Gesellschaftskritisch und in klassisch gehobener Sprach... Die Schwimmbad-Bibliothek wirkt lange nach...
Alan Hollinghurst - "Die Schwimmbad-Bibliothek" ist schon älteren Datums (erstmalig erschienen '88). Es geht grob zusammengefasst um die Gedanke - und Gefühlswelt, sowie die Sehnsüchte und Liebeleien homosexueller Männer in den 80er Jahren, aber auch um Begegnungen mit Gewalt und Hass, sowie der Zeit, als es verboten war homosexuelle zu Lieben und zu Leben. In ruhiger Ich-Erzähler-Form begleitet der Leser den Protagonist William durch dessen Alltag. Da er keinerlei Geldsorgen hat, denn er stammt aus gutem Hause, geht er daher auch keiner geregelten Arbeit nach, sondern lebt in den Tag hinein, geht zum Sport und Schwimmen, in einschlägige Kinos, Cafés oder Bars, begutachtet dort die Männer und ist auf spontane Treffen aus. Eigentlich ein recht oberflächliches Leben, wobei er sich auf seinem hübschen Erscheinungsbild ausruht und sich scheinbar um nichts Gedanken macht Das ändert sich als er auf den 82 jährigen Charles (einen Lord) trifft, dem er das Leben rettet, und dessen Memoiren er anschließend schreiben soll. Durch unzählige Schriften erlangt er Einblick in die Lebensgeschichte Charles', dessen Leben im Sudan und sein Leben zu der Zeit, als es noch unter Strafe stand, dass Männer Männer liebten. Und plötzlich war er in seiner eigenen Lebensgeschichte gefangen...da sein eigener Großvater eine wesentliche Rolle in der damaligen strafrechtlichen Verfolgung homosexueller Männer spielte... Die Textpassagen aus den Tagebüchern des Lords sind etwas schwierig aus dem Gesamttext zu entschlüsseln. Man muss schon konzertiert lesen, um nicht den Faden zu verlieren, in welcher Zeit man sich gerade befindet. In den jungen Jahren des Lords oder wieder bei William in der Gegenwart. Mir fehlt da leider etwas dir Gliederung der Textabschnitt. Es geht mir zu sehr fließend über. Aus dem Grund ist das Buch auch nicht in einem Husch zu lesen. Auch die Sprache ist alles andere als gewöhnlich. Es werden Worte genutzt, welche heute wahrscheinlich eher selten in Büchern zufinden sein werden, aber das ist es, was ich so toll finde! Worte wie "affektive Nonchalance", "pittoresk", "prätensiös", "brüskieren" oder "geflissentlich" sind nur ein paar Beispiele, die häufig genutzt werden. Ich möchte sagen, der Sprachstil ist schon etwas gehobener, vielleicht auch klassischer, aber ich mag das sehr gern! Was mir Dank meiner Lesehistorie aufgefallen ist, ich habe den Eindruck Männer schreiben viel deutlicher, rauer, weniger romantisch, als Frauen das Genre angehen, und es ist auch sehr spannend, wie sich die Gedanken der Männer um andere Männer drehen. Wie sie wen ansehen, andere Männer empfinden und welche Worte sie benutzen. Der gedankliche und emotionale Unterschied zwischen Mann und Frau bezüglich des Schreibens in diesem Genre ist wirklich beeindruckend.