30. Mai 2024
Bewertung:4

Das Einhorn sucht Bianchi auf, weil es seine Hilfe braucht; tatsächlich ist es aber das Einhorn selbst, das Bianchi hilft. Die Begegnung mit dem Fabelwesen verändert sein Leben und seine Lebenseinstellung: er ist inspiriert, er öffnet sich und kommt aus seinem Schneckenhaus. Bianchi wird in seiner Weltabkehr weder durch den Erzähler, noch durch den Leser kritisiert. Als Leser ist man von Anfang an seiner Seite, fühlt und leidet mit ihm. In einer fast schon poetischen Sprache beschreibt Beagle in seinem neuen Buch die Begegnung zwischen Einhorn und Mensch. Deutlich ersteht vor mir bei der Lektüre die Landschaft Kalabriens. Ich fühle den Wind und die Sonne auf meiner Haut. Diese Sprache, die nie kitschig oder platt, sondern in einfachen Sätzen fesselnd und ausdrucksvoll ist, trägt die märchenhafte Erzählung. Es ist diese Art der Erzählweise, die die Bücher Beagles zu einer Besonderheit der Fantasyliteratur macht. Bereits der Roman Das letzte Einhorn ist dadurch gekennzeichnet. Der Stil harmoniert mit dem Motiv des Einhorns: er ist weder wild, noch chaotisch oder gewöhnlich. Er ist ebenso besonders wie das Einhorn, das immer Magie und Ruhe ausstrahlt. Dabei enthält das Buch durchaus Kritik an den modernen Verhältnissen, etwa am Umgang mit der Schöpfung. Beagle zeigt auf, warum das Einhorn in unserer modernen Welt nicht bestehen könnte - ja, vermutlich sogar schon ausgerottet wäre: Dem Menschen genügt nicht das Wissen um Schönheit, er will sie besitzen. So stellt Bianchi einem der Einhornjäger, die auf seinem Grundstück Jagd auf das Wesen machen wollen, die Frage, warum sie das Einhorn nicht einfach nur fotografierten oder filmten und so eine Erinnerung schaffen würden. Er erhält die Antwort, dass der eigentliche Triumph, die eigentliche Errungenschaft aber doch nur die Trophäe an der Wand sei. Und so verschwindet das Einhorn am Ende wieder so geheimnisvoll aus der Welt wie es sie betreten hat. Aber es hat doch Spuren in Bianchis Herzen hinterlassen. Ein modernes Märchen, das dürfte In Kalabrien beschreiben. Aber vielleicht auch eine Parabel. Auf jeden Fall fand ich das Buch sehr lesenswert. Eine Fantasygeschichte, aber doch anders als jene, die ich sonst lese. Die Magie, die ich bereits in Das letzte Einhorn gefunden und geliebt habe, kommt hier zurück. Ein Buch, dass mich voll und ganz überzeugen konnte.

In Kalabrien
In Kalabrienvon Peter S. BeagleKlett-Cotta
23. Sept. 2022
Bewertung:3

Claudio Bianchi lebt zurückgezogen auf seinem Hof in Kalabrien. Eines Tages taucht dort ein Einhorn auf, dass eindeutig trächtig ist. Bianchi erzählt niemandem davon, Giovanna, die Briefträgerin findet es jedoch durch Zufall heraus. Sie wird schließlich seine Geliebte, obwohl die beiden mehr als zwanzig Jahre Altersunterschied trennen. Das Einhorn bekommt sein Junges und die beiden leben auf Bianchis Hof. Doch die Ruhe ist bald vorbei, denn die Presse und auch die Ndrangheta bekommen Wind davon... Ich mochte Claudio und Giovanna, fand aber die Kombination aus Einhorn und Mafia etwas weit hergeholt. Außerdem war mir nicht ganz klar, welchen Sinn das Auftauchen des Einhorns, der Signora, wie Bianchi sie nennt, haben sollte. Mir hätte die Geschichte ohne Einhorn vermutlich besser gefallen.

In Kalabrien
In Kalabrienvon Peter S. BeagleKlett-Cotta
25. Aug. 2022
Bewertung:5

Manchmal muss es ein Märchen sein. Dieses ist so klar, so poetisch, so wortgewandt erzählt. Es ist kein Jahreshighlight, sondern eines das ein Jahr weit überdauern wird, ein Schatz in meinem Bücherregal. Peter S. Beagle ist hier wieder einmal eine ganz besondere Geschichte gelungen und Oliver Plaschka hat es herausragend übersetzt. Ich kann dem ganzen Einhorn-Hype nichts abgewinnen und sage immer, dass es nur ein liebenswertes Einhorn gibt. Ab heute gibt es für mich zwei und beide hat Peter S. Beagle geschaffen, von dem Tad Williams sagt, dass er ein "Räuberprinz sei, unterwegs um die Herzen der LeserInnen zu stehlen". Wie recht er doch hat! P. S.: Dies ist kein Fantasy-Roman, sondern ein modernes klassisches Märchen. Ihr "Nicht-Fantasy-Liebhaber" lasst euch darauf ein. Es lohnt sich.

In Kalabrien
In Kalabrienvon Peter S. BeagleKlett-Cotta