Die unstillbare Wut einer Mutter gegenüber ihrem Kind. Erzählt wird die Geschichte eines Teufelskreises aus körperlicher und seelischer Gewalt. Was macht das mit einem Kind? Wie wird er zu einem Erwachsenen? Ist dein Leben vorherbestimmt? Wird auch das Kind zu einem gewaltvollen Erwachsenen? Kann man diesen Weg beeinflussen? Harald Martenstein versucht uns in diesem Roman an einem Leben teilzunehmen, dass niemandem gewünscht wird. Nur, auf alle Fragen gibt es keine Antwort. Das Buch ist gut, es ist traurig. Und gleichzeitig nötigt es dem Leser Respekt ab, dass der Mensch sich öffnet und sein Leben Preis gibt.
So schön geschrieben und dann so ein popeliges Ende…
Ein Junge, der nicht verzeihen und vergessen kann, ein Erwachsener der verzeihen, aber nicht vergessen kann. Eine Pathologie, entstanden aus einer schrecklichen Kindheit. Seit frühester Kindheit leidet Frank an und unter seiner Mutter. Maria, ihres Zeichens Franks Mutter, leidet an gewaltigen Wutausbrüchen, die sie nicht unter Kontrolle bringen kann. Sie schlägt, schreit, spukt, stochert mit Besenstielen, betreibt Psychoterror und Erpressung. Von jetzt auf gleich wechselte sie von netter Mutter in böses Monster. Erlebte Enttäuschungen, Träume, die nicht aufgingen, eine Ehe, die nicht das Wahre zu sein scheint, eine Liebe, die nicht gelebt werden konnte … all dem ist ihr Verhalten geschuldet. Die Story startet mit einer Art Aufarbeitung der Erfahrungen, die Frank in jungen Jahren machte. In leicht sarkastischer Manier werden an vielen Stellen die Traumata mit der Mutter und deren Misshandlungen geschildert. Doch ab einem gewissen Punkt schlägt die Geschichte um und man befindet sich gefühlt nicht mehr in einer Aufarbeitung. Aber wo dann, war mir nicht ganz klar. An vielen Stellen wird an Szenen und Menschen herum philosophiert, die mich annehmen lassen, dass es sich hier um eine Idee, eine Vorstellung, reine Fiktion handelte, um dann wiederum in das echte, erlebte Leben umzuschwenken. An vielen Stellen ist es sehr atmosphärisch, im nächsten Moment kühl, kalt und grausam. Der Schreibstil ist angenehm, an manchen Stellen etwas langatmig. Einzelne bildliche Beschreibungen ließen mich auflachen, andere Stellen brachten Gänsehaut. Das Buch lässt mich verwirrt zurück und ich kann nicht ganz einordnen, was der Autor sagen wollte. Ich finde die Geschichte per se nicht schlecht, würde das Buch aber in meinem Leseumfeld nur einigen wenigen Personen empfehlen.
„Wut“ ist ein Roman, der anfänglich abstößt und verstört, dann zeitweise fasziniert und zum Ende hin leider in surrealer Absurdität zu zerfasern scheint, was durch den sehr gelungen Epilog jedoch einigermaßen wieder herausgerissen werden kann. Erzählt wird die Geschichte einer Kindheit, die unter den brutalen Ausbrüchen einer Mutter, deren Fürsorge zwischen Vernachlässigung und unkontrollierbarer Wut schwankt, leidet. Diese im Gesamtkontext kurz erscheinenden Erinnerungen wechseln sich ab mit Rückblicken in das familiäre Konstrukt und das Heranwachsen der Mutter, die sich schon im frühen Kindesalter durch Unbeherrschtheit auszeichnete. Eine Erklärung für dieses Verhalten bieten diese Einsichten jedoch leider nicht. In der Folge springt der Roman episodenhaft durch das Leben des Protagonisten, zusammengehalten werden die einzelnen Kapitel durch die Auswirkungen der mütterlichen Erziehungsmethoden, mal ist der direkte Zusammenhang deutlich zu erkennen, mal tritt die Mutter auch fast völlig in den Hintergrund. Schließlich begibt sich die Handlung in etwas abstrus erscheinende Gefilde, bei aller Liebe zur Verschmelzung dessen, was als real wahrgenommen wird und der puren Imagination, erschien mir der Weg der Geschichte schließlich doch als zu weit, zumal dieser auf Kapitel folgte, die von völlig unglaubwürdigen Figuren bevölkert wurden. Der Roman liest sich sehr gut, aber das Gefühl, dass hier insgesamt nur an der Oberfläche eines Problems bzw. sehr vieler Probleme gekratzt wird, lässt mich nicht los. Gerade in Bezug auf die Figur der Mutter fehlt mir eine tiefere Auseinandersetzung, die mehr ist als ein bloßes Nachzeichnen von Ereignissen. Insgesamt ein besonders in der ersten Hälfte lesenswerter Roman, der sich aber scheut, seinen starken, abstoßenden Auftakt im Verlauf der Handlung einzulösen. Letztlich ist nur das Ende so stark wie der Beginn verspricht.
Eine Mutter schlägt ihr Kind. Hart. Wie von Sinnen. Immer wieder. Mit einer Gnadenlosigkeit, die man am liebsten erbrechen würde wie Galle. Sie bespuckt den Sohn, verhöhnt ihn, giert nach einer Reaktion – die er ihr mit kaltem Hass verweigert._ _ Da musste ich manchmal eine Pause machen. Tief durchatmen, den Kopf frei bekommen. Aber dem Sog des Romans konnte ich mich nie lange entziehen._ _ Unterschwellig vernimmt man auch in friedlicheren Szenen das dumpfe Dröhnen einer mit Verzweiflung gepaarten Wut – der Klang einer Wahrheit, die beim Lesen erschüttert bis ins Mark. Selbst wenn ich rein gar nichts über den Autor wüsste, würde ich die Hand dafür ins Feuer legen: hier schreibt ein Mensch aus persönlichem Erleben, da steckt viel Biographisches im scheinbar Fiktiven._ _ Der Autor bestreitet das nicht, sagt im Prolog des Buches jedoch:_ _ “Und dies ist ein Roman, keine Biographie und keine Reportage. Ein Anderer als ich könnte ihn nicht schreiben, denn ich arbeite, wie jeder Romanautor, im Steinbruch meiner Erinnerungen, eigne mir dieses an, verwerfe jenes, erfinde dazu und vergesse. Ich habe mir alle Freiheiten genommen, die das Genre Roman gestattet.”_ _ Ihm gelingt der Drahtseilakt zwischen schonungsloser Darstellung dieser von Gewalt geprägten Mutter-Sohn-Beziehung und psychologischem Feingefühl. Seine Charaktere sind im Guten wie im Schlechten komplex und glaubhaft, auch wenn ihre Beziehung eine Katastrophe ist._ _ Harald Martenstein beschönigt nichts, aber er dämonisiert die Mutter auch nicht. Stattdessen gibt er den Ursachen Raum: Maria wächst in der Nachkriegszeit ohne Eltern auf – zum Teil im Bordell der Tante, zum Teil ausgerechnet in einer Klosterschule. Sie ist hochintelligent, will Ärztin oder Anwältin werden, scheitert jedoch am Patriarchat._ _ Nach Jahren des Frusts, der Erniedrigung und der gescheiterten Träume hat sie ihre Wut nicht mehr im Griff, was später auch ihr Sohn zu spüren bekommt._ _ Protagonist Frank ist inzwischen ein Mann in mittleren Jahren, schon lange nicht mehr das geprügelte Kind. Er will verstehen, was geschehen ist und warum, vielleicht sogar verzeihen – begreift aber lange nicht, dass er die Wut seiner Mutter als bitteres Erbe in sich trägt. Er führt ungesunde Beziehungen mit nicht weniger emotional verwundeten Frauen, letztendlich mit fatalen Folgen. Gewalt gebiert Gewalt, über Generationen hinweg._ _ Oder doch nicht?_ _ Das Ende macht einiges, was man als Leser:in für bare Münze genommen hat, wieder ungeschehen, verlegt es ins Reich des Fantastischen – oder der Wahnvorstellung._ _ Das tut dem Roman meines Erachtens nicht gut; der Realismus der bis dato ungeschönten Handlung wird dadurch zu sehr beschnitten und damit auch die emotionale Wucht der Geschehnisse geschmälert._ _ Fazit_ _ Als Kind wurde Frank von seiner Mutter regelmäßig verprügelt, verhöhnt und erniedrigt – bis er als Jugendlicher zurückschlug und dann aus dem Fenster sprang. Jetzt ist Frank im mittleren Alter, seine Mutter dement, und er will verstehen, vielleicht sogar verzeihen._ _ Harald Martenstein erzählt die Geschichte der Mutter, beleuchtet die Ursachen ihrer unstillbaren Wut. Parallel muss sein Protagonist erkennen, wie sehr er diese Wut selber in sich trägt._ _ Der Roman ist harte Kost, dabei aber nicht übertrieben oder effektheischend. Die Charaktere werden lebendig und glaubwürdig beschrieben, die Sprache trifft genau den richtigen Ton zwischen Unterhaltung und Ernsthaftigkeit. Einzig das Ende stellt in meinen Augen einen unpassenden Bruch dar, da es Elemente der Handlung abseits der Realität wieder rückgängig macht._ Diese Rezension erschien zunächst auf meinem Buchblog: https://wordpress.mikkaliest.de/rezension-harald-martenstein-wut/