Fäden, bei denen man sich im Regelfall Lösung und Aufklärung wünscht, werden offengelassen, denn es geht dem Roman nicht um Klärung, um Abschluss. Stattdessen ist „Nebenan“ ein fast schon poetischer Schwebezustand, eine Lebensbeschreibung von Menschen und ihrem sterbenden Ort, vom schon verlorenen Kampf gegen die Landflucht und den Leerstand in Innenstädten, von der Einsamkeit im Leben und dem Unwissen, was Nebenan passiert, vom zunehmenden Verlust von Bindungen und der Sehnsucht danach. Diese Fülle an Themen, zu denen sich auch noch der Klimawandel und der unerfüllte Kinderwunsch gesellen, könnte einen Roman sehr leicht überfrachten, zu beladen wirken. Gerade dies ist hier nicht der Fall. „Nebenan“ steuert mit leichter Hand und unendlicher Eleganz durch diese Gewässer, ist sprachlich so ausgereift, in seinen Bildern so zart und empathisch, dass es eine Freude ist. Der Text bietet nicht nur zahlreiche Interpretationsmomente, er erreicht den Leser auch emotional. Kristine Bilkau gelingt es auf eindrucksvolle Art und Weise Alltag zu erzählen, denn eigentlich passiert „Nebenan“ nicht viel bis nichts und trotzdem liest man mit großer Spannung immer weiter. Die großen Stärken des Romans sind – neben dem Jonglieren mit so vielen relevanten Themen – die atmosphärischen Beschreibungen und die klugen und berückenden Innenperspektiven. Der graue, trübe, leere Ort in Schleswig-Holstein im Januar und die Wärme und Freiheit des Sommers werden ebenso erlebbar, wie akute Bedrohungen und Enttäuschungen, Gedankenkarussels und nostalgische Momente im Leben der Frauen. Für mich ist „Nebenan“ ein absolut lesenswerter, sprachlich wunderbarer, Roman, der allerdings nur für Menschen geeignet ist, die gut damit umgehen können, dass es im Leben still ist und für die meisten Themen keine Lösung gibt.

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
23. Sept. 2022
Bewertung:4

Dieses Nebenan – so nah, vertraut und fremd zugleich An diesem Buch ist man auf Bookstagram die vergangenen Wochen ja kaum vorbeigekommen, sonst wäre ich vielleicht gar nicht so sehr darauf aufmerksam geworden – und das wäre sehr schade gewesen. Dieser ruhige, atmosphärische Roman beginnt im Winter, was lustig war, da ich ihn im Hochsommer auf dem Balkon zu lesen anfing. Die Handlung spielt in einem Dorf an der Elbe. Erzählt wird abwechselnd aus den Sichtweisen zweier Frauen: Julia ist Ende 30 und mit ihrem Mann Chris erst vor einem Jahr hergezogen. Sie hat sich als Keramikerin mit einem kleinen Laden im Dorf sowie einem Online-Shop selbstständig gemacht und wünscht sich sehnlich ein Kind, während ihr Mann primär Umweltschutz im Kopf hat. Astrid hingegen ist über 60, Mutter von drei erwachsenen Söhnen, Ärztin, in diesem Dorf aufgewachsen und denkt eher daran, sich langsam zur Ruhe zu setzen wie ihr Mann Andreas. Mit der Zeit kreuzen sich ihre Wege – direkt und indirekt. Dennoch habe ich mich zwischendurch gefragt, was außer dem Dorf mit einigen Geheimnissen der rote Faden ist … bestimmt gibt es mehrere Deutungsmöglichkeiten der Geschichte, die dennoch niemals langweilig wurde, aber für mich persönlich ging es um folgende Themen: Isolation, Menschen (, die verschwinden), Verfall in mehreren Facetten, Sichtweisen (zurück) aufs Leben, Kinder und Kindheit sowie Ehe und Beruf in den verschiedenen Altersetappen, Rückblicke samt der Fragen, was man vielleicht anders gemacht hätte im Nachhinein, was man bereut, was und vor allem wen man hinterlässt, wer einen vermissen wird, was man erreicht hat, was versäumt, wen man selbst vermisst … ob sich noch was ändern lässt, retten (Freundschaften), ob es für manches schon zu spät ist … Da meine Lektüre von „Die Kinder sind Könige“ von Delphine de Vigan noch nicht lange her ist, konnte ich auch einige thematische Parallelen dazu entdecken sowie eine literarische feministische Anspielung auf die Kurzgeschichte „The Yellow Wallpaper“/„Die gelbe Tapete“ von der US-amerikanischen Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Charlotte Perkins Gilman von 1892, welche ich in der Uni las. Sowas mag ich sehr. Insgesamt kann ich die Lektüre dieses besonderen Buches wirklich empfehlen und freue mich, eine neue Autorin für mich entdeckt zu haben! Herzlichen Dank an das Bloggerportal und den Luchterhand-Verlag für dieses Rezensionsexemplar! TW: plötzlicher Tod der Partnerin, verstümmelte Tiere, Kinderlosigkeit/Infertilität, Fehlgeburt, Umweltverschmutzung, zerbrochene Freundschaften, Rassismus, unbekannter Vater, anonyme Drohbriefe

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
23. Sept. 2022
Bewertung:4

Was wissen wir eigentlich über unsere Mitmenschen, unsere Nachbarn? Dieser Frage haben sich viele Bücher gewidmet. In Nebenan macht sich Julia Gedanken darüber, was mit ihren Nachbarn passiert sein könnte, die plötzlich verschwanden. Oftmals wird diese Thematik für Thriller benutzt. Doch hier ist es anders: zwar werden immer wieder Vermutungen über den Verbleib der Mutter und der Kinder angestellt, dies wird jedoch nie das Hauptthema. Es geht hier um viel mehr: Den unerfüllten Kinderwunsch von Julia. Die anonymen Drohbriefe, die die Ärztin Astrid erhält. Das langsame Aussterben der Innenstädte. Alte Freundschaften. Das Älterwerden. Und natürlich auch um die immer wieder auftretende Bedrohung durch Männer. Dies sind viele Themen für ein 300 Seiten dünnes Buch. Dennoch sind es nicht zu viele. Sie werden auch weder zu knapp noch zu ausschweifend behandelt, alles hat das richtige Maß. Ich fand auch die Charaktere sehr gut und realistisch ausgearbeitet. Alle ihre Empfindungen und Ängste waren absolut nachvollziehbar. Äußerst gelungen fand ich auch die kleinen Andeutungen, was nebenan geschehen sein könnte. Sie lassen genügend Spielraum für Spektulationen und eigene Gedanken, allerdings wieder, ohne zuviel Raum einzunehmen. Ein rundum gelungenes Buch, das neugierig auf das weitere Werk der Autorin macht.

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand
22. Sept. 2022
Bewertung:4

In einem kleinen Dorf am Nord-Ostsee-Kanal verschwindet über Nacht eine Familie, was ein Gedankenkarussell bei den Nachbarinnen Julia und Astrid in Gang setzt. Julia und ihr Partner Chris wollen unbedingt ein Baby und versuchen alles dafür. Astrid führt mit Anfang 60 seit mehreren Jahren ihre Praxis in der nahen Kreisstadt. Beide Frauen haben ihre Geheimnisse, Ängste und Sehnsüchte. Dieser Roman sticht mit den 288 Seiten durch seine ruhige und tiefe Wortwahl heraus. Einfühlsam und liebevoll beschreibt die Autorin die Gedankenwelt ihrer Protagonistinnen. Was und wie viel wissen wir überhaupt über die Menschen, die in unserer unmittelbaren Nachbarschaft leben? Ich kann verstehen, dass viele ein Lesehighlight in dem Buch gefunden haben. Für mich persönlich plätscherte das Buch phasenweise vor sich hin. Trotzdem mochte ich die Art, wie Kristine Bilkau ihre Figuren hat entwickeln lassen und spreche daher eine Empfehlung aus.

Nebenan
Nebenanvon Kristine BilkauLuchterhand