Ein leises, weises Buch
Als Mustafa beim Fischen ein Baby entdeckt, das von einem der vielen Flüchtlingsboote in der Ägäis stammt, ändert sich für ihn und seine Frau Mesude alles. Statt das Kind den Behörden zu übergeben, versteckt Mustafa es. Doch was, wenn die Mutter des Kindes noch lebt? Ein Roman von großer emotionaler Wucht. Mustafa und Mesude leben in einem kleinen Dorf in der Ägäis vom Fischfang. Seit ihr kleiner Sohn Deniz ertrunken ist, zeigt sich das Glück nur noch selten. Und dann taucht da dieses Baby auf. Ein berührendes, politisches wie tragisches Buch.
Das Meer hat dem Fischer Mustafa und seiner Frau Mesude ihren Sohn Deniz genommen... Die Trauer um den ertrunkenen Sohn hat das Paar verändert. Die Beziehung des Paares ist von Einsamkeit, Routinen und Trauer geprägt. Eines Tages birgt Mustafa zwei tote Flüchtlinge aus dem Meer und rettet ein Baby. Den Behörden meldet er jedoch nur den Fund der zwei Leichen. Das Meer hat ihm und seiner Frau einen neuen Sohn gebracht... So verstricken Mustafa und seine Frau sich in ein l Dilemma. Sie stehen immer wieder vor den Fragen, ob und wie sie das Baby behalten können, ob es von seinen Eltern vermisst wird, ob sie es übergeben sollten oder ob sie bestraft werden, wenn sie es behalten. Livaneli beschreibt in seinem Roman authentisch die komplexen Gefühle zweier trauernder Eltern, voller Liebe für ein fremdes Kind. Dabei gelingt es ihm politische Themen geschickt in den Kontext einzuweben. Die Dramatik der Flucht über das Meer sowie die Problematik von Fischfarmen werden eindrücklich beschrieben. Am Ende der Geschichte war ich zu Tränen gerührt und verbleibe erschüttert über das Geschehen in unserer Welt.

Eine Hommage an Ernest Hemingways "Der alte Mann und das Meer"
Mustafa ist ein einfacher Fischer und glücklich verheiratet mit Mesude. Doch seit dem Unfalltod des Sohnes ist er ein wenig eigenbrötlerisch. Eines Tages findet er beim Fischen ein Baby in einem Schlauchboot. Später erfährt er, dass ein Flüchtlingsboot gekentert sei. Er beschließt, das Baby vor den Behörden zu verschweigen und es zu sich und seiner Frau zu nehmen. Doch was, wenn die Mutter des Jungen das Bootsunglück überlebt hat? Livaneli reißt in seinen aktuellen Roman wirklich viele Themen an: Fischfang und -farmen, Umweltverschmutzung, Flüchtlingssituation, Erderwärmung, Massentourismus. Und das alles auf schmalen 192 Seiten. Er setzt diese Themen aber so gekonnt in Szene und ohne jegliches Fingerpointing, dass sie sich nahtlos in die Geschichte fügen. Es liest sich wie eine Novelle und ist eine ganz hervorragende Hommage an Hemingways Erzählung. Mir hat dieses Buch unheimlich gut gefallen - genauso übrigens wie schon "Unruhe". Kennt ihr Zülfü Livaneli? Schon etwas von ihm gelesen? Sonst bitte dringend nachholen.